Vortrag gehalten von dem II. Vorsitzenden des Vereins, Direktor Wendelin Boeheim in der Generalversammlung am 2. Juni 1898 zu Berlin.
Verehrte Vereinsgenossen!
Unsere junge historische Waffenwissenschaft hat den Gegenstand ihres Bereiches: «Die Waffe» immerhin von verschiedenen Gesichtspunkten beleuchtet und vor Augen gestellt. Sie wurde sowohl kultur- wie kunsthistorisch nach ihrer technischen Beschaffenheit, ihrer Fertigung, ihrem Gebrauch und selbst ihrer Verwendung in der Geschichte einer ernsten Betrachtung unterzogen, und wenn auch nach allen genannten Richtungen hin erst wenige Schritte unternommen worden sind, so ist es doch hocherfreulich zu sehen, dass ein Anfang gemacht wurde, um das unabsehbar weite Brachfeld zu bebauen. Der Stand einer Wissenschaft charakterisiert sich darin, in wie weit diese ihren Gegenstand allseits betrachtet und sich in dieser Betrachtung vertieft hat; und da kann es uns bei der Jugend unseres Wissenschaftszweiges nicht Wunder nehmen, wenn wir gewahren, dass die Waffe noch nicht von allen Punkten betrachtet worden ist.
Ich möchte nun heute eine für uns bedeutsame und denkwürdige Gelegenheit ergreifen, um die Waffe und was dazu gehört, einmal von einem Gesichtspunkt zu beschauen, von dem sie meines Wissens noch niemals beschaut worden ist: in ihrer Eigenschaft als Handelsgegenstand. Sie werden von mir nicht erwarten, dass ich dieses — ziemlich umfassende — Thema vollkommen erschöpfe, sie werden mich entschuldigt halten, wenn ich nur in großen Zügen, so: al fresco male, aber ich schmeichle mir, dass auch dieses massige Gesamtbild Ihnen die Waffe unter einem Winkel beleuchtet darstellen wird, wie sie jeder unserer Spezialisten zur eigenen Beurteilung einmal besehen muss.
Ich bin kein Freund von langatmigen Einleitungen und gehe deshalb rasch und unvermittelt in mein Thema ein und da ist es mir, als sei ich anfänglich von einer dichten grauen Nebelwolke verhüllt und träte erst allmählich deutlicher aus selber hervor.
Ich beginne mit der Steinzeit im Norden und weise darauf hin, dass selbst in den ältesten Fundlagern sich Artefakte nicht selten finden von einem Steinmaterial, das weit und breit, ja auf tausende von Meilen im Umkreis nicht zu finden ist. Eine gleiche und noch weit auffälligere Beobachtung machen wir in der späteren Bronzezeit, in welcher wir im hohen Norden das heimische Kupfer im Verein mit lichter Bronze antreffen und in Formen, die nahezu in gar nichts von jenen in unseren südlichen Ländern sich unterscheiden. Wenn wir uns nun erinnern, dass ein wesentlicher Bestandteil der Bronze: das Zinn, nur spärlich in der Welt angetroffen wird, so muss man zu der Vermutung, wenn nicht zur vollen Überzeugung kommen, dass in vorhistorischer Zeit nicht sowohl das rohe Material, als auch die Waffe selbst einen ansehnlichen Teil des Welthandels gebildet hatte. Treten wir in der Zeit um einen Schritt näher, so gelangen wir in eine Periode, in welcher, während die Bronze und selbst noch der Stein das Hauptmaterial der Waffen bildete, tief im Süden ein anderes Metall auftauchte, das unvermischt verwendet, weit einfacher erzeugt, leichter im Gewicht und weit brauchbarer für die Waffenerzeugung sich erwies als die Bronze: das Eisen, der Stahl.
Die Urstätte der Eisenerzeugung ist Asien. Die ersten Proben dieses kostbaren Metalls brachten die knorrigen Bewohner der terrassenförmigen Südabhänge des vom ewigen Schnee bedeckten Himalaya Gebirges, den tiefen schrundigen Tälern des Kohistan, in das flache weite Tiefland des Pendschab herab, und erst hier, dem alten Fünfstromland der Inder, wurden die noch unfertig ausgeschmelzten Massen in den kostbaren Stahl verwandelt, der das ausgezeichnete Material für die Waffen im Altertum bildete. Diese Industrie in ihren Anfängen ist rein indisch, verfolgt man aber den Kulturweg derselben von ihrem Ursprungspunkt, so entgeht uns nicht, dass sie ihre Richtung mit voller Entschiedenheit nach den Westen nimmt. Es ist dies nicht der Weg einer einzelnen Industrie, so wichtig sie auch an sich für die Kultur erscheinen mag; es ist von den Anfängen her die geographische Linie, die von der Barbarei zur geistigen Entwicklung des Menschengeschlechtes leitet. Der Weg, den das Eisen genommen hatte, führte von den Quellen des Indus unmittelbar nach Persien, von da den Tigris aufwärts nach Babylon und nach Assyris. Hier teilte sich schon in ältester Zeit der Weg; der nördliche leitete bis an die Südabhänge des Kaukasus und an den Pontus Euxinus, an dessen südlichem Gestade die Chalybes sich einen hohen Ruhm als Waffenschmiede erworben hatten; der westliche führte über Mesopotamien nach Tyrus an das Meer und hier begann bald der ungemein ausgebreitete Handel, zunächst mit Griechenland und Ägypten, beide eisenarme Länder; der südliche leitete nach Arabien, um unter den dortigen Nomadenstämmen zu versiegen. Auf dem langen Weg vom Indus bis ans Meer hatte die Eisenindustrie, welche sich ja fast ausschließlich in der Waffenschmiedekunst konzentrierte wie begreiflich, gewisse Knotenpunkte in welchen die Arbeiter, begünstigt durch bessere Absatz- und Transportverhältnisse in Werkstätten sich sammelten. Diese nahmen ihr Rohmaterial aus den nächsten Gebirgszügen und konnten dies umso leichter tun, als das Erz noch auf die primitivste Weise durch Pochen in Mörsern und durch Sieben und Schlemmen geringer Quantitäten bearbeitet wurde, also ein gewichtiger Zwischenprozess, wie er heute nötig erscheint, nahezu ganz entfiel.
Wenn wir die Geschichte der asiatischen Großreiche im Altertum überblicken, so zeigt sich, dass jede einzelne Macht auf die Bewaffnung einen ungemein großen Wert gelegt hatte. Deutlich erweist sich dieses bei den Babyloniern, Assyriern und Persern und wir bemerken auch, dass mit der technischen Entwicklung des Waffenwesens fast gleichzeitig das Streben nach Verschönerung des Produktes auftritt. Diese Regung ist speziell orientalisch; ist sie an sich schon weit älter, als okzidentalisches Schönheitsempfinden, so erklärt dieser Umstand allein schon die Wertschätzung orientalischer Kunst, die keine bloß platonische geblieben ist.
Diese Wertschätzung sprach sich im frühesten Altertum nach zwei Seiten hin kräftig aus: erstens durch einen ungemein lebhaften Küstenhandel, zweitens, vermittelt durch diesen, durch die allmähliche Verbreitung der Kunst im Abendland. Die Waffenfunde in Griechenland aus archaischer Zeit lassen deutlich ihren orientalischen Ursprung erkennen, ja morgenländische Kunst im Waffenwesen ist bis in die späteste Römerzeit wahrnehmbar. Der Handel ist stets der Kulturträger gewesen. Wir haben bei diesem Bilde allerdings nur den großen Kulturstrom vom Indus nach Griechenland und Italien im Auge, aber auch dessen Seitenabzweigungen sind nicht zu unterschätzen. So ist die arabische Waffenindustrie uralt. Schon 3000 Jahre vor Christus hatten die Araber sich die Bergwerke am Sinai erkämpft und die Industrie selbst erhielt dadurch eine ungemeine Förderung, dass sie mit dem Handel in weit innigerer Verbindung stand, als irgendwo. Der arabische Waffenschmied war Nomade, ein verlässlicherer Händler als Erzeuger. Mit seinen Produkten durchzog er über Ägypten die ganze Nordküste Afrikas.
Mit dem allmählichen Verfall der großen asiatischen Reiche treten langsam, schrittweise die Araber hervor, sie erweisen sich in Asien als emporstrebendes Element, weit bevor sie eine politische Rolle spielten. Die hohe Fähigkeit in der Erzeugung bleibt zwar noch Jahrhunderte hindurch ein Erbteil der alten Völker: der Inder, Meder und Perser, aber den Binnenhandel mit Waffen hatte der findige und berechnende Araber an sich zu ziehen gewusst. Nur am Meer hatte seine Tätigkeit eine Grenze; dort hatten die Phönizier eine Barriere aufgerichtet, welche die Araber erst in nachchristlicher Zeit zu brechen vermocht hatten.
