Von Hans Stöcklein
Der berühmte Reisende Uffenbach schildert in seinem Reisewerke auch seinen Besuch der Residenz zu Düsseldorf. Der Besuch fiel in die Jahre 1709—1711, also in die Zeit der Regierung des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz. Unter anderem beschreibt er zwei besondere Kabinette, in denen sich Meisterwerke der Malerei, Gemälde von Breughel und van der Werff und kostbare Werke aus Halbedelsteinen befanden, mit folgenden Worten:
„Die beiden Kabinette sind, obwohl gar klein, dennoch unvergleichlich. Ehe ich dahin ginge, musste ich meinen Degen nicht allein ablegen, sondern weil die Böden mit allerhand Holz sehr schön eingelegt, auch poliert sind, musste ich besondere Pantoffeln, wie in Holland gebräuchlich, über die Schuhe anziehen, wie auch Handschuhe, damit das Gewehr, welches ich zuerst sähe, nicht anliefe. Es war aber eine Flinte, ein paar Pistolen und ein Degen, alles von Stahl mit sehr vielen erhabenen zarten Figuren, gewiss unvergleichlich gearbeitet und vergoldet. Sie sind all-hier in Düsseldorf von einem Namens Hermann Bongard gemacht. Ich habe dergleichen mein Lebtage nicht gesehen.“
Die stolze Residenz steht leider nicht mehr. Sie brannte nieder und nur ein kleiner Eckturm lässt uns die Größe und Mächtigkeit des Baues ahnen. Die Galerie kam nach München, denn mit dem letzten Pfälzer Kurfürsten Karl Theodor zog dieser Wittelsbacher Seitenstamm nach Bayern. Von der herrlichen Garnitur des Armand Bongard aber hörte man nichts mehr und trotz allem Nachforschen blieb sie verschollen.
Da wurde man im Jahre 1913 darauf aufmerksam, dass sich in der königlichen Residenz zu München in stiller Verborgenheit in einer Kammer unter dem Dach eine Gewehrkammer erhalten hatte, von der bis dahin nicht einmal der kunstverständige Kronprinz Ruprecht etwas gewusst hatte. Dessen Anregung und dem edlen Gemeinsinn des verstorbenen Königs Ludwig III. verdankt diese hervorragende Jagdsammlung ihre Auferstehung und Verteilung an das National- und Völkerkundemuseum in München1. Und dabei stellte sich heraus, dass die längst verschollene Prachtgarnitur von Bongard darunter war und so nunmehr eine Zierde der Jagdsammlung des Nationalmuseums bildet.
Ein Blick auf die nebenstehenden Bilder und wir sind uns klar, dass hier tatsächlich ein Meisterwerk des Eisenschnittes vorliegt.
Auf dem Lauf der Flinte steht in antikisierender Tracht der Besteller der Garnitur Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz, dessen Profilkopf nochmals auf dem Daumenplättchen sichtbar wird. Figuren, Trophäen und Ornamente bedecken den Lauf in wundervoll gegliedertem ornamentalen Aufbau und in feinster Eisenschnittechnik und Vergoldung. Sogar die Schraube des Schwanzstückes ist nicht schmucklos geblieben, sondern mit Akanthusornamenten überzogen. Stolz nennt sich auf dem Schloss in Goldschrift der Künstler
BONGARDE
A DUSSELDORP.
Ebenso prachtvoll wie alle Beschläge ist auch der Schaft aus Eschenfladerholz geschnitzt.
Von den zwei Pistolen, deren Daumenplättchen wieder den Reliefkopf des Kurfürsten zeigen, ist eine auf Bild 1 abgebildet. Lauf und Schloss tragen beide den Namen des Meisters in gleicher Form wie auf dem Schloss der Flinte. Auf Bild 3 sehen wir an einem Pistolenknauf, wie die kunstfertige Hand auch die kleinsten Beschlagteile mit zierlichen Ornamenten übersponnen hat.
