Wir haben auf Seite 17 des ersten Bandes unseres Anzeigers des germanischen Museums mitgeteilt, dass ein Freund unserer Anstalt, welcher ungenannt zu bleiben wünscht, bei einem Antiquar in Florenz zwei Geschütze des 15. Jahrhundert gefunden, gekauft und dem Germanischen Museum zum Geschenk gemacht hat. Das eine derselben ist die Kammerbüchse, welche hier in der oberen Ansicht und im Längendurchschnitt abgebildet ist. Sie besteht aus einem Rohr, das über einen Dorn geschmiedet ist und, soweit es sich aus dem etwas aufgeblätterten Zustand beurteilen lässt, aus drei Lagen dünn geschlagenen Eisens besteht. Die Mündung ist durch einen doppelten, das Ende durch einen dreifachen Ring verstärkt. Dazwischen sind in nicht vollständig gleichen Abständen sechs Ringe von annähernd quadratischem Querschnitt herumgelegt. Weder an den Ringen, noch an der Oberfläche des Rohres ist eine Schweißstelle zu erkennen, die Schmiedearbeit also vortrefflich.
In diese Röhre ist das Kammerstück, das aus einer Masse geschmiedet zu sein scheint, an welche nur ein Handgriff, sowie ein verstärkender Wulst angeschweißt ist, eingeschoben. Die Kammer ist natürlich enger als das Rohr; das Pulverquantum, das sie zu fassen vermag, steht, da als Geschoss wohl eine mit Blei überzogene Steinkugel gedacht werden darf, zu dem Gewicht derselben und der Rohrlänge noch immer in einem Verhältnis, das größer als das der heutigen Patronen ist, aber doch zeigt, dass die Anfänge in der Kunst der Pulverbereitung schon überwunden waren. Wir haben im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1877, S. 9 und 10 einen Teil des Stiches Israels von Mekenen (siehe Fig. 2) wiedergegeben der ähnliche Geschütze auf Lafetten zeigt, auch eine verwandte, jedoch längere Röhre unserer Sammlung dort abgebildet. Der Stich beweist, dass noch gegen den Schluss des 15. Jahrhunderts derartige Röhren in Gebrauch waren; die etwas geringere Länge unseres Rohres veranlasst uns, zu glauben, dass unser hier mitgeteiltes Stück nicht auf einer mit Rädern versehenen Lafette lag, sondern auf einem Block.
Die Kammer ist durch Rost so fest mit dem Rohr verbunden, dass wir sie bis jetzt nicht herausziehen konnten. Wir können daher das Gewicht nur von Rohr und Kammer zusammen angeben. Es beträgt 57,05 kg. Da die Zeit, d. h. der Rost, das Stück stark zerfressen hat, so darf das ursprüngliche Gewicht um einige Prozente höher berechnet werden. Die Maße sind folgende: Es beträgt die Gesamtlänge 1,29 m, Rohrlänge 1 m, lichte Länge der Kammer 30 cm. Weite der Kammer 2,2 cm, Weite des Rohres 6,5 cm.
Bei der etwas fortgeschrittenen Zerstörung können die Maße natürlich nicht vollständig genau genommen werden.
Quelle: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum. Bd. 1 (1884-1886).