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Sprenggeschosse vom Jahr 1405

Kyeser zeichnet uns hier Sprenggeschosse. Sie sind mit Schießpulver gefüllt und entweder mit starkem Leder umnäht (oben rechts), oder fest umschnürt (Mitte): „Fülle diese Sprenggeschosse mit Schießpulver; ein Feuerstrahl wird aus ihnen hervorstürzen, alles zerstören, was er erreicht: so richtet man großen Schaden an.“

Wir hören von Kyeser auch, wie der Aberglaube der Zeit noch in der Praxis steckt. Es soll[S. 68] nämlich nach der Kyeserschen Vorschrift Salpeter in eine Eierschale geladen, und diese ins Feuer gelegt werden. Pulverisiert man dann die Eierschale, „und mischt sie mäßig dem Pulver bei, und ladet damit ein Sprenggeschoß, so wird das Geschoß zerspringen.“

 

 

 

Auf S. 109b von Kyesers Buch sehen wir links die Abbildungen zweier Pfeile und eines länglichen Säckchens; darunter:

„Haec urens sagitta in forma fiat circulari Concava sit intro pulvereque bene repletur
Et saccus desuper simili repletus ligetur
Quem tunc posterius incende, subito mitte Evolat ignis extunc, lacerabit ipsum contentum Atque frustrum quidquid suo lacerabit contento.

„Sagitta ignis pulveribus stuppaque sulphur Oleo commisce conligabis circumquaque Admodum sic fusi; quum placet, applica focum Ardebit flammans donec cessat martis vorago.“

Die zweite Beschreibung spricht nur von einem Pfeile, der mit brandsatzgetränktem Werg spindelartig umwickelt ist; der erste Pfeil soll aber außer dass er ein Brandsäckchen trägt, auch ausgebohrt sein und eine Pulverladung enthalten, so dass er am Ziele explodiert. Das bringt Kyeser offenbar auf das wichtige Thema von den Sprenggeschossen, welche er auf derselben Seite abbildet (Abb. 25—31) und beschreibt:

„Pulveres confectos hic tu repones perfectos

Ad dracones istos; evolat ignis laceratus Frangens id quod carpit: ita damna plura sequuntur.

Diese Beschreibung und Abb. 29 beseitigen jeden Zweifel, dass es sich um explosive Geschosse handelt. Was aber Kyeser als „pulveres confecti perfecti ad dracones* verwendet, hat er uns schon auf S. 109a gesagt: der Satz besteht aus Salpeter, Schwefel, Kohle und geringen Mengen Auripigment und Bernstein, mit starkem Weingeist angefeuchtet; warum man in jener Zeit Pulverladungen gern etwas Quecksilber zusetzte, wurde schon besprochen. Wie man die sprengende Wirksamkeit erhitzten Quecksilbers ad oculos demonstrierte, erfahren wir hier; Kyeser scheint aber aufgrund der Beobachtung, dass eine Eierschale sowohl mit Salpeter, als auch mit Quecksilber geladen in der Hitze zerspringt, eine Verwandtschaft zwischen der Wirkungsart der beiden Stoffe anzunehmen und auch der Eierschale einen Einfluss auf die Erscheinung beizumessen, da er auch sie als Zusatz zum Sprengpulver empfiehlt:

„Salem nitri claude in ovulo, et quum posueris in ignem statim
Resiliet inde, idem operatur argentum vivum inclusum.
Dermem ovorum si pulverisaveris ipse
Et modicum huius pulveribus si immiscebis Iungens draconi vel pyxidi quum placebit Evolabit ignis, lacerabitur totum contentum.“

Keines von den Geschossen, welche Kyeser abbildet, zeigt eine besonders widerstandsfähige Hülse: in Abb. 26 und 27 sind namentlich durch Vergleich mit anderen, Säcke darstellenden Abbildungen, genähte Säcke zu erkennen, in Abb. 28, 25 und 30 werden nach Späterem ebensolche Säcke mit Schnüren oder Drähten umwunden und in Abb. 25 und 30 auch noch mit durchgehenden Stäbchen, welche dem Kern und der Umwicklung mehr Halt geben, versehen zu erkennen sein, und Abb. 31 zeigt ein einfaches Holztönnchen. Sollten sie also aus Feuerwaffen geschossen werden, so konnten sie nicht losen Satz enthalten, sondern ihre Ladung musste einen festen Körper bilden. Kyeser hat denn auch, ganz mit im Späteren zu behandelnden Vorschriften Anderer übereinstimmend, die Anfeuchtung des in die Geschosse zu füllenden Satzes mit Weingeist vorgeschrieben, und wiederholt:

Scindentes pulveres aqua vitae imbibitos hic tu repones Ad dracones istos; emanat ignis laceratus Frangens id quod carpit, atque damna plura sequuntur.*

Dieses Verfahren, welches für mit Schleudermaschinen zu werfende Geschosse nicht nôtig war, gehórt wohl erst der Zeit der Feuerwaffen an; sicher nicht dem alten byzantinischen Feuerwerksbuche entnommen sind die bei Kyeser auf den nächsten beiden Blättern folgenden Abbildungen von Schirmen für Geschütze, zu denen er sagt:

„Hoc defendiculum pyxidum carpentariatum Ab anteriore parte rotae parvae vectentes Retro sed maiores, altius ut colles ascendat Perticae duo curtae ad cubiti sic quantitatem Simul et posterius longitudinis anteriorum

In ascensu valent, ut per haec opus sustentetur Sed in descensu aeque per cadem nocebis Haec funibus longis ferra semper retrahantur. „Pyxidem defendit hoc defendiculum clarum Fortissimis lignis prout apparet hic fabricatum Ab ante fenestra ubi lapis possit resilire

Retro pars sit levior, gravior sed anterior sit Undique linitur ab extero sepo recenti.“

 

 

Bomben mit Seife und Teufelsdreck; Stinkbomben.


Auf einem Blatt bildet Kyeser fünf Fässer ab, und neben jedes dieser Fässer schreibt er die Verwendungsmöglichkeit:

„Im Seekrieg schleudere mit Kalkstaub gefüllte Wurfgeschosse, durch die du die Augen der Feinde blendest und diese so leicht besiegst.“

„Mit flüßiger Seife gefüllte Fäßchen schleudere auf Schiffe oder Brücken. Dadurch werden diese schlüpferig, die Feinde stürzen, und du siegst so durch List.“

„Oder du kannst Fäßchen mit Pech, Schwefel, Teufelsdreck, Öl, Kampfer, Vernisium oder gutem Petroleum füllen, diese anzünden und auf Schiffe oder Brücken schlendern, und diese werden verbrannt.“

„Oder du kannst sie mit altem übel riechendem Kot füllen und schleudern, wohin du willst, so werden die Leute ohnmächtig und der Boden wird schlüpfrig“ — also Stinkbomben!

„Einzelne Gräben kannst du einebnen: werfe listigerweise mit Sand, Erde oder Schotter gefüllte Fäßchen in den Wassergraben, dann stürmst du[S. 69] trockenen Fußes und unter dem Schutz von Sturmdächern die Mauern, besteigst sie im Kampf und besiegst den Feind.“

 

 

Quelle: F. M. Feldhaus, Modernste Kriegswaffen – alte Erfindungen. Leipzig, 1915.


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