Vor 6-8 Jahren erwarb das Museum von Antiquar Geuder in Nürnberg den hier abgebildeten Dolch, welcher die gewöhnliche Form der Dolche des 16. bis 17. Jahrhunderts zeigt und nur eine besonders große, stark herabgebogene Parierstange hat. Genauere Besichtigung lässt am oberen Teil der Klinge auf einer Seite einen Knopf erkennen, sowie in der Klinge zwei kaum sichtbare Schlitze. Ein Druck auf den Knopf löst eine Feder, und die Klinge teilt sich in drei Teile. Erfolgt dieser Druck, wenn die Dolchklinge bereits im Körper des Opfers ist, so schnellt man die zweischneidigen Seitenteile, die Wunde verbreiternd, in den Körper des, Getroffenen ein. Es bedarf keines Hinweises darauf, dass zwar solche Dolche in irgendeinem Augenblick zur Verstärkung der Wirkung dienen konnten, dass sie im Allgemeinen aber doch eigentlich keinen Zweck haben. Wer den Stahl des Dolches im Herzen hat, ist genug getroffen; es bedarf der Verstärkung des Stiches nicht mehr, um ihn zu töten. Aber solche Stücke zeigten den Witz des Waffenschmiedes; sie gaben Sehenswürdigkeiten für die Besucher eines Zeughauses ab, weil sie das Grausen der Besucher erregten. Bekanntlich traute man früher in Deutschland den Italienern nicht bloß große Fertigkeit in der Handhabung des Dolches zu, sondern auch allerlei Kunstgriffe und den Besitz von überraschenden, ganz sicher tötenden Waffen. Man betrachtet also auch unseren Dolch als eines solchen, der einst im Dienste eines heimtückischen Italieners gestanden.
Nachtrag.
Wir haben als Überschrift des vorstehenden Aufsatzes das Wort „Springdolch“ gebraucht. Wir können dasselbe nicht durch Nachweis des Gebrauches in älterer Zeit belegen, da uns wenigstens überhaupt nicht erinnerlich ist, je einer älteren Abbildung noch einer Erwähnung eines ähnlichen Dolches begegnet zu sein. In der selben Lage scheinen sich andere befunden zu haben. Da aber solche Dolche sich in beträchtlicher Zahl erhalten haben, und in manchen Waffensammlungen zu finden sind, so musste natürlich die Frage nach deren Gebrauch den Waffenfreunden nahe liegen. Man hat daher verschiedene Hypothesen aufgestellt; als solche müssen wir die verschiedenen da und dort sich findenden Behauptungen bezeichnen, bis dieselben durch Nachweise belegt sind. So hält Demmin sie für Femdolche; die drei Klingen bedeuten die Dreieinigkeit, und es wurde nach seiner Meinung auf diese Dolche der Eid abgelegt. Hiltl (im Katalog der Waffensammlung des Prinzen Karl) reiht sie unter die sog. main gauche ein, d. h. unter jene Dolche, die beim Fechten mit Rapier und Dolch jeder der beiden Gegner in der linken Hand hatte, vorzugsweise um die Spitze der Klinge des Gegners, welche ihn treffen sollte, mit seiner Dolchspitze zur Seite zu lenken und natürlich sofort in diesem Augenblick selbst stoßen zu können.
Wir haben jedoch mehr als ein Dutzend der deutschen und italienischen Fechtbücher des 16. und 17. Jahrhunderts durchgesehen, ohne einem solchen Springdolch zu begegnen. Zu den regulären Fechtwaffen in solchem Kampf gehörte der Springdolch also jedenfalls nicht, wie es ja überhaupt naturgemäß ist, dass jede regelmäßig auftretende Waffe einfach ist, und dass nicht zu viel zu viel Arten derselben vorkommen. Nun sind freilich wie ein Blick in jede größere Sammlung zeigt, eine Menge Waffen da, die sich durchaus nicht in das System einreihen lassen. So gerade unter den Dolchen solche mit gezahnten Klingen und dgl., die sich unter Umständen recht wohl eignen, eine Rapierspitze aufzufangen und selbst zu brechen. Es mag sich nun etwa der oder jener Klopffechter auf solche Kunststücke eingearbeitet haben; aber sie erforderten doch außerordentliche Kunstfertigkeit und zu große Aufmerksamkeit.
Wir bilden auf vorstehender Seite aus Fabri1 drei der vielen Darstellungen nach, in denen er die einzelnen Momente des Fechtkampfes wiedergibt, nach denen es uns sogar scheinen will, dass die Waffe zu diesem Zweck nicht besonder geeignet wäre, und dass ein einfacher Dolch, wie wir ihn hier in Fig. 4 nach einem Exemplar unserer Sammlung abbilden, den Zweck besser erfüllen muