4. Die Schäftung war massiv und schwer, die Länge des Schaftes war durch die Rücksicht auf die Sicherheit des Schützen bedingt. Die Feuerwaffe im Germanischen Museum hatte bei einer Länge von 1,44 m und einem Rohrgewicht von 6,45 kg ein Totalgewicht von 33,5 Pfund.
In demselben Verhältnis geschäftet, müssten die Büchsen mit Schaft beiläufig folgendes Gewicht gehabt haben: mit Rohrgewicht von 2397 kg — 12,46 Pfund; mit 27 kg = 14 Pfund; mit 4,9 kg = 26 Pfund; mit 5,655 = 29,4 Pfund; mit 6,45 kg = 33,5 Pfund. — Die Regensburger-Büchsen hatten ein durchschnittliches Gewicht von circa 11 Pfund.
5. Alle Büchsen hatten Zündlöcher und waren leicht von vorn zu laden. — Die Rücksicht auf das bequeme Laden mag es auch mit sich gebracht haben, dass einzelne Büchsen in der Seele gegen die Mündung hin becherförmig erweitert sind. Das Verhältnis des Durchmessers der Seele zur Länge derselben wechselt von 1:3 bis 1:6,3.
6. Dass als Material eines Rohres auch Bronze genannt wird, steht mit der Tatsache in Übereinstimmung, dass der Bronzeguss von alters her in Italien blühte, während in Deutschland der schwierigere Eisenguss und die Eisenbearbeitung vorwiegend vertreten war. Die Handhabung dieser primitiven Handfeuerwaffen musste, nachdem die Konstruktion den größeren Büchsen ähnlich war, auch in derselben oder ganz ähnlichen Weise wie bei jenen erfolgen.
Über das Laden gibt der Münchener Kodex 600 folgende Angabe:1 «Willstu ain püchsen maisterlich vnd recht laden, so sieh an zu erst, dass das puluer gut sey. — Item nym ain moss, vnd stoss sie in die püchsen vnd tail die moss in fünf tail aistu an der figur wol siechst vnd lad die 3 tail mit puluer, als die moss saget, so ist sie mit puluer recht geladen. Wann der klocz bedarf seiner weite, so sol zwischen dem klocz vnd dem puluer auch ain weit seyn, dass das fewr zu rechter prunst vnd auch zu rechter kraft mag kommen. Item darnach machstu dann ainen klocz oder ainen stain desto pass schissen.»
Es wurde somit 3/5 der Büchse mit Pulver angefüllt, sodann blieb 1/5 frei, dass oberste 1/5 blieb für den «klocz» oder das Geschoss. Das Pulver wurde nach demselben Kodex in zwei Arten erzeugt, und zwar nach Bl. 3b2 ein «schlecht» (gewöhnliches) Pulver von 4 Pfd. Salniter, 1 Pfd. Schwefel und 1 Pfd. Kohle, «stoss das ab mit gutem wein, da kampfer in gesotten sey und dörre das an der sonne«; — ferner nach Bl. 2a «ein gut stark pulver» aus 4 Pfd. Salniter, 1 Pfd. Schwefel, 1 Pfd. Kohle, 1 Unze Salpetrie und 1 Unze Salarmoniak (Weinsteinsalz) «item 1/12 kampfer vnd stoss das alles wol unter einander, tu gebrannten wein dazu, stoss damit ab (d. h. feuchte es damit an) und dürre das wol an der sonne, so hast du ein stark beleibig (dauerhaftes) pulver, dessen 1 pfd. mehr tut als sonst 3 pfd. tun möchten.»
Das Einfüllen des Pulvers geschah bei größeren Büchsen nach Kodex germ. 600 anscheinend schon mit Pulvermaßen; die Bilderhandschrift ms. No. 52 der Kunsthistorischen Sammlung. sagt: «Ladeissen ist pesser dann eine wag, vann es ist behender; man graift in das puluer damit vnd also ladt man allezeit gleich die pukehsen.» — Ob man bei kleineren Büchsen das Pulver mit einem hölzernen Ladstock besser hineinpresste, ist nicht zu entnehmen; auf der Abbildung des Kodex ms. 3069 W. H. gebraucht der Gehilfe zum Laden der Klotzbüchse augenscheinlich einen hölzernen Ladestock.
Die Geschosse für die kleinen Feuerwaffen waren eiserne oder bleierne Vollkugeln; ausnahmsweise werden auch Bolzen genannt. — Bei größeren Feuerwaffen kamen metallische Vollgeschosse in jener Zeit zu teuer, daher man zu den Steinkugeln überging. «Denn etwan vil wirff, die kustent nit sovil als ain ainiger büchsenschuss mit ysen oder plyin klotzen».3 Im südlichen Frankreich waren Bleikugeln, im nördlichen dagegen Bolzen, in Deutschland und Italien Anfangs eiserne, später bleierne Kugeln in Gebrauch. Das Inventar von Bologna vom Jahr 1381 gibt Zahl und Gewicht der eisernen Kugeln an, die sich im Zeughaus befanden.
