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Genuesische Klingen (Teil 2)

Von M. von Ehrenthal in Dresden.

(Fortsetzung und Schluss.)

 

Sehr häufig findet sich die Sichelmarke an ungarischen Säbeln; der Absatz nach diesem Land scheint demnach ganz besonders lebhaft gewesen zu sein. Es geht dies auch noch aus anderen Umständen hervor. Denn sicher ist es kein Zufall, dass die genuesischen Klingenschmiede für ihre Säbelklingen die ungarisch-kroatische Form annahmen; vielmehr dürfte dabei das Handelsinteresse ausschlaggebend mitgewirkt haben. Auch die öfters auf Säbelklingen angebrachte Inschrift FRINGIA (FRANGIA) deutet auf die Handelsverbindung der Genuesen mit den Magyaren; denn das Wort bedeutet jedenfalls Ferdinandus Rex (Hungariae) In Germania Imperator Augustus und bezieht sich auf Ferdinand I. (gest. 1564), der infolge seiner Vermählung mit Anna, der Tochter Wladislaws von Böhmen und Ungarn, 1526 bzw. 1527 in beiden Ländern König geworden war. Seine 37 jährige Regierung aber trug das Signum fast ununterbrochener blutiger Kämpfe mit den Türken, sodass es sehr erklärlich erscheint, wenn auf Säbelklingen, die zum Teil wohl in seinem persönlichen Auftrag von Genueser Fabrikanten geliefert wurden und mit denen die Magyaren für ihren König und ihre Freiheit kämpften, gleichsam als Kampfdevise die Initialen des Herrschers angebracht waren.

 

Dass diese Devise auch nach dem Tode des Königs bis weit ins 17. Jahrhundert hinein auf Genueser Klingen vorkommt, rührt wohl daher, dass die Bedeutung des Wortes im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten war und dass man unter Fringia-Klingen später überhaupt solche von besonders guter Qualität verstand, welche sich weit über die Grenzen ihres Heimatlandes großer Beliebtheit erfreuten.

 

So findet sich nach Szendrei in der Aufnahme des Nachlasses Peter Zrinys vom Jahre 1672 ein Vermerk, in welchem der Beschreibung eines Säbels die Worte hinzugefügt sind: Framea cum ferro Fringiae Genuae. Es geht daraus hervor, dass man das Wort Fringia zu jener Zeit tatsächlich auf das Material bezog. Bemerkt sei hier, dass die Deutung des Buchstaben F in dem Wort Fringia auf Kaiser Friedrich III. uns deshalb unrichtig erscheint, weil der Genannte nach dem Tod von Ladislaws Posthumus (1457), sowie auch nach dem Ableben des Matthias Corvinus (1490) zwar Ansprüche auf die Krone von Ungarn erhob, diesen aber keine Geltung zu verschaffen vermochte.

 

Überdies treten unseres Wissens die Fringia-Klingen erst nach der Mitte des 16. Jahrhunderts auf. Noch unwahrscheinlicher aber ist die Herleitung des Wortes von «fränkisch» (vgl. Dr. W. Erbens Katalog des k. und k. Heeresmuseums, S. 107); denn die Magyaren bezeichneten die Westeuropäer durchaus nicht kurzweg als Franken, wie z. B. die Türken es tun, sondern benannten die Völker des Westens nach ihren Ländernamen, die Deutschen aber bekanntlich als «Schwaben».

 

Dass die Ungarn, wie schon erwähnt, Hauptabnehmer der genuesischen Klingenschmiede speziell in Bezug auf Säbelklingen gewesen sind, hat uns im Besonderen noch die Millenniumsausstellung vor Augen geführt. Dort waren eine Menge Klingen mit der Sichelmarke und ungarischen Gefäßen, teils aus magyarischem Besitz, teils aus anderen Sammlungen in der historischen Abteilung vereint. Das vortreffliche Werk «Ungarische kriegsgeschichtliche Denkmäler in der Millenniumsausstellung 1896» von Dr. Johann Szendrei erwähnt die folgenden Stücke, bei denen auch die Marken abgebildet sind:

 

2587 und 2675. Zwei ungarische Säbel vom Ende des 16. Jahrhunderts, mit der Sichelmarke auf den Klingen, die indes hier mehr Halbmonden ähnlich ist. Eigentum des Landeszeughauses zu Graz. Letzteres bewahrt, wie hier bemerkt sein möge, noch mehrere Klingen mit der Sichelmarke, wie aus Tafel XXIV, 4, 5 und 6 in dem bekannten Werk über das Zeughaus von Dr. Fritz Pichler ersichtlich ist.

