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Die Verzierungen auf orientalischen Panzerhemden

Fig. 1. Orientalisches Panzerhemd.
Fig. 1. Orientalisches Panzerhemd.

Der Schreiber dieser Zeilen erlaubt sich, unseren Lesern die Abbildung eines alt-orientalischen Panzerhemdes zur Ansicht zu bringen, welches insbesondere durch die auf demselben befestigten beiden vergoldeten Bronzescheiben oder Knöpfe interessant ist.

 

Die Länge des Panzerhemdes beträgt 92 cm, Breite mit den ausgebreiteten kurzen Ärmeln 74 cm, sonstige Breite 52 cm, das Gewicht 20 Pfund. Das Maschenwerk besteht aus großen, starken und flachen, im Querschnitt elliptischen Ringen mit einem Durchmesser von 1 cm, welche reihenweise abwechselnd überaus sorgfältig verschweißt und á grain d’orge vernietet sind. Ein jeder Ring umfasst 4 andere Ringe, die Stärke des Drahtes derselben variiert zwischen 2 bis 1,5 mm. Der Kragen, welcher nur noch zum Teil erhalten ist, enthält 8 Reihen kleinerer Ringe.

 

Der gerade Halsschlitz befindet sich in der Mitte der Brust und wird durch einen 6 cm breiten Überschlag von ebenfalls etwas kleineren Ringen bedeckt. Die kurzen weiten Ärmel reichen nur bis zur Hälfte des Oberarmes. Am unteren Saum des Kettenhemdes befindet sich in der Mitte der Vorder- und Rückseite ein 35 cm langer Einschnitt. Das Ganze ist von außerordentlich sorgfältiger Arbeit und ausgezeichnet erhalten. (Fig. 1.)

 

Die Hauptmerkwürdigkeit und den gleichzeitigen Schmuck dieses Panzerhemds aber bilden die aus vergoldeter Bronze bestehenden und mit altarabischen Schriftzeichen verzierten beiden Scheiben oder Knöpfe von 3,25 cm bzw. 2,75 cm Durchmesser, welche, die kleinere 2 cm unterhalb der größeren, in der Gegend des Nabels durch einen starken eisernen Dorn auf dem Maschenwerk aufgenietet sind. (Fig. 2.)

Fig. 2.
Fig. 2.

Derartige Verzierungen sind, wie wir vorausschicken wollen, eine Spezialität orientalischer Panzerhemden, und so sehen wir z. B. ähnliche in dem Katalog der «Ungarischen kriegsgeschichtlichen Denkmäler in der Millenniums Landes Ausstellung» von Dr. Johann Szendrei — Budapest 1896 — auf den Seiten 231, 394, 553 und 813 abgebildet, welche überdies noch zum Teil mit vergoldeten, aus Silber beziehungsweise Messing bestehenden Agraffen, Rosetten, Knöpfen und Sternen geschmackvoll verziert sind, während die auf solchen Hemden häufigen Verstärkungsplatten auf Brust und Rücken aufs Reichste mit Schriftzeichen in Silbertausia und goldenen Arabesken geschmückt sind. Der Orientale verläugnete eben nie seine Vorliebe zur künstlerischen Ausschmückung seiner Waffen, die sich, wie der vorliegende Fall zeigt, insbesondere auch auf das Panzerhemd erstreckte, während sich die Verzierung desselben im Okzident lediglich auf die Einfassung des Kettenhemdes mit Messingringen an Kragen, Ärmeln, Halsschlitz und am unteren Saum beschränkte.

 

Der Grund zu einer derartigen unterschiedlichen Behandlung des Panzerhemdes liegt in der verschiedenartigen Bedeutung, die diese Schutzwaffe für den Orientalen und Okzidentalen hatte. Für Ersteren bildete das aus losen Ringen geflochtene, sich dem Körper anschmiegende Panzerhemd das eigentliche nationale eiserne Kriegsgewand, indem es bei manchmal bewundernswerter Leichtigkeit doch hinreichenden Schutz gegen den Hieb und teilweise auch gegen den gefährlicheren Stich gewährte, ohne dabei der vollen Beweglichkeit des Körpers Eintrag zu tun, welche dem Orientalen als ein niemals aus den Augen zu lassendes Haupterfordernis für den Kampf erschien. Somit war es nur erklärlich, dass man bei der allgemein üblichen Verzierung der Waffen auch der Hauptschutzwaffe, des Panzerhemdes, gedachte.

