· 

Der sogenannte Säbel Karls des Großen

Fig. 1 und 1a.
Fig. 1 und 1a.

 

Von Josef Hampel in Budapest.

 

Noch bis vor kurzer Zeit galt in der waffengeschichtlichen Literatur die Auffassung, dass der orientalische Reitersäbel durch das Eindringen der Türken im Osten Europas heimisch geworden sei. Diese Auffassung erscheint seit den Forschungen der letzten Jahrzehnte, besonders in ungarischen Reihengräberfeldern des frühen Mittelalters, als überwunden. Wir haben erkannt, dass bereits der hunnisch-awarische Ansturm, also ein Zeitpunkt, der etwa um tausend Jahre dem Eindringen der Türken in Europa voraus liegt, uns den Reitersäbel gebracht hat. Die typische Form desselben scheint am besten in den beiden Exemplaren: von Kassa1 (Komitat Baranya) im Nationalmuseum und von Kecskemet2 im Museum derselben Stadt vertreten, und deshalb verweisen wir auf diese Stücke, welche von der eigentümlichen Form dieser Waffe einen richtigen Begriff vermitteln.

 

Durch die fränkisch-awarischen Kämpfe wird wohl diese, von der okzidentalen Schwertform so verschiedene Säbelform auch im Westen bekannt geworden sein, und vermutlich nannte man diesen orientalischen Säbel «gladius huniscus», zum Unterschied von der fränkischen Spatha.3

 

Der Prunksäbel, welchen man in der Wiener Schatzkammer neben den Reichskleinodien des Heiligen Römischen Reiches verwahrt, und welchen die Tradition an den Namen Karls des Großen knüpft, gehört nicht der Denkmälergruppe an, welche wir nun aufgrund sicherer Anhaltspunkte als hunnisch-awarisch bezeichnen können (5.—9. Jahrhundert). Dagegen steht er im engsten Zusammenhang mit der Säbelform, deren sich die Ungarn und ihre Verbündeten bedienten, als sie in den letzten Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts sich in ihrer heutigen Heimat festsetzten.

 

Wir haben in einer Edition, welche die ungarische Akademie der Wissenschaften aus Anlass des Millenniums vorbereitet, die Säbel zusammengestellt und veröffentlicht, welche den Gräbern der Landnehmer entstammen4.

 

In dieser Reihe erhält der sogenannte «Säbel Karls des Großen», welcher als bisher isoliert für sich stehendes Monument der waffengeschichtlichen Forschung ein schier unlösbares Rätsel zu sein schien, seine nächsten Verwandten.

 

Das typisch Gemeinsame der ganzen Reihe ist außer der einschneidigen Klinge, die bald massig gekrümmt, bald gerade ist, der schräg stehende Griff und die Querstange, deren beide Arme in stumpfem Winkel sich zu der Klinge beugen und in je einer rundlichen Verdickung endigen.

 

Dem Säbel der Schatzkammer zunächst steht der Säbel von Tarczal (Komitat Zemplen), von dem außer der Klinge Fragmente der Silberbeschläge von Griff und Scheide vorhanden sind, welche in ihrem Prunk bezeugen, dass er wohl die Waffe eines hervorragenden Mannes gewesen, der an dem Gelände des Tokajer Gebirges mitsamt seinem Ross zu letzter Ruhe bestattet wurde. Die Klinge ist einschneidig und mäßig gekrümmt, mit kurzer Parierstange, deren beide knopfartig endigende Arme sich in stumpfem Winkel gegen die Klinge beugen. Auch ist der Griff schräggestellt; der Abschluss desselben fehlt wohl, doch zeigt das gewölbte Silberfragment, welches den Knauf umhüllte, dass derselbe dem Abschluss des Griffes am Wiener Säbel entsprach.

 

An dem Säbel von Demkóhegy (Stuhlweißenburg), aus derselben Epoche, ist die einschneidige Klinge gerade, doch die Form des Griffes samt der Parierstange ist dieselbe, nur besteht dieses Mal die Parierstange aus gelbem Metall. Die Verbreiterung am Ende der gekrümmten Griffangel lässt vermuten, dass auch hier die Ausbildung des Griffes dieselbe war wie an den vorher erwähnten zwei Stücken.

