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Germanische Waffen

Bild eines Kriegsmannes, dessen Kleidung und Rüstung nach den Handobjekten aus dem Chorsberger Moor bei Süderbrarup in Angeln zusammengesetzt sind.
Bild eines Kriegsmannes, dessen Kleidung und Rüstung nach den Handobjekten aus dem Chorsberger Moor bei Süderbrarup in Angeln zusammengesetzt sind.

 

Von Jugend auf waren alle Germanen im Gebrauch der Waffen geübt. Dazu dienten Schwerttänze, Waffenspiele, kriegerische Übungen, die Jagd und vor allem der Krieg selbst. Waffen waren die Weihgeschenke der Verlobten, bewaffnet hielten die Germanen ihre Versammlungen, auf die Waffen wurden die Eide abgelegt, sie nahmen sie mit ins Grab. Nicht minder waren die Germanen im Ertragen der Strapazen von Jugend auf abgehärtet, besonders gegen hunger und Kälte, weniger gegen Durst und Hitze. Alle waren geübte Schwimmer, auch die Reiterei mit ihren Pferden. Selbst Ströme wie der Rhein wurden auf diese Weise durchschritten.

 

Die Waffen waren weder bei verschiedenen Stämmen, noch innerhalb desselben Stammes gleich. Jeder hatte selbst für seine Waffen zu sorgen, und so war gewiss vieles von Zufall und Willkür abhängig. Den Römern kamen die germanischen Waffen natürlich sehr unvollkommen vor. Jeder musste auch imstande sein, seine Waffen selbst auszubessern; doch befanden sich ohne Zweifel in jedem Heer Schmiede und andere Handwerksleute, die im Notfall aushalfen.

 

Der Schild war als Schutzwaffe unerlässlich, dagegen waren Schwert und Lanze nach Tacitus ausdrücklicher Angabe noch selten. Nur die vorderen Glieder trugen Lanzen; bei der keilförmigen Schlachtordnung hätten die hinteren Glieder keinen freien Gebrauch davon machen können. Die Schwerter aber konnten schon um deswegen nicht allgemein sein, weil das Eisen noch verhältnismäßig selten und kostbar war. Zwar führten drei Stämme vom Schwert ihren Namen, die Suardonen in Holstein, die Sachsen und die Cherusker; allein gerade ihre Namen zeigen, dass zu der Zeit, als dieselben aufkamen, der Gebrauch der Schwerter noch nicht bei allen Stämmen verbreitet sein konnte, weil man sie sonst nicht zur Unterscheidung darnach hätte benennen können. Die Saxe, von denen die Sachsen ihren Namen haben und die bei ihnen und den Angeln verbreitet waren, sind lange Messer, die, wie das dem lateinischen saxum verwandte Wort zeigt, ursprünglich aus Stein gewesen sein müssen. Sobald metallene Waffen aufkamen, mussten die steinernen mit der Zeit schwinden, ebenso wie dann die ehernen (aus einem Gemisch von einem bis zwei Teilen Zinn und acht bis neun Teilen Kupfer) von den eisernen verdrängt wurden, weil sie im Kampf gegen die letzteren zersprangen oder durchgeschlagen wurden. Doch haben sich Waffen von Stein oder Holz mit steinernen Spitzen und Schneiden, wie die Gräberfunde zeigen, noch lange neben den metallenen im Gebrauch erhalten. Die allgemeine Verbreitung von eisernen Waffen erfolgte erst während der Völkerwanderung.

 

Die Schilde waren groß und unförmig, viereckig, bis über 1 m breit und gegen 2 m lang, im Verhältnis zur Größe aber leicht, meist nur aus Flechtwerk oder dünnen bemalten Brettern gefertigt. Wenn sie den ganzen Mann decken sollten, mussten sie so groß sein. Das leichte Fußvolk und die Reiterei hatten kleinere runde Schilde, ähnlich wie die Römer. Ihre Widerstandskraft wurde durch Lederüberzüge und Metallbeschläge verstärkt. Zum Festhalten dienten zwei Handhaben im Innern, eine zum Durchstecken des Armes, die andere für die Hand. Zugleich erhielten sie Riemen, die durch Griffe gezogen wurden, zum Überhängen über die Schultern, damit wenn beide Hände zur Führung der Waffen nötig waren, der Schild auf den Rücken geworfen werden konnte. Vornehme besaßen reichere Schilde mit goldenem Rand, wohl auch mit Edelsteinen besetzt, wie der Schild, die Siegfried bei seiner Ermordung gegen Hagen wirft.

