
Von Wendelm Boeheim.
Es ist etwas zu viel gesagt, wenn man bemerkt, dass die Waffensammlung im Bargello zu Florenz gegenüber der erdrückenden Menge anderer großartiger Kunstwerke eine nur bescheidene Stelle einnimmt. Sie nimmt eigentlich nahezu gar keine Stelle ein, man würdigt sie überhaupt keiner Aufmerksamkeit in der Meinung, dass sie doch nur Minderwertiges enthält, weil sich die Kunstschriftsteller gar so wenig mit ihr befasst haben. Es ist nun keine Meinung unrichtiger als diese, denn die kleine Waffensammlung, der Rest der Waffenkammer der Großherzoge, enthält einzig Meisterwerke der Waffenschmiedekunst und es sind nach dieser Richtung hin gewisse Partien der italienischen Kleinkunst des 16. und 17. Jahrhunderts fast nur hier allein mehr zu studieren.
Wer nach Florenz reist, dessen Sinn ist eben nur von den zu genießenden Werken der Skulptur und Malkunst erfüllt, die ihm durch eine überreiche Literatur erklärt und seiner Bewunderung anheimgestellt worden sind. Mit der Waffensammlung im Großen und Ganzen hat sich die Literatur überhaupt noch nicht befasst. Einzelne Stücke sind wohl, wie die Rosinen aus einem Kuchen, von Kunstschriftstellern herausgehoben und nach gewissen Seiten hin betrachtet worden, aber ihre Abhandlungen finden sich in Kunstzeitschriften verstreut, die dem großen Publikum völlig unbekannt geblieben sind, einem umfassenden Studium sind die Waffen in Florenz überhaupt noch nicht unterzogen worden, selbst gute Lichtbilder über selbe sind noch nicht vorhanden.
Und doch kann ein einziger Gang durch die Räume der Sammlung den Fachmann von dem hohen Wert derselben belehren. Schon im ersten Waffensaal am 2. Pfeiler finden wir ein unvergleichlich schönes Werk eines uns bisher unbekannten hervorragenden Kunstmeisters in dem Prunkharnisch, welchen Kaiser Karl V. dem Herzog Alexander von Medici um 1531 verehrte. Er ist in herrlicher Zeichnung reich getrieben und vergoldet. Der Helm besitzt die Form eines Bärenhauptes; auf der Brustmitte erblickt man die Gestalt der Abundantia. Es ist dies ohne jeden Zweifel derselbe Harnisch, welchen der Waffenschmied Antonio Petrini in seinem Manuskript «Arte fabrile ovvero Armeria Universale dove si contengono tutti le qualitá e natura del ferro con varie impronte che si trovano in diverse arme cosi antiche come moderne e vari segreti e tempere fatto da me Antonio Petrini» 16421 beschreibt. Wir bringen hier den Wortlaut darüber in deutscher Übersetzung:
«In der Waffenkammer Sr. Durchlaucht des Großherzogs findet sich auch der Harnisch Karls V. Derselbe führt auf der Brust zwischen Blattwerk das Bild des Neptun, ebenso ist der Helm gestaltet und die Schallern, mit welcher ein Bärenhaupt dargestellt ist. Im Schild ist Ptolomäus abgebildet, welcher das Haupt des Pompeus an Cäsar bringt. Ähnlich an Ziselierarbeit sind auch die übrigen Objekte der Garnitur, wie auch das Degengehänge. Diesen Harnisch verehrte Karl V. an den Herzog Alexander von Florenz, er ist von Pirro Sirrico gefertigt.»
Die Beschreibung stimmt vollständig mit dem oben beschriebenen Harnisch, nur hat sich Petrini in Bezug auf die figurale Darstellung auf der Brust geirrt. Das von ihm angegebene Bild des Neptun befindet sich nicht dort, sondern auf einer der Beintaschen. Von dem Harnisch finden sich einzelne Teile wie Helm, Schild und die Beintaschen in einer Vitrine daneben. Angesichts dieses Prachtstückes italienischer Waffenschmiedekunst muss uns der Name des Meisters Pirro Sirrico für die Kunstgeschichte von hohem Wert erscheinen. Derselbe, sicher ein Florentiner, ist uns bisher völlig unbekannt gewesen, selbst Bertolotti und Angelucci, die besten Forscher auf dem Gebiet italienischer Kleinkunst, bringen keine Nachricht über ihn. Aufklärungen über sein Leben und Wirken werden wir daher erst von Florentiner Forschern erwarten können.