Ich habe dieses Bild der frühesten kommerziellen Bewegung im Waffenwesen nur in großen Zügen und zu dem Zweck gemalt, um meinen nun folgenden Schilderungen als Hintergrund zu dienen, die sich in einem Zeitraum bewegen, in welchem die Einzelheiten so weit wahrnehmbar werden, dass sie als Beweisfaktoren, oder doch als lehrreiche Beispiele herangezogen werden können. Um unser Thema nicht allzu weit auszudehnen, wollen wir auch hauptsächlich nur Europa ins Auge fassen.
Am Beginn der Völkerwanderung trafen die westwärts wandernden barbarischen Stämme bereits ansehnliche Stätten der Eisengewinnung und der Waffenerzeugung auf ihren Zügen an, die sie auch rasch für sich benützten. Zunächst stießen sie auf das ausgedehnte eisenreiche Gebiet der norischen Alpen in Steiermark und Kärnten, aus welchem schon die Römer ihr bestes Material bezogen und dieses in Mediolanum, Ticinum, dem späteren Pavia, dann in den Tälern der Mella und des Tagliamento verarbeiteten. Plinius schätzte das norische Eisen, und jenes von der Insel Elba als das Beste. Für das südliche Rom bildete Trinacria (Sizilien) eine reiche Quelle der Eisengewinnung, welche später die betriebsamen Siculoaraber in ausgezeichneter Weise ausbeuteten.
In Deutschland führen Spuren der Gewinnung und Verarbeitung des Eisens in den Ardennen bis Karl den Großen hinauf. Als älteste Stätte einer kunstvolleren Waffenindustrie erscheint die alte Bischofstadt Köln. In Spanien hatte sich das altiberische Produktionsgebiet am Golf von Biscaya von Guipúzcoa bis in die Ebene von Leon herab noch blühend erhalten. Die Industriestätten von Murcia, Toledo und Valencia hatten erst die Mauren gegründet. Erwähne ich noch der uralten normannischen Industriestätte des Eisenlandes Schweden von Karlstad und Orebro und an dem Dalelf bis Ljusnä-Elf hinauf, so habe ich die ansehnlichsten Fabrikationszentren der Waffen im frühesten Mittelalter berührt.
Das ausgedehnte Gebiet der Waffenerzeugung in den norischen Alpen, dessen Produkte schon Plinius und Tacitus hervorheben und welches ursprünglich von illyrischen Kelten bewohnt war, welche sich von Alters her auf den Bergbau verstanden, scheint in der Zeit der Völkerwanderung, wenn auch schwer geschädigt, doch nicht gänzlich zu Grunde gegangen zu sein. Es ist darüber keine Nachricht auf unsere Zeit gelangt, aber die kräftigen Bergleute und Eisenschmiede scheinen die Stätten ihrer Heimat wiederholt und hartnäckig gegen die von Osten herandringenden ungezählten Scharen der Wandervölker verteidigt zu haben. Die fortgesetzten Anstürme lähmten endlich auch die Stahlsehnen dieses urwüchsigen Volkes, denn dem Andringen der Awaren im 8. Jahrhundert fühlte sich ein ansehnlicher Teil der norischen Waffenschmiede nicht mehr gewachsen. Die Bewohner an der Enns und der umliegenden Gegenden, vielleicht bis zu den Eisenwurzen hinauf, verließen von ihrem Bischof geleitet, die Heimat, wanderten an die Mündungen des Inn und der Ill in die Donau, wo sie durch zahlreiche Gewässer geschützt das alte Handwerk weitertreibend sich niederließen, und die Passauer Waffenindustrie, die berühmteste des Mittelalters, gründeten.
Vermischt mit ackerbauenden Slawen mochten sich schon im 9. Jahrhundert germanische Volkselemente im steirisch-kärntnerischen Eisenland sesshaft und das Waffenschmiedehandwerk aufgenommen zu haben. Ihre Industrie kam in der Periode der Kreuzzüge zu hoher Bedeutung; das ergibt sich aus dem mächtig zunehmenden Selbstbewusstsein der dort entstandenen Vereinigungen und rückschließend aus den allenthalben erlassenen Privilegien im 12. und 13. Jahrhundert.
Wir werden sehen, wie lange sich diese Industrie gegenüber allen übrigen in Europa und warum sie sich erhielt; für jetzt genüge die Feststellung der Tatsache, dass die Waffenindustrie Steiermarks und Kärntens vom 12. Jahrhundert an rapide im Zunehmen begriffen war und zu einer Quelle des Wohlstandes beider Herzogtümer wurde. Ihre Erzeugnisse zeichneten sich nicht durch kunstvolle Ausstattung aus, ihre Formen erwiesen nur das natürliche Stilgefühl der jeweiligen Zeit; sie bildeten gemeine Massenware, die dem mitteleuropäischen Binnenhandel zu einem gewaltigen Aufschwung verhalf. Der Vertrieb begann in den hohen Alpentälern allerdings mit armseligen Saumtierkolonnen, aber von gewissen Handelsknoten an gewann er an äußerlichem Ansehen und endete mit stattlichen Wagenzügen; nach England selbst mit imposanten wohlbeschützten Flotillen.
Und in dieser Periode des Mittelalters, in welcher die norischen Gruben und Werkstätten nahezu alle Kreuzheere mit Handwaffen versorgten, sehe ich mich veranlasst, wieder einen Blick nach dem Morgenland zu werfen. In den Kreuzheeren war Europa zum ersten Male mit dem Orient in nähere Berührung gekommen. Die frommen Kreuzfahrer sahen sich in eine neue wunderbare Welt von alter weiter vorgeschrittener Kultur versetzt, die in ihrem innersten Kern ganz von der ihrigen verschieden war. Sie fanden ein ihnen anfänglich ganz unbegreifliches, ausgebildetes gesellschaftliches und Verkehrsleben mit einer bienenartig betriebenen Industrie, die sich in den einfachsten Gegenständen bis zur bewundernswertesten Güte und Schönheit entwickelt hatte. Die Kriegführung, die Kampfweise war eine vollständig verschiedene von der ihrigen und, wie sie sich bald gestehen mussten, eine weit überlegene und vorteilhaftere. Der Kampfweise angepasst, waren auch die Waffenformen andere, feiner berechnet und insgemein von wunderbar schöner Ausstattung. Schon bedeutende Zeit vor dem ersten Kreuzzug, als die Araber Sizilien und Spanien erobert hatten, waren vereinzelt kunstreich verzierte Schwerter nach Frankreich, Deutschland und selbst nach Britannien gekommen und hatten dort hohe Bewunderung erregt; nun in den Kreuzzügen wurde es zur Leidenschaft, orientalische Waffen zu erhalten, zu tragen und zu führen. Man hat den gewaltigen Einfluss des Orients auf die Bewaffnung unserer feudalen Heere gegen das Ende des 12. Jahrhunderts nie einer näheren Beobachtung unterzogen. König Philipp August von Frankreich, Richard I. von England, Herzog Leopold V. von Österreich und mit ihnen ihre Vasallen kamen mit ganz anderen Gedanken über den Krieg in ihre Heimat zurück, ja ein römisch-deutscher Kaiser, Friedrich II., orientalisierte sich vollends.
Von dieser Zeit an entstand den europäischen Werkstätten eine eigentümliche Konkurrenz, die diese bei dem fortgesetzten Massenbedarf anfänglich nur ganz wenig verspürten in der Art, dass gemeine Ware in großer Menge mit den Heeren nach dem Orient wanderte, aber auch feine und reichverzierte Waffen, vorwiegend Schwerter, Streitkolben und Beile, Schilde und kostbares Sattelzeug, besonders aber feine Drahthemden wieder nach dem Westen Europas gelangten. Dieses erwachte allgemeine Verlangen nach sorgfältiger erzeugten und kunstreicher ausgestatteten Waffen machten sich die Araber der Küsten, die Griechen und Byzantiner bald zu Nutze, indem sie mit Hilfe der Venezianer und Genuesen orientalische Waffen in großen Quantitäten auf die europäischen Märkte warfen.
Zwei Gegenstände waren es, welche in Europa einen heute kaum mehr begreiflichen Ruf genossen: das Drahthemd und die Damaszener Klinge. Geradezu als ein Wunder der Arbeit und des Fleißes erschienen den Europäern die Drahthemden aus winzig kleinen genieteten Ringen, gegenüber den groben schweren Geflechten ihrer zünftigen Sarwürcher. Diese feine aber auch kostspielige Ware war das Erzeugnis einer speziell arabischen Industrie. Die geschätztesten Drahthemden wurden in Soluk im Jemen gefertigt und gelangten über Damaskus und Aden in unsere Länder, viele und sehr belobte kamen aber, wie uns der Maure Al Makkari berichtet, auch aus dem Königreich Murcia und fanden ihre Abnehmer in Frankreich und Britannien.
