Von der Antike bis in die Neuzeit
Die Urform des Spornes liegt im einfachen Holzspan, der zur Verschärfung des Fersenstoßes vom Reiter oberhalb der Ferse in einen Riemen eingeschoben wurde. Die ältesten Sporen als solche hat die Kulturepoche der Latènezeit geliefert.
Sie zeigt den Holzspan in Eisen umgewandelt und zur besseren Befestigung mit seitlichen Ansätzen versehen, welche Knöpfe zur Anschnürung aufweisen. Diese schon im 4. Jhd. v. Chr. auftretende Form
findet ihre Verwendung bis in die Römerzeit, erhält aber in letzterer Epoche einen verstärkten Stachel und massiveren Bügel.
Mit dem Erscheinen der Römer tritt eine neue, dem römischen Schuhwerk besser entsprechende „klassische“ Form neben die bisher übliche „barbarische“, ohne Zweifel keltische. Der Sporen wird nicht
mehr angeknöpft, sondern erscheint mit Riemenwerk ausgefüttert und dieses mittelst nach innen gestellter Knöpfe oder Stiften angenietet. Der Bügel wird allmählich länger und die ganze Gestalt
zeigt schärfere, edlere Linien. Von dieser Grundform ausgehend, bildet sich im Norden eine für diesen charakteristische Variante mit ganz kurzem Nietbügel und übermäßig breitem und starkem
Stachel. Mit der Völkerwanderungszeit treten an die Stelle dieser Typen neue. Der Stachel ist wieder kurz und halslos geworden, der Bügel zeigt lange, magere Arme und an deren Enden erscheinen
Ösen. Gegen die Mitte des ersten Jahrtausends n. Chr. ist der Bügel dünner und breiter geworden. Dann verschwindet diese Form und nur in Nordafrika hat sie sich, importiert durch die Vandalen und
beibehalten durch die Araber, bis heute forterhalten.
In Europa ist sie einer Sporenart unterlegen, die zwar zu derselben Zeit entstanden ist, wie jene und an Stachel und Bügel dieselben Merkmale aufweist, aber in der Befestigungsweise die von den
Römern eingeführte Vernietung konserviert hat. Die Bügelenden erscheinen mit den Binderiemen durch Nietnägel vereint und dieser Mechanismus bleibt nun während der ganzen Karolingerzeit im Prinzip
derselbe.
Gegen Ende des ersten Jahrtausends erscheint indessen der Bügel an den Enden erweitert und die Spitze zeigt sowohl konische und Kugelform, als auch nicht selten pyramidale Form nebst immer
schärfer ausgeprägtem und immer länger werdendem Hals.
Im 11. Jhd. beginnt der während der letzten Zeit gerade, d. h. mit dem Bügel in einer Ebene gelegene Stachel sich zu heben. Diesem Verbesserungsversuch folgt im 12. Jhd. ein zweiter, indem die Spitze nun nach unten gesenkt wird. Damit die Spitze den Boden nicht berührt, biegt man das Fersenteil des Bügels nach oben und es erhalten nun dadurch die Bügelarme geschweifte Gestalt. Die Bügelenden wiederum machen verschiedene Umänderungen der Befestigungsweise durch, bis gegen Ende des 13. Jhd. an die Stelle des Stachels eine scharfspitzig ausgeschnittene Radscheibe tritt.
Das 14. Jhd. sieht den Stachelsporn vollends verschwinden und den Radsporn allgemein üblich werden. Was von Stachelsporen in dieser Zeit noch erscheint, sind Nachzügler — in Wirklichkeit hat
indessen die Gruppe der Stachelsporen bereits mit dem Ende des 13. Jhd., also nach siebzehnhundertjährigem Bestehen, ihr Wirken auf europäischem Gebiet abgeschlossen und nur im Orient erscheint
sie als Überbleibsel von den Kreuzzügen her noch weiter. Mit dem 14. Jhd. tritt die Gruppe der Radsporen in ihre volle Tätigkeit. Der Sporenhals (Radhalter) wird allmählich länger, behält aber
noch die Neigung nach unten bei.
Dann gelangt im 15. Jhd. die Schienenrüstung zum vollen Durchbruch. In ihrem Gefolge zeigt sich die Radstange abermals verlängert, in ihrer Stellung deshalb auch waagerecht gesetzt und zur
Balancierung des vermehrten Gewichts das Rad sowohl in der Stachelzahl, als auch in der Größe und Schwere vermindert. Die schweren Turnierrüstungen bringen eine Verstärkung der einzelnen Teile
mit sich und rufen einerseits einem eigens für das Turnier bestimmten schweren Sporen, indessen andererseits die Kriegsrüstung den zwar langhalsigen, aber zugleich dünnhalsigen Sporen mit mehr
stangenartig geformtem Radhalter beibehält. Für den ungerüsteten Zustand bewahrte man halblange oder ganz kurzhalsige leichte Sporen. Diese Letzteren liefen neben den langhalsigen her und hatten
ihren Ursprung noch im ersten Radsporen, dessen Bügelform sie übernommen, indessen nur das Rad kleinere Gestalt erhalten hatte. Bemerkenswert ist für das Ende des gotischen Spornes, dessen
Abschluss übrigens erst in den Beginn des 16. Jhd. fällt, eine nach oben gerichtete Stellung des Radhalters und eine Begradigung des Bügels.
Gegen Mitte des 17. Jahrhunderts ist der gotische Sporn vom Renaissance-Sporn verdrängt. Mit diesem beginnt eine wilde Regellosigkeit in der Formengabe. Bügel, Schnallenwerk, Sporenhals und Rad
erscheinen in den verschiedensten Formen und Zierweisen, allerdings eben hierdurch zu oft in wahren Kleinkunstwerken ausgebildet. Im Allgemeinen aber darf für den Sporen des 16. Jhd. noch die
nach oben gerichtete Stellung des Radhalters als charakteristisch gelten, indessen für den Spätrenaissance-Sporen des 17. Jahrhunderts der nach unten gestellte Sporenhals ein vergrößertes, meist
durchbrochen gearbeitetes Rad und um 1680 infolge der mächtigen Reiterstiefel auch die große Bügelweite typisch wird.
Im 18. Jahrhundert verkleinert sich der Sporn wieder. Er wird leichter, enger und zierlicher, aber auch einfacher und erscheint von nun an als Ausrüstungsstück der stehenden Heere in heutiger
nichtssagender, interesseloser Gestalt. Damit findet die Geschichte eines Gerätes ihren Abschluss, dem durch alle Zeiten unsere Vorfahren stete Beachtung schenkten, an dem jede Epoche ihre
Merkmale zurückgelassen hat und dem also kein Forscher noch Sammler sein Interesse versagen kann, ist es nun doch geeignet, zeitbestimmend für die verschiedenartigsten Funde zu wirken und — hat
es doch seine eigene Geschichte!
Der Sporn in seiner Formenentwicklung
Ein Versuch zur Charakterisierung und Datierung der Sporen
unserer Kulturvölker
Einblick ins Buch hier
R. Zschille und R. Forrer (Autoren)
Umfang: 128 Seiten
ISBN: 978-3-7450-8841-0
Ladenpreis: 14,95 Euro