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Belagerung und Berennung einer Burg

Zeichnung eines "Widders" (Rammbock zur Zertrümmerung von Toren und Mauern).
Zeichnung eines "Widders" (Rammbock zur Zertrümmerung von Toren und Mauern).

 

Die bauliche Gestaltung der mittelalterlichen Burgen bedingte auch Art und Weise ihrer Eroberung. Nur selten glückte es, eine Burg durch einen Handstreich zu nehmen. Man war genötigt, zur Belagerung überzugehen. Der Feind wandte sich, wenn er bis zur Burg emporgeklommen war, zunächst an die aufgezogene Zugbrücke und versuchte dieselbe mit Haken niederzureißen, sowie das Tor einzuschlagen. Das missglückte aber meist und die Belagerer mussten sich entschließen, an einer passenden Stelle den Graben auszufüllen, was durch Erde, Stroh, Holzbündel, Baumzweige und dergleichen geschah. Um ungestört diese Arbeiten verrichten zu können, wurde eine auf Rädern bewegliche, mit Schutzdach versehene Bretterwand zwischen die Arbeiter und die Burgmauer vorgeschoben. Nach der Ausfüllung des Grabens begab man sich an die Zerstörung der Mauer entweder durch unmittelbares Einhauen derselben oder durch Berennung mittelst des Mauerbrechers, des sogenannten Widders, eines zugespitzten, mit Eisenbeschlägen verstärkten eichenen Balkens, welcher durch Menschenhände gegen die Mauer gestoßen wurde, bis eine Bresche entstand, durch die man eindringen konnte. Natürlich konnte dies nur geschehen, wenn diese Zerstörungsarbeiten durch die hinter ihnen aufgestellten Wurfmaschinen und Bogenschützen gehörig unterstützt wurden, da ja auch die in der Burg Eingeschlossenen alles taten, die Anschläge des Feindes zunichte zu machen.

 

Querschnitt eines Belagerungsturmes.
Querschnitt eines Belagerungsturmes.

 

Der Angriff auf die Mauer ward aber auch in der Weise ausgeführt, dass man versuchte, dieselbe zu unterminieren und dadurch zum Einsturz zu bringen. Es wurde ein Stollen gegraben, der mit hölzernen Stützen sorgfältig abgesteift den unvermuteten Einsturz der Ringmauer verhütete. War der Stollen groß und tief genug, so entfernten sich die Arbeiter, nachdem sie Feuer an die Stützen gelegt hatten. Waren die Mauern auf Felsen gegründet, so musste man die Eroberung mit Sturmleitern oder durch Aushungerung versuchen. Besser aber führte es zum Ziel, wenn man dem Platz mit hölzernen Türmen nahe rückte, durch wohlgezielte Pfeilschüsse die Besatzung von ihrer Mauer vertrieb und dann unter dem Schutz der aus dem hölzernen Turm befindlichen Schützen einen Einfall über eine Zugbrücke in die Befestigung bewerkstelligte. Solche Türme bestanden aus einem hohen, festen Gerüst, das aus Balken gezimmert und mit Brettern benagelt, unten auf Rollen ruhend an die Mauer herangeschoben wurde. Sie waren gewöhnlich in mehrere Stockwerke geteilt, die durch Leitern miteinander in Verbindung standen und das Ganze war mindestens so hoch, wie die zu erstürmende Mauer. Im unteren Geschoss spielte der Mauerbrecher, während in dem obersten eine Fallbrücke war, über welche die Belagerer unter dem Schutz ihrer Bogen- und Armbrustschützen, nach der Mauer hinübergelangten. Da die Belagerten alles aufboten, um die Wirkung der Türme zu vereiteln, da sie besonders die Mauer mit Balken und anderem Baumaterial erhöhten, damit der Angriffsturm die Mauer nicht überragte, so mussten natürlich die Angreifenden auf dies alles vorbereitet sein und schnell ihre Maschine ebenfalls erhöhen können. Besonders aber bedrohte ihren Belagerungsturm die Zerstörung durch Feuer, welches mittelst Brandpfeilen aus der Burg zu ihnen hinüber geworfen wurde, weshalb der Turm auch zum Schutz mit rohen Tierhäuten behangen sein musste.

 

Symbolbild einer belagerten Burg.
Symbolbild einer belagerten Burg.

 

Eine besonders interessante Waffe der damaligen Zeit waren auch die Schleudern, mittelst welcher man große Steine in die Burg schleuderte und deren von alten Schriftstellern vier verschiedene Arten erwähnt werden. Das die Wirkung herbeiführende Gegengewicht war entweder ein bewegliches oder unbewegliches oder beides zugleich. Eine vierte Art von Schleudermaschinen wurde durch von Menschenhänden gezogene Stricke in Bewegung gesetzt.

 

Die Frauen einer belagerten Burg nahmen an deren Verteidigung stets tätigen Anteil, indem sie schwere Steine auf die Ringmauern schleppten. Auf die Anstürmenden warfen sie dann diese Steine herab oder überschütteten sie mit geschmolzenem Pech, heißem Wasser, gelöschtem Kalk und dergleichen mehr. Die Wurfmaschinen suchte man durch Brandpfeile zu zerstören und mit Haken oder durch ausgehängte Polster störte man die Arbeit der Mauerbrecher.

 

 

Quelle: Richter, Albrecht: Bilder aus der deutschen Kulturgeschichte. Teil 1. Leipzig, 1893.