Von Wendelin Boeheim.
Eine große Schwierigkeit stellt sich dem Forscher auf dem historischen Waffengebiet in dem bedenklichen Mangel an originalen Resten gewisser Waffensorten entgegen; ein Mangel, der ihn zwingt, mühselige vergleichende Studien in alten Miniaturen und Siegeln zu machen und sich in Chroniken Rat zu holen oder Stellen in Dichtungen festzuhalten, bei welchen oft bange Zweifel sich erheben, wo die Phantasie schwindet und die reale Tatsache beginnt.
Der Mangel an gegenständlichen originalen Stücken und die Unverlässlichkeit des anderen artistischen und literarischen Studienmaterials waren auch Ursache, dass über den mittelalterlichen Reiterschild so viele verschiedene und teils mit der nüchternen Wirklichkeit im Gegensatz befindliche Auffassungen entstanden, die den zum Verständnis leitenden Faden natürlicherweise eher verwirrten als lösten. Sehen wir von dem in England befindlichen bretonischen Schild1 aus dem 10. Jahrhundert als Fußknechtschild hier ab, so ist die Zahl der mittelalterlichen Reiterschilde, die uns noch erhalten geblieben sind, an sich gering und darum für das Studium ihrer Formenentwicklung unzureichend. Von den noch erhaltenen ist der Schild von Seedorf unbestritten der älteste, und dennoch gehört dieser älteste erst einer Zeit an, in welcher der Reiterschild die Höhe seiner Bedeutung bereits überschritten hat und einzuschrumpfen beginnt, bis er als petit ecu und überflüssig geworden, abgelegt wird.
Dieser älteste Reiterschild befindet sich in dem Dörfchen Seedorf an der südwestlichen Seite des Vierwaldstättersees und stammt seinem Blason nach von einem Angehörigen des dort sesshaft gewesenen ritterlichen Geschlechtes von Briens. Ursprünglich ein Schild für die Feldausrüstung, wie für den Buhurt und das Gestech,2 wurde er später, einem alten Gebrauch folgend, nach dem Tod seines Besitzers in der Kirche des Ritterordens vom heiligen Lazarus zu Seedorf, der Stiftung eines derselben Briens, aufgehängt und wurde so zum «Totenschild».
Kirche und Kloster waren ursprünglich Augustinernonnen eingeräumt, später erhielten sie die Benediktinerinnen, und diese trugen dem ehrwürdigen Schild kein Verständnis entgegen. Sie fanden ihn unpassend für eine Nonnenkirche und bewahrten ihn in einem Schrank, wo er vergessen ward. Erst vor einigen Jahren wurde er wieder entdeckt und prangt nun als schönstes und wertvollstes Stück in der Sammlung des Pfarrers von Attinghausen, Anton Denier, eines überaus kenntnisreichen und liebenswerten Priesters, welcher denselben auch kürzlich zum Gegenstand einer trefflichen historisch-kunstwissenschaftlichen Abhandlung in der «Zeitschrift für christliche Kunst» gemacht hat, der wir hier auch überaus wertvolle geschichtliche und kunsttechnische Daten verdanken. Durch die Güte desselben und des Redakteurs obiger Zeitschrift, unseres hochgeehrten Freundes Herrn Canonicus Dr. Alexander Schnütgen in Köln, ist es uns auch möglich geworden, die beifolgenden Abbildungen unseren Lesern zu bringen.
Ehe wir dem Schild selbst uns zuwenden, sei es uns gestattet, die Bedingungen ins Auge zu fassen, welche auf die Form der Reiterschilde bestimmend eingewirkt hatten. Stellen wir uns einen Reiter vor, so kommen wir augenblicklich zur Überzeugung, dass kein Schild, sei er wie immer geformt, den ganzen Mann decken kann, ohne seine offensive Tätigkeit zu beeinträchtigen. Aus diesem Grund hat man sich vom Beginn an darauf beschränken müssen, nur die linke, eigentlich wehrlose, die sogenannte «Hiebseite» und je mehr zu decken, je weniger das Waffenkleid selbst, der Harnisch (hârnasch), vor den Waffen des Gegners schützen konnte. Der mittelalterliche Reiterschild, die «Tartsche», von dem arabischen dárake, italienisch targia hergeleitet, hat sich aus einer Form entwickelt, welche uns bei den Normanen des 11. Jahrhunderts zuerst vor Augen kommt: in der bekannten Tapete von Bayeux.
