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Die Uniform der kursächsischen Lehnsritterschaft 1610

Uniform der kursächsischen Lehnsritterschaft 1610
Uniform der kursächsischen Lehnsritterschaft 1610

 

Es ist ein charakteristischer Zug des deutschen Kriegswesens, dass die Gleichförmigkeit der Tracht erst im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts im Anschluss an die landesherrliche Militärhoheit zur Geltung gelangt. Weder für den sozialen und taktischen Individualismus des Rittertums noch für den eigennützigen Parteiwechsel des Söldnerwesens war sie geeignet. Die Unterordnung unter eine Autorität, die sich in ihr ausspricht, konnte nur die allgemeine Wehrpflicht heischen, und so erscheint die Uniform zuerst bei den städtischen Kontingenten des Mittelalters, in den Territorien erst, als jene Idee Leben gewann.

 

Es war um die Wende des 16. Jahrhunderts, als die dumpfe Ahnung kommenden Unheils in einer Reihe Landesfürsten die Erkenntnis weckte, dass dem drohenden Sturm mit den verrotteten Mitteln des Söldnerwesens nicht zu begegnen sei.1 Die nassauischen Fürsten gingen voran in den Bestrebungen, auf die im Volk schlummernden kriegerischen Kräfte zurückzugreifen. Hatten doch die Landesherren auch in der Blütezeit des Söldnertums niemals auf Lehns- und Landfolge ihrer Untertanen verzichtet, die zur Landesverteidigung immer noch schätzbares Material bot.

 

Aus den stets erneuten Bemühungen einer Friedensorganisation erwuchs das Defensionswesen und es ist schmerzlich zu sehen, wie man sich anstrengte, in zwölfter Stunde mit unzureichenden Mitteln den Deich gegen die heranrollenden Fluten zu stützen. An der regen aber vergeblichen Tätigkeit hat auch Kursachsen redlichen Anteil genommen. 1610 legte Kurfürst Christian II. seinen Ständen den ersten Entwurf einer Defensionsordnung vor, indessen wurde erst der dritte rechtskräftig am 1. Januar 1613.

 

Die Tendenz, anstelle der berittenen Einzelkämpfer des Rittertums eine wirkliche Kavallerieformation treten zu lassen, erhellt aus der Organisation in zwei Regimentern zu je sechs Kompagnien und der Vorschrift einer Uniform.2 Schon 1610 spricht der Kurfürst von der anlässlich der Musterung von 1608 geäußerten Absicht, eine «sonderbare Liberey, wie bei andern Kur- und Fürsten bräuchlich» einzuführen, «wie nachfolgendes Muster ausweiset». Als Bestandteile waren vorgeschrieben: Schwarzer Samtrock mit Goldborten, kurze schwarze Samthosen, gelbes Feldzeichen, Reitstiefel, hoher schwarzer Hut mit gelbem Federbusch, sowie Schwertgriff, Bügel und Sporen vergoldet; für den Knecht: Schwarzer Tuchrock mit gelbseidenen Litzen, keine Schärpe, statt der Vergoldung Silber.3 Es handelt sich also mehr um eine Hoftracht, wie sie bei feierlichen Gelegenheiten auch die nicht am Hofe weilende Ritterschaft anzulegen pflegte, und für welche die Hausfarben beliebt waren.

 

Die Feldtüchtigkeit solcher Ausrüstung freilich entspricht nur zu sehr der Schilderung, die Adam Junghans von der Olsnitz 1590 entworfen hat: «Der Hochdeutschen jetzt neu aufgekommener Brauch ist, wenn sie in den Krieg kommen oder einem Herrn zuziehen, so wenden sie all ihr Hab und Gut auf hofartige Pracht, als wollten sie zu einer Braut, zu Wohlleben oder Jungferieren [einer Frau den Hof machen] reiten. Sie kommen dahergeritten mit silbernen Dolchen zu sieben Pfund, in Samtkleidern, glatten Stiefeln, mit kurzen verbeinten Puffröhren, mit großen weiten Ärmeln voller gebauschtem Zeug, sie schämen sich einen Kürass oder Rüstung zu führen oder gar einen Speer oder ein anderes mörderisches Gewehr wie vor Zeiten die Alten.»

 

Die kurze Vorschrift eines Harnischs im Felde, die die Defensionsordnung nebenbei gibt, wurde denn auch bald für ungenügend erkannt und machte einer kriegsmäßigeren Ausrüstung Platz. 1618 wurden Tuchröcke, deren Farbe die Kompagnien unterschied, eingeführt, Visierhelm, Kürass mit Armschienen, Schwert und Pistolen. Trotz aller Verbesserungsversuche hat die spät getroffene und widerwillig aufgenommene Maßregel des Defensionswesens den kommenden Stürmen zu trotzen nicht vermocht.

 

G. Liebe.

 

1 Vgl. Liebe, Zur Geschichte der Uniform in Deutschland (Zeitschrift für Kulturgeschichte Bd. II S. 51 f.).

2 v. Friesen, Das Defensionswesen im Kurfürstentum Sachsen (Archiv für sächsische Geschichte I).

3 Ein Exemplar der dem Patent beiliegenden Federzeichnung hat sich im Staatsarchiv Magdeburg (Barby 437) erhalten. Die photographische Wiedergabe erfolgte durch die Offizin Baensch daselbst.

Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. II. Band. Heft 2. Dresden, 1900-1902.