
Es ist uns die Nachricht zugekommen, dass der hochwertvolle Schild aus der St. Katharinenkirche in Marburg, aus der vortrefflichen Abbildung in von Hefners Trachten des christlichen Mittelalters (1, Tafel 82) bekannt, in Folge der Zersetzung des Holzes nunmehr dem völligen Ruin nahe sei.
Es wäre gewiss ein herber Verlust, wenn dieser seltene Rest alter Mannesrüstung aus dem 13. Jahrhundert zugrunde ginge; wir wollen demnach, um dieses ganz zu verhüten, oder doch um wenigstens den Verfall hinauszuschieben, einige Hilfsmittel an die Hand geben. Der Schild, aus Lindenholz, ist beiderseits mit Pergament überzogen und an der Vorderseite in alter Schilderarbeit plastisch gebildet und geschnitten; es ist aus diesem Grund dem Holz schwer beizukommen. Die Ursache der Vernichtung des Holzes kann eine zweifache sein. Entweder ist dieses der sogenannten «Trockenfäule» verfallen, die überall auftritt, wo ein Holzgegenstand bei Mangel an Luft und entsprechender Feuchtigkeit Jahrzehnte lang aufbewahrt wird, oder in das Holz ist der »Holzwurm« (Anobium Striatum) geraten, der unbedingt getötet werden muss.
Wir würden ersteren Fall für wahrscheinlicher halten, weil der Holzwurm unter der Pergamenthülle leicht erstickt. Erkennbar ist das Übel dadurch, dass bei massigem Schütteln kleine Holzteile abfallen, welche, nicht wie bei dem Abfall des Holzwurmes, ein mehliges Pulver darstellen, sondern unter der Lupe noch das Gefüge erkennen lassen. Die Abhilfe ist je nach dem Grad des Schadens je schwieriger. Das sicherste Mittel liegt in der Petrifizierung und da gibt es verschiedene bekannte Verfahrensarten; ein anderes von uns schon mit Erfolg angewendetes Mittel bietet sich in der Durchtränkung des Holzes mit reinem Kupfervitriol, das aber mit Vorsicht angewendet werden muss, um nicht die bemalte, vergoldete und versilberte Bildseite zu beschädigen. Zu dem Zweck muss der Schild senkrecht aufgestellt und das Pergament vom oberen Rand der Länge nach aufgeschnitten werden. Dieser operative Eingriff ist bedauerlich, aber unerlässlich. Nun wird in Intervallen von je einer Woche die Lösung aus kleinem, mit dünner Ausgussrohr versehenen Kännchen eingetropft und damit fortgefahren, bis mutmaßlich das ganze Holz mit dem Stoff durchtränkt ist. Der Schild bleibt da monatelang unverändert in seiner Stellung.
Auch beim Wurmfraß ist das Verfahren ein ähnliches, nur wird in die Spalte eine Sublimatlösung eingegossen. Wo sich an freien Stellen Bohrlöcher zeigen, werden diese dann mit Wachs verklebt, nur um zu ersehen, ob der Wurm noch weiter tätig ist oder nicht, was sich aus dem mehligen Abfall erkennen lässt. Vermindert sich dieser Abfall, dann ist der Organismus des Tieres angegriffen; hört er gänzlich auf, dann ist das Tier getötet und der Gegenstand gerettet. Wie überhaupt auf dem Gebiet der Konservierung, erfordert die Vornahme Reinheit, Nettigkeit, eine minutiöse Beobachtung und Aufmerksamkeit, endlich eine Unsumme von Geduld. Was in Jahrhunderten sich aus Nachlässigkeit herausgebildet hat, muss man nicht in wenigen Stunden aus der Welt schaffen oder beheben wollen.
Textquelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. I. Band. Heft 8. Dresden, 1897-1899.
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