 

Die Sitte, Sinnbilder und Embleme auf dem Schild zu führen, ist uralt. Sie dienten zum Schmuck wie zum Kennzeichen. Doch scheinen in der Urzeit mehr die Stämme als die Geschlechter durch die Farben der Schilde sich unterschieden zu haben. Feststehende eigene Wappen kamen erst viel später auf, zuerst wie jede Auszeichnung bei den Fürsten- und Herrengeschlechtern.

 

Panzer und Helme waren seltene Ausnahmen und wurden nur etwa geführt, wenn sie als Beute oder Geschenk in die Hände der Germanen gekommen waren. Häufiger, aber auch nur bei den Vornehmen, war der Gebrauch Tierfellen, die als Mantel um die Schultern getragen wurden, und deren Kopfhaut man mit den Ohren, Hörnern oder Geweihen über den Kopf zog. Das vermehrte das ungeheuerliche Ansehen der germanischen Krieger. Die spätere Helmzier des Mittelalters ist ein Rest dieser alten Sitte. Der gemeine Mann dagegen kämpfte regelmäßig ohne Kopfbedeckung, auch Brust und Nacken waren bloß. So blieb es bis in das 6. Jahrhundert.

 

Die ältesten Angriffswaffen sind der Streitkolben und die Keule, letztere als Schlag- und Wurfkeule. In den Gräbern fanden sich auch solche mit ehernen Köpfen und Stachelspitzen nach Art der späteren Morgensterne.

 

Aus dem alten Streitkeil, der ursprünglich aus Feuerstein, Hornblende oder Granit und mit scharfer Schneide versehen war, später aber aus Erz gefertigt wurde (von 0,5 bis 10 Pfund schwer) ging später der Streitmeißel oder Framea hervor. Sie fügte ihm einen hölzernen Schaft von ungefähr 1 m Länge hinzu und verlieh ihm so viel größere Gewalt bei Stoß oder Schlag, machte ihn auch zum Wurf brauchbar. Die Spitze wurde nun etwas kleiner, sie war in der Regel 15 cm lang und 1 Pfund schwer und wurde entweder in den Schaft eingelassen und mit Riemen daran festgebunden oder am unteren Ende mit einer Höhlung zum Aufstecken versehen und festgenagelt. Die Framea kann als eigentliche Nationalwaffe der Germanen gelten. Sie wird häufig von Tacitus erwähnt und oft in Gräbern gefunden. Da sie zum Teil mit Riemen zum Zurückziehen versehen war, kam es offenbar weniger auf die Wirkung in die Ferne an, als auf die Gewalt des Stoßes, und diese war allerdings groß genug, um selbst Knochen zu zerschmettern.

 

Die Wurfspieße oder Gere (althochdeutsch gero = Spitze) dienten vorzugsweise dem leichten Fußvolk und waren zunächst für das Ferngefecht bestimmt. Von der Framea unterschieden sie sich durch größere Leichtigkeit und durch die scharfe zweischneidige Spitze, die, in der Regel 6 bis 8 cm lang, auch dem hinteren Ende spitz zulief und in eine Schaftspalte eingelassen wurde. Es finden sich Spitzen aus Stein, Bronze und Eisen, ja selbst von Knochen, und im Notfall begnügte man sich auch mit Härtung des zugespitzten Holzes im Feuer, wie Tacitus bezeugt. Der Wurfspieß diente vornehmlich auch zur Jagd und wurde für diesen Zweck das ganze Mittelalter hindurch beibehalten.