 

Gleichfalls gerade und dabei einschneidig ist die Säbelklinge aus dem Grab von Gomba (Komitat Alsó Fejér), derselben Epoche angehörig. An diesem Stück ist die Parierstange vollkommen erhalten, vom Griff haben wir zwar nur ein kleines Fragment, doch zeigt dessen schräge Stellung, dass auch hier die Griffangel so zu ergänzen ist wie an den vorherigen Säbelgriffen.

 

1 Abgebildet: A régibb közepkor emlékei I, 147, Tafel (Denkmäler des frühen Mittelalters in Ungarn).

2 Abgebildet: Értesitö 1896, S. 157.

3 Im Jahre 796 schreibt Alcuin: ... dirigere studuimus unum balteum et unum gladium huniscum et duo pallia sirica (Schlosser, Schriftqu. z. Gesch. der kar. Kunst 1892, S. 19).

4 Die Arbeit ist als Separatausgabe unter dem Titel erschienen: A honfoglalási kor hazai emlekei (Die heimischen Denkmäler aus der Epoche der Landnahme) 1896, 40, 224 S. mit 80 Tafeln und 157 Textabbildungen.

 

Rechts 2, links 2b.
Rechts 2, links 2b.
Fig. 2a.
Fig. 2a.

 

Der Säbel von Nemes Ócsa (Komitat Komorn) lässt zwar in seiner mangelhaften Erhaltung nicht sicher erkennen, ob er krumm oder gerade war, doch ist der Griff und die Querstange in gutem Zustand erhalten; letztere ist aus Bronze, und beide Enden sind birnförmig verdickt, auch ist die Griffangel schräggestellt. Einige andere Exemplare, welche entweder mangelhaft erhalten sind oder wegen der Provenienz nicht genügend sichere Anhaltspunkte gewähren, lassen wir hier bei Seite und beschränken uns auf die kurz erwähnten Analogien, welche samt und sonders dem 9. und 10. Jahrhundert angehörenden Grabfunden Ungarns entstammen.

 

Derselben Epoche gehört ein Exemplar an, das aus Czechovitz ins Museum für Völkerkunde nach Berlin gelangte, ferner die Reliefdarstellung eines ähnlichen Säbels an der Götzenstatue von Hussiatyn in Ostgalizien; ferner gehört zu der Reihe ein ähnlicher Säbel, welchen Jastróboff einem Grab des Friedhofes von Liada (Mittelrussland) entnahm, und es schließen sich zwei Säbel an, welche Dr. Grempler für das Berliner Museum für Völkerkunde in Tiflis erwarb.

 

Vermutlich sind wenigstens die beiden letzteren Stücke als kasarische Säbel zu betrachten, denn aus einer bekannten Stelle bei Nestor wissen wir für die Zeit vor 852, dass der Säbel der Kasaren einschneidig und krumm gewesen war1.

 

Auch sind die krummen Säbel mit Parierstangen in den Händen der auf permischen Schüsseln eingekratzten Krieger zu erwähnen, welche den Gebrauch für die gleiche Epoche auch bei den Permiern bezeugen.2

 

Wir haben es hier demnach mit Säbelformen zu tun, welche im Osten Europas sicher schon vom 9. Jahrhundert an im Gebrauch standen und sicher auf asiatische Werkstätten zurückgehen, wofür außer vielen anderen Erwägungen auch die Begleiterscheinungen (samanidische Münzen) und vor allem die Ornamentik sprechen. Die Tradition, welche den Wiener Säbel dem Orient entstammen lässt, ist also auf richtiger Fährte, wofür auch eine genauere Betrachtung der so reichen Ornamentik an demselben Zeugnis ablegt.

 

Merkwürdigerweise ist diese höchst charakteristische Verzierungsweise nie eingehender Prüfung und Beschreibung unterzogen worden, vermutlich deshalb, weil man von den einzelnen Ornamenten keine Detailaufnahmen besaß, wie wir sie durch gefällige Vermittlung der Redaktion dieser Zeitschrift jetzt vorzulegen in der Lage sind.

 

Fig. 1 bringt den Griff zur Darstellung; an diesem sind die drei Reifen in der Mitte Zutaten des späteren Mittelalters und haben uns jetzt nicht näher zu beschäftigen. Von der Fischhaut (Squaliis cetrina), die an dieser Stelle den Griff überzog, sind noch größere Fragmente erhalten, die der ursprünglichen Ausrüstung angehören. Das obere und untere Drittel des Griffes sind mit Silberblech überzogen; diese waren an den beiden Schmalseiten durch Silberstreifen verbunden, doch brachen sie, und offenbar sollten die drei angelegten Ringe in späterer Zeit die Silberbeschläge festhalten.

 

Sowohl hier als an der Parierstange und an der Scheide sind an sämtlichen Silberbeschlagstücken die Ornamente teils gepresst, teils getrieben, während der rückständige Grund mit dem Kreispunzen rau gemacht und vergoldet wurde. Fig. 1 a stellt von oben gesehen die Oberfläche des Griffknaufes dar; Fig. 2, 2 a, b veranschaulichen die Beschlagstücke an der Öffnung, der Mitte und dem Ende der Scheide. An allen Teilen füllen Palmetten und Rankenwerk die Flächen, doch bei aller Gleichartigkeit der Muster schmiegt sich die Komposition stets dem gegebenen Raum an und variiert diesem entsprechend die einzelnen Bestandteile zu immer verschiedenen ornamentalen Bildern. Schon am Griff finden wir dreierlei Komplexe.

 

Am Scheitel des Knaufes ist das Zentrum der einen Figur (1 a). Hier berühren einander im Kreissegment zwei Doppelranken, zwei andere Doppelranken laufen kreuzweise gleichsam unter denselben hindurch und vier Doppelranken verbinden diese mittlere Gruppe, indem sie ein querstehendes sphärisches Viereck bilden, dessen jede Seite im Ober- oder Unterlauf zwei Doppelranken durchziehen. An jeder Spitze des Vierecks sind die von beiden Seiten zulaufenden Ranken gleichsam durch einen Ring zusammengeschlossen, aus dem nach unten je eine dreiblätterige Palmette (heraldische Lilie) heraustritt. Hier, wie auch an allen übrigen Palmetten, Blättern und Schösslingen ist darauf zu achten, dass die Doppelkontur der Ranke sich innerhalb dieser Erweiterungen stets fortsetzt.

 

Von den durchzogenen Doppelranken sind stets die einander zunächst stehenden nach unten zweimal miteinander verschlungen; sie entfernen sich sodann voneinander, und indem sie die Lilie umrahmen, laufen die beiden Glieder derselben Doppelranke in spitzem Winkel übereinander, und jede Endigung verbindet sich mit je einem Doppelrankenende, das von unten kommt; sie werden daselbst von einem Ringglied umschlungen und bilden nach seitwärts in entgegengesetzter Richtung nach außen stehende Lilien. Die nach unten gerichteten Doppelranken umschlingen einander, verbreiten sich, umschlingen dann jede ihre Nachbarranke und endigen in der Richtung zueinander in je zwei Gliedern, nach oben in dreifach geschlitzten Blättern, nach unten in einfachen Blättern; oben und unten berühren die entgegenstehenden äußersten Blätter einander, und in der so gebildeten Einrahmung sitzt ein glattes ovales Blatt.

 

Dieses ist der untere Abschluss auf den beiden breiten Seiten. Auf den Schmalseiten liefen zweimal verschlungene Doppelranken tiefer hinab bis zum Motiv, welches das entgegengesetzte Ende des Griffes verziert. Dieses Motiv setzt sich aus zwei Doppelranken zusammen, die S-förmig gegeneinander stehen, nach beiden Enden zu in je drei Blätter geschlitzt und an der unteren Biegung durch einen Ring aus Doppelranken verbunden sind, welcher oben spitz zuläuft und in einer heraldischen Lilie endet.

 

An den beiden Teilen der Parierstange sind die Motive des unteren und oberen Griftendes in vereinfachter Weise wiederholt.

 

Das Mundblech an der Scheidemündung zeigt seiner dreifachen Gliederung entsprechend drei Motive (Fig. 2).

 

Zuoberst stehen einander in waagerechter Lage mit der äußersten Spitze fünfteilige Blätter entgegen, eingerahmt von Doppelranken, die miteinander zwischen den Blattspitzen verschlungen sind und nach außen zweiteilige kurze Schösslinge entsenden.

 

Darunter rahmt die stark erweiterte Oberfläche eine wellenförmige Doppelranke ein, dem engeren oder breiteren Rand entsprechend sind die Wellen niedriger oder höher, im Wellental hat die Ranke stets einen Knoten, woraus in den kleineren Tälern ein halbkreisförmiger Schössling aufsteigt, während sich im letzten großen Wellental zwei Schösslinge erheben und beide Enden sich in drei Schösslinge teilen.