Eine interessante Doppelkanone, ein sogenanntes Geschwindstück, genannt San Paolo, wird auch im Katalog ziemlich befriedigend beschrieben. Auf dem Bodenstück findet sich die Inschrift: «Gegossen in Florenz 1638 auf Befehl des Großherzogs Ferdinand II. von Cosimo Cenni». Über diesen verdienstvollen Gussmeister bringt A. de Champeaux in seinem «Dictionnaire des fondeurs»2 einige Daten, die er zum besten Teil Mitteilungen des ehemaligen Konservators des Musée d’Artillerie in Paris, Oberst Leclerc, verdankt. Ursprünglich bestand eine Garnitur von 10 Stücken dieser Form, von welchen sich nebst unserem San Paolo nur mehr das Rohr San Pietro erhalten hat, welches im Arsenal von La Spezzia bewahrt wird.
Bemerkenswert erscheinen zwei italienische Helmbarten mit der Marke des Mailänder Skorpions vom Anfang des 16. Jahrhunderts und eine andere aus dem 15. Jahrhundert mit der Inschrift: «Bernardino me fecit». Sie ist sicher auch oberitalienisch. Ein Kunstwerk ersten Ranges erblicken wir in dem in Eisen getrieben und teilweise vergoldeten Rundschild mit der Darstellung der dem Samson die Haare abschneidenden Dalila. In der Randbordüre finden sich verschiedene antike Kriegergestalten. In dem Katalog heißt es, derselbe sei — wie man glaubt — von Guglielmo Lemaitre, einem in Florenz ansässig gewesenen Franzosen, gefertigt, der seiner ausgezeichneten Arbeiten wegen «il gran Maestro» genannt wurde. Auch Petrini nennt diesen Meister, spricht aber nur von einem eisernen Kästchen, welches dieser für Cosimo II. gefertigt hatte.
In der 5. Vitrine findet sich eine Streithacke mit Schiessvorrichtung für Radschlossabfeuerung, an welcher alle Teile samt dem Stiel reich in Gold tauschiert sind. Man hält dieselbe in Florenz als ein Werk des bekannten Münzmeisters Gasparo Mola und stützt diese Annahme auf eine Stelle in Milanesi in seinem Carteggio,3 worin eines Pistolenlaufes «reich inkrustiert mit Trophäen und Grotesken in Gold» als Werk des Meisters erwähnt wird, wofür diesem 500 Scudi bezahlt wurden. Sehr selten finden sich Radschlossschlüssel mit der Bezeichnung des Meisters. Hier finden sich deren einige reich in Eisen geschnitten von Francesco Sinibaldi.
Unter den älteren Werken vor dem 18. Jahrhundert finden sich in der Sammlung nur wenige deutsche. Unter diesen ist ein kleiner Mörser aus Bronze auf hölzerner Schleife hervorzuheben. Er trägt den Namen: «Der Widder» und die Inschrift: «Ulrich Maschperger in Augsburg goss mich 1545».
Hervorzuheben wäre auch ein Prunkschwert in der 6. Vitrine. Der Griff ist in Eisen geschnitten und vergoldet mit Darstellungen von Frauengestalten, Putti, dann dem Wappen der Medizeer und der Inschrift: «Petrus Ancinus Regii F.», dann der Jahreszahl: «Anno MDCXXXX». Pietro Arcini aus Reggio ist geboren 1616 und starb 1702; er ist einer der letzten aus der Reihe der berühmten Ziseleure Italiens. Im Dictionnaire de Champeaux ist er nicht zu finden. Die Klinge trägt den Namen des Meisters: «Marson».
Sicherer als die obenerwähnte Streithacke sind ein herrlich getriebener und vergoldeter Helm mit Rundschild als Werke des Gasparo Mola zu halten. Angelucci in seinem trefflichen Werk: «Rivista Contemporanea Nazionale Italiana» schreibt sie ihm mit guten archivalischen Belegen zu. Auch der verlässliche Petrini erwähnt beider Stücke als Werke des «Gasparo Moli» und sagt: «Auf diesen Stücken erblickt man verschiedene Figuren und Medaillons mit den zwölf Himmelszeichen, ganz als wären sie nicht aus Eisen, sondern aus vergoldetem Silber; nichtsdestoweniger sind sie hochgeschätzt und bewundert.»