Die Kenntnis der herrlichen feinen Damaszener Klingen reicht freilich bis in die Epoche des Altertums hinauf, aber anfänglich konnten nur die Höchsten der Erde in den Besitz einer solchen gelangen.
Schon Theodorich der Große (um 520) erhielt von dem König der Vandalen Thrasamund eine Sendung von Schwertern, deren Klingen Zeichnungen erkennen ließen, welche sich wie «kräuselndes Gewürm» darstellten. Diese Klingen stammten sicherlich bereits aus arabischen Werkstätten und wir können nicht zweifeln, dass mit ihrer Beschreibung die früheste Nachricht über Damaszener Klingen zu uns gelangt ist.1
Durch das ganze Mittelalter erschallt das Lob der Damaszener Klinge, die man als «wurmbunte» bezeichnete, und häufig wird betont, dass sie nur mit großen Kosten zu erlangen waren.
Zu ihrem Namen ist die Damaszenerklinge nicht ganz gerechterweise gekommen, denn wenn auch in der ansehnlichen Industriestadt Damaskus viele derlei Klingen erzeugt wurden, so gelangten und gelangen selbst noch heute die weitaus besten aus Indien, Persien und Arabien, die allerdings zum größten Teil ihren Weg über Damaskus nehmen.
Darüber belehren uns schon die Namen der einzelnen Gattungen des sogenannten Damaszener Stahles, denn wir unterscheiden den Scham, den in Damaskus erzeugten aber minderwertigen Bulat (Büläd), was im Arabischen schlechtweg Stahl bedeutet, den Taban, Karataban oder schwarzen Taban, den Khorassan und Karakhorassan oder schwarzen Khorassan, den Gyndy, Kumgyndy, endlich den Neïris; die meisten dieser Bezeichnungen weisen auf Indien und Persien. Waffen bildeten immer einen ansehnlichen Teil des Karawanenhandels, der selbst in der Zeit der Kreuzzüge nur wenig gestört wurde und von Alters her in arabischen Händen sich befand.
Weil wir nun schon in der Zeit der Kreuzzüge uns befinden, erwähne ich eines orientalischen Handelsartikels, der zur mittelalterlichen Mannesrüstung gehörte: die «Pelusia». Die Strahlen der afrikanischen Sonne wirkten auf die eisernen Helme und die Harnische so mächtig ein, dass den Kriegern die Hitze unerträglich wurde und ungezählte Opfer forderte. Sie bedeckten daher die Helme mit Decken (lambrequins), die Plauberts mit Gambesons aus dünnem Leinenstoff von blauer Farbe, der in großen Mengen aus der Stadt Pelusium in der Nähe des heutigen Port-Said bezogen wurde. Das französische Wort "blouse" erinnert noch heute an die Pelusia des Mittelalters.
Es ist völlig in Vergessenheit gekommen und erst wieder durch die Untersuchungen Professor Dr. Conwentz und Dr. Hermann Jänickes vor das Auge gerückt worden, welche Bedeutung die Kultur der Eibe (Taxus baccata) von den ältesten Zeiten gehabt hatte und welcher schwungvolle Handel mit Eibenbögen aus Mittel- und Süddeutschland, aus Österreich und der Schweiz, namentlich nach den Niederlanden und England getrieben wurde; welche Massen mochten mit den Kreuzheeren nach dem Orient geführt worden sein?
Mit dem Ende der Kreuzzüge begannen die Handelswege für die Waffen sich mehr und mehr zu vervielfältigen; die Handelsströme verbreiterten sich und nahmen neue Richtungen an. Ungeachtet der großen Leistungsfähigkeit der steirisch-kärntnerischen und der Passauer Werkstätten konnte sich im 12. Jahrhundert zu Solingen eine neue Klingenindustrie aus steirischen Elementen bilden und die Bedingung ihres Entstehens lagen zunächst in der zunehmenden Bedeutung des Handels mit Frankreich, den Niederlanden und England; nach letzteren Ländern bot der nahe Rhein die günstigste Gelegenheit für den Vertrieb. In das 14. Jahrhundert reichen auch schon die ersten Anfänge der Waffenindustrie von Suhl in Thüringen hinauf, die ihren Hauptabsatz in der süddeutschen Ritterschaft fand.
Was den Abendländischen die orientalische Waffe so begehrenswert machte, war nicht allein deren fein berechnete Form und deren unübertroffene Güte, sondern auch deren unvergleichlich schöne künstlerische Ausstattung. Aber das Verlangen blieb, merken wir es auch bereits bei den barbarischen Nationen, den Hunnen, Awaren, den Vandalen wie den gebildeteren Goten, auf die Vornehmsten und Reichsten beschränkt und drang nicht wie bei den orientalischen Kulturvölkern: den Indern, Persern, den Arabern und selbst den Byzantinern tiefer in die Masse des Volkes herab. Die Ursache lag in dem überaus geringen Verkehr der westlichen Volksstämme untereinander und der davon sich herschreibenden fortwuchernden Armut. Ohne Freude, ohne Begehrlichkeit, in großer Dürftigkeit noch eines Feudalherren des Mittelalters ab. Mit all seinen Rechten, seinem Ansehen fehlten ihm alle Behelfe, um sein Leben äußerlich prunkvoll zu gestalten.
Schon die Normannen des 10. Jahrhunderts brachten von ihren weiten Fahrten herrlich verzierte Waffen in ihre Heimat und erregten das Staunen ihrer Mitbürger, aber erst durch die Kreuzzüge brach sich der Luxus in Westeuropa seine Bahn.
Wenn man die geographische Lage der beiden größten Seehandelsstädte der Welt im Mittelalter: Venedig und Genua betrachtet, so finden wir es begreiflich, dass sich gerade in Ober- und Mittelitalien die ersten Spuren einer Aufnahme orientalischer Kunst und mit ihr des tektonischen Handwerks bemerkbar machen. Letzteres fand seinen günstigsten Kristallisationspunkt in Mailand, in welcher betriebsamen Stadt sich zunächst eine Waffenindustrie heranbildete die allmählich den ganzen Kontinent beherrschte.
Waren die italienischen Städte wie Florenz, Bologna, Mantua, Pisa etc. vorwiegend die Anziehungspunkte für Wissenschaft und Kunst im höheren Stil, so sammelten sich mit diesen in Mailand auch die Elemente für die Industrie und darin nicht zum Wenigsten für die Waffenschmiedekunst. Sichere Nachrichten über Mailands Bedeutung in letzterer Beziehung reichen zwar nur bis an den Beginn des 13. Jahrhundert hinauf, doch lauten sie derart, dass wir ein weit höheres Alter derselben voraussetzen müssen. Schon im Jahre 1232 beruft die Gemeinde Vercelli den Mailänder Waffenschmied Aramano Rossi zur Leitung einer Fabrik von Harnischen und 1288 spricht Fiamma in seinem Chronicon Extravagans mit Bewunderung von den ungemein zahlreichen Waffenwerkstätten der Stadt, deren Erzeugnisse er in einer Liste anführt und bemerkt, dass selbe bis zu den Tartaren und Sarazenen versendet werden. Wir erkennen also schon im 13. Jahrhundert eine kommerzielle Rückstauung in den Orient. Fiamma bemerkt aber noch an einer anderen Stelle, dass die Mailänder Waffenschmiede sich durch Fertigung kunstreich verzierter Waffen hervortaten, die er «maculae» nennt.
Schon weit vor Fiammas Zeit und bis ins 16. Jahrhundert hatten diese ihre Werkstätten in der Contrada degli Armorari und in jener degli Spadari, die Verkaufsläden aber in der Contrada di Santa Margherita. Die Klingen- und Harnischschleifereien waren bei der Porta Ticinese gelegen. Die Waffenindustrie Mailands erstand in der einfachen Gebrauchsware und erstarkte in der Massenerzeugung, aber wir gewahren mit Erstaunen, welchen bedeutenden Einfluss schon im 13. Jahrhundert die mächtig aufstrebende Kunst auf die Waffe nimmt, welch große Anzahl der verschiedensten Kunsthandwerke hierfür herangezogen wird und mit welchem Eifer die ersten Meister italienischer Kunst sich in den Dienst des Waffenschmiedes stellen.
Die Mailänder Waffenschmiede waren die ersten, welche aufgrund der Erfahrungen in den Kreuzzügen den Harnisch, ja selbst die gesamte Bewaffnung einer Reform unterzogen und in der Verbesserung der Ausrüstung stets voranschritten.
