· 

Über das Radschloss

Der Aufforderung unseres verehrten Vereinsvorsitzenden, des Herrn Direktor W. Boeheim, folgend, möge hier an der Hand zweier zur Verfügung gestellter Fotografien eine Beschreibung der Einrichtung des Radschlosses folgen. Das Grundprinzip dieses Schlosses ist: den Schuss zündenden Funken selbsttätig durch das Abdrücken des Schlosses zu erzeugen, entgegen dem bis dahin im Gebrauch befindlichen Luntenschloss, bei dem die Zündung mittelst der in Schussbereitschaft stets glimmend zu erhaltenden Lunte erfolgte.

 

Die Einrichtung des Radschlosses besteht in der Hauptsache darin, dass ein mit Längs- und Querriefen auf seiner Mantelfläche versehenes Stahlrad sich um seine Welle im Schlossblech drehen lässt und mit dieser Mantelfläche den Boden der Zündpfanne bildet. Mit der Radwelle steht das federnde Ende einer starken Feder mittelst einer Kette in Verbindung, welche sich beim Drehen — Spannen — des Rades um die Welle windet, die Feder also spannt, bis das Köpfchen einer Stange in eine entsprechende Vertiefung des Rades einlegt und so Rad und Feder gespannt erhält. In die Pfanne wird der in einen Hahn eingeklemmte Stein durch eine Feder fest eingedrückt; beim Abdrücken schnürrt das Rad ab und reißt von dem Stein Funken, welche das im Pfanntrog eingefüllte Zündpulver und somit den Schuss entzünden.

 

Um die Einrichtung dieses Schlosses genauer zu beschreiben, ist es nötig, die beiliegenden Zeichnungen und zunächst Fig. 1 A und B in Betracht zu ziehen, von denen die erstere das Schloss von außen, B dagegen von innen zeigt.

 

Fig. 1 A. Deutsches Radschloss. Vorderansicht.
Fig. 1 A. Deutsches Radschloss. Vorderansicht.
Fig. 1 B. Deutsches Radschloss. Innere Ansicht.
Fig. 1 B. Deutsches Radschloss. Innere Ansicht.

 

In dem Schlossblech a ist die den Pfanntrog enthaltende Pfanne b eingehangen und mit einer Schraube befestigt. Den Boden des Pfanntrogs bildet das Rad c, welches mit seiner Welle einerseits im Schlossblech bei c' andererseits auf der inneren Seite (Fig. 1 B) in der Studel e bei c'' drehbar eingesetzt ist. Äußerlich ist in der vorliegenden Zeichnung über dem Rad ein Ring aufgelegt und mit zwei Schrauben befestigt, welcher die Schwankungen bzw. das einseitige Reiben des Rades auf dem Schlossblech etc. verhindern soll. An der Radwelle ist auswendig ein Vierkant c' angefeilt, auf welches mittels Spannens ein entsprechend geformter Spannschlüssel aufzusetzen ist. Inwendig am Schloss enthält die Radwelle eine einseitige Verstärkung, die hier (Fig. 1 B) zwischen Schlossblech und Studel befindlich, von letzterer verdeckt und daher nur punktiert ist. In diese Verstärkung ist eine aus drei Gliedern bestehende Kette beweglich mittelst Stiftes eingehangen (hier ebenfalls punktiert), deren unteres Glied in den Kropfen h' der starken, doppelarmigen Feder h eingehangen ist, welche unter der Deckplatte h'' eingeschoben, an dem Backen h''' seinen Stützpunkt findet.

