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Neues aus dem Musée d'Artillerie in Paris Teil 2

Fig. 4. Helm des Charles de Bourbon in der Kais. Waffensammlung zu Wien. Cat. Nr. 178.
Fig. 4. Helm des Charles de Bourbon in der Kais. Waffensammlung zu Wien. Cat. Nr. 178.

 

Zunächst hatte Oberst Bernadac in dem Archiv des Kriegsministeriums das Original des Prozesses verbal aufgefunden. Es hatte sich gleichlautend mit der von uns gebrachten Abschrift erwiesen. Auf der Suche fand Oberst Bernadac aber auch die Antwortschreiben auf die obigen Briefe des Kaisers. Berthier schreibt am 18. Februar 1806 an den Kaiser: .... «J’avais deja don'ne des ordres á Mr. de Villemansy pour faire emballer et envoyer en France les armures des grands hommes qui nous interessent. Je m’assure de nouveau de les instructions de Votre Majeste que j’avais prevenues ils sont executees notamment pour l’armure du Frangois I. que je ne savais pas qui existat dans le chateau d’Ambras.»

 

Auf das zweite Schreiben des Kaisers erwidert Berthier: «Ainsi que Votre Majeste l’ordonne je viens de faire oter des voitures qui conduisaient les armures á Paris, celle de Francois I., et je la porterai moi meine quand j’aurai l’autorisation de quitter l’armee ...»

 

Ein weiteres Schreiben des Commissaire de guerre Mr. Pernichot an Mr. Hurtrel, adjudant commandant, Chef d’Etat-Major, General de la Grande Armee, bezieht sich auf denselben Gegenstand: «Augsbourg le 1 Mars 1806. — Le commissaire ordonnateur en chef me Charge de faire partir sous l’escorte d’un gendarme, un Caisson Charge de vieulles armures que Son Excellence le Ministre de la guerre envoie a Sa Majeste Imperiale et Royale. Les armures arriveront aujourd’hui á Munich, le Caisson sera Charge ce soir et pourra partir demain matin. Je Vous prie, mon General, d’avoir la bonte d’ordonner qu’un gendarme de confiance se rende au domicile de Mr. Chevenni lóge lettre C. No. 356 chez qui le chargement aura lieu.»1

 

Nach diesem interessanten archivalischen Fund, der als ein Präludium für die weitere Tätigkeit erscheint, schritt Oberst Bernadac an die genaue Revision seiner unterstehenden Sammlung zur Wiederauffindung der in Vergessenheit geratenen aus Ambras stammenden Stücke. Zur Hilfe hierbei hatte er zunächst den Wortlaut des Proces verbal, aber nach Umständen auch jene in den alten Inventarien von Ambras, deren ältestes, wenn auch inkomplett, von 1583 datiert. Sein wichtigstes Vergleichsinstrument bildete aber das große Kupferstichwerk von Schrenckh von Notzingen.

 

Als um 1580 Erzherzog Ferdinand seine Sammlung von Harnischen und Waffen berühmter Männer anzulegen begann und sich an verschiedene Höfe und Persönlichkeiten wendete, hatte er schon ursprünglich die Absicht, ein großes Bilderwerk herstellen zu lassen, um den Geschenkgebern mit einer Gegengabe zu dienen. In diesem Prachtwerk in Folio sollten die Abbildungen aller Helden, in die vorhandenen Harnische gekleidet, Aufnahme finden. Der Erzherzog betraute mit dessen Herstellung seinen Sekretär Jacob Schrenckh von Notzingen im Jahre 1582. Seine Vollendung erlebte der Prinz jedoch nicht mehr, denn es erschien erst 1601 mit 125 Kupfertafeln bei Johannes Agricola (Bauer) in Innsbruck. Die Zeichnungen zu den Tafeln fertigte Giovanni Fontana, den Stich besorgte Dominicus Custos. Der überaus langatmige lateinische Titel ist hier nicht wiederzugeben; wir bezeichnen es darum nur kurz als «Armamentarium heroicum».2 Im Hinblick auf die Sammlung muss bemerkt werden, dass das Musée d’Artillerie seit 1806 keineswegs intakt geblieben war. Im Jahre 1817 war ein großer Teil an Waffen nach Rochette gekommen, welche erst 1820 wieder zurückgelangten. Dabei gerieten schon Objekte in Verlust. Ebenso wurden Waffen im Jahre 1830 nach Vincennes und anderen Orten geliefert. In der Revolution dieses Jahres wurde das Museum vom Volk nahezu ausgeleert, und wenn auch der bedeutendste Teil des Enttragenen schon in wenigen Tagen wieder zurückgebracht wurde, so war immerhin mancher schwere Verlust zu beklagen. Im Jahre 1848 waren die Ereignisse fast spurlos an dem Museum vorübergegangen, doch waren dafür in dem Aufstand der Commune 1871 einige Schäden zu beklagen.

 

1 Gefällige Mitteilungen des Herrn Obersten, Konservators des Musée d’Artillerie Frangois Bernadac, für welche wir hier unseren verbindlichsten Dank aussprechen.

 

2 Im Jahre 1603 erschien von diesem Werk eine deutsche Ausgabe von Engelbrecht Noyse von Campenhouten und 1735 bei Christ. Weigels Witwe unter dem Titel; «Ombrassische Helden-Rüst-Kammer» eine kleinere Ausgabe durch Joh. David Köhler in Nürnberg mit trefflichen Kopien der Tafeln.

 

Fig. 5. Rundschild des Charles de Bourbon in der Kais. Waffensammlung zu Wien. Cat. Nr. 178.
Fig. 5. Rundschild des Charles de Bourbon in der Kais. Waffensammlung zu Wien. Cat. Nr. 178.

 

Vom Harnisch des Anne de Montmorency ist nur der Säbel mit der etwas sonderbaren Beschreibung: «versehen (surmonté) mit einem Kreuz», nicht mehr festzustellen. Aber in Taf. XXV in Schrenckhs Kupferstichwerk ist ja der Konnetabel mit seinem Seitengewehr deutlich abgebildet? Da zeigt sich, dass dieses ein Haudegen mit Faustschutzbügel (pas d’âne) und der Ausdruck «Säbel» nur eine unrichtige Bezeichnung ist, wie auch mit «Kreuz» sicher der Griff in seiner Gesamtheit zu verstehen ist. Es wird sich also zunächst nur darum handeln, unter der großen Zahl vorhandener Haudegen den richtigen herauszufinden. Wir bringen hier eine verkleinerte Kopie der genannten Tafel in Fig. 1.1

 

Zunächst musste Oberst Bernadac wohl den gänzlich in Vergessenheit geratenen Objekten sein Augenmerk zuwenden. Da bildete die Wiederentdeckung der einzelnen Stücke des Harnisches eines Heinrich von Montpensier die erste Schwierigkeit.

 

Aber auch in Ambras stand schon seit 1583 die Zuschreibung an eine in der Geschichte völlig unbekannte Persönlichkeit auf schwachen Füßen. Im gedruckten Verzeichnis der Waffen in Ambras aus obigem Jahre werden die Stücke einem Grafen Heinrich zu Mote Ponson, im Inventar von 1596 einem Grafen zu Monteponson zugeschrieben. Erst im Jahre 1788 erfolgt die Zuschreibung mit der Bezeichnung: «Monteponson, vielleicht Montpensier.» Das ist eine weit hergeholte Kombination, die an sich gar nicht aufrecht zu erhalten ist. Bei Schrenckh fehlt auch ein Monteponson gänzlich. Damit rückt der Gegenstand in seiner Bedeutung erheblich zurück.

 

Weit wichtiger erschien aber der halbe Harnisch eines der größten Helden Frankreichs: Charles de Gontaut, Herzog von Biron, den seine Zeitgenossen «Fulmen Galliae» benannten (geb. 1562, hingerichtet 1602).

 

In dem ältesten Katalog des Musée d’Artillerie, 1825—1831, welcher noch keine Beschreibungen enthält, wird eines Harnisches des Marschalls Biron, gefallen bei der Belagerung von Epernay (1592), Erwähnung gemacht. Das ist aber der Vater des Charles, namens Armand, und das mochte Ursache gewesen sein, dass Desaulay in seinem Katalog von 1845 diese Zuschreibung fallen gelassen hat. Nun sind aber die alten Nummern in ihrem Verhältnis zu den neuen nicht bekannt und damit ist jener Harnisch nicht zu bestimmen, welcher einst diese irrige Zuschreibung an sich trug.

 

1 Siehe Blogartikel Teil 1.

 

Fig. 6. Bildnis des Generalobersten Pietro Strozzi aus Schrenckhs Kupferstichwerk. Taf. CVII.
Fig. 6. Bildnis des Generalobersten Pietro Strozzi aus Schrenckhs Kupferstichwerk. Taf. CVII.