Bei dieser rührigen und strebsamen Tätigkeit verbreitete sich der Ruhm der Mailänder Erzeugnisse in die ganze Welt, und vom 14. bis an den Beginn des 16. Jahrhunderts verband man allenthalben mit dem Namen «Mailänder Harnisch» den Begriff einer bestimmten Form, aber auch einer unübertrefflichen Leistung.
Der später zu so großer Bedeutung gelangte Plattenharnisch entstand im 14. Jahrhundert in Mailand und alle Anzeichen weisen darauf hin, dass wir in dem erst kürzlich wiederentdeckten Waffenschmied Petrajolo da Missaglia aus der Familie Nigroli seinen ersten Meister zu erblicken haben. Mailand verdankt überhaupt seinen hohen Ruhm in der Waffenindustrie dieser Familie, die bis an den Beginn des 17. Jahrhunderts ihre kunstreichen Erzeugnisse in alle Welt versendete.
Wie in allen übrigen Fächern ist auch die Waffenindustrie von günstigen Absatzverhältnissen abhängig und gerade in diesen befand sich Mailand in einer bewundernswert vorteilhaften Lage. Die Hauptmenge der erzeugten Waffen, vorwiegend Harnische und später auch Geschütze, ging über Turin nach Genua, und von da nach Frankreich, Spanien und England. Die Ausfuhr dahin war so bedeutend, dass diese allein voll hingereicht hätte, den Wohlstand Mailands zu sichern, denn der gesamte Verkehr in Waffen mit diesen Ländern war einem Monopol gleichzuhalten. Nun standen aber den Mailänder Waffenschmieden auch noch andere ansehnliche Absatzwege zur Verfügung, die durch sesshafte Agenten emsig benützt wurden, so jener zeitweilige über Tirol nach Deutschland und den Niederlanden, jener nach der Schweiz, jener über Rom nach Unteritalien; ja selbst nach Venedig gelang es zeitweise und auf kleinen Umwegen, mailändische Waffen zu verfrachten und nach dem Orient zu bringen.
Man darf nicht glauben, dass die Regenten der genannten Staaten dieses ungünstige wirtschaftliche Verhältnis zu dem kleinen italienischen Staat nicht gefühlt und nicht allerlei Versuche gemacht hätten, sich von dieser drückenden Abhängigkeit zu befreien. Von der Lage und den Bemühungen Englands nach dieser Richtung werden wir noch hören, was aber Frankreich betrifft, so versuchten dessen Könige, durch Heranziehung mailändischer Kunstarbeiter: Waffenschmiede, Wehrvergolder (Doradors) und Tausiatoren die Produktion im Land heimisch zu machen. Karl VI. siedelte bereits eine Kolonie derselben in Lyon an. Ähnliche Anstrengungen machte Ludwig XI. Unter Karl VIII. wurde eine neue Ansiedlung 1490 in Bordeaux begründet, die zum großen Teil aus Mailändern bestand und noch um 1570 wird der berühmte Filippo Nigroli als Gießer und Tausiator nach Paris berufen. Wenn man die ökonomische Lage genauer ins Auge fasst, wird man die Bemühungen der Könige zur Eroberung Mailands seit Ludwig XII. anders als habsüchtigen Landerwerb und als Streben nach Kriegsruhm auffassen.
Sah sich doch selbst Kaiser Maximilian I., der hierzu weniger Veranlassung hatte, als sein französischer Nachbar der massenhaften Einfuhr der Mailänder nach den Niederlanden wegen, veranlasst, Mailänder Waffenschmiede dahin zu berufen. Die Gebrüder Gabrielle und Francesco Merate arbeiteten im kaiserlichen Dienst von 1495 — 1509 zu Arbois in Burgund. Die bedeutende deutsche Produktion in Waffen, von Passau, Leoben, Solingen, Suhl, Lüttich und der mächtige künstlerische Aufschwung der Waffenschmiedekunst in Augsburg, Nürnberg, Innsbruck gestatteten dem Kaiser den Mailändern die Einfuhr von Waffen kurzweg zu sperren.
Bevor wir das sonnige Italien verlassen, sei es mir erlaubt, Ihren Blick auf einige Zentren der Waffenindustrie an den Südabhängen der Alpen zu lenken. Da ist zunächst das Gebiet von Serravalle und Belluno bemerkenswert. Es verdankt seine Bedeutung vorwiegend dem Bedarf der Habsburgischen Fürsten im 15. und 16. Jahrhundert und der Republik Venedig; über letztere Stadt ging auch Massenware seewärts nach Unteritalien und Griechenland. Im 15. Jahrhundert wurde daselbst meist nur gemeine Spießware (Friauler Spieße) erzeugt, von welcher über Mailand viel nach Frankreich ging. Erst von der Mitte des 16. Jahrhunderts wendete man sich dort der Klingenfabrikation zu, in welcher die Meister Andrea und Giandonato Ferrara, die Rivalen der Toledaner (1560—1590) es zu hoher Bedeutung gebracht haben. Nach meinen bisherigen Wahrnehmungen sind sie die ersten, welche die Degen- und leichten Schwertklingen in eingerolltem Zustand in den Handel brachten.
Bedeutender an Ausdehnung und Leistungsfähigkeit war das Produktionsgebiet an der Mella und Garza mit dem Hauptort Brescia. Wie Belluno von Venedig, so war Brescia für den Vertrieb von Mailand abhängig. Die Schweizer Heere wurden fast ausnahmslos von Brescia aus bewaffnet. Anfänglich und bis etwa 1500 war das Gebiet in guten Klingen hervorragend, die auch auf den Märkten in Mailand, Florenz, Rom und Neapel guten Absatz fanden. Nicht wenige davon gingen über Genua nach der Levante und den afrikanischen Küsten. Im 16. Jahrhundert wendete sich die dortige Industrie der Erzeugung der Feuergewehre zu, in welcher selbe durch mehr als 2 Jahrhunderte einen ersten Weltrang einnahmen und noch zur Stunde eine achtunggebietende Stellung einnimmt. Mit dieser Produktionsveränderung hatte Brescia mit einem Schlag das Absatzgebiet erweitert und auf die ganze Welt ausgedehnt. Die Lauferzeugung wurde in den oberen Tälern bis Gardone und Caino hinauf betrieben, während die Erzeugung der Schlösser sowie die Montierungen in Brescia sich vereinigte. Nicht allein fertige Gewehre, sondern auch Gewehrbestandteile: Läufe und Radschlösser gingen in ungeheuren Mengen nach dem Orient, ungeachtet die Laufschmiedereien dortselbst nicht wenig Ansehen genossen. In Brescia merkt man zuerst eine Fürsorge für eine sichere und äußerlich empfehlende Verpackung der Waren. Ich habe Brescianer Pistolenläufe des 17. Jahrhunderts gesehen, welche ähnlich den Reißzeugen in Lederetuis verwahrt waren. Das Feld des Vertriebes fand um 1530 erst in Nürnberg eine merkbare Begrenzung. Brescianer Läufe fanden sich ebenso in Schweden, Russland wie im Orient bis Ostindien.
Wenden wir uns nun nach Deutschland, so ersehen wir, dass vom 14. Jahrhundert an die Harnischerzeugung dortselbst in Nürnberg sich sammelt, aber dass auch deren Entwicklung durch die engherzigsten Gesetze gehemmt wird. Drei und selbst vier Meister verschiedener Zünfte mussten für einen einzigen Harnisch in Anspruch genommen werden. Auch die demokratische Bewegung in der Stadt wirkte hemmend auf die Produktion ein, das machten sich die Mailänder zu Nutze. Erst nach Beendigung der ärgsten Streitigkeiten in Folge der Einführung des Plattenharnisches um 1480 waren die Nürnberger imstande, den Mailändern eine kräftige Konkurrenz entgegenzustellen.
Ich habe an einem anderen Ort2 den bedeutenden Einfluss klargestellt, welchen Kaiser Maximilian I., der erste und genialste Kriegstechniker seiner Zeit, auf die praktischere Umgestaltung des gesamten Harnischwesens genommen hat. Zur Durchführung seiner Pläne richtete er seine Blicke anfänglich auf Nürnberg und bediente sich der dortigen Plattner Hans Grünewalt und Konrad Poler. Kleinliche Schwierigkeiten, die ihm der dortige Rat bereitete, die bis zur Verletzung der königlichen Würde sich steigerten, veranlassten Maximilian um 1500, sich von Nürnberg abzuwenden und seine Projekte teils in Augsburg durch Lorenz Colman, teils in Innsbruck durch Konrad und Hans Seusenhofer ausführen zu lassen. Ungeachtet dieses empfindlichen Schlages wurde Nürnberg von etwa 1520 an, begünstigt durch seine überaus vorteilhafte zentrale Lage doch zu einem Hauptpunkt der deutschen Plattnerei, in welchem sich, unverkennbar unterstützt durch den künstlerischen Einfluss der dortigen Kleinmeister, wie Barthel und Hans Sebald Beham, die Glockenton, Virgil Solis und andere ein charakteristischer Typus herausbildete. Aber ungeachtet der ausgezeichneten Leistungen einzelner Meister, wie Kunz Lochner, der beiden Wilhelm von Worms, Valentin Siebenbürger und anderer hatte die Führung auf künstlerischem Gebiet im Harnischwesen Augsburg übernommen und behalten.