Der Degen ist zwar nicht bezeichnet, aber einesteils durch Ornamente und Technik des Eisenschnittes, andernteils durch die Reliefbildnisse des Kurfürsten Johann Wilhelm und seiner ersten Gemahlin Maria Anna Josepha ist die Zusammengehörigkeit mit Flinte und Pistolen genügend festgelegt. Bei der Garnitur war ja auch ein Degen. Dies erzählt Uffenbach in seiner oben erwähnten Beschreibung und ein weiterer Beweis wird erbracht durch folgende Anführung der Garnitur in dem Inventar der Schatzkammer zu Mannheim von 1744 (Königliches Geheimes Hausarchiv München Nr. 1703). „Eine schöne flinth, ein par Pistohlen ein Degen und Stock so von Stahl undt goldt eingelegt, welches ein meisterstück von Bongarde zu Düsseldorf.“ Im Inventar der kurfürstlichen Schatzkammer de anno 1764 (Königliches Geheimes Hausarchiv München Nr. 1713) ist die Garnitur wieder aufgeführt: „Ein Meisterstück von dem Düsseldorfer Bounguart in folgendem bestehend: Eine Flint und ein paar Pistolen von purem stahl. Ein Degen mit einem stahlenen gravirten und vergoldem Gefäss, und ist die Kling oben am stichplatt mit perlen und corallen eingelegt nebst einem spannischen rohr mit dem Knopf von gleicher arbeith.“
Das Bildnis der Kurfürstin auf dem Degenknopf ist sicherlich das der ersten Gemahlin Johann Wilhelms: Maria Anna Josepha, einer Tochter Kaiser Ferdinands III. Dafür spricht das mehrfache Vorkommen des kaiserlichen Doppeladlers in der Ornamentik. Da die Kurfürstin am 14. April 1689 starb, darf damit die Vollendung der Garnitur vor diesem Zeitpunkt angenommen werden.
Die Stichblätter des Degens sind auf beiden Seiten ebenso reich geschnitten und enthalten in den Mittelfeldern kriegerische Szenen und Schlachtenbilder aus der Zeit Johann Wilhelms. Die Klinge wird beiderseits bis zur Spitze durch je drei vergoldete Blutrinnen profiliert. In die Durchbrechungen des ganz vergoldeten Ansatzes sind in Nachahmung orientalischer Vorbilder dreizehn Perlen und sechs Korallen eingefügt.
Der im Inventar von 1764 erwähnte Stock ist zurzeit nicht auffindbar.
Über den Meister ist leider herzlich wenig bekannt. Böheim2 widmet ihm einen Absatz in seinen Meistern der Waffenschmiedekunst, etwas mehr weiß Lewin3 über ihn zu berichten, aber auch kein einziges Datum. Wenn wir die Entstehung vorliegender Meistergarnitur vor 1689 annehmen, so muss Bongard in diesem Jahre bereits auf der Spitze seines Könnens angelangt, also mindestens 25 bis 30 Jahre alt gewesen sein. Sein Geburtsdatum wäre dann wenigstens vor 1665 zu suchen.
Dass er nicht Franzose war, beweist das häufige Vorkommen des Namens Bongartz, Bogart, Bungert am Niederrhein. In dieser Zeit beginnt aber bereits bei deutschen Büchsenmachern die Gewohnheit, ihre Signatur zu französisieren, eine üble, echt deutsche Angewohnheit, die das ganze 18. Jahrhundert vorhielt.
Als Quellen der Ornamentik gibt Boeheim die Pariser Ornamentisten Jean Berain, Lebrun und George Charmeton an. Ich möchte noch den Pariser Büchsenmacher Gruché hinzufügen, von dem eine elegante Flinte von 1678 im Wiener kunsthistorischen Museum ähnliche Ornamentmotive zeigt. Mit den Pfalz-Neuburger Kurfürsten kamen aber sicherlich auch Stücke aus der Neuburger Gewehrkammer nach Düsseldorf, wo Bongard dann Gelegenheit hatte, Arbeiten der Münchner Eisenschneiderschule zu sehen, die für das ganze 17. Jahrhundert bis 1668 als die besten Eisenschnittarbeiten dieser Zeit anzusehen sind4. In dem Aufbau der Lauf-Ornamentik mit der Mittelpunktfigur einer stehenden allegorischen Person sowie in den auf den drei Schlössern auftretenden Gruppen der Minerva oder Bellona (?) auf einem von Löwen gezogenen Wagen sind zahlreiche Anklänge an ähnliche Ornamentmotive der ursprünglich ja ebenfalls aus den Niederlanden (Antwerpen) stammenden Münchner Eisenschneider.
1 Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 1914/15, Heft 1/2, S. 106.
2 W. Boeheim, Meister der Waffenschmiedekunst
3 Lewin, Beiträge zur Geschichte der Kunstbestrebungen in dem Hause Pfalz-Neuburg. — Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Bd. 23, S. 68, Düsseldorf 1911.
4 Stöcklein, Meister des Eisenschnittes, Eßlingen 1922.
Quelle: Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde. Zürich, Leipzig, Wien: Amalthea, Bd. 1.1922.