 

Der Proces verbal aber bot eine, wenn auch sehr oberflächliche Beschreibung, und in dem Inventar von Ambras von 1730 fand sich eine noch genauere mit den Worten: „ Ain schwerer Khirras mit geätzten vergulten reiflen (Strichen und Rändern) sambt Helmblin ohne schienen und schuech.» Diese gewonnenen Daten genügten Oberst Bernadac, um unter den Harnischen den einzigen dem Biron zuzuschreibenden mit aller Sicherheit festzustellen, ungeachtet auch hier Schrenckhs Werk keine Hilfe geboten hatte, da auch dieses in seinen Stichen keinen Harnisch Birons enthält.1 Unter allen konnte nur der halbe Harnisch G. 143 der gesuchte sein, weil dieser allein vollständig den Beschreibungen des Proces verbal und des Inventars von 1730 entspricht. Wir bringen denselben in Fig. 2 in Abbildung und bemerken, dass derselbe nicht italienischer, nicht deutscher, sondern sicher französischer Herkunft um etwa 1590 ist. Die Arbeit ist ziemlich roh, die Sturmhaube, wenn auch sonst zugehörig, besitzt nur vergoldete Streifen, die aber nicht mit Ätzungen ausgestattet sind. Eine Durchlöcherung am Bruststück weist nicht auf einen Kugelschuss als Ursache.

 

Noch interessanter und nicht minder erfolgreich gestalteten sich Oberst Bernadac’s Untersuchungen bezüglich des verwechselten Rundschildes des Charles von Bourbon.

 

Die Verwechslung selbst bei der Übernahme in Ambras 1806 war rasch festzustellen, durch den Vergleich des Helmes und des Rundschildes dieses Feldherrn in der kaiserlichen Waffensammlung zu Wien (Saal XXVI, 178) mit der Tafel XXIX in Schrenckh, und wir bieten dem Leser durch die Abbildung dieser Tafel in Fig. 3 und jener der beiden Originalstücke in Fig. 4 und 5 Gelegenheit, diesen Vergleich selbst anzustellen. Es wurde somit aus Ambras ein anderer Rundschild und dazu ein Helm mitgenommen, und es fragt sich nur, welche: Ein Hauptmerkmal des ersteren bildete die Angabe, dass er geätzt, vergoldet sei und in der Mitte eine Spitze besäße. Aus Wien erfuhr Oberst Bernadac, dass 1806 der Schild des Generalobersten der französischen Infanterie, Peter Strozzi (geb. 1541, im Meer ertränkt 1582) und ein Helm ohne Zuschreibung mitgenommen wurden. Da lieferte die Tafel CVII bei Schrenckh das Mittel, die Form und Zier desselben zu ersehen, und die Abbildung, die wir hier gleichfalls in Fig. 6 zur Ansicht bringen, war klar und deutlich genug, um im Musée d’Artillerie das Urbild in dem mit einem Stachel ausgestatteten Rundschild J. 24 herauszufinden, den wir hier in Fig. 7 vor Augen stellen. Strozzi ist in Schrenckh ohne Helm dargestellt und es war auch in der Tat nie ein Helm desselben vorhanden. Wäre der mitgenommene Helm aufzufinden, so könnte das nur insofern Wert haben, als dessen Herkunft aus Ambras damit festgestellt wäre.

 

Mit den vorher geschilderten Ergebnissen der Forschungen des Konservators Oberst Bernadac hat das Musée d’Artillerie unstreitig einen ansehnlichen Gewinn zu verzeichnen; es kann zwei Gedenkstücke berühmter Franzosen gewissermaßen als einen wertvollen Neuerwerb betrachten. Gedenkstücke an den hochverdienstvollen General und Organisator des französischen Fußvolkes Peter Strozzi und an Charles Biron, der als Verräter geendet hatte, dessen Ruhmestaten in den Schlachten bei Arques, Jvry, Aumale, wie in der Belagerung von Paris als glänzende Sterne in der Kriegsgeschichte Frankreichs aber nie verlöschen werden.

 

1 Wer das Gesamtwirken und die fabelhaft große Inanspruchnahme des Kupferstechers D. Custos kennt, wird es begreiflich finden, dass Schrenckhs Armamentarium Heroicum 19 Jahre bis zur Herausgabe in Anspruch nahm. Da der Stecher bei allem Fleiß und aller Gewandtheit nicht nachzukommen vermochte.

Das Werk wurde endlich 1601 zwar abgeschlossen, kann aber nicht als vollständig gehalten werden, da tatsächlich noch etwa 10 Harnische angesehener Kriegsmänner der Sammlung darin fehlen.

 

Fig. 7. Rundschild des Generalobersten Pietro Strozzi im Musée d’Artillerie in Paris.
Fig. 7. Rundschild des Generalobersten Pietro Strozzi im Musée d’Artillerie in Paris.

Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. I. Band. Heft 11. Dresden, 1897-1899.