Hier finden wir den Schild mindestens 1,9 m lang, circa 48—50 cm breit, oberhalb abgerundet, unterhalb scharf in eine Spitze zulaufend. Er ist zweifelsohne aus Holz, am Rand und in der Mitte mit Eisen- oder Metallblechen verstärkt worden. Anfänglich war der Schild flach gehalten, später aber etwas ausgebaucht, sodass er sich der Schulter mehr anschmiegen konnte. Dieser Schild deckte nun den Reiter vom Hals bis an die Fußspitzen an der Hiebseite; die rechte Seite blieb zur Führung des Spießes oder des Schwertes vollkommen frei.
Nach Maßgabe, als im Verlaufe des 12. Jahrhunderts die Beine eine allgemach bessere Deckung erhielten, traten zwei bemerkenswerte Veränderungen in der Kriegertracht beim Reiter ein: der Haubert wie der Schild werden sukzessive kürzer, letzterer behält seine dreieckige Form, deckt aber am Schluss des 12. Jahrhunderts nur mehr bis an die Lenden. Mit der allmähligen Herausbildung des «Beinzeugs» aus Platten, das sich von den Kniebuckeln herauskristallisierte, schrumpft im 13. Jahrhundert der Reiterschild immer mehr zusammen und wird zum gleichseitigen Dreieck mit kolbig gegen die Spitzen zulaufenden Seitenrändern, deckt also dann nur mehr die Zügelhand.
Im 14. Jahrhundert als petit écu beginnt er schon unbequem und überflüssig zu werden und führt im Feld nur mehr eine Gewohnheitsexistenz. Im 15. Jahrhundert deckt er überhaupt nur mehr die Schulter mit dem linken oberen Brustteil und nicht mehr die Zügelhand; damit verliert er seine dreieckige Form und wird unterhalb kreisrund. Man kann den Übergang von der spitzen in die Kreisform fast von 10 zu 10 Jahren verfolgen und die Entstehungszeit ziemlich sicher bestimmen.
Der Schild von Seedorf, wie gesagt ein Reiterschild fürs Feld und fürs Gestech, ist 1,5 cm dick, aus Holz, wahrscheinlich aus geschiftetem Lindenholz und mit Pergament überzogen.3 Er ist dreieckig, der Oberrand ist gerade, während die beiden anderen Seiten stark ausgebogen zur Spitze laufen. Die obere Seite beträgt 57 cm, die Breite an der weitesten Ausbauchung der anderen Seite 20 cm vom Oberrand) 67 cm, die jetzige Länge, nachdem ein Stück der Spitze abgebrochen ist, beträgt 87 cm.
1 Nach dem Teppich von Bayeux laufen die bretonischen Schildformen und die normannischen zeitgleich nebeneinander her. Der bretonische Schild aus Bronze, rechteckig, mit abgerundeten Ecken mit metallener Berandung und mit der Länge nach laufender ornamentierten Metallbeschläge, hat sich, von anderen Nachbarformen unbeeinflusst, aus dem spätrömischen Schild der Kaiserzeit entwickelt, während der normannische, klar ersichtlich, seine Urform im Orient gefunden hat. Nach dem Teppich von Bayeux treten die bretonischen Schilde in zweierlei Größen auf, kleinere für den Reiter und große lange, welche den Mann vom Fuß bis an den Hals deckten, für den Fußstreiter.
Der einzig vorhandene originale bretonische Schild im British Museum, einst in der Sammlung L. Meyricks in Goodrich-Court, aus dem 10. Jahrhundert, wurde im Withamfluss in Lincolnshire gefunden, er ist ein Fußknechtschild. Der bretonische Schild scheint die Schlacht bei Hastings nicht lange überlebt zu haben, während der normannische zur Grundform der späteren Weiterbildungen bis ins 14. Jahrhundert und später geworden ist.