Ein eingehenderes und vergleichendes Studium der Gegenstände der Sammlung würde so manches hochbedeutende Werk, so manchen heute verschollenen und einst berühmten Meister der Metallschneidekunst, der Treibkunst, der Tauschier- und Emailkunst wieder zutage fördern. Vorerst müsste man sich aber mit der Detailgeschichte der Sammlung selbst im Hinblick auf die Landes- und die Regentengeschichte befassen. In ihr liegt zu einem Teil die Geschichte der florentinischen und toskanischen, wie der urbinischen Herrscher. Durchblickt man aber den gedruckten Katalog, so merkt man rasch, dass der Verfasser gar manches für die Geschichte wie für die italienische Kunst bedeutsame Stück unbekannt geblieben ist.
Zum Beleg für das Gesagte wollen wir nur jenes Stückes Erwähnung machen, in welchem in ausgezeichneter Treibarbeit mit Vergoldung über die Brust geschlagene, mit Menschenaugen besetzte Drachenflügel dargestellt sind. Dieses originelle Harnischstück, ein in der Welt unübertroffen dastehendes Meisterwerk italienischer Treibkunst, wird man in dem Katalog vergebens suchen; es ist das umso auffallender, als über selbes in der deutschen Literatur manches zutage gefördert worden ist.
In der Sammlung kleiner Portraits des Erzherzogs Ferdinand von Tirol (1529—1593), gegenwärtig in Wien bewahrt, befindet sich ein solches auch von dem Herzog Guidobald II. von Urbino. Dasselbe enthält in dem Beiwerk auch einen Prunkharnisch mit Sturmhaube und einem Kommandostab. Schreiber dieses hatte schon vor vielen Jahren in einer Abhandlung erklärt, dass sich die überaus schön getriebene Sturmhaube in der damaligen kais. Waffensammlung zu Tsarskoe-Selo befindet.4 Bei dieser Gelegenheit hatte er aus dem Manuskript des Antonio Petrini erwiesen, dass der Harnisch von dem Bildhauer und Treibarbeiter Piripe genannt Pifanio Tacito, gefertigt wurde.
Petrini schreibt darüber: «Nachdem ich von den Männern gesprochen, welche in der Ziselierarbeit sich hervortaten, bemerke ich, dass man in der ehemals dem Exzellenz Herzog von Urbino gehörigen Armeria, welche heute dem Großherzog von Toskana gehört, einen Helm und ein Bruststück findet, letzteres mit den Achselstücken, welche, wie man sagt, dem Hannibal von Karthago gehörten. Derselbe (die Sturmhaube) ist mit einer Maske dargestellt mit zwei Hörnern, welche durch die Meisterschaft der Arbeit so weit hervorragen, dass alle Welt davor in Erstaunen versetzt wird, betrachtend, wie es möglich sei, das Eisen so zu ziselieren und zu treiben. Ebenso bildet die Brust zwei Drachenflügel, voll angefüllt mit Augen und stellen die Achselstücke Löwenköpfe (?) dar. Diese Armatur wurde, wie uns Felitiano Macedonio versichert von Piripe, einem sehr geschickten Bildhauer, gefertigt, welcher später Pifanio Tacito genannt, in dieser Kunstart zu den Heroen zählte.»
Soweit Petrini, der sich nur in der Beschreibung der Achselstücke einer Irrung hingibt. In einem späteren Werk5 hat der Schreiber dieser Zeilen festgestellt, dass wie die Sturmhaube gegenwärtig in der kais. Eremitage zu St. Petersburg, sich das Bruststück dennoch im kgl. Nationalmuseum zu Florenz befindet. Wir bringen dasselbe zum ersten Mal nach einem sehr guten Lichtbild von Alinari in Florenz. In der Sturmhaube wie in dem Bruststück ist, der romantischen Zeitrichtung folgend, der Orca aus dem I. Gesang des Orlando Ariosts dargestellt. Wann und wie die Sturmhaube aus der Florentiner Sammlung gekommen, ist unbekannt.
Ungeachtet der vielen Beziehungen der letzten Mediceer und ihrer Nachfolger zu den auswärtigen Mächten ist dennoch die große Menge von deutschen, spanischen und französischen Jagdgewehren des 17. und 18. Jahrhunderts in einer italienischen Sammlung umso mehr auffällig, als italienische derlei Waffen, vorab Brescianer, in selber verhältnismäßig schwach vertreten sind. Es erklärt sich dieses einerseits durch den großartigen Aufschwung der französischen Luxusgewehrfabrikation unter Colbert, anderseits durch den Übergang der Werke von Brescia und Pistoja zum Fabrikbetrieb und zur Massenfabrikation. So finden wir nun in Luxusgewehren die Arbeiten der besten Meister des Auslandes hier vertreten, selbst Meister, deren Werke überaus selten oder gar nicht in anderen Sammlungen uns zu Gesicht kommen.
Durch eine schöne Arbeit ist ein deutscher Meister vertreten, dessen Namen wir nicht oft begegnen: Sigmund Klett. Er gehört einer zahlreichen Büchsenmacherfamilie an, die in Würzburg arbeitete. Diese alte Bischofsstadt zählte zu den hervorragendsten Punkten deutscher Luxusgewehrfabrikation, und wir finden hier in Florenz sonderbarerweise neben den Klett die besten Meister dieser Stadt vertreten, wie Michael und Johann Bayer, Bonifacius Epperl, Andreas Hauer, Josef Manger, Ignaz Stantinger und Georg Wolf.
Die Florentiner Sammlung besitzt ein schönes Magazingewehr von Sigmund Klett, der in der Mitte des 17. Jahrhunderts tätig gewesen war. Es trägt die Devise: «Wer gut mich bedient, macht keinen Fehlschuss». Unter den seltenen Arbeiten des Meisters finden sich nur 3 Radschlossgewehre in der kais. Waffensammlung zu Wien aus den Jahren 1652 und 1653. Sigmund ist rastlos in der Erfindung neuer Gewehrsysteme tätig gewesen, die aber meist von einem Bruder desselben, Namens Paul, ausgeführt wurden. Außerdem kennen wir noch zwei jüngere Meister des Namens Cornelius, vermutlich ein Sohn des einen oder des anderen, und einen namens Johann.
Von spanischen Meistern zählt die Sammlung an Jagdgewehren Gabriel de Algora und M. A. Baeza, S. Barzina, den famosen Nicolaus Bis, der von 1700 bis über 1746 tätig war, Agostino Bustindui, Salvadore Cenarro, den Laufschmied Diego Esquibel, der um 1730 arbeitete, S. U. Fernandez, Francesco Lopez, Andrea Martinez, Sebastian und Juan Santos, Francesco Targarona der mit Lopez 1750—1770 arbeitend, nachweisbar ist endlich Diego Ventura, alle in Madrid. Juan A. Cabiola und Herraduros arbeiteten in Eibar.
Frankreich ist nicht durch erste Meister vertreten, wenn man nicht Le Page in Paris zu selben rechnen will. Sehr gut sind Wiener Meister vertreten Johann Fruwirt, Josef Hamerl, Josef Planer, Christof Ris und Kaspar Zellner. An die Regierungsperiode des Großherzogs Franz I. von Lothringen, des späteren römischen Kaisers, erinnert ein schönes Jagdgewehr von J. M. Thomas in Nancy. Von Italienern zählen wir nur Lazzaro und Lazzarino Cominazzo in Brescia, Cristofano, Gian Battista und Giuseppe Leoni in Pistoja, Micchele Lorenzoni in Florenz, der aber ein Brescianer ist und Menghini in Florenz. Man sieht also, dass die italienische Büchsenmacherkunst in Florenz nicht zu studieren ist, aber in anderen Partien gäbe es, wie man sieht, vollauf zu tun.
1 Bibliothek Magliabecchiana (CI. XIX. 16). Veröffentlicht in E. Pion, Benvenuto Cellini. Paris 1883.
2 Paris 1886.
3 Carteggio di Artisti pubblicato da Carlo Pini con Illustrazioni del Cao. Gaetano Milanesi.
4 Boeheim, W., Der Florentiner Waffenschmied Pifanio Tacito in der Zeitschrift für bildende Kunst. Bd. XIX.
5 Boeheim, W. Meister der Waffenschmiedekunst. Berlin 1897.
Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. II. Band. Heft 1. Dresden, 1900-1902.