Veste Wachsenburg (Thüringen)

Toreingang zur Veste Wachsenburg von den Drei Gleichen
Toreingang zur Veste Wachsenburg von den Drei Gleichen

"Die Wachsenburg, die höchste und südöstlichste der Gleichen, lockt die meisten Gäste an, nicht nur, weil die Eisenbahn bis in die Nähe derselben führt, sondern hauptsächlich, weil sie die umfassenste Aussicht und überdies Obdach und Bewirtung bietet. Der Schlosshauptmann wohnt zwar gewöhnlich in Gotha, aber ein Kastellan bewirtet die Besucher, allerdings nur bescheiden, mit Speis und Trank. Der sterile Bergkegel, auf dem die Veste weithin sichtbar thront, ist mit Gipsadern durchschnürt, von Wasserrinnen durchfurcht und nur auf der West- und Nordseite mit einem kleinen Buchenwäldchen bedeckt. Man braucht 15 - 20 Minuten, um ihn (von der Südseite aus) zu ersteigen. Vor dem äußeren Schlosstor (auf der Nordseite) eine Eichenrotunde mit Tischen und Bänken. Durch dieses Tor geschritten, geht man innerhalb der hohen Ringmauern nochmals um das ganze Schloss herum, bis man durch eine abermalige Pforte in den inneren, kleinen Burghof tritt. Hier stoßen die Hauptflügel des stattlichen Baues zusammen. Im westlichen wohnt der Schlosskommandant, der die ihm gehörige Sammlung von Waffen, Gefäßen und Gläsern sowie einige recht hübsche Bilder (darunter dasjenige der Melechsala, morgenländischen Gemahlin des Grafen von Gleichen) gern zeigt. Auch der östliche Flügel ist zum Teil restauriert. Merkwürdig ist der beinahe 100 m tiefe Brunnen im äußeren Schlosshof. Schüttet man das durch ein Tretrad herauf gewundene Wasser wieder hinab, so dauert es 11 Sekunden, ehe man das seltsame Geräusch des Falles hört. Auf Wunsch der Besucher kann der Brunnen durch einen bis auf den Wasserspiegel hinabgelassenen Kronleuchter erhellt werden, bei geeignetem Wetter auch durch einen Sonnenreflex-Spiegel."

Quelle: "Meyers Reisebücher - Thüringen" von Heinrich Schwerdt, 1879 Leipzig

Restaurierte Burgtürme der Veste.
Restaurierte Burgtürme der Veste.
Ansicht von restaurierten Wirtschaftsgebäuden im Innenhof der Veste.
Ansicht von restaurierten Wirtschaftsgebäuden im Innenhof der Veste.
Nachbau eines Schmähkäfigs oder Pranger
Nachbau eines Schmähkäfigs oder Pranger

Geschichtliches: Auf dem Wachsenberg baute (um 950) der Abt von Hersfeld ein Kloster und besetzte es zur Überwachung der umliegenden Stiftsgüter mit waffenfähigen Leuten. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts kam das Kastell an die Grafen v. Käfernburg und fiel 1302 an Heinrich v. Hohnstein, der es 1306 an die Grafen von Schwarzburg verkaufte. Diese traten es 1368 an den Landgrafen von Thüringen ab und von diesem fiel es 1450 an Herzog Wilhelm von Weimar, der es dem berüchtigten Apel von Vitzthum verpfändete. Um denselben zu züchtigen, belagerten die Erfurter das Schloss und eroberten es 1452. Zum Andenken an dieses Ereignis sind im östlichen Seitengebäude einige steinerne Kugeln eingemauert, welche die Erfurter aus ihren Steinbüchsen geschossen. Jetzt gehört die Wachsenburg zum Herzogtum Coburg-Gotha und wurde zuweilen als Staatsgefängnis benutzt.
"Meyers Reisebücher - Thüringen" von Heinrich Schwerdt, 1879 Leipzig

Kanone ohne Lafette vor dem inneren Tor zu Wachsenburg.
Kanone ohne Lafette vor dem inneren Tor zu Wachsenburg.
Weitere Ansicht der Burgkanone. Ob sie original von der Burg stammt ist nicht bestätigt worden.
Weitere Ansicht der Burgkanone. Ob sie original von der Burg stammt ist nicht bestätigt worden.
Der Burgfried von der Veste Wachsenburg.
Der Burgfried von der Veste Wachsenburg.
Innenhof der Veste, den man für Firmenevents und Hochzeiten mieten kann.
Innenhof der Veste, den man für Firmenevents und Hochzeiten mieten kann.
Aussicht auf die unter der Veste liegende Ortschaft Holzhausen.
Aussicht auf die unter der Veste liegende Ortschaft Holzhausen.

Die Aussicht aus den Fenstern und von den Zinnen der Burg ist sehr schön. Besonders gegen Norden breiten sich lachende Gefilde, mit zahllosen Ortschaften besäet, wie eine bunte Landkarte aus. Am äußersten Horizont das Wolkenhaupt des 100 km entfernten Brocken. Im Süden und Westen die Gebirgskette des Thüringer Waldes vom Schneekopf bis zur Wartburg.