 

Der untere, bewegliche Arm dieser Feder liegt im Zustand der Ruhe auf dem Fuß der Studel auf. Zwischen den Armen der Feder h ist die Stange i zwischen den beiden im Schlossblech vernieteten und verlöteten Backen h''' um eine Querschraube drehbar befestigt; unter dem hintern Teil der Stange liegt (hier verdeckt) eine kleine Feder, welche mit ihrem unteren Arm auf den Abzug k, diesen nach vorwärts drückend, wirkt, während der obere Arm von unten auf das hintere Ende der Stange drückt und deren vorderes Ende mit den Köpfchen i' durch eine Öffnung des Schlossblechs fest gegen die innere Fläche des Rades drückt. Sobald daher das Rad mittelst des auf sein Vierkant gesetzten Spannschlüssels gedreht wird, windet sich die Kette auf die Radwelle, wodurch sich der freie Arm der großen Feder hebt, die Feder sich daher spannt, bis das Rad mit seiner dem Köpfchen der Stange i entsprechenden Aussenkung unter dieses Köpfchen zu stehen kommt, worauf dasselbe, von der Stangenfeder gedrängt, in die Aussenkung einfällt, während gleichzeitig das hintere Ende der Stange auf den Abzug k auflegt.

 

Das Rad sowie die große Feder wird dadurch fest — gespannt — erhalten. Durch diese Drehung des Rades hat aber der einseitige Ansatz ihrer Welle auch auf den um eine Schraube drehbaren Arm l' des Pfannschiebers l gewirkt und diesen nach vorwärts geschoben, wodurch die Pfanne frei und deren Pfanntrog zur Aufnahme des Zündpulvers geöffnet worden ist. Eine kleine Feder l'' regelt den Gang dieses Pfannschiebers und hält denselben in seinen zwei Stellungen bei geöffneter wie geschlossener Pfanne fest. Nach dem Aufschütten des Zündpulvers wird die Pfanne mit der Hand geschlossen und der Hahn f (Fig. 1 A) auf gleiche Weise mit dem zwischen seinen Lippen befindlichen Stein auf den Pfanndeckel niedergedreht, wobei die Hahnfeder g den nötigen Druck ausübt. Hiermit ist das Schloss schussfertig.

 

Sobald nun der Abzug k zurückgezogen wird, verliert das hintere Ende der Stange seine Auflage, das Köpfchen i' hebt sich etwas aus der entsprechenden Aussenkung des Rades, wodurch der bewegliche Arm der großen Feder frei wird, welcher durch das Abwickeln und Strecken der Kette die Radwelle und mit dieser das Rad dreht. Bei der ersten Bewegung der Welle schiebt deren einseitiger Ansatz den Pfannschieber zurück, sodass der Hahn mit dem Stein in den Pfanntrog, unmittelbar auf das vom Zündpulver umgebene Rad fällt; durch die Längs- und Querriefen seiner Mantelfläche werden von dem Stein Funken abgerissen, welche den Schuss entzünden.

 

Als Stein wurde allgemein der Schwefelkies angewendet; der Feuerstein war zu hart und nutzte die Riefen der Mantelfläche des Rades zu sehr ab. Im Allgemeinen ist diese Schlosseinrichtung durch fast zwei Jahrhunderte dieselbe geblieben und nur in Nebendingen kommen Änderungen vor. So war zuweilen das Rad mit einer einfachen Druckplatte an einer Seite gegen die Schwankungen geschützt, welche hauptsächlich durch die einseitige Wirkung der großen Feder veranlasst wurden. Häufig erfüllte auch denselben Zweck ein einfacher Steg, der quer über das Rad gelegt war, und durch welchen außerdem die Radwelle hindurch ging und so ein drittes Achslager für die Welle entstand. Besonders in der letzten Zeit erfüllte denselben Zweck eine das Rad völlig bedeckende Kapsel, welche zwar das Verstauben des Rades hinderte, aber auch die Reinigung desselben vom Pulverrückstand erschwerte.

