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Ein Inventar von Waffen und Kunstgegenständen im Dogenpalaste zu Venedig vom Jahre 1726. Unter interessanten Papieren, welche ich zu einer gelegentlichen Verwendung in einer Mappe gesammelt habe, befindet sich auch die Abschrift eines Inventars von Waffen und Kunstgegenständen, welche im Dogenpalast zu Venedig verwahrt wurden. Dieses Inventar, aufgestellt im Januar 1726, fand sich im Original mit anderen Schriftstücken in dem Kodex 15 der Bibliothek dalle Rose in Venedig und ich verdanke die Vermittlung derselben meinem geehrten Freunde Cav. Barozzi in Venedig.
Zum Verständnisse dieses Dokumentes, welches ich in genauer Übersetzung hier folgen lasse, sei vorbemerkt, dass der Inhalt desselben zum großen Teil in Ehrengeschenken bestand, welche in früherer Zeit der Republik gemacht worden; zum Teil aber auch aus sehr geheim gehaltenen Waffen, welche im Laufe der Zeit von Erfindern für den Kriegsgebrauch angeboten worden sind. Ich habe bereits in dem Artikel «Leichteisen» einen Fall ähnlicher Art bekannt gemacht, der das Anerbieten des Vittorio Camelio zur Erzeugung besonders leichter Harnische zum Gegenstand hat. Hier in dem Inventar finden wir eine Zahl mechanischer Projekte, die von sinnreichen Waffenschmieden angeboten wurden. Nur ein geringer Teil enthält Andenken an die Geschichte der Republik. Schließlich sei bemerkt, dass die gesamte hier verzeichnete Kollektion nach der Einnahme durch die Franzosen ins Arsenal geschafft wurde, in deren Sammlung aber heute nur mehr wenige Stücke aus selber vorhanden sind. Es folge nun die Übersetzung:
«Inventar
von verschiedenen hervorragenden (Insigni) Gegenständen, welche sich in den Sälen des hocherleuchtetsten Rates der X befinden.»
«Drei Schwerter,1 eines von Seiner Hoheit dem Fürsten Ziani und zwei vom Papste verehrt. Ersteres kann sich auf Sebastiano Zian 1172—1178 oder auf Pietro Zian 1205—1229 beziehen. Die anderen zwei sind sicher geweihte Schwerter, von Päpsten an venezianische Feldherren verehrt, welche sich im Kampfe gegen die Ungläubigen ausgezeichnet hatten. Eines davon war zweifellos, jenes, welches Papst Pius V. an Sebastiano Venieri, den späteren Dogen, verehrte.
Drei Säbel,2 von dem Fürsten von Japan an die Republik gesendet, und ein Dolch von der Form eines großen Messers und ein anderer kleinerer. Ein Dolchmesser von Seiner Hoheit dem Fürsten Venier. Hier kämen drei Dogen in Betracht. Antonio Venieri um 1400, Francesco 1554—1556, endlich Sebastiano 1577 bis 1578. Das Objekt dürfte zu letzterem, dem Sieger von Lepanto, in Beziehung zu bringen sein.
Eine Bronzekanne mit Weinlaubwerk geziert, gearbeitet von Pietro Giusti, Sohn Seiner Hoheit Andrea Gritti. Andrea Gritti, der 77. Doge, regierte 1523 — 1539. Zwei Artilleriemodelle, von dem Ingenieur Rinaldo Vicini herrührend, welche man ohne Erlaubnis Ihrer Excellenzen Niemandem zeigt. Ein Orgelgeschütz von 20 Rohren3 mit zwei Radschlössern und einer Abfeuerung, welche für alle dient. Ein Gehäuse4 von vier Rohren mit Radschloss, welches für alle dient. Eine Hakenbüchse, welche man viermal ladet. Eine andere mit vier Rohren, welche man viermal ladet.
Zwei, welche man durch einen Kunstgriff ladet.
