Die zweite — auf demselben Blatt — dargestellte Handfeuerwaffe ist älterer und einfacherer Konstruktion, und dürfte wohl als die Abbildung einer ersten Handfeuerwaffe anzusehen sein. (Fig. 4.)
Eine kleine Metallbüchse, anscheinend Eisen, welche an das dickere Ende einer massiven hölzernen Handhabe mittelst eiserner Bänder befestigt ist.
Die Metallbüchse ist augenscheinlich kurz, becher- oder büchsenartig, mit verhältnismäßig großer Seele; die hölzerne plumpe Handhabe ist nach rückwärts spitz verlaufend.
Von den Handfeuerwaffen, welche aus dem 14. Jahrhundert erhalten sind oder in diese Zeit gewiesen werden, kommt dieser Abbildung des Kodex No. 55 kunsthistor. Sammlungen eine Feuerwaffe aus dem historischen Museum zu Bern am nächsten. (Fig. 5.) Dieselbe ist wiederholt angeführt, jedoch unrichtig abgebildet1 und nicht näher beschrieben. Eine zweite Büchse ähnlicher Konstruktion befindet sich im Germanischen Museum in Nürnberg und ist in den «Quellen» und bei Köhler abgebildet und eingehend beschrieben.2 (Fig. 6 und 7.)
Eine dritte derartige Büchse ist im Besitz des Herrn Gaetano de Minicis zu Fermo und wurde von Angelucci: Documenti inediti, Torino 1869, beschrieben.3 (Fig. 8.)
Eine vierte Büchse war im Besitz des Grafen d’Arco, wurde jedoch im Jahre 1849 entwendet; dieselbe wurde vom Grafen d’Arco 1847 und von Angelucci 1869 beschrieben.4 (Fig. 9.) Endlich besitzt das Museum Francisco-Carolinum in Linz zwei derartige Büchsen, welche aus dem Nachlass des verstorbenen Hofrates Moriz Ritter von Az stammen. (Fig. 10.)5
1 Jähns, Hdb.; Atlas. — Köhler III, I. — A. Demmin, Die Kriegswaffen in ihren geschichtlichen Entwicklungen von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart, 1893; 946.
2 Quellen zur Geschichte der Feuerwaffen 11; — Köhler III, I, 250 und Taf. III. (Fig. 7—9 dort entnommen.)
3 Köhler, ebenda.
4 Köhler, ebenda.
5 Wir verdanken die gegebenen Daten und den nach genauen Messungen angefertigten Längenschnitt einer freundlichen Mitteilung der löblichen Verwaltung des Museums Francisco-Carolinum in Linz.
Die wichtigsten Maße dieser Waffen sind in der Tabelle angegeben.1 Hierzu wäre noch zu bemerken: Bei der Handbüchse aus dem historischen Museum zu Bern2 konnte das Gewicht der Büchse nicht ermittelt werden, weil dermalen eine Trennung von Rohr und Schaft untunlich ist. Das Zündloch hat 5 mm im Durchmesser, ist rund und etwas rechts seitwärts gelegen. Rückwärts hinter dem Rohr befindet sich ein 15 cm langer eiserner Haken, welcher von oben durch den Schaft hindurchgeht und unten 9,2 cm hervorsteht. Auf der oberen Fläche ist der Haken mit Hilfe eines Eisenringes vernietet, unten durch eine rechtwinkelig von demselben abzweigende 14 cm lange Spange an die Unterseite des Schaftes mit drei breitköpfigen Nägeln befestigt.
1 Teilweise nach Angaben bei Köhler III, I, 249 fr.; — der Quellen 11 und 109, 3.
2 Die Daten, sowie die Abbildung dieser Handbüchse wurden uns vom Herrn Direktor H. Kasser in liebenswürdigster Bereitwilligkeit zur Verfügung gestellt, wofür wir bestens danken.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass sowohl die Verschiebung des Zündloches wie auch der Haken eine spätere Verbesserung der ursprünglichen Handbüchse bedeuten. Das Rohr zeigt neun schwach vorstehende Kanten und ungleiche Flächen; der Schaft ist aus Eichenholz und infolge Alters schwarz.
Die beiden Büchsen aus dem Museum Francisco Carolinum in Linz sind in Konstruktion beinahe vollkommen gleich; die kleinere Büchse hat einen fast doppelt so starken Boden als die größere.
Aus dem Vergleich obiger Zahlen, aus den Abbildungen und sonstigen Daten über diese ältesten Handfeuerwaffen ergeben sich folgende tatsächliche Erscheinungen:
1. Die Länge derselben war eine geringe, insbesondere jene italienischer Herkunft stehen in gewisser Übereinstimmung mit denen von Perugia, deren Länge mit «una spanne» (= 223 mm) angegeben ist. Ähnlich hat man sich auch die «4 scioppi pizoli da man fornidi», welche im Inventar von 1371 genannt werden, zu denken; ähnlich müssen auch jene 11 Büchsen gewesen sein, welche in der Zeugmeisterrechnung von Regensburg zum Jahre 1379 eingetragen sind.
2. Die Verbindung zwischen Rohr und Schaft zeigt das Bestreben, diese solider und fester zu gestalten.
Neben eisernen Bändern, welche Rohr und Schaft umfassen, finden sich Versuche, durch zapfen- oder keilartige Verlängerung des Rohrmaterials nach rückwärts die Möglichkeit zu geben, die Büchse auf einen stangenförmigen Schaft aufzusetzen oder mit diesem besser und sicherer zu verbinden. Hierdurch konnte die Waffe leichter in Schießscharten verwendet werden, die spitze Form des Angusses schwächte auch den Rückstoß.
3. Das Zündloch hat in zwei Fällen Verbesserungen erfahren, welche bezwecken, das Zündpulver sicherer am Zündloch zu erhalten. Bei dem runden, nicht vertieften Zündloch konnte das Zündpulver durch jede rasche Bewegung oder durch den Wind leicht herabgestreut werden.
Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. I. Band. Heft 7. Dresden, 1897-1899.