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Irdene Handgranaten aus den Kreuzzügen

Handgranate für das Griechische Feuer
Handgranate für das Griechische Feuer

 

Anlässlich der Anwesenheit Sr. Majestät des Deutschen Kaisers in Damaskus wurde die Aufmerksamkeit auch auf die reichen Sammlungen orientalischer Kunstgegenstände im Hause des deutschen Konsuls Herrn Lüttike gelenkt und unter anderem auch einer dort befindlichen Handgranate aus Ton Erwähnung getan. In dankenswertester Weise gab Herr Konsul Lüttike hierüber nähere Auskunft, welcher folgendes entnommen sei:

 

Im Jahre 1895 veräußerte die Munizipalität von Damaskus den Graben der alten Zitadelle zum Zweck des Aufbaues eines neuen Bazars. Bei den wegen des schlammigen Untergrundes bis in eine Tiefe von 5 m geführten Fundamentierungsarbeiten fand man in einer von 2 bis 5 m variierenden Tiefe eine Anzahl Töpfe aus gebranntem Ton. Leider wurden diese Funde von den Arbeitern, die einen kostbaren Inhalt vermuteten, bis auf 6 Stück, die in mehr oder minder gut erhaltenem Zustand gerettet werden konnten, zerschlagen. Der den Bau leitendem Ingenieur wusste den Zweck der Gefäße nicht zu deuten und legte dem Fund wenig Wert bei. Im Jahre 1897 sah sie bei ihm ein französischer Gelehrter mit Namen Tribidez, der sein Urteil dahin abgab, dass es sich offenbar um Granaten handele, die mit griechischem Feuer gefüllt von den Sarazenen im Kampf gegen die Kreuzfahrer verwendet. wurden.

 

Die nebenstehende Figur gibt die Gestalt eines der Gefäße in natürlicher Größe wieder, die Form zeigt bei den übrigen kleine Abweichungen. Sie tragen, offenbar zum Zweck des sicheren Anfassens beim Werfen, schuppenartige durch Auskratzen mit einem spitzen Instrument hergestellte und zu einem Ornament angeordnete Vertiefungen und zum Teil kufische Schriftzeichen, die indessen unleserlich sind. Die Wände sind aus mehr oder minder hartem Ton, ihre Dicke liegt zwischen 4 und 12 mm. Das Mundloch ist etwa 5 mm weit.

 

Soweit die Tatsachen! Dafür, dass diese Gefäße wirklich Handgranaten gewesen, spricht in erster Linie der Fundort in einer wohl der Zeit der Kreuzzüge angehörenden Erdschicht des Zitadellgrabens. Will man der geschichtlichen Spekulation Raum geben, so wäre an die im Jahre 1148 während des 2. Kreuzzuges unter Kaiser Konrad III. erfolgte vergebliche Berennung von Damaskus zu denken. Die Gefäße wurden, mit griechischem Feuer gefüllt und angezündet, von der Mauer aus unter den stürmenden Feind geworfen, wo sie beim Zerbrechen den heftig brennenden, bei reichlicher Gegenwart von Schwefel auch wohl erstickende Gase aussendenden Inhalt umherschleuderten. Sie dürften mit den von chinesischen Piraten gebrauchten Stinktöpfen auf eine Stufe zu stellen sein, welche, auf das zu enternde Schiff geworfen, höchst widerliche Gase ausströmten und so die Verteidigung der gefährdeten Stelle unmöglich machten.

 

Über die Verwendung des griechischen Feuers im Land- und Seekrieg schreibt Bertholot in der Grande Encyclopedie, Tome 17, Page 367: „Bis zum 10. Jahrhundert schien der Einsatz des Griechischen Feuers auf die Seekriegsführung beschränkt gewesen zu sein. Allenfalls wurde es auf am Meer gelegene Häuser geworfen. Die Verwendung des Griechischen Feuers und der unter diesem Namen zusammengefassten Mehrfachbrandsätze verbreiteten sich danach immer mehr. Es wurde nicht nur bei Belagerungen nach Art der Griechen und Römer und in der Seekriegsführung nach Art der Byzantiner eingesetzt, sondern auch die Muslime, d. h. die Perser und Türken, die gegen die Kreuzfahrer kämpften, verwendeten das Feuer im Krieg der Griechen. Sie brachten an allen ihren Ausrüstungsgegenständen, Angriffswaffen und Kriegsmaschinen Brandsätze an. Sie warfen Feuertöpfe aus Ton oder Glas aus ihren Hände, die zerbrachen und den Feind mit Feuer bedeckten. . .”

 

Quelle: Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde. Band 1, Heft 10.