2 Zur Zeit der Entstehung dieses Schildes war die Ausrüstung für das Turnier noch sehr wenig oder gar nicht verschieden von jener fürs Feld. Es diene weiter zur Aufklärung, dass es ein Irrtum wäre und nur zu Verwechslungen des Begriffs Anlass geben würde, wollte man unseren Schild als «Kampfschild» bezeichnen. Eine feindliche Aktion im Feld wurde fachlich korrekt «Streit» genannt. Der Kampf zu Ross oder zu Fuß war eine Turnierart, bei welcher nur zwei Gegner einander gegenübertraten und um den «Dank» rangen. Selbst die Bezeichnung «Kampf zu Ross» wird selten und weit öfter «Kolbenturnier» angewendet. So hatte sich bis ins 16. Jahrhundert die Turnierform «der alte deutsche Fußkampf» erhalten, bei welchem eigengeformte «Kampfharnische» mit «Kampfschurzen» getragen wurden.
Auch die alten Gottesgerichte bestanden in einem Kampf. Man muss diese Terminologie, welche sich aus alter Zeit herschreibt, festhalten, wenn nicht Missverständnisse sich ergeben sollen. Kampfschilde hatten eigene, von den Reiterschilden ganz verschiedene Formen. Beim Gebrauch im Turnier konnte unser Schild nur im «Gestech» gedient haben und dieses wurde nie als «Kampf» angesehen.
3 Die Fertigung der Schilde besorgten die Schilfer (schilter), welchen auch die Erzeugung der ledernen Pferdebedeckungen (parsen), sowie der Zimiere anheimfiel. Sie leisteten Ausgezeichnetes in der Formung des Leders durch Pressen und in dessen plastischer Auszierung in Treibarbeit und Schnitt mit freier Hand. Eine ihnen speziell angehörende Dekorationstechnik ist die Darstellung und plastische Herausgestaltung des Motivs in engobage mittelst einer aufgelegten Kreidepasta, die ihren Ursprung sicher im Orient gefunden hat, ferner die heraldische Bemalung der Schilde und Parschen auf Kreidegrund in einer Art Tempera mit oft reicher Anwendung von Vergoldung oder Versilberung. Im 15. Jahrhundert fertigten sie auch Totenschilde und Helme mit deren Zimieren aus Leder. In mehreren deutschen Städten bildeten die Schilter mit den Malern eine Zunft.
Auf das Pergament ist ein Kreidegrund aufgetragen, der an der Vorderseite noch gut erhalten, an der Rückseite, wo der Auftrag bedeutend dünner war, zum größten Teil abgefallen ist. Vorder- wie Rückseite waren einst blau in tempera bemalt, jetzt ist die Farbe schmutzig grün geworden. Im äußeren Schildfeld ist ein zum Grimmen geschickter Löwe auf einem spitzen Berg stehend in Silbertinktur dargestellt. Die Figur ist mit Schnörkellinien in so strenger Stilisierung gehalten, wie wir sie nur in persischen Tierdarstellungen des 9. oder 10. Jahrhunderts wiederfinden. Die Umrisslinien treten bedeutend aus dem Grund hervor und sind ganz eigenartig und gewandt durch engobage mit dem Spatel herausmodelliert. Der Löwe ist in Silber gehalten, nur Zähne und Klauen sind in weißer Farbe wiedergegeben. Diese wie die Konturen des ganzen Tieres sind schwarz umrandet. (Fig. 1.)
In der erwähnten Abhandlung weist der verdienstvolle Autor Anton Denier den Schild dem Stifter des Klosters der Lazzariten zu Seedorf Arnold von Briens zu, und wir müssen gestehen, dass er mannigfache und triftige Gründe für seine ausgesprochene Ansicht hat. Die Stiftung des Klosters erfolgte ganz am Schluss des 12. Jahrhunderts, sehr wahrscheinlich 1197. Arnold starb um 1225. Man müsste doch immerhin das Alter des Schildes für etwas höher ansetzen als das Sterbejahr, also mindestens ins Jahr 1220; wir kämen damit ziemlich genau in jenes Entstehungsdatum, das der Verfasser der Waffenkunde1 (S. 176, Fig. 187) und dieser Zeilen für diesen Schild angegeben hat, indem er ihn der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zuschreibt.
Die Neigung des gelehrten Autors der obigen Abhandlung, den Schild noch in das 12. Jahrhundert, wenn auch in dessen letzte Jahrzehnte, zu reihen, ist insofern zu überlegen, als der Schild gewiss nicht zur Zeit der Klosterstiftung, sondern nach dem Ableben Arnolds in der Kirche aufgehängt worden sein konnte.