Angelucci hat diese auf heutiges Maß und Gewicht reduziert und in einer Tabelle zusammengestellt,4 in welcher für die Geschosse der kleineren Feuerwaffen (Handbüchsen) ein Gewicht von 0,12 bis 0,277 kg angegeben ist.
Es fragt sich nun, wie wurde das Geschoss eingesetzt? Nach italienischen Quellen darf man annehmen, dass die Pulverladung durch einen hölzernen Klotz vom Geschosse getrennt war; dieser Klotz hieß coccone und wird auch im Inventar v. J. 1381 erwähnt: «170 cocones lignei a bombardis»5 auch bei den Franzosen wurde in dieser Weise geladen und ebenso in Deutschland, wie aus dem Münchener Kodex 600 Bl. 5a und Bl. 7b hervorgeht.
«Item du solst nemen dürres pürkein holtz oder albrein ist das pest, vnd mach daraus kloczil vnd nym ain moss von dem ror an der püchsen vnd als weit das ror sey als weit vnd als lang soll auch der klotz sein, dass er nicht länger noch kürzer sey, so ist er gerecht. Auch nym ein gluteysen vnd prenn den klotzn vor, so wirt er desto herter, stains halber, doch ye weicher der klotz ist, ye besser ist er».6
Über den Zweck des Klotzes wurde schon oben Aufschluss gegeben. Es muss hervorgehoben werden, dass schon in der Münchener Handschrift das Wort «klotz» in der Bedeutung von Geschoss, und zwar im Gegensatz zu «ainem stain» gebraucht wird; diese Bedeutung hat sich auch später erhalten, z. B. «Klotzbüchse» — und «büchsenschuss mit ysin oder plyin klotzen» (Feuerwerksbuch).
1 Essenwein, Quellen zur Geschichte der Feuerwaffen T. A. III; — ferner bei Jähns, G. d. K. I. 232 u. 233.
2 Jähns, G. d. K. 1, 230.
3 Cod. No. 2052 d. W. Hb.; — bei Romocki I, 188.
4 Angelucci, Delle artiglierie da fuoco italiane, Torino 1852, S. 41; — bei Köhler III, I., 264.
5 Köhler III, I, 267.
6 Quellen T. A. II. — Jähns, G. d. K. I. 231.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass bei den kleinen Feuerwaffen — den Handbüchsen — der Holzklotz bald weggelassen wurde, weil das Herrichten des Klotzes für die minimale Wirkung dieser Feuerwaffen doch zu umständlich war. Sollte nun die Kugel den Klotz ersetzen, so musste diese in ähnlicher Weise die Seele abschließen, wie der Klotz, «als weit das ror sey, als weit soll auch der klotz sein». Um dies sicher zu erreichen und um zu verhindern, dass das Geschoss von selbst herausfalle, war eine Art Pflasterung notwendig. In Dom. Vaissette, hist. de Languedoc heißt es zum Jahr 1345: «200 cavillis pro eisdem canonibus munitis de tachis. » Tacque bedeutet ein Stück Leder zum Umwickeln des Klotzes, damit er gedrängt in die Büchse ging.1
Es ist naheliegend, dass man diesen Vorgang bei Wegfall des Klotzes auf das Geschoss übertrug. In der Münchener Handschrift Bl. 5b ist die Angabe enthalten, dass der Stein mit weichen Holzspänen zu verkeilen war, ferner «item vnd über die käul soll man einen stain verschoppen mit Heden (Werg) vnd mit leym oder mit Heu oder was sollichs dings ist.»2 Der Kodex H 1 des Berliner Zeughauses (1453) enthält noch folgende charakteristische Angabe: «Wildu schyessen mit eysernen chugeln, so vmbgyess sie vor mit pley als gross sy sein süllen.» — «Wildu gut pley chugel machen, so mag sy lang dann sy dick sind.»3 «Wann du die (Hand- und Tarrasbüchse) gar hart laden wild, so slag dann die chugl hinein pis auff das puluer und scheuss.»