Nürnberger Plattner arbeiteten nur auf feste Bestellung, aber der Begehr war so bedeutend, dass zu Zeiten die doppelte Meisterzahl nicht genügt hätte, den Anforderungen zu entsprechen. Die Nürnberger rüsteten in rascher Folge ganze Regimenter aus. Ihre Waren gingen vorwiegend in die österreichischen Erbstaaten, nach den Niederlanden, Spanien und nach England. Im 17. Jahrhundert verlieren aber die Nürnberger durch leichte Blechware ihren alten guten Ruf.
Großartig steht Nürnberg in der Geschichte des Waffenwesens durch die Feuergewehrfabrikation da. Die Erfindung des Radschlosses, die man mit der Stadt in Verbindung bringt, ist lange nicht so hervorragend, wie ihre unübertroffenen Leistungen in der Lauferzeugung. Auch in der Herstellung künstlerisch reich ausgestatteter Jagdgewehre haben sich die Nürnberger hervorgetan und darin ihren Brescianer Rivalen erfolgreiche Konkurrenz entgegengesetzt. Die Büchsenmacher arbeiteten zwar auch nur auf Bestellung, aber diese erfolgte von den dortigen reichen Handelshäusern, die die Ware auf eigene Rechnung vertrieben. Letztere ging vorzugsweise an den Rhein, aber auch durch die Hanse auf der Elbe über Hamburg nach Dänemark und Schweden, zum Teil auf der Weser über Bremen nach Russland. Über den Wert Nürnbergischer Waffenproduktion ist es schwer möglich, bestimmte Angaben zu machen; es lässt sich dieser nur oberflächlich schätzen. In manchen guten Kriegsjahren mochte er 2 Millionen Goldgulden überschritten haben.
Besaß auch Augsburg die künstlerische Führung im gesamten Waffenwesen der Renaissanceepoche, so stand es doch in Bezug auf die Produktion und auf dem kommerziellen Gebiet erheblich gegen Nürnberg zurück. Abgesehen, dass dieses in der Konstruktion stets voranschritt, war auch der Vertrieb von Massenware im Allgemeinen weit lohnender. Immerhin bleibt der hohe Ruhm Augsburgs in der Harnischerzeugung mit den Namen der berühmten Colman: Lorenz, Koloman und Desiderius untrennbar verbunden. Die künstlerische Führung leitete unter der geistigen Führung Maximilians I. schon der ältere Burgkmair ein. Unvergleichliche Leistungen bot Augsburg um die Mitte des 16. Jahrhunderts in Eisenschmiedearbeiten an Degen- und Schwertgriffen und Gewehrbestandteilen wie nicht minder in Intarsien an Gewehr- und Faustrohrschäften. Augsburgs Arbeiten im Geschützguss sind ja sprichwörtlich geworden, aber das weitaus bedeutendste Verdienst daran fällt doch auf den in Tirol ansässig gewesenen Vorarlberger Gregor Löffler.
Im Allgemeinen arbeiteten die Augsburger Waffenschmiede auf Bestellung, aber es war im ganzen 16. Jahrhundert allorts unter den Vornehmen das Bestreben herrschend, Waffen aus Augsburg zu besitzen. Die Versendung wurde durch die ausgedehnte Geschäftstätigkeit der dortigen Handelshäuser wesentlich erleichtert. Die Augsburger traten in Spanien und England mit Erfolg in den Wettbewerb in Kunstwaffen. Sonst fand man ihre Erzeugnisse in der ganzen Welt, von ca. 1520 an selbst in Italien. Durch die großartige Entwicklung der Waffenerzeugung stellen sich Nürnberg wie Augsburg in erste Reihe in der Periode der Renaissance und gestatten selbst einen Vergleich mit den alten Stätten der Waffenproduktion: Damaskus und Mailand. Eine ungemein wichtige und hervorragende, aber auch eigentümliche Stellung nimmt in der Geschichte der Waffenindustrie Innsbruck ein. In dieser Stadt konzentrierte sich nämlich seit unvordenklicher Zeit der Handel mit Stahl und Eisen und mit Blank- und Stangenwaffen, Waren welche in Steiermark und Kärnten gewonnen und erzeugt wurden und ihren Weg vorwiegend nach dem Westen nahmen. Das war lediglich Kaufmannstätigkeit, aber der Verkehr geriet vom Ende des 15. Jahrhunderts allgemach in die Hände einiger weniger, meist Nürnberger und Augsburger Handelsherren: der Fugger, Geuder, Welser, Hochstetter und anderer und wurde derart stramm organisiert, dass niemand etwas von Innsbruck an den Rhein und rheinabwärts ohne ihre Hilfe zu transportieren vermochte. Einige unter ihnen hatten sich auch in den Besitz der besten Bergwerke und Hochöfen in Steiermark und Kärnten gesetzt, die sie dann von eingeborenen Pächtern betreiben lassen, lediglich um die Quellen der Produktion in die Hände zu bekommen. Ein heimischer Eisenindustrieller Steiermarks ist da von 1500 an zu großer Bedeutung, Reichtum und Ansehen gekommen, mit welchen er nur etwa mit Krupp in Essen an der Ruhr in Vergleich zu bringen ist. Es ist das der Büchsenschmied Sebald Pögl am Törl bei Aflenz.
Nachdem die genannten Kaufleute sich nicht allein auf die Spedition beschränkten, sondern auch große Mengen von Waffen aus den Eisenländern auf eigene Rechnung verfrachteten, so kam der Handel nahezu einem Monopol gleich. Innsbruck wurde damit eines der wichtigsten Zentren für den Waffenhandel in Europa, der über die Bedeutung eines Transitknotens weit hinausging; es gelangte dazu nicht durch natürliche Ausgestaltung, sondern durch eine fein berechnete und konsequent verfolgte Politik einiger Großspekulanten.
Aber Innsbruck war seit dem 15. Jahrhundert auch ein bedeutender Platz für die Geschützgießerei wie für die Harnischfabrikation und in beiden erwarb sich die Stadt einen Weltruhm. Beide leiten ihre ersten Anfänge schon auf die Regierungsperiode des Erzherzogs Sigismund um 1460 zurück. In der Plattnerei beschäftigte der Erzherzog den Waffenschmied Konrad Treytz. Zur vollen Entwicklung gelangte dort die Harnischerzeugung aber und wieder durch Kaiser Maximilian I. mit Adrian Treytz. Arbeiten der Treytz gingen durch die ganze Welt. Sie lieferten von 1460—1493 für die Höfe von Schottland, Mainz, Neapel, Schlesien, Sachsen, Spanien, Portugal, Brandenburg, Lothringen etc. Die Erben und Weiterförderer des Ruhmes der Treytz waren die Seusenhofer: Konrad, Hans und des letzteren talentvoller Sohn Jörg. Wie Lorenz Colman in Augsburg, so arbeitete auch Konrad Seusenhofer unter der Leitung des Kaisers Maximilian an der Herausbildung und Verbesserung des Harnisches der Renaissancezeit. Wir kennen seit 1502 eine lange Reihe von Werken, welche dieser Meister für den Kaiser, aber auch für zahlreiche Persönlichkeiten des Auslandes, besonders spanische und italienische Kavaliere ausgeführt hatte. Er fertigte den schönen Prachtharnisch, welchen Maximilian I. dem König Heinrich VIII. von England verehrte und der noch heute in der Sammlung des Tower zu sehen ist. Konrads älterer Bruder Hans brachte denselben 1514 persönlich nach London Nicht weniger bedeutend erscheint die Tätigkeit von Konrads Nachfolger Jörg Seusenhofer, einem Sohn des Hans, der von 1539 als Harnisch- und Wappenmeister des Königs Ferdinand I. wirkt. Von seinen vielen und kunstreichen Arbeiten sind jene, welche er für den König Franz I. von Frankreich und dessen Söhne 1539 ausführte, hervorzuheben, von welchen die letztere, ein reich verzierter Harnisch, noch heute im Musée d’Artillerie in Paris bewahrt wird.
Der letzte bedeutende Meister der Innsbrucker Werkstätte war der Hofplattner des Erzherzogs Ferdinand von Tirol, Jacob Topf, der von etwa 1550 an wirkte und 1597 gestorben ist. Wie ich an einem anderen Ort3 mit überzeugenden Gründen dargetan zu haben glaube, ist Topf durch mehrere Jahre in England beschäftigt gewesen. Er wird in einem Schreiben des Waffenmeisters Sir Henry Lee von 1590 als Master Workmann Jacobe zu Greenwich bezeichnet. In einem noch in der Bibliothek des South Kensington Museum zu London verwahrten Bildcodex, ein Album von ausgeführten Harnischen darstellend, finden wir bei mehreren derselben die Beischrift: „Gemacht von mir Jacob“. Diese wiederholte Beobachtung von Beziehungen Tirols zu England im 15. und 16. Jahrhundert leitet uns zu den Verhältnissen letzteren Staates auf dem Gebiet der Waffenerzeugung und der Eisenindustrie überhaupt vom Mittelalter bis ins späte 17. Jahrhundert, die ich hier übersichtlich darlegen will, wobei ich bemerke, dass ich in meinen Schilderungen englischen Quellen folge:
Es ist wenig bekannt und auch kaum zu glauben, dass England, welches heute mit an der Spitze der Eisenindustrie der Welt steht, bis ins 17. Jahrhundert herein das Eisen nur für die allereinfachsten und rohesten Zwecke zu bereiten und zu bearbeiten imstande war. Nachdem aber die Waffe gerade das bestbereitete Eisen erforderte und somit die Waffenfabrikation den Maßstab für diese Industrie überhaupt bot, so lässt sich der Tiefstand ermessen, auf welchem sich das Land zurzeit in letzterer befand und lässt sich die Tatsache erklärlich finden, dass England von ältester Zeit her im Material wie in der Arbeit vom Ausland abhängig war, die mit unzählbaren Summen bezahlt werden mussten.
Von alter Zeit hatte sich die Meinung in jenem Land festgewurzelt, das englische Eisen sei gegen das ausländische zu minderwertig und der Engländer sei für die Gewinnung wie für die Bearbeitung nicht heranzubilden.4
In Wirklichkeit war die Bearbeitung seit dem Altertum auf gleichem Niveau geblieben, wodurch sie immer nur schlechte und unreine Rohware liefern konnte. Dieser Umstand musste auch auf die Industrie rückwirken; Indolenz und Mangel an Mut und Selbstgefühl taten das übrige, um jeden Aufschwung im Keim zu ersticken.
Für die in England zu erzeugenden Waffen und für diese nicht allein, musste das Rohmaterial aus dem Ausland, zum allergrößten Teil aus Steiermark und Kärnten, bezogen werden und in den Werkstätten der Könige arbeiteten ausschließlich ausländische, zumeist deutsche Waffenschmiede aus Nürnberg, Augsburg und aus Steiermark und Tirol. Das Rohprodukt gelangte auf Saumtieren aus den innerösterreichischen Gruben und Hochöfen nach Innsbruck, wo es von den dort ansässigen Kaufleuten übernommen und rheinabwärts befördert wurde.
Um den Wert einer Saumtierladung, «Säm» genannt, annäherungsweise beurteilen zu können, stelle ich eine solche mit Harnischblech im Jahre 1511 als Beispiel auf. Ein solches Säm mit gegen 70 Platten kostete loco Innsbruck 9 Gulden, also die einzelne Platte ungefähr 8 Kreuzer. Dagegen erfahren wir, dass im Jahre 1516 für 4 Säm (bundles) Innsbrucker Material, um daraus Waffen zu machen, eine Zahlung von 3 Pfund 6 Schillingen und 8 Denaren in Greenwich geleistet wurde.
In den alten englischen Rechnungen findet sich häufig die Bezeichnung «Lymbrickes stuff», was einfach mit Leoben-Bruck oder Leoben-Brücker Ware zu übersetzen ist, aber nicht selten finden wir auch die Bezeichnung «Isebroke stuff,» das ist Innsbrucker Ware, eine Benennung, deren Verständnis im 17. Jahrhundert völlig verloren gegangen und irrig aufgefasst worden ist. Man verstand darunter «ice brook», das ist Eisbach und meinte, das Eisen sei in eisig kaltem Wasser gehärtet. Auch Shakespeare hat sich in Othello V. 2 dieser Irrung hingegeben, wenn er seinen Helden sagen lässt:
«Es ist ein Spanisch Schwert in Eis gehärtet».5
Sie können, verehrte Vereinsgenossen, nach dem Vorbemerkten beiläufig ermessen, welchen ungeheuren Gewinn die innerösterreichischen Länder durch die fortgesetzten Massenlieferungen von Roheisen, Stahl und fertigen Waffen in Jahrhunderten nur allein aus England gezogen hatte und es war noch unter Königin Elisabeth kein Absehen, wie sich das Land dieser wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Ausland je erwehren könnte. Allerdings blieb Innsbruck auf dem englischen Markt nicht ganz ohne Konkurrenz, denn wir wissen, dass man dort im 16. Jahrhundert Klingen aus Toledo, Lissabon und Solingen, Feuergewehre aus Brescia und Suhl, später auch aus Lüttich, Harnische aus Mailand, Nürnberg und Augsburg bezog, aber der Löwenanteil fiel doch den Innsbrucker Handelsleuten in die Taschen. Erwägt man nun, dass steirische Eisenware von frühem Mittelalter an und bis in die Neuzeit auch nach Ungarn und über dieses nach Polen und Russland ging, so kann man die riesige Bedeutung dieser Industrie ermessen. Alle diese nach England gelangte Rohware wurde, wie erwähnt, nicht von einheimischen, sondern fremden, meist von Innsbruck hergezogenen Leuten verarbeitet. König Heinrich VIII. war nur bestrebt, die Produktion im Allgemeinen zu heben, indem er besonders tüchtige Arbeiter aus Tirol, Flandern und Italien in die Staatswerkstätten zu Greenwich und Southwark berief, aber ihm wie seinen nächsten Nachfolgern war es nicht gelungen, einen brauchbaren Stamm von heimischen Arbeitern heranzubilden. Sir Christopher Mores beklagt sich 1534 bitter in einem Schreiben, dass es an englischen Geschützgießern und Eisenarbeitern mangle, und im Jahre darauf reisten wieder Agenten zur Gewinnung von deutschen Arbeitern ab. In den Akten bilden die «Allmayne armourer» eine stehende Rubrik.
In einem Bericht über die heimische Waffenerzeugung von 1634 wird es klar ausgesprochen, dass die Hammerwerke, welche zur Regierungszeit Elisabeths zu Deptfort errichtet worden waren, durch Captain Martin mit aus Innsbruck berufenen Leuten besetzt wurden und hier finden wir wieder bemerkt, dass die besten Eisenplatten, welche man in Mailand, Neapel und in England benützte, aus Innsbruck herstammten. Die Lieferungen ins Ausland waren zu Zeiten so beträchtlich, dass die inländischen Waffenschmiede selbst kein steirisches Eisen erhalten konnten. Im Jahre 1565 musste ein Befehl des Kaisers an die Obrigkeit zu Leoben ergehen, die Innsbrucker Plattner vor allem mit Eisen zu versehen, weil diese 1000 Schützenhauben zu fertigen hätten.
Nachdem im 16. Jahrhundert das wirtschaftliche Verhältnis namentlich durch die rapide Steigerung der Preise unerträglich sich gestaltete, traten die Regierungen dem Gedanken immer näher, mit mehr Planmäßigkeit und Ausdauer, wenn auch mit Opfern sich des Druckes zu erwehren, und es fanden sich auch allmählich mehr praktisch veranlagte, puritanisch zähe Patrioten, um zu dessen Verwirklichung beizutragen. Die ersten Bemühungen Heinrichs VIII. und Eduards VI., durch Bestellung fremder Werkmeister in den genannten Werkstätten und neu errichteter zu Deptfort und Erith tüchtige englische Meister heranzubilden, scheiterten noch an dem passiven Widerstand der schlauen Fremdlinge, die es vermieden, sich eine Konkurrenz selbst heranzuziehen, aber unter Elisabeths kräftiger und selbstbewusster Regierung machten sich schon Symptome einer Besserung der Verhältnisse merkbar. Die ersten praktischen Versuche in der Eisenbereitung machte 1580 der genial veranlagte Lord Robert Dudley, die freilich erst 100 Jahre nachher fruchtbringend wurden, und ein nicht geringes Verdienst zur Gründung englischer Eisenindustrie, zunächst auf die Waffe berechnet, erwarb sich der königl. Waffenmeister Sir Henry Lee, der in dem schon erwähnten Schreiben von 1590 an den Lordschatzkanzler Lord Burghley sich über die Versuche ausspricht, welche er veranstaltet hatte, um über das englische Eisen bezüglich seiner Brauchbarkeit gegenüber dem ausländischen zu einer richtigen Schätzung zu gelangen.
Dieses Schreiben eines warmherzigen Patrioten ist nach zweifacher Richtung von hoher Bedeutung; es bildet einerseits eine Gründungsurkunde über die junge aber umso großartiger entwickelte englische Eisenindustrie und bietet uns anderseits eine kurzgefasste Geschichte des mühseligen und schrittweisen Auflebens derselben.
Es erzählt von den ältesten Ergebnissen der Bemühungen unter dem Master Workmann Jacobe zu Greenwich ca. 1562—1575, den verunglückten Versuchen eines ungenannten Edelmannes auf dessen Besitzungen in und um Sropshere, von jenen günstigeren und hoffnungsreicheren, welche in Gegenwart der Werkmeister von der Regierung eingeleitet durch Sir Robert Constable und dem Vetter des Schreibers Master John Lee zu Greenwich angestellt wurden. Die vergleichenden Versuche wurden mit einer Pistole aus englischem gegen eine andere aus bestem fremdländischen Eisen gemacht und endeten wenigstens nicht zum Nachteil der ersteren.
So schwach auch der Hoffnungsschimmer sich darstellte, das patriotische Gefühl und das tiefe Erbarmen über die «heimischen Arbeiter, die mit Weib und Kindern kümmerlich ihr Leben fristeten», gaben Lee die Kraft, seine Versuche unverdrossen fortzusetzen und ein Jahrhundert darnach waren sie schon von ansehnlichem Erfolg begleitet gewesen. Die im Oktober 1590 zu Greenwich abgefeuerten Pistolenschüsse hatten den Rückgang des Innsbrucker Waffen- und Eisenhandels eingeleitet.
Damit hatte sich England von der schmerzlichsten wirtschaftlichen Abhängigkeit, unter deren Druck es seit dem frühesten Mittelalter gestanden ist, befreit. Noch heute haben sich Spuren erhalten, welche an jene Zeit erinnern. England musste gezwungen mit dem Geld der fremden Handelsleute rechnen, das war das Geld der ostwärts wohnenden Leute, der Osterlinge, «Easterlings». Diese Bezeichnung hat sich noch bis zur Stunde in dem «Sterling» erhalten.
So habe ich nun mit der innerösterreichischen Waffenindustrie auch die Handelsverhältnisse in England beleuchtet und füge, um noch einen Augenblick in Deutschland zu bleiben, einige Worte über Solingen hinzu:
Auch in dieser betriebsamen Stadt, die einen größeren Betriebsbezirk als Mittelpunkt des Vertriebes dient, wurde in der Regel nur auf feste Bestellung gearbeitet, aber meist von den Meistern selbst auf die deutschen Messen geliefert. Im 16. Jahrhundert stand Solingen nachweisbar mit der Hanse in Verbindung; diese dürfte sicher bis ins 14. Jahrhundert hinauf zu verfolgen sein. Aber von früher Zeit mochten Verbindungen mit den Niederlanden und mit Frankreich den Hauptteil des Geschäftes ausgemacht haben. Erst im vorigen Jahrhundert suchten die Kaufleute, die sogenannten «Bruder schaften» Absatz durch Provisionsreisende nach Frankreich zu finden, welche aber auch Rehmscheider, Iserlohner, auch wohl Elberfelder und Barmer Fabrikate führten. Über den Vertrieb Solinger Klingen lassen sich keine ziffernmäßigen Daten finden. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts sollen 2—3000 Zentner fertiger Klingen versendet worden sein.6
Spaniens Kunstwaffenindustrie, die bis ins 14. Jahrhundert eines hohen Ansehens auf dem Weltmarkt sich erfreute, war mit der Vertreibung der Araber nahezu vernichtet worden. Nur in der Klingenerzeugung erhielt sich noch der alte Ruhm bis ins 17. Jahrhundert herein, obwohl sich dieselbe nur auf Degen- und Dolchklingen beschränkte. Ihr Mittelpunkt war Toledo, wo sich die Industrie unter Ferdinand dem Katholischen, gepflegt von Arbeitern aus der Gegend von Guipuzcoa und auch von anderen Orten durch Mauriscos konzentrierte. Anfänglich siegreich den Markt behauptend erlag sie den unvernünftigen Regierungsmaßregeln, durch welche die betriebsamen Mauriscos vernichtet wurden, zum Teil auch der rastlos vorschreitenden Tätigkeit der Italiener, besonders der Mailänder. Auch in der Lauffabrikation erlebte Spanien eine kurze Blüte im 17. Jahrhundert, aber diese erstarb, weil sich die Meister die Fertigung gezogener Rohre nicht aneignen wollten, mit denen die Nürnberger Agenten den Weltmarkt überschwemmten.
Ungeachtet der fortgesetzten Anstrengungen der französischen Könige, konnten die in Bordeaux und Lyon gebildeten Schulen der Kunstwaffenerzeugung bis an ihr Ende ihre mailändische Physiognomie nicht abstreifen. Erst um die Mitte des 17. Jahrhunderts trat eine überraschende Wendung ein, welche dieses Reich mit einem Schlag an die Spitze der Kunstwaffenindustrie der ganzen Welt versetzte, und der Genius dieser nationalen Erhebung war Colbert. Es ist selten ein Mann so wenig richtig beurteilt und undankbar behandelt worden, als Colbert. In den Augen seines Volkes hatte er die Kräfte des Staates bis aufs Äußerste in Anspruch genommen, nur um die Unsummen herbeizuschaffen, welche ein lasterhafter König und ein in Üppigkeit schwelgender Hof benötigte — forderte. Das Volk eines Landes, das durch ihn wie mit Zaubermacht einer Blüte in Wissenschaft, Kunst und Industrie zugeführt wurde, sah in ihm seinen bittersten Feind und fluchte ihm und seinem Andenken. Was er zur Hebung der Nation tun konnte, das hatte er getan, was geschehen war, um das Volk um die Früchte seines Fleißes zu bringen, das konnte er unter einem despotischen Herrscher nicht verhüten, dessen Devise lautete: «L’etats c’est moi». Er hatte unter dieser gelitten genug.
Es ist hier nicht der Ort, um Colberts Verdienste um Frankreich in ihrem ganzen Umfang zu beleuchten und zu würdigen. Wir haben es hier nur mit der Waffenindustrie zu tun und da ersehen wir mit Erstaunen, dass, ungeachtet damals das Fach gegenständlich eine nicht unbedeutende Reduktion erfuhr und ihren Schwerpunkt lediglich in der Feuergewehrfabrikation besaß, er dennoch die Industrie in fabelhafter Schnelligkeit zum ersten Rang in der Welt erhob.7 Begünstigt wurde er allerdings durch die um 1630 wahrscheinlich in der Schweiz gemachte Erfindung des Flintenschlosses. Die französische Feuergewehrfabrikation, vorher ganz unbeträchtlich, nahm damit einen Aufschwung, der sich nur mit der heutigen Nähmaschinen- oder Fahrradindustrie vergleichen lässt. Ungeachtet sie an der Lütticher- und Suhler Industrie baldigst Konkurrenten fand, gingen doch die französischen Flinten in ungeheuren Mengen bis nach Russland und in den Orient.
Es war nur eine logische Folge, wenn inmitten des allgemeinen künstlerischen Aufschwunges unter der genialen Leitung Lebruns auch die Waffenindustrie in den Kreis einbezogen wurde und Colbert versäumte nicht, diese Gelegenheit durch eine ausgiebige Unterstützung der Luxusgewehrfabrikation zu benutzen. Er mäßigte die Ausfuhrzölle, verhalf den fähigsten Fabrikanten zu äußerlichem Ansehen durch Titel und Würden, unterstützte materiell Zeichner und Ornamentisten und erneuerte die alten königlichen Brevets, mit welchen die kostenfreie Benützung eines Verkaufsladens und selbst einer Wohnung im Louvre oder im Palais Royal verbunden war. Diese staatliche Hilfe hob Frankreich an die Spitze der Luxuswaffenfabrikation in der ganzen Welt, und ihre Matadore, wie Cordier d’Aubigny, Francois Marcou, Bertrand Piraube, Adrien Reynier, genannt Le Hollandois, die beiden Thurenne etc., vor allem aber der geniale Jean Berain, erwarben sich einen unvergänglichen Ruhm in der Geschichte der Industrie.
Gleichlaufend mit dieser Industrie erstand auch eine Bildliteratur in zahllosen Kupferstichen, welche als Musterblätter durch die Welt wanderten, aber sehr bald durch industriöse Verleger in Amsterdam und Augsburg nachgeahmt wurden, die ebenfalls ungeheuren Absatz fanden. Diese Musterblätter waren zunächst die Veranlassung, dass die Luxusgewehrfabrikation auch im Ausland, vorwiegend in Deutschland und Österreich ihre Verbreitung fand und schon gegen das Ende des 17. Jahrhunderts zu einer hohen Entwicklung gelangte. Ich nenne hier nur einige ganz bedeutende Meister, wie: Armand Bongarde in Düsseldorf, Weiß in Suhl, Ulrich Mänz in Braunschweig, Plans Stifter und Georg Hauschka in Prag, Leopold Becher in Karlsbad, Georg Keiser in Wien und zahllose andere. Im 18. Jahrhundert vermehrten sich die Büchsenmacher so sehr, dass in Deutschland wie in Österreich kein einigermaßen ansehnlicher Ort zu finden war, der nicht wenigstens einen fähigen Meister dieses Faches aufzuweisen gehabt hätte. Die Bedeutung dieser kleinen Meister für den Welthandel in Waffen ist nicht zu unterschätzen, denn abgesehen von ihrer ungeheuren Zahl hatten nicht wenige ein Absatzgebiet, das mehrere Hunderte von Meilen und mehr im Durchmesser betrug. Einzelne, wie Josef Stöckl in Wiener-Neustadt, arbeiteten ihr ganzes Leben nur für den Venetianer Platz, von welcher Stadt dessen Jagdgewehre nach Frankreich, England und in die Levante versendet wurden. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts war durch meist deutschen Fleiß und deutsche Ausdauer die französische Arquebuserie allenthalben wieder zurückgedrängt.
Aus Sie werden mich von dem Wahne freisprechen, Ihnen heute ein vollkommen abgerundetes Bild von dem Anteil gemalt zu haben, welchen die Waffe von alten Zeiten her immer im Welthandel genommen hat. Ich habe Ihnen zwar eine Anzahl von bemerkenswerten und auch bisher unbekannten Beispielen geboten, aber leider, und wie ich gestehen muss, aus Mangel an brauchbaren Quellen, eine Unsumme tiefer und breiter Lücken gelassen. Wer vermag, um nur einige derselben zu erwähnen, die Tätigkeit der Wikinger, der Normanen in der Geschichte des Waffenhandels festzustellen? Wie wichtig wäre es, die Verdienste der Hanse seit ihrem Bestehen auf unser Thema hin zu erforschen. Dunkel erscheint uns noch, woher die Hussitenheere ihre Waffen bezogen und nur lückenhafte Daten stehen uns über den großartigen Karawanenhandel zur Verfügung, welcher zwischen Persien und Arabien mit den Tartaren betrieben wurde.
Selbst über eine in Deutschland gelegene berühmte Betriebsstätte Passau fehlen uns Nachrichten. Dort lag der Waffenhandel in den festen Händen des Bischofs, der überhaupt mehr als Feudalherr und Handelsmann, denn als Kirchenfürst aufzufassen ist. Er war durch Jahrhunderte der unumschränkte Gebieter über die große Wasserstraße Donau in ihrer gesamten Ausdehnung. Erst am Ende des 13. Jahrhunderts vermochten die habsburgischen Herzöge sich der drückenden Macht eines einzelnen Bischofes zu entziehen. Man findet noch heute in den Sammlungen Passauer Klingen mit dem bedeutsamen Zeichen des «Pedums».
Zu einer vollendeten Darstellung des Waffenhandels bedürfte es genauer Angaben über die Gewinnungsstätten des vornehmsten Materials, des Eisens und der Bearbeitungsorte, die nicht überall nahe beisammen liegen. Es bildete sich da in aller Welt eine Handelstätigkeit, die sich speziell mit dem Handel mit Rohmaterialien oder Halbfabrikaten befasste, welche zur Erzeugung der Waffen nötig waren. Dieser Rohproduktenhandel erstreckte sich aber begreiflicher Weise nicht allein auf Eisen und Stahl, sondern auf eine Unzahl anderer Artikel für die Fertigung selbst wie für die Dekoration. Ich erwähne da nur den schwunghaft betriebenen Handel mit glatten oder gepickten Spießschäften aus Tirol und der Schweiz mit Nussbaum- und Eschenholz zu Gewehrschäften aus Norddeutschland und Böhmen, Bogensehnen aus den Niederlanden. Wer kann die Materialien alle nennen, welche für die Waffenerzeugung in Anspruch genommen wurden? Erforderte ja die Dekoration allein mehr Artikel, als alle übrigen tektonischen Handwerke zusammengenommen. Ist schon dieses spezielle kommerzielle Gebiet ein allorts lebhaft, ja großartig gepflegtes, wie mächtig stellt sich erst jenes dar, welches die fertige Waffe selbst betraf, aus welchem ich im vorigen einige besonders hervortretende Beispiele gegeben habe. Aber wenn es mir auch gelungen wäre, das Unmögliche zu leisten und Ihnen ziffermäßig den Verkehr in Materialien und fertigen Waren vom Altertum an bis in die Neuzeit darzulegen, Sie hätten damit doch nicht mehr als eine ungeheuer Zahl trockener Daten und es bliebe uns noch die weitere und wichtigste Arbeit zu bewältigen übrig, aus diesen nach allen Richtungen hin die richtigen Schlüsse zu ziehen. Wir würden von diesem einzigen Punkt aus zu der Überzeugung kommen, dass eine Menge Tatsachen in der Geschichte ganz anders zu beurteilen sind, als man sie uns bisher auffassen ließ.
Aus diesem Gesichtspunkt betrachtet hat jeder Handelspunkt seine eigentümliche Geschichte, die, wenn sie nur von politischer Seite genommen wird auf Abwege führt. Nehmen wir da nur als Beispiel Mailand. Seine Gründung war kein Ergebnis einer strategischen Kombination, oder die Folge einer politischen Erwägung, es ist sein Entstehen auf kulturelle Bedingnisse zurückzuführen, die alle, wie nach dem ewigen Gesetz der Kristallisation, an einem bestimmten Punkt zusammentrafen.
Mailand war mehr als ein strategischer Punkt, mehr als ein mit starken Mauern umgebener Platz; durch seine industrielle und merkantile Bedeutung war es eine Quelle des Reichtums, eine gewaltige Macht an sich. Es wurde in den Jahrhunderten seiner Geschichte oft erobert, geplündert, zerstört, aber die kulturellen Bedingungen seiner Existenz konnten weder der Hunne Attila, noch der Gothe Vitiges, noch Kaiser Friedrich I. zerstören; und darum nach allen Verheerungen erstand die Stadt wieder glänzender, kräftiger denn zuvor. Damit haben wir den Schlüssel zu dem Rätsel in der politischen Geschichte dieser zu erobernden, aber nicht zu vernichtenden Stadt, die mit jener von Damaskus manche Ähnlichkeiten besitzt.
So verschwommen und lückenhaft meine Darstellung auch erscheinen mag, sie mag uns doch ahnen lassen, welch großartige Bedeutung in der Kulturgeschichte vor allem gerade dem Waffenhandel beizumessen ist. Er hat Länder bereichert und verarmt, er hat die Mittel geschaffen für die Eroberung wie für die Verteidigung und zahlreiche Staatsexistenzen sind in erster Linie von ihm abhängig gewesen. In unseren Geschichtsbüchern verlautet über diesen wichtigen Gegenstand freilich blutwenig, obgleich er einen so bedeutenden Teil der menschlichen Tätigkeit in Anspruch genommen und in die Geschicke der Völker so entscheidend eingegriffen hat. Wollen wir uns darüber wundern? Sehen wir doch die Waffe an sich in der historischen Literatur entweder völlig ignoriert oder nebensächlich behandelt; wie können wir da erwarten, dass der kommerziellen Bewegung eine Aufmerksamkeit zugewendet wird? Für uns aber, die wir aus Beruf oder Neigung uns dem Studium der Waffe zugewendet haben, muss auch deren Eigenschaft als Gegenstand des Handels in der Welt von hoher Wichtigkeit erscheinen. Nicht um nach dieser Richtung hin einen vollendeten Ausblick zu schaffen, nur um auf das weite noch gänzlich unbebaute Feld hinzuweisen, war der Zweck meines heutigen Vortrages.
1 Cassiodorns Lib. V. Epist. I.
2 Boeheim W., Die Zeugbücher des Kaisers Maximilian I. Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des kaiserl. Hauses. Bd. X. und XI.
3 Boeheim, W., Der Hofplattner des Erzherzogs Ferdinand von Tirol, Jacob Topf und seine Werke. Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des kaiserl. Hauses. XVIII. Band. 1897.
4 Dillon Harald Arthur Viscount. «A Letter of Sir Henry Lee 1590 on the Trial of Iron for Armour». Archaeologia Bd. III S. 167.
5 It is a sword of Spain, the ice brook’s teraper.
6 Nach Mittheilungen des Herrn Albert Weyersberg.
7 Boeheim, W., Die Luxusgewehrfabrication in Frankreich. Blätter für Kunstgewerbe. Wien, R. v. Waldheim 1886. Heft VII u. VIII.
Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. I. Band. Heft 7. Dresden, 1897-1899.