Wir, die wir nur aus der Form des Schildes allein ein Urteil schöpfen können und denen das legendarische historische Rüstzeug nicht zu Gebot steht, erkennen in der ursprünglichen Länge desselben von ungefähr 91 cm, die uns hier in erster Linie maßgebend ist, eine Dimension, die der Wende des 12. Jahrhunderts ziemlich entspricht, während dessen stattliche Breite und zumal die Ausbauchung der Seitenränder uns zu der Annahme hinleitet, den Schild um ein paar Jahrzehnte jünger zu halten. So gering auch die Differenz in den Altersbestimmungen erscheinen möge, sie ist für uns hier dadurch etwas wichtiger, als unserem Ermessen nach die Annahme, den Schild noch in das 12. Jahrhundert zu verweisen, auszuschließen ist, und zwar nicht nur aufgrund unseres Augenscheines, sondern aufgrund der wertvollen historischen Belege Denier’s selbst.
Für die Altersbestimmung eines Rüststückes ist immer der Stand der allgemeinen Kriegskunst maßgebend, wenngleich zugeben werden muss, dass in jeder Periode mit den augenblicklich meist verwendeten Formen auch veraltete in Mengen noch aufgetreten sind. Man könnte aus dieser Ursache einem Rüststück von veralteter Form eher ein geringeres Alter beimessen, als gegenteilig bei anderen ein plötzliches Vorgreifen in der Formentwicklung voraussetzen, sie also ungeachtet ihrer späteren Formen für älter halten. Wir wollen da noch einen weiteren Beweis dafür liefern, dass wir den Schild in den Beginn des 13. Jahrhunderts zu verweisen haben. In den Miniaturen des wertvollen Bildkodex: „Carmen in honorem Augusti des Peter von Ebulo“ in der Stadtbibliothek zu Bern,1 der erwiesenermaßen 1196, also genau zu unserer strittigen Zeit fertiggestellt wurde, erscheinen die Reiter in noch erheblich längeren Schilden, welche durch die Bank noch völlig bis ans Knie reichen (Fig. 2). Auch für die Tragart finden sich da Anhaltspunkte. Der Unterarm ist waagerecht stehend, und an vielen Stellen findet sich auch die „schiltvezzel“ gezeichnet. Wir wählten in der Figur eine Gruppe Kölnischer Reiter. Nahezu von gleicher oder doch von nur sehr geringerer Länge finden wir die Reiterschilde an dem berühmten Relief der schlafenden Krieger an dem Grabmale in der Kathedrale zu Lincoln, die gehören aber bereits in den Beginn des 14. Jahrhunderts. Es gäbe hierüber bildliche Beispiele in schwerer Menge. Es erübrigt uns nun nur mehr, einige Bemerkungen über den Gebrauch und die Tragart des Reiterschildes hier anzufügen, um die im Innern unseres Exemplars sichtbaren Spuren von Tragvorrichtungen und deren ursprüngliche Bestimmung zu erklären. Ungeachtet der verschiedenen Art der Handhabung des Fußknecht- und des Reiterschildes weisen dennoch beide in ihren Tragvorrichtungen Ähnlichkeiten auf, und die Formen der letzteren sind sich gleich geblieben vom 10. bis ins 14. Jahrhundert. Der Fußknecht trug seinen Schild auf dem Marsch an einem breiten Riemen (schiltvezzel) um den Hals auf dem Rücken, im Gefecht aber meistenteils mit aufgestemmtem Vorderarm. Dieser stak in einem Lederband, der Armschlinge, während die aufwärts gerichtete Hand die aus zwei kreuzweise angeordneten Lederbändern gebildete Faustschlinge erfasste und damit in die Höhe hob.