 

In diesem Rahmen entwickelt sich das reiche Innenmotiv mit waagerechter Achse; es wird aus vier Doppelranken gebildet, welche einander mehrfach umschlingen und durch einen großem und drei kleinere Doppelrankenringe umfasst werden. Der größere Ring ist dreieckig, der mittlere kleinere hat die Form einer sphärischen Raute, beide endigen mit der Lilie. Den Seitenranken entspringen einander parallel ein-, zwei- und dreiteilige Schösslinge.

 

An dem Beschlagstück der Mitte (Mittelblech) (2 a) kehrt an dem breiten oberen Lappen diese Randverzierung und Innenornamentik mit unwesentlichen Modifikationen wieder; das Ornament an dem schmäleren unteren Teil zeigt in senkrechter Achsenrichtung die vielfach verschlungenen vier Doppelranken mit Lilienbekrönungen an dem zusammenfassenden Ring und als Abschluss am unteren Rand sind reichlich geschlitzte Blätterendungen und geschlitzte Seitenschösslinge; es sind dieselben Ornamentformen in mehrfach veränderter Anwendung. Am unteren Schlussstück (Ortband) (2 b) weicht das Motiv am meisten von denen der übrigen Beschläge ab. Es war eine langgestreckte, dabei schmale Fläche von ovaler Rundung, die sich unten in kugeliger Form erweitert, zu verzieren; dieser allgemeinen Form entspricht auch die ornamentale Gliederung. Breitere Felder und kräftigere Palmetten beginnen, von der Mitte der unteren Rundung ausgehend, die Reihen der von Doppelranken eingerahmten Palmetten; in der zweiten Reihe verengern sich die Felder, und noch mehr von der dritten Reihe an, wo sie dann die ganze Oberfläche in gleichen Abständen überziehen.

 

Die zwei untersten Reihen haben ihren eigenen Abschluss. In der untersten sind die Doppelranken dreimal, in der zweiten zweimal verschlungen, sie laufen in den größeren Feldern in fünfteilige, nach oben stehende, in den engeren Feldern in ähnliche, aber kleinere und nach unten gerichtete Palmetten aus. Aus der zweiten Reihe entwickelt sich dann das Schema der nach oben gerichteten drei Palmettenreihen in der Weise, dass je eine Rankenschlinge den Stiel der Palmetten in der zweiten Reihe umfasst, sich nach oben schließt, seitwärts je einen herabfallenden Blattschössling entbietet und sodann wieder auseinandergeht, rechts und links die Doppelranke des Nachbarfeldes zweimal umschlingt, dann wieder in einer Spitze zusammenläuft, wo ein Querglied, gleichsam eine Binde, sie vereinigt, aus der, wie unten, zwei Schösslinge nach beiden Seiten sich herausbeugen, worauf dann die Figur sich wiederholt. So entstehen übereinander drei Reihen von gleichartig geformten Feldern. In der obersten Reihe entsteigt je eine fünfblätterige Palmette dem unteren Zwickel in jedem Feld, während in den zwei Reihen darunter die Palmette siebenteilig ist. Die Blätter dieser «Palmetten» stehen paarweise in spitzem Winkel nach aufwärts und jedes Blatt ist kleiner als das krönende Hauptblatt am Scheitel.

 

Den Abschluss der obersten Rankenfelder bilden abwechslungsreicher entwickelte sechsblätterige Palmetten; die untersten Blätter neigen sich im Halbkreis nach unten, die obersten streben weit auseinander nach oben und schmiegen sich dem Rand des Beschlagstückes an; das mittlere Paar ist horizontal seitwärts gerichtet.

 

Diese eigentümliche Ornamentik mit ihren vom gepunzten und vergoldeten Hintergrund sich in Flachrelief erhebenden Rankenverschlingungen, Palmetten, laufenden Ranken und Schösslingen lässt sich auf einer Reihe von Analogien aus ungarischen und russischen Funden des 10. Jahrhunderts nachweisen. Zunächst sind die Beschlagbleche aus Silber mit ähnlichen Ornamenten von der Scheide des Säbels aus Tarczal (Komitat Zemplen in Ungarn) zu nennen, und verwandte Ornamente zieren eine schildförmige Silberplatte aus demselben Grab; verwandt ist auch die Ornamentik an einer solchen schildartigen Platte aus dem achten Grab von Bezded (Ungarn, Komitat Szabolcs) und einem Grab aus Szolyva (Ungarn, Komitat Beregh). Alle diese hier genannten Analogien befinden sich im ungarischen Nationalmuseum in Budapest. Diesen schließt sich, als den beschriebenen Ornamenten an Griff und Scheide stilistisch am meisten verwandtes Stück, die schildartige Platte von Galgócz (Komitat Neutra, Ungarn, Nationalmuseum) an, deren Abbildung wir deshalb hier beilegen. (Fig. 3.)