Eine Maschine für den Feldgebrauch mit ihren Mänteln5 und sieben Rohren. Eine kunstreiche Helmbarte zum Schießen mit 14 Rohren. Ein Artilleriestück, welches kunstvoll fünfmal explodiert. Zehn Läufe einer Hakenbüchse zusammen verbunden, welche 63 Schüsse abgeben. Ein Gehäuse von Kupfer mit zwei Feuerstahlen, um Schrotte darein zu stopfen. Helmbarte, welche zwölf Schüsse macht. Erfindung von zehn miteinander verbundenen Läufen. Der Harnisch des Gattamelata mit allem Zubehör auch für das Pferd. Derselbe ist in der Sammlung des Arsenals noch vorhanden. Erasmo da Narni, genannt Gattamelata, zuletzt im Dienste Venedigs, gestorben 1441. Hervortretend durch den Sieg bei Anghiari. Seine Reiterstatue in Padua von Donatello bietet ein Beispiel des Überganges in den antikisierenden Stil in der Harnischform.
Korazzine mit goldenen Schienen bedeckt, welche von Ihren Herrlichkeiten den Prinzen getragen wurden. Korazzin Seiner Herrlichkeit des Fürsten Ziani.
288 Korazzine von Atlas und Samt.
Harnisch von Eisen Franz I., Königs von Frankreich. Es ist derselbe, welchen Ludwig XVIII., als er im April 1796 aus dem venezianischen Gebiet ausgewiesen wurde, wieder zurückverlangte.
Zwei Harnische, welche von dem König von Persien an den Dogen gesendet wurden. Vier Morions, welche vom König von Frankreich verehrt wurden. Andere zwei, vom König von Ungarn gesendet. Bronzestatue Seiner Herrlichkeit Francesco Morosini (der Peloponesier 1688—1694). Eine kleine Ballester, deren sich Francesco von Carrara, Herr von Padua, bediente. Aus der Waffe ist zu schließen, dass hier Francesco von Carrara, Herr von Padua II genannt Novello, gemeint ist. Er ward geboren 19. Mai 1359 und als Gefangener zu Venedig im Kerker erdrosselt.
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Der Kopf des Ezzelino in Marmor gehauen. Banner Seiner Hoheit Zian mit . . . (leergelassen). Erfindung um Lasten zu heben, herrührend von Herrn Giulio Savorgnan. Marmorstatue, Seiner Hoheit Sebastian Venieri.
Eine andere von Herrn Francesco von Carrara. In dieser kann möglicherweise auch Francesco I. il vecchio, gestorben 6. Oktober 1393, dargestellt sein. Die Statuen sind übrigens, unseres Erinnerns, noch in der Waffensammlung des Arsenals vorhanden.
Eine andere von Francesco Sforza. Eine andere von Bianca M. Visconti. Eine Bronzelampe, wiedergefunden im Grab des Antenor. Ein Vorlegeschloss des Herrn Francesco von Carrara, wie man sagt, wäre dieses für den Geschlechtsteil einer Frau.6 Bildnis in Bronze des Proveditore Generals Agostino Barbarigo, gestorben in der Schlacht der Curzolari an einem Pfeil, der das Auge getroffen hatte.
Hierzu wäre Einiges zu bemerken. Barbarigo war Unterbefehlshaber der venezianischen Flotte bei Lepanto, 1571, und starb von einem Pfeil getroffen nach der Siegesnachricht wie Epaminondas. Die letzten Szenen der Schlacht spielten in der Nähe von Lepanto bei den Curzolarischen Inseln.
Eine Steinartillerie (Steinmörser?). Ein Relief mit Figuren von der Hand Albrecht Dürers. Einige wenige kostbare Bilder des Bassan. Zwei Figuren von Adam und Eva von hoher Berühmtheit. Ein Schrank von Ebenholz mit kostbaren Steinen eingelegt, darin befinden sich 39 Bronzemünzen, unter denen andere der Königin Isis und andere wunderschöne und kostbare Figuren in 72 Kameen. Ein Leuchter von Bergkristall mit Gravierungen; alles in Silber gefasst. Bild der heiligen Jungfrau von ausgezeichneter Malkunst. Bild des Evangelisten Sanct Marcus in Lebensgröße. Die heilige Jungfrau, gemalt vom heiligen Lucas. Dürfen ohne Erlaubnis Ihrer Excellenzen nicht gezeigt werden.