 

Anders dagegen im Abendland. Hier wurde das Kettenhemd, zu welchem nach Ausbildung des Lentners um die Mitte des 14. Jahrhunderts der frühere schwere Haubert zusammengeschrumpft war, immer nur in Verbindung mit dem Lentner und zwar stets unterhalb desselben, und ebenso später nach Ausbildung der Plattenharnische unterhalb dieser, in beiden Fällen also größtenteils verdeckt getragen. Eine naturgemäße Folge hiervon war, dass sich die Ausschmückung lediglich auf die zunächst in die Augen fallenden äußeren Schutzwaffen, den Lentner und die Plattenharnische, erstreckte, während eine besondere Verzierung des überdeckten Panzerhemdes als überflüssig erscheinen musste.

 

Dass hierin allein der Grund für die Schmucklosigkeit abendländischer Kettenhemden zu suchen ist, beweist wohl am besten die alleinige Ausnahme, die wir in dieser Beziehung konstatieren können, nämlich der ebenfalls aus Maschenwerk gefertigte Panzerkragen, auch venezianische Maschenpelerine oder Bischofskragen genannt. Denn da derselbe zum besonderen Schutz des Halses und der Schultern gegen die Wucht der Hiebe über dem Harnisch getragen wurde, so finden wir diese Bewehrung denn auch im Okzident zum Teil mit schönen Agraffen von Messing-Reliefguss als Hals- und Brustschließen verziert.

Solche Exemplare enthält z. B. das Berliner Zeughaus, das Dresdener Johanneum u. a. Diese Kragen, deren Namen «venezianische Maschenpelerine» von der Bewaffnung der Venetianer Dogen herrührt, waren allerdings meist schmucklos, in den deutschen Landsknechtheeren des 16. Jahrhunderts sehr beliebt, wo sie, wie die Holzschnitte von Virgil Solis, Franz Brunn, D. Hopfer u. a. zeigen, namentlich zur Bewaffnung der besser gerüsteten Doppelsöldner dienten. Auch den bekannten Landsknechtführer Georg von Prundsberg sehen wir mit einem solchen Panzerkragen nach dem Holzschnitt auf dem Titelblatt von A. Reissner’s Historia und auch auf dem in der Berliner Königlichen Gemäldegalerie befindlichen Bild des Christof Amberger bewehrt.

 

Um nun auf das hier abgebildete orientalische Panzerhemd zurückzukehren, so wurde dem Verfasser die Entzifferung der Inschriften auf den beiden vergoldeten Bronzescheiben, deren Abbildung gleichfalls beigefügt ist, durch die Liebenswürdigkeit des hervorragenden Kenners der orientalischen Sprachen, Herrn Dr. Martin Schultze in Ellrich am Harz ermöglicht, welchem der Verfasser für seine große Mühe und Zuvorkommenheit zu aufrichtigem Dank verpflichtet ist.

 

Hiernach ist die Schrift auf beiden Bronzescheiben zweifellos arabisch und ziemlich alt, vielleicht noch der Zeit der Kreuzzüge angehörend. Dieser Umstand könnte für Beurteilung des Alters des Panzerhemdes maßgebend sein, wenn nicht, wie auch neuerdings von Lenz in seiner ganz vortrefflichen Beschreibung der Scheremetewschen Waffensammlung wieder hervorgehoben wird, «die zum Schmucke orientalischer Waffen in großer Menge verwendeten Inschriften mit wenigen Ausnahmen weder inhaltlich noch in der Gestaltung der Schriftzüge Aufschluss über die Zeit der Verfertigung eines Rüststücks gäben», und nicht überhaupt die Bestimmung des Alters eines Panzerhemdes bei der im Allgemeinen sich stets gleich bleibenden Form desselben überaus schwierig und nur nach allgemeinen Gesichtspunkten möglich wäre.

 

Wenn daher auch im vorliegenden Fall eine derartig weite Zurückdatierung bis zur Zeit der Kreuzzüge nicht ganz unglaublich erscheint, zumal gerade den Arabern Panzerhemden mit vernieteten Ringen schon in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung bekannt waren, so scheint es doch dem Äußeren der abgebildeten Schutzwaffe mehr zu entsprechen, ihre Anfertigung in eben dieselbe Zeit zu versetzen, in welcher auch im Okzident Panzerhemden mit geschweißten und vernieten Ringen, reihenweise abwechselnd, hergestellt wurden, also in die Mitte des 15. Jahrhunderts.

Die Schrift auf den Bronzescheiben ist von kundiger Hand geschrieben, aber mangelhaft graviert. Die Striche sind oft unmäßig verkürzt oder verlängert, die Züge zuweilen eckig statt rund. Die Vokalzeichen fehlen ganz, ebenso die diakritischen Punkte, sodass also z. B.

ganz gleich erscheinen. Trotzdem ist es der scharfsinnigen und höchst interessanten Untersuchung des Herrn Dr. Schultze gelungen, das nachstehende Resultat zu ermitteln:

Die Inschrift auf der oberen Bronzescheibe lautet:

Deine Auszeichnung Vater der Ausdauer Hussein, Sohn Omar’s, der Walmit.