 

Bei den Franken kam in der Folge eine eigentümliche Art von Wurfspieß auf, der Ango, dessen Spitze sich wahrscheinlich in der sogenannten Bourbonischen Lilie erhalten hat und zwei nach unten gebogene Widerhaken zeigt. Er verursachte schmerzhafte und tödliche Wunden, da er nur schwer wieder herausgezogen werden konnte. Drang er in den Schild ein, so gestattete er diesen niederzureißen und den Gegner wehrlos zu machen.

 

Die schwere Lanze war nur zum Nahkampf und zur Bewaffnung der vordersten Schlachtreihen bestimmt, da sie vorzugsweise zum ersten Einbruch in die feindlichen Reihen diente. Sie war oft bis m lang, und um ihr Gewicht zu vermindern, brauchte man zu den Schaften vorzugsweise die leichten und zähen Holzarten, besonders gern die Esche, aber auch Linde und Fichte. Die Spitze war zweischneidig, Fähnchen zur Verzierung der Spitze kamen erst in der nachkarolingischen Zeit auf. Die Lanze war von jeher die Hauptwaffe der Reiterei; daher erklärt sich der Sprachgebrauch des Mittelalters, wonach man unter Lanze oder Gleve (frz. glaive) geradezu den gerüsteten Ritter zu Pferde nebst seinen Knechten verstand.

 

Aus einer Verbindung der Lanze mit der Streitart ging später die Hellebarde hervor (Hiltbarte = Kampfbeil). Auf der Rückseite hatte sie einen Haken zum Herabreißen des Reiters. Sie war für das Fußvolk bestimmt und wurde im Mittelalter die gewöhnliche Waffe der Söldner und Landsknechte.

 

Die einfache Streitaxt ist von den Germanen wahrscheinlich schon aus Asien mitgebracht worden. Oft wurde sie an einem Riemen geschleudert und nach dem Wurf wieder zurückgezogen. Ebenso ist der Streithammer schon der Urzeit angehörig. Er war dem Thor geheiligt und diente daher vielfach zu symbolischen Handlungen.

 

Das Schwert ist als allgemeine Waffe am spätesten in Gebrauch gekommen, hat dann aber die meisten älteren Waffen verdrängt. Wie teuer es noch im 6. Jahrhundert war, sehen wir aus der Wergeldbestimmung des ripuarischen Stammesrechts, wonach ein Schwert mit Scheide dem Wert von sieben Kühen gleichgesetzt wird, während Schild und Lanze zusammen nur zwei Kühe wert waren. Erst infolge der langen Kämpfe mit den Römern, in denen man ihre mörderische Wirkung kennenlernte, der steigenden Kunstfertigkeit und der großen Beute, die man erwarb, wurden sie allgemein üblich. Die ältesten Schwerter, die man gefunden hat, sind 0,5 bis 0,75 m lang, gerade, zweischneidig und spitz, ohne Parierstange und mit kurzem Griff. Oft ist die Klinge mit dem Griff aus einem Stück gearbeitet. Sie wurden an Ketten, Riemen oder Wehrgehängen über die linke Schulter an der rechten Hüfte getragen, auch wohl an einem Leibgurt.

 

Schleuder und Bogen gelangten bei den Germanen zu keinem rechten Ansehen. Sie galten hauptsächlich als Waffen der Hörigen, wenn sie auch gelegentlich bei Eröffnung des Gefechts, der Verteidigung fester Plätze oder dem Schutz von Flussübergängen gute Dienste leisteten. Zur Jagd aber waren sie unentbehrlich.

 

Vom Lager- oder Schanzenbau hielten die Germanen wenig. Zum Schutz in der Nacht errichteten sie nach asiatischer Sitte ihre Wagenburgen: ringförmige, dicht aneinander schließende Kreise der kleinen Wagen, die sie auf ihren Zügen mit sich führten und die aus viereckigen Kästen mir vier massiven Rädern bestanden. Blieb das Heer länger an einem Ort, so wurden die Wagenburgen wohl noch durch Erdwerke und Palisaden verstärkt und die Wagen bis an die Naben eingegraben. Erst als die Wanderungen aufhörten und Frauen und Kinder im Kriege zu Hause blieben, ging man zum römischen Lagerwesen über.

 

Quelle: Richter, Albrecht: Bilder aus der deutschen Kulturgeschichte. Teil 1. Leipzig, 1893.