"Meyers Reisebücher - Thüringen" von Heinrich Schwerdt, 1879 Leipzig

Maschikuli (Öffnung für heißes Pech zur Abwehr von Angreifern) an der Außenseite des inneren Burgtors.
Maschikuli (Öffnung für heißes Pech zur Abwehr von Angreifern) an der Außenseite des inneren Burgtors.
Detailaufnahme von der Öffnung.
Detailaufnahme von der Öffnung.
Massiver Palas (Wohngebäude) als Verteidigungsanlage auf der Veste.
Massiver Palas (Wohngebäude) als Verteidigungsanlage auf der Veste.

Bildlicher Rundgang unterhalb der Veste Wachsenburg (Wanderpfad)

Ausschnitt aus: Wanderungen durch Thüringen: Mit 30 Stahlstichen von Ludwig Bechstein, Leipzig 1838.

 

Die drei Gleichen

Am frühen Morgen trug ein leichtes Fuhrwerk die Reisenden auf etwas schlechten Feldwegen den Gleichen und zunächst der noch im bewohnbaren Zustand erhaltenen Wachsenburg zu. Die Stadt hüllte sich den Blicken der Rückwärtsschauenden bald in Duft, der Weg bot nichts Anziehendes dar, und niedrige Höhenzüge beschränkten zu beiden Seiten die Fernsicht; daher suchte Otto die Aufmerksamkeit seiner Gefährten umso mehr auf das zunächst zu betretende Gebiet zu lenken. „Der vulgäre Name dieser Nachbarburgen,“ begann er: „die drei Gleichen, ist durchaus unrichtig, denn einmal war nur eine derselben Gräflich Gleichische Veste, und hieß Gleichen, und dann sind sie weder von gleicher Höhe, noch gleicher Entfernung voneinander; indes sie scheinen letzteres von gewissen Standpunkten aus gesehen, zu sein, und der volkstümliche Gebrauch mag die Benennung rechtfertigen, welche absolut verdrängen zu wollen, ebenso zwecklos als töricht wäre. Das nichts weniger als malerisch sich von hier ausnehmende, hinter die Mauern sich verkriechende Haus auf dem steilen Berge vor uns ist die Wachsenburg, die höchste ihrer Schwestern, von einem Kommandanten noch bewohnt, und durch ihre Schicksale, wie durch ihre Räume, an denen die Beschaffenheit so vieler in Ruinen liegenden Bergschlösser erkannt werden mag, nicht ohne Interesse. In früher Zeit stand ein Kloster auf diesem Berge, das später auf den Walpurgisberg bei Arnstadt verlegt wurde, jene Felsenhöhe, unter welcher wir am gestrigen Tage, bei der Eremitage, weilten. Später ließen die Territorialherren, die Äbte von Hersfeld, zur Sicherung ihres Gebietes, hier eine Burg erbauen. Von jenen Besitzern gelangte die Veste an die Grafen von Kefernburg und Schwarzburg, und einige der Letzteren sahen sich genötigt, die Burg zu verkaufen. Von zwei Liebhabern dazu, der Stadt Erfurt und den thüringischen Landgrafen, erlangten, nicht ohne Gewalt, die Letzteren die Veste, und behaupteten sie fortwährend, sodass sie endlich auch dem Hause Wachsen zufiel und bis jetzt noch S. Gotha gehört. Während die Sachsenburg Landgrafen-Eigentum war, wurde sie dem berüchtigten Apel von Vitzthum verpfändet, und als dessen blutig-roter Stern unterging, entstand noch ein harter Kampf um dies alte Nest; es hielt eine dreiwöchentliche Belagerung aus, wurde tüchtig beschossen und endlich mit Hilfe eines von Bergleuten angelegten Stollens erobert. Die Erfurter taten dabei das Beste, und gewannen nicht nur große Beute, sondern auch für ihre Stadt politische Vorteile. Unter Herzog Ernst dem Frommen wurde sie zu einem Zucht- und Waisenhaus eingerichtet, doch ging beides wieder ein, und die Burg diente später nur noch bisweilen zu einem Staatsgefängnis.“

 