Merkwürdigerweise finden wir diese Tragart auch bei den normannischen Reitern in dem Teppich von Bayeux des 12. Jahrhunderts und man wäre fast versucht, diese als die ursprüngliche zu halten (Fig. 3). Der Reiter aber trug in der Regel seinen Schild mit waagerecht gehaltenem Vorderarm, aber auch hier stak der letztere in der Armschlinge, während die Hand gleichfalls zwei kreuzweise übereinander lagernde Riemen ergriff und festhielt (Fig. 4). Nebst dieser Faustschlinge umfasste die Hand auch die Zügel. Auf dem Marsch trug zwar auch er ihn an einem Riemen auf dem Rücken, im Gefecht aber war er am Hals hängend derart vorgeschoben, dass er die linke Brustseite mit der Achsel und der Zügelhand deckte. Der Arm erfasste den Schild von der Seite. Schon aus der Erklärung und dem Blick auf die Abbildung ist das Unbequeme und Unpraktische in der Schild- und Zügelführung zu erkennen, und in der Tat ist auch vom 12. Jahrhundert an das Bestreben merkbar, die Zügelhand möglichst von der Schildführung freizumachen und doch gedeckt zu behalten. Das gelang aber erst allmählich, und zwar erst dann, als der Schild kleinere Dimensionen erhielt. Anfänglich half man sich damit, denselben nur in der Attacke zu ergreifen und fest an den Leib anzuziehen, später begnügte man sich, denselben bloß in der Armschlinge zu halten, je nach Gewohnheit und Bedürfnis.
Die Vorrichtungen aber blieben beibehalten, je weniger sie auch benützt wurden. Es musste somit jeder Schild zum Wenigsten acht durch das ganze Schildblatt dringende Nieten aufweisen, von welchen zum Wenigsten deren vier zugleich auch zur Befestigung des Polsters dienen mussten, das unerlässlich war, um den ansehnlichen Druck des Drahthemdes (Haubert) auf den Arm zu mildern. In älterer Zeit benötigten die Schildfessel zwei, die Armschlinge zwei und die beiden kreuzweise angeordneten Riemen der Handhabe vier Riemen. Hier in dieser späteren Periode ist, wie aus der Stellung der Nieten an der Innenseite des Schildes Fig. 5 ersichtlich ist, die Kreuzschlinge nicht mehr angewendet, und die Benützung der Nieten kann nicht anders geschehen sein, als in beiliegender Skizze Fig. 6 angedeutet ist, wobei zwei Riemen für den Arm und der vordere für die Handhabe diente.
Eine andere einfache Lösung der Frage lässt die Stellung der Nieten zueinander nicht zu. Immerhin sprechen auch praktische Gründe für die Richtigkeit unserer Annahme. Bei zwei Armschlingen ruhte der Vorderarm gewiss fester am Schild, und die zugleich auch die Zügel führende Hand war eher im Stande, ihre Doppelaufgabe: den Schild zu halten und das Ross zu leiten, zu erfüllen. Es ist dabei auch anzunehmen, dass die beiden unteren Nieten noch durch einen Querriemen verbunden waren, welcher dazu diente, um an ihn die Zügelenden zu binden. Anderen vorerwähnten Grabmal zu Lincoln lässt der linksseitige schlafende Krieger einen Teil der Innenseite des Schildes erkennen, und da trifft die Anordnung des Handhaberiemens in überraschender Weise zu.
Wer nur einigermaßen die Entwicklung des Waffenwesens verfolgt hat, wird zu der Überzeugung gekommen sein, dass bis in das 17. Jahrhundert an eine uniforme Gestaltung der Bewaffnung nicht zu denken ist. Der Stand der Kriegskunst hatte nur einen allgemeinen Einfluss auf die Formen, die Details bildeten sich nach nationalen Anschauungen und individueller Auffassung. Gewisse Typen wie die Formenverhältnisse der Schilde treten aber gleichartig auf, die Tragart, Beriemung etc. ist verschieden, insoweit sie nur dem Zweck diente. Hier sind Varianten innerhalb gewisser Grenzen ganz wohl denkbar. So finden wir auch die Beriemung am Schild von Seedorf außerhalb der Schablone stehend, aber diese Änderung ist als eine Verbesserung anzusehen, die im weiteren Verlauf der Zeiten, als die Reiterschilde zusammenschrumpften, ihre Fortsetzung fand, denn später am petit ecu bestand die Beriemung einzig aus der Schildfessel und einer Armschlinge; die Handhabe fiel weg, da die bereits gepanzerte Zügelhand frei über den Unterrand des Schildes hervorragte.
1 Hauptmann, Dr., Die Illustrationen von Peter von Ebulo’s Carmen in honorem Augusti. Jahrbuch der k. k. heraldischen Gesellschaft «Adlern, N. F., 7. Band, Wien 1897.
Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. I. Band. Heft 3, 4. Dresden, 1897-1899.