 

Der Pfannschieber hatte ebenfalls in der späteren Zeit insofern eine Veränderung erlitten, als innerhalb des Schlosses eine kleine Feder auf den Fuß desselben wirkte (siehe Fig. 2 B), welche denselben nach rückwärts, nach der Pfanne zu, drängte. Wurde nun durch das Aufziehen des Rades der Pfannschieber nach vorwärts, von der Pfanne ab, geschoben, so sprang derselbe in einen Ansatz der Feder l'' ein und wurde festgehalten. Ein bei dieser Einrichtung äußerlich am Schlossblech hervorstehender Druckstift wirkte dann auf diese kleine Feder und hob sie aus, wodurch der Pfannschieber frei und von der auf den Fuß desselben drückenden Feder über die Pfanne zurückgeschoben wurde. Bei einer anderen Art des Pfannschiebers bestand der eigentliche Schieber mit dem Arm aus einem Stück, infolgedessen war derselbe, ebenso wie die obere Fläche der Pfanne, als ein Bogen gestaltet, dessen Mittelpunkt in der Schraube lag, um welchen sich dieser Schieber am Schlossblech drehte.

 

Zuletzt sei noch eine Art Sicherung erwähnt, welche ebenfalls der späteren Zeit angehört und dem immerhin leicht vorkommenden unbeabsichtigten Losgehen des gespannten Schlosses vorbeugen sollte. Diese Sicherung bestand meist in einem kleinen Hebel auf der äußeren Seite des Schlosses, welcher sich vor den durch das Schlossblech hindurch geführten Fuß des Abzugs legen ließ und das Zurückziehen des Abzugs verhinderte. Zuweilen kam auch ein Schieber vor, der innerhalb des Schlosses den Abzug festhielt.

 

Eine wesentlichere Abweichung der Einrichtung des Radschlosses kam bei den für Damengewehre oder die sogenannten Teschinken bestimmten vor. Zuweilen wird diese Art mit dem Namen «kurländische Radschlösser» bezeichnet. Da diese Gewehre sehr leicht und zierlich gebaut und infolgedessen auch sehr schmal waren, konnte im Schaft nicht Raum für die inwendigen Schlossteile geschafft werden, ohne die Haltbarkeit desselben zu sehr in Frage zu stellen.

 

Fig. 2 A und B zeigt ein solches Schloss von außen und innen. Abgesehen von der durch die starke Kolbenabsenknng derartiger Gewehre veranlassten eigentümlichen Form des Schlossblechs war in der Hauptsache die Einrichtung des Schlosses dieselbe wie am gewöhnlichen Radschloss, nur dass auswendig am Schlossblech außer dem Hahn der Hahnfeder g und dem Rad c auch noch die große Feder h mit der Kette angebracht war. Auf der inwendigen Seite (Fig. 2 B) war nur die Stange i mit dem Abzug k sowie der oben als Abart angeführte Pfannschieberarm l' mit dem Pfannschieber l'' verblieben, wobei die Feder l''' auf den Fuß des Pfannschieberarms wirkte. Auch ist äußerlich in Fig. 2 A der Druckstift bei a angegeben, welcher die Schieberfeder zum Schließen der Pfanne aushob. Das Öffnen der Pfanne — Vordrücken des Pfannschiebers — musste dagegen mit der Hand erfolgen.

 

Die beiden dargestellten Schlösser sind in der Waffensammlung des Allerhöchsten Kaiserhauses zu Wien enthalten. Nach Mittheilung des Herrn Direktor Boeheim ist das der Fig. 1 ein Innsbrucker Erzeugnis, welches unter Erzherzog Ferdinand von Tirol gegen 1580 hergestellt und hier dargestellt ist. Das in Fig. 2 vorliegende Schloss ist ziemlich gleichzeitig entstanden und wie es scheint Augsburger Arbeit.

 

Fig. 2 A. Radschloss einer Teschinka. Vorderansicht.
Fig. 2 A. Radschloss einer Teschinka. Vorderansicht.
Fig. 2 B. Radschloss einer Teschinka. Innere Ansicht.
Fig. 2 B. Radschloss einer Teschinka. Innere Ansicht.

Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. I. Band. Heft 10. Dresden, 1897-1899.