Ein Spiegel von Stahl, welcher von Ferne Feuer anzündet. Die heilige Jungfrau von dem älteren Palma. Eine große Zahl von reich ausgestatteten Säbeln, unter diesen einer mit Damaszener Klinge und Handgriff in Form eines Löwen. Die Beschläge in Gold gearbeitet von ansehnlichem Wert. Zwei Birnen7 von Bronze von ausgezeichneter Arbeit.
Neun kleine Kanönchen von Bronze.
Im Saal und auf der Stiege, welche zur Türe des großen Rates führt: 214 Hakenbüchsen von Stahl, vollkommen brauchbar. 61 Karabiner. 130 Taschenpistolen von Stahl. 20 kurze Pistolen. 74 Pulverflaschen. Schrottbeutel. Gehäuse mit Kugeln und Flintsteinen angefüllt. In dem Saal, von dem aus man hinauf in die anderen Säle geht: 65 Hakenbüchsen, alle mit Patronen ausgestattet. 7 Karabiner. 20 Pulverflaschen für Lot und Kraut. In dem kleinen Saal vor dem, wo man in die anderen Säle eintritt: 40 Pistolen. In dem Saal des Kristallleuchters: 18 Hakenbüchsen. 32 Pistolen, — andere 27.
Ein Artilleriestück aus Bronze, welches man in mehrere Stücke verteilen kann. 2 Pulverflaschen. 166 Zündpulverflaschen. Im Saal der Kürrasse: 56 Pistolen. Große Colubrina von Eisen und verziert.
Andere Sachen, welche noch aufzuzeichnen sind: In den anderen Sälen finden sich Schwerter und Degen, welche, wie ich glaube, aufzuzählen überflüssig ist, aber sie sind in großer Zahl und von selten schöner Ausstattung. Coltelli, Coltellaggi von seltener Schönheit. Diese Coltelli, Schwerter und Degen sind alle Geschenke von Königen und Fürsten an die Republik, oder bemerkenswerte Kriegsbeute, einige errungen von feindlichen Paschas und Vezieren und von unseren Patriziern nach Hause gebracht, aber die genauen Nachrichten über selbe sind in Vergessenheit geraten.»8
Nachdem nun der Rest der Sammlung summarisch angegeben worden ist, steht noch am Schluss folgende Bemerkung: «Questo Inventario eretto nel Gennajo 1726 Mon. Veneto trovasi a pag. 172 e seguenti del Codice No. 15 della Libreria Dona Dalle Rose.» Das war der Zustand der Waffen- und Kunstsammlung im Dogenpalast zu Venedig unter dem 112. Dogen Aloise III. Mocenigo (1722—1732).
Für uns hat dieses Dokument, ungeachtet einiger sehr wertvoller Hinweise auf bestimmte Stücke, doch nur eine mehr symptomatische Bedeutung. Zu allen Zeiten nahmen die Waffenankäufe für Heer und Flotte in Venedig ungeheure Summen in Anspruch; dabei lugten die Senatoren unausgesetzt nach Erfindungen aus, welche im Waffenwesen gemacht wurden. In den Gesandtschaftsberichten finden sich Berichte von solchen von Zeit zu Zeit. Unter diesen bekannten Verhältnissen fanden sich bald zahlreiche Projektenmacher vor der Signoria ein, welche ihre Inventionen zu umso besserem Preis absetzten, je weniger selbe begriffen wurden. Die betreffenden teuer bezahlten Modelle wurden dann als strengstes Geheimgut aufbewahrt und man war schon zufrieden, selbe der übrigen Welt entzogen zu haben. Über den tatsächlichen Wert der angeführten Geheimwaffen lässt sich allerdings heute kein Urteil mehr fällen. W. B.
1 Stocchi, das sind Schwerter oder Degen mit unbiegsamen Klingen.
2 Scimitara. Siehe Boeheim, Waffenkunde, scymitar.
3 Archibusi.
4 Cassella.
5 Ferralletti.
6 Sogenanntes Keuschheitsschloss.
7 Periere.
8 Tout comme chez nous.
Textquelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. I. Band. Heft 7. Dresden, 1897-1899.
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