Im Dorf Holzhausen, am Fuß des Burgberges, musste der Wagen halten und die Freunde stiegen zu der steilen Höhe hinauf. Vor dem Burgtor, welch ein schöner, zum Verweilen einladender, Linden umgrünter Platz! Weithin vermögen die Blicke zu streifen und überall, wie honigdurstige Bienen, von der blühenden Aussicht zu kosten. Dort grüßt Arnstadt freundlich herüber, dort leuchten Erfurts Festungsmauern, ragen der Dom und die Türme des Severistifts. Dort ruhen Molsdorf und Ichtershausen mit ihren Gartenwaldungen, grüne Punkte, und die reinlichen Häuser des fleißigen Neudietendorf sind sichtbar, nebst zahllosen anderen Dörfern und Höfen. Mühlbergs graue Warte schaut über den Bergrücken, dessen Endpunkt sie bildet; Schloss Gleichen winkt nahezu sich hinüber, in seine romantischen Trümmer. Weiter westlich hebt sich auf kalkigem Bergrücken die Sternwarte Seeberg, prangt das gothaische Residenzschloss Friedenstein — und fern am äußersten Horizont ragt die hehre Wartburg empor. „Hier liegt vom Buche Thüringen eine der herrlichsten Stellen vor uns aufgeschlagen,“ sprach Otto: „diese Burgen, jene Städte, selbst jener jetzt nackte Hügel hinter Arnstadt, darauf einst die Kefernburg heirschend stand, geben dem des Stoffes zum Nachdenken genug, der diese Stelle kommentieren möchte. Wir aber klopfen jetzt an und läuten, drinnen erschallt lautes Rüdengebell, endlich erscheint ein Pförtner oder eine Pförtnerin und lässt uns ein, durch einen schmalen Zwinger in den geräumigen, die Burg ganz umziehenden Hof führend.“


Zunächst wurde der sehr tiefe, in Felsen gegrabene Brunnen besehen, dann das Haus, zu dessen Innern ein zweites Tor führt und in welchem freundlich nette Zimmerchen die Wohnung des Kommandanten bilden, während noch außer diesen die (neuere) Kirche, das Staatsgefängnis (eine Stube mit vergittertem Fenster), verschiedene Gewölbe- und winkelvolle Gänge gezeigt werden. Gern aus der beklemmenden Enge des alten Baues wandte man sich wieder heraus zum luftigen, zum Teil in Gartenland verwandelten Hof, und ließ die Augen an den Erntefeldern, den lichtgrünen Wiesen, der bunten Färbung des Bodens, der ausgebreitetsten Aussicht sich ergötzen. Der Himmel war rein und klar geworden, es war möglich, die Konturen des fernen Harzes zu erkennen, und das graue Haupt des dreizehn Meilen entfernten Brocken zu grüßen.


Befriedigt wandelten die Freunde bergab; da die Fahrwege in dieser Gegend nichts weniger als einladend sich darstellten, so hieß Otto das Geschirr nach Mühlberg vorausfahren und führte die Begleiter den vorhin erwähnten, nicht hohen bewaldeten Bergrücken, „die Leite,“ hinan, welchen überwandelnd, die Landschaft in immer vollerem Reiz erblickt wurde. Anziehend stellte sich weiter zur Linken auf Höhe, die Fernsicht begrenzender Hochebene die Ruine einer gotischen Kapelle: Heiligkreuz, dar.


Ehe die Wanderer es dachten, lag Mühlbergs einsame Trümmer ihnen ganz nah. Der 70 Fuß hohe Turmgigant schien eine Steinkrone zu tragen, und er ist es vorzüglich, der dieser Ruine den malerischen Reiz verleiht. Otto musste bedauernd gegen die Begleiter erwähnen, dass er die Hoffnung, sie von den hohen Zinnen herab die Gegend überschauen zu lassen, so eben gescheitert sehe, indem früher im Turm vorhandene Leitern, auf denen er einst hinauf geklimmt, nicht mehr da waren. Aus den noch vorhandenen Ruinen lässt sich wenig auf die ehemaligen Gebäude schließen, aber hie und da aufgähnende Höhlungen lassen zahlreiche und tiefe Kellergewölbe vermuten. Der Blick hinab auf den teilweise noch umwallten und ummauerten Flecken Mühlberg ist angenehm, nicht minder macht hie und da eine Maueröffnung den natürlichen Rahmen reizender Landschaftsbilder, besonders öffnet sich ein solches gegen Arnstadt und die Wachsenburg hin, das wirklich geeignet wäre, Zeichner anzulocken. Während nun Wagner in der Tat sich angezogen fühlte, diese Partie seinem Album einzuverleiben, lagerten sich Lenz und Otto auf Fels und Trümmergestein und duftenden Quendel [Sand-Thymian], und der Letztere gedachte im Gespräch des geschichtlichen Dunkels, in welches Mühlbergs Erbauung fällt, die von den thüringischen Chronisten ungemein frühzeitig angegeben wird. Aus diesem Dunkel treten später urkundlich beglaubigte Grafen von Mühlberg, deren Geschlecht aber auch schon im dreizehnten Jahrhundert erlischt, worauf ihre Veste an die Landgrafen von Thüringen fiel und später die Eigentümer mannigfach und wunderlich wechselte. Geschichtlich Denkwürdiges trug sich auf diesem Mühlberg nichts zu, Fehden und Belagerungen fehlten jedoch nicht, und eine derselben feiert sogar ein altes, noch vorhandenes Gedicht.


Wann die Burg zur Ruine ward, weiß man nicht; ein viereckiger Turm, angeblich höher, als der noch stehende über dem Tor, stürzte 1768 zusammen.