Die Inschrift auf der unteren (kleineren) Bronzescheibe lautet:

(rückwärts zu lesen:) gubbatu 'Abdi ’lbarri. Barra ’llâhu (oder bismi’llâhi) 'Abda ’lbarri.

Der Panzer Abdulbarr’s. Gütig ist Gott (oder im Namen Gottes) dem Abdulbarr.

Auf der oberen Bronzescheibe ist die Schrift zentripetal, auf der unteren zentrifugal. Hiernach scheint also das Panzerhemd zunächst einem Krieger Namens Hussein, Sohn des Omar, aus dem Stamme der Walm (Walmî)

 

oder Wathm (Wathmî), und sodann einem Krieger Namens Abdulbarr gehört zu haben, falls man nicht statt des Namens «Abdulbarr» lesen will:

abdu 'l-barr «Knecht des Gütigen» oder

'abdu ’l-abarr «Knecht des Gütigsten», sodass also ein besonderer Eigenname hier im zweiten Fall wegfiele.

 

Fragt man nun nach der Bedeutung derartiger Bronzescheiben, mit denen zuweilen, wie wir auch aus dem Katalog der Millenniums-Ausstellung sehen, orientalische Panzerhemden in ganz eigenartiger Weise geziert sind, so kann man hierbei zwei Klassen unterscheiden.

 

Im Allgemeinen sind solche Bronzescheiben offenbar Talismane oder Amulette, wie die Orientalen sie noch heute tragen, zum Schutz gegen feindliche Geschosse, gegen Krankheit oder gegen den bösen Blick. Auf solchen Amuletten darf man dann keine sinnvollen Inschriften erwarten, es sind vielmehr entweder sinnlos zusammengestellte Buchstaben oder einzelne Wörter, die als Zauberformeln dienen. Seltener ist es vielleicht ein bekannter Satz aus dem Koran oder dergleichen.

 

Umso interessanter erscheint demgegenüber die andere Klasse derartiger Bronzescheiben, welche, wie im vorliegenden Fall, in Verbindung mit solchem Glück verheißenden Sprüchen oder auch allein einen bestimmten Namen, und zwar meist den des Besitzers tragen, wodurch es ermöglicht wird, das Panzerhemd mit einer bestimmten historischen Person in Verbindung zu bringen.

 

 

Eine solche stumme und doch so beredte Sprache führt z. B. auch das auf Seite 553 des Katalogs der Millenniums-Landes-Ausstellung abgebildete, allerdings aus viel späterer Zeit stammende Panzerhemd mit einer auf der mittleren Brustgegend befestigten runden Bleischeibe, auf welcher sich die Inschrift 93. Jenitscheri âgasi Mustafa âga

 

d. h. 1632. Janitschar-Aga Mustafa Aga befindet und bei dem die darauffolgende Notiz uns davon Kenntnis gibt, dass Mustafa Aga von Rodosto an der Belagerung von Wien als Aga (Befehlshaber) der Janitscharen Teil nahm und nur mit schwerer Mühe sein Heil in der Flucht fand, wobei er sein Panzerhemd im Stich ließ.

 

Es würde daher überaus interessant sein, wenn z. B. bei dem auf Seite 231 desselben Kataloges abgebildeten türkischen Panzerhemd vom Anfang des 16. Jahrhunderts aus dem Besitz Sr. Majestät des Sultans Abdul Hamid, welches auf der linken Seite und auf dem Rücken in der Gegend des Schulterblattes je eine derartige, mit einem arabischen Spruch in kufischer Schrift versehene kreisrunde Scheibe besitzt, diese Inschrift entziffert werden könnte.

 

Das Gleiche gilt von dem auf Seite 813 dieses Kataloges dargestellten, ehemals dem Fürsten Michael Apafy II. von Siebenbürgen (1676—1713) gehörigen Panzerhemd aus der Waffensammlung des Allerhöchsten Kaiserhauses in Wien, welches außer den kleinen sternförmigen vergoldeten Messing- und Silberplättchen fünf große runde, getrieben verzierte vergoldete und sehr fein niellierte Silberscheiben enthält, da dieselben — der Abbildung nach — wohl noch mehr Schriftzeichen als nur die angegebene türkische Marke: «Kehistani Mohumed» aufweisen dürften.1 Dr. W. R.

 

1 An der erwähnten Panzerrüstung Michael Apafy’s II. sind nur die Scheitelplatte und das mittlere Plättchen an der Brust gleichzeitig. Die vier anderen auf der Brust sind spätere Zugaben von roher Arbeit. Erstere zwei Platten sind in feiner Zeichnung teils nielliert, teils geätzt und vergoldet. In den Ornamenten ist keine orientalische Inschrift bemerkbar.. Anmerk. d. Redaktion.

Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. I. Band. Heft 7. Dresden, 1897-1899.