Es war somit das Laden der Geschosse um diese Zeit vereinfacht, die eisernen Geschosse wurden schon vor dem Gebrauch mit einer weicheren Bleihülle umgeben und sodann in den Lauf bis auf das Pulver hineingeschlagen. Die mit Blei umgossene Eisen- oder die einfache Bleikugel musste demnach im Durchmesser beiläufig so groß gewesen sein, wie die Seele; die Dicke des Überzugs war 1—2 mm. Für die Füllung des Zündloches hatte man im liber ignium einen Vorläufer; «vnd darnach noch ein kleines loch in den mynneren ortt vnd in das loch tu einen kleinen docht voller mit dem puluer vnd anczund».4
Die Münchener Handschrift gibt darüber keine weitere Auskunft. Es ist wahrscheinlich, dass man anfangs die Entzündung ähnlich wie beim Kanonenschlag bewirkte und bald versuchte, Pulver in und auf das Zündloch zu geben, was bei der mehligen Form des Pulvers und bei dem engen Zündloch nicht so einfach war. Es war notwendig, beim Einschütten nachzuhelfen und durch Verbesserung des Pulvers die Entzündung sicherer zu leiten. Conrad Kieser gibt in der «Bellifortis» cod. ms. phil. 63 der Universitäts-Bibliothek zu Göttingen (1395—1405) mehrere Pulverrezepte , darunter auch ein «pulvis cum quo incendunt pixides». Das «Feuerwerksbuch»5 nennt ebenfalls ein «zündbulffer» oder «lossbulffer», wozu. A. vorgeschrieben war: «nim denne des kols, das vss ainem verschlissen tischlachen in ainem verdeckten hafen verprunnen ist».
Über das Einschütten des Pulvers heißt es: «Vorzüglich aber siehe dahin, dass du einen pfriemen hast, wenn du die büchse lossbrennen willst. Diesen Pfriemen stoss durch das Weydloch bis auf dem Boden durch das Pulver. Alsdann nim das pulvis currasive, welches du bei dir haben musst und saige es dem pfriemen nach und fülle das Weydloch damit an. Dies Losspulver ist sehr heiss und scharf und entzündet das andere Pulver sehr geschwind in der Büchsen, und wenn dies auch verdorben wäre, so hilft dies Zündpulver, dass es lossgehen muss. Aber oben auf das Zündpulver sollst du träges pulver geben, damit du davon kommen magst.»
Über das Entzünden resp. Abfeuern der geladenen Büchse entnimmt man der Münchener Handschrift folgende Angabe: «Oder entzünt’ sie mit ain luder an, dass du desto sicherer seist.»6 Luder waren Lappen, welche mit «oleo bene dicto cum aqua salviter» benetzt waren; diese wurden angezündet und aufs Zündloch gelegt. Die Abbildungen der Münchener Handschrift lassen auch vermuten, dass die Schützen einen brennenden oder glühenden Holzspan benutzten. Der Kodex ms. 3069 der k. k. Hofbibliothek zu Wien zeigt auf Bl. 126 das Abfeuern einer Büchse mittelst eines Gluteisens, eines rechtwinkelig abgebogenen Eisenstabes, welcher am Kohlenfeuer erhitzt wurde; die Pfanne mit dem Kohlenfeuer trägt der Schütze in der linken Hand. (Fig. 11.)
Die Handhabung dieser kleinen primitiven Feuerwaffen kann man sich mit Rücksicht auf den Bau der Waffe und die umständliche Ladeweise nur in der Weise denken, dass der Schütze die Feuerwaffe auf eine Mauer oder sonstige Unterlage auflegte, gegen das Ziel mehr oder minder geneigt, richtete und entweder selbst abfeuerte oder von einem zweiten Schützen abfeuern ließ. Aus Scharten vermochte der Schütze die Handbüchsen bequemer zu gebrauchen, als die Armbrust, welche eine horizontale Scharte mit senkrecht aufgesetzter Öffnung für die Visur notwendig hatte.
Die Verwendung von 10 Handbüchsen durch die Nürnberger bei «Ein zug für ein sloz» sowie die Bemerkung über den Wert der Handbüchse bei der Einnahme von Moringen (1388) zeigen, dass man sich bemühte, die kleinen Feuerwaffen und Handbüchsen sowohl beim Angriff als auch bei der Verteidigung in Verwendung zu bringen. Die Wirkung dieser Waffen wird in den Berichten offenbar zumeist übertrieben; die Handbüchsen — wie überhaupt die Feuerwaffen — überraschten durch die Neuheit und schienen infolge dessen furchtbarer als sie wirklich waren. Dazu kam, dass die Vorgänge bei der Verbrennung des Pulvers nicht begriffen und die Kraftäußerung desselben mehr gefürchtet als bestimmt erwartet wurde. Die Charakterisierung der ersten Handfeuerwaffen im 14. Jahrhundert fällt oft mit jener der Feuerwaffen überhaupt zusammen, allein schon mit Ausgang des Jahrhunderts werden die Handbüchsen in ihrer Entwicklung selbständiger; die Konstruktion lässt bestimmte Grundsätze erkennen, welche die Handfeuerwaffen in der Wirkung verbessern, für den Gebrauch handlicher gestalten und so allseitig den kriegsmäßigen Gebrauch derselben vorbereiten.
1 Köhler III, 1, 267.
2 Quellen T. A. IV.
3 Bei Jähns, G. d. K. I, 405 u. 407.
4 Romocki I, 131.
5 Hoyer 1127.
6 Quellen, T. A. V, 10 Luder für Lunte.
Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. I. Band. Heft 8. Dresden, 1897-1899.