 

2786. Schwert aus dem Besitz des Grafen Samuel Teleky. Die einschneidige, 0,98 m lange und 3,5 cm breite Klinge ist mit drei schmalen Blutrinnen versehen, zwischen denen die Sichelmarke ohne Auszahnungen nebst dem Wort GENEVE eingeschlagen ist. Als Meistermarke befindet sich auf der Klinge noch eine Schlange. — Obgleich Dr. Szendrei das Wort Geneve auf Genua deutet, lässt sich nach der Beschreibung des Stückes allein doch nicht beurteilen, ob wir es hier mit einer echten oder nachgeahmten genuesischen Klinge zu tun haben. Die Schreibweise des Wortes lässt beinahe letzteres vermuten.

 

3130. Säbel mit leicht gekrümmter, 0,83 m langer Klinge, die auf beiden Seiten mit GENOA gestempelt ist. Eingeätzt ist überdies noch auf der einen Seite das Wort FRANGIA nebst zwei gegeneinander gekehrten Halbmonden, anstatt der sägenförmigen Sicheln. Auf der anderen Seite befindet sich das Brustbild Stephan Báthorys, und darunter die Inschrift: STEPHAN V. S. D. G. REX. POL. D. PRVSS. Die Waffe ist Eigentum des Kgl. preußischen Zeughauses in Berlin.

 

Von ähnlicher Ausstattung wie der eben beschriebene Säbel ist ein Prunk- und Zeremonienschwert (6504), das der Millenniumsausstellung aus der Leibrüstkammer zu Stockholm überlassen worden war. Nach den Abbildungen in Szendreis Werk machen beide Klingen, die vom Ende des 16. Jahrhunderts stammen, den Eindruck echter genuesischer Fabrikate.

 

3159. Polnischer Stoßdegen mit zweischneidiger Klinge, die bis zu einem Viertel ihrer Länge mit einer tiefen, schmalen Blutrinne versehen ist. Eigentum Sr. Maj. des Kaisers Franz Joseph.

 

3225. Säbel mit schwach gekrümmter Klinge und drei schmalen Blutrinnen, aus dem Besitz des Fürsten Nikolaus Palffy. — Beide zuletzt genannten Klingen tragen die eingeschlagene Sichelmarke und gehören dem Anfang des 17. Jahrhunderts an.

 

3536. Die Klinge dieses Säbels, der Eigentum des Fürsten Edmund Batthydny-Strattmann ist, zeigt den Stempel GENOA. Obwohl die Ortsmarke fehlt, erscheint es nach Form der Klinge unzweifelhaft, dass sie genuesischen Ursprungs ist.

 

5229. Schwert (sog. Dragon) mit einschneidiger Klinge, welche neben der bekannten Marke das Wort Fringia führt. Die als Eigentum der Kirchengemeinde Csetnek bezeichnete Waffe wird von Szendrei in den Anfang des 18. Jahrhunderts versetzt.

 

Besonders zahlreich findet man noch heute Klingen mit der genuesischen Marke im Arsenal zu Venedig. Zumeist sind es Säbelklingen, deren Form jedoch von derjenigen der ungarischen Säbelklingen ein wenig abweicht. Denn sie sind durchschnittlich ca. 10 cm kürzer als letztere und überdies meist auch etwas breiter. Man ersieht daraus, dass sich die genuesischen Klingenschmiede nach den Wünschen ihrer Kunden zu richten wussten. Häufig erscheint auf den venezianischen Säbeln das Wort VENECIA eingeätzt, was zu dem Irrtum geführt hat, dass derartige Klingen meist als venezianisch angesehen wurden.