 

Nicht zu verkennen ist die Ähnlichkeit in der Verschlingung und Anreihung der Ranken und die Verwandtschaft der Palmetten. Wir heben das Stück von Galgócz besonders hervor, weil das Grab, in dem es lag, einen Silberdirhem des Emirs Nasr ben Ahmed aus dem Jahr 918 oder 919 enthielt. Stilverwandte Ornamente kamen auch zum Vorschein auf Silberblechfragmenten im Tumulus von Tsernigow, früher in der Sammlung Samokvasow, jetzt im historischen Museum von Moskau; auch diese wurden mit Münzen des 10. Jahrhunderts gefunden. Die Ornamentik auf all diesen Stücken sowie die Art ihrer Technik weisen auf den Orient, wo sie speziell mit der sassanidischen Metallindustrie genetisch zusammenhängen.

 

Innerhalb dieses Kreises ist jedoch speziell der Ornamentik des Wiener Säbels eine etwas spätere Stellung zuzuteilen, worauf zunächst stilistische Eigentümlichkeiten deuten. Solche sind: die überhäufte Anwendung der Rankenverschlingungen, eine beliebte Verzierungsweise im ganzen orientalischen Mittelalter, ferner die monotone Bildung mancher Palmetten in schematischer Doppelpaarung oder gar dreifacher Wiederholung ohne Schwung und Abwechslung.

 

Doch wie weit nach diesen Kriterien in der Datierung herabzugehen wäre, dieses zu bestimmen, möchte ich bei der Dürftigkeit analoger chronologisch bestimmbarer orientalischer Goldschmiedewerke des 11. bis 14. Jahrhunderts noch für zu gewagt halten. Bei der chronologischen Bestimmung dürfte die Klinge eine Hauptrolle spielen.

 

Dieselbe wurde bereits in der ersten Nummer dieser Zeitschrift von W. Boeheim eingehend beschrieben und nach ihrer Form und technischen Vollendung gewürdigt. Indem wir uns auf diese Ausführung beziehen, heben wir hier noch einige Eigentümlichkeiten hervor, welche als Anhaltspunkte für die Zeitbestimmung verwendbar sind.

 

Die Klinge ist in der Länge etwa eines Drittels von der Spitze aus zweischneidig; sämtliche Klingen derselben orientalischen Gruppe des 9. und 10. Jahrhunderts, die wir aus dem weiten Gebiet von Ungarn bis zum Kaukasus kennen, sind der ganzen Länge nach einschneidig. Wir schließen aus der davon abweichenden Eigentümlichkeit des Säbels der Wiener Schatzkammer, dass derselbe nicht vor dem 11. Jahrhundert entstanden sein mag.

 

Die zweite Abweichung ist die, dass der Rücken des Wiener Säbels nicht in ungebrochener Linie verläuft, wie an sämtlichen erwähnten Analogien, sondern einen winkligen Höcker hat, eine Erscheinung, welche an Säbelklingen in Ungarn erst seit dem 12. Jahrhundert zu beobachten ist.

 

Schließlich bleibt das eingeätzte und vergoldete Rankenornament an der Klinge zu erwähnen, welches gleichfalls auf ein späteres, nach dem 10. Jahrhunderte liegendes Datum hinweist.

 

So stimmen denn also alle Beobachtungen, sowohl was die Scheide, als was die Klinge betrifft, darin überein, dass der sogenannte Säbel «Karls des Großen» wenigstens drei Jahrhunderte nach diesem Herrscher entstanden ist, und man demnach alle Ursache hat, diese Tradition fallen zu lassen.

 

1 Die Stelle ist bereits von Ouwaroff, Les Meriens 1875, 168, besprochen und in ungarischer Übersetzung behandelt von Geza Nagy, Arch. Ert. 1892, 94, und von Dr. Hodinka, Arch. Ert. 1894, 381.

2 Abgebildet bei Aspelin, Ant. du nord linno-ougrine, 143, S. 612. — Ferner Gazette arch. 1886, Tafel 11, S. 82 und 83.

 

Fig. 3.
Fig. 3.

Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. I. Band. Heft 2. Dresden, 1897-1899.