 

Von besonderem Interesse für unsere Forschungen ist eine der im Arsenal bewahrten einschneidigen Schwertklingen, weil sie den Nachweis liefert, dass eine bisher als brescianisch angesehene Klingenschmiedemarke (vgl. auch Führer durch das Historische Museum, A 83) gleichfalls genuesisch ist. Sie kommt nämlich hier in Verbindung mit der unzweifelhaft echten Sichelmarke vor (Bild links).

 

Die besondere Struktur der genuesischen Klingen, auf welche eingangs bereits hingewiesen wurde, in Verbindung mit der Eigenart der Klingenschmiedemarken, führt uns dazu, noch die folgenden Stempel als höchstwahrscheinlich genuesischen Ursprungs anzusehen, obgleich sie uns bisher noch nicht in Verbindung mit der Ortsmarke vorgekommen sind:

Von links nach rechts: Fig. 12 bis 18.
Von links nach rechts: Fig. 12 bis 18.

Die Marke Fig. 12 befindet sich auf der Klinge eines italienischen Ohrendolches aus der Zeit um 1500 (vgl. A 38 im Führer durch das Kgl. Historische Museum). Hier ist es allerdings lediglich die unverkennbare Verwandtschaft mit der Sichelmarke, die neuerdings zu der Annahme führte, dass der Dolch wohl genuesischen Ursprungs sei.

 

Die Marke Fig. 13 erscheint wiederum verwandt mit dem vorgenannten Zeichen; sie ist auf der Klinge eines 0,93 m langen, mit drei Blutrinnen versehenen Haudegen eingeschlagen, dessen Herkunft sicher italienisch, höchstwahrscheinlich aber genuesisch ist (vgl. G 11 im Führer durch das Kgl. Historische Museum).

 

Marke Fig. 14 trägt die Klinge eines in derselben Sammlung bewahrten Fußknechtschwertes aus der Zeit um 1530; auch hier ist der genuesische Charakter der Waffe in die Augen springend.

 

Eine ähnliche „Schiffchenmarke“ — Fig. 15 — findet sich nicht selten auf Rapierklingen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, deren Herkunft noch durch den Umstand verraten wird, dass auf einigen dieser Klingen überdies noch das Meisterzeichen bei Fig. 6 eingeschlagen ist, desjenigen Zeichens, welches wir am häufigsten in Verbindung mit der genuesischen Ortsmarke gefunden haben. Das «Schiffchen» wurde allerdings auch in der Werkstatt des Solinger Klingenschmiedes Clemens Kuler (Keuller, Koller) als Stempel verwendet.

 

Die Marke Fig. 16 kommt oft auf Dolchklingen vom Anfang des 16. Jahrhunderts vor, die mit zwei schmalen Blutrinnen versehen sind; im Kgl. Historischen Museum werden deren acht bewahrt.

 

Die Marken Fig. 17 und 18 erscheinen auf einschneidigen Schwertklingen aus der Zeit um 1550; neben drei bis vier schmalen Blutrinnen zeigen diese Klingen besonders auch an der Stelle, wo der stumpfe Rücken in die zweischneidige Spitze übergeht, ganz den Charakter der genuesischen Rückenklingen.

 

Dass die genuesischen gleich anderen beliebten Klingen auch nachgeahmt worden sind, bedarf eigentlich kaum eines besonderen Hinweises. Erwähnt sei, dass sich die Sichelmarke mitunter auch auf Solinger Klingen vom Anfang des 17. Jahrhunderts findet; doch stehen dort die beiden Sicheln mit der Innenseite gegenüber. Daneben sieht man manchmal noch eine ungeschickte Nachahmung des Dsu-I-fakâr, ja sogar den Namen Lucio Picinio (anstatt Picinino) prangen!

 

Dass diese Klingen aus der Werkstatt des Peter Munsten stammen, zeigt uns dessen Name und Marke (der Mohrenkopf), die naiver Weise neben dem fremden Zeichen auf gedachten Klingen ebenfalls angebracht sind. Ein Dresdener Messerschmied im dritten Viertel des 17. Jahrhunderts, von dessen Hand eine Menge Hirschfänger- und Weidbesteck-Klingen im Historischen Museum (Saal M, Schrank VIII) herrühren, stempelte mit der Marke Fig. 7, wohl ein Beweis dafür, welches Ansehens die unscheinbare Marke noch zu jener Zeit sich erfreute.

 

Auch das Wort Fringia, dessen Bedeutung wir oben zu erklären suchten, unterlag häufig der Fälschung. Es wurde auf den Klingen angebracht, um dadurch die Ware zu empfehlen. Das Historische Museum bewahrt mehrere solcher Klingen, die sich umso leichter von den echten unterscheiden lassen, als, abgesehen von ihrer Struktur, das Wort hier stets eingeätzt, nicht eingeschlagen, und zumeist auch verstümmelt erscheint. Es lautet auf den unechten Klingen häufig Frangia oder Francia, zuweilen Frinchia, Frinia oder Frina.

 

Hiermit beschließen wir unsere Ausführungen, welche natürlich das Thema noch lange nicht erschöpfen, sondern vielmehr als Anregung zur weiteren Verfolgung der aufgefundenen Fährte dienen sollen.

 

Der Versuch, archivalische Unterlagen, auch aus Genua selbst, zur Unterstützung unserer Beweisführung zu erhalten, ist leider bisher nicht geglückt. Dass aber Genua, die mächtige Rivalin der St. Marcus-Republik auf dem Gebiet des Handels, für Herstellung der Waffen zum Schutz seiner Handelsinteressen selbst besorgt gewesen sein wird, lässt sich wohl kaum bezweifeln. Zur Erzeugung seiner Waffen bedurfte aber das im 13. Jahrhundert mächtig aufstrebende Gemeinwesen vor allem auch des Materials hierzu, des Eisens, das sich innerhalb seiner Grenzen auf dem Festland nicht fand und sonach erst durch den Handel in die heimischen Werkstätten eingeführt werden mussten. Die Genuesen entrissen deshalb nach blutigem Krieg im Jahre 1290 den Pisanern zunächst die Insel Elba, jedenfalls vornehmlich um die reichen Eisenlager daselbst an sich zu bringen.

 

Ein noch besseres Material aber, das bei den Völkern lateinischer Art am Mittelländischen Meer schon in früherer Zeit bekannt und begehrt war, lieferte die Insel Korsika. Fehlt uns auch der historische Nachweis darüber, dass die Genuesen hauptsächlich um der Eisenminen willen im 14. Jahrhundert auch diese Insel in ihren Besitz brachten, so liegt doch eine solche Vermutung darum sehr nahe, weil Korsika im Übrigen nur Oliven, Wein und ähnliche Produkte hervorbrachte, welche den Genuesen schon im eigenen Lande reichlich zuwuchsen. Wie damals, so genießen noch heute die Eisenminen von Farinoie, Olmento, Otta und Venzolasca wegen der Vortrefflichkeit ihres Materials einen bedeutenden Ruf. Da sich aber die Qualität des Rohmaterials auf die aus ihm hergestellten Gegenstand überträgt, so war es natürlich, dass die aus korsischem Eisen hergestellten genuesischen Klingen sehr bald weit über die Grenzen des Landes hinaus berühmt und begehrt waren, sodass schon Kaiser Karl IV. (gest. 1378) ein Schwert mit solcher Klinge besaß (vgl. A 30 im «Führer durch das Historische Museum», wo die Klinge allerdings irrtümlich noch als bellunesisch bezeichnet ist).

 

Bis ins 18. Jahrhundert hinein erhielt sich der Ruf der genuesischen Klingen im Ausland, wie es Sammlungsobjekte bestätigen. Mit dem Verlust der Insel Korsika, der sich infolge innerer Wirren seit 1729 vorbereitete und 1768 mit der Abtretung der Insel an Frankreich endgültig erfolgte, verschwindet auch die Jahrhunderte hindurch blühende genuesische Klingenindustrie und mit ihr die Sichelmarke. Sollte letztere vielleicht korsischen Ursprungs gewesen sein?

 


Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. II. Band. Heft 3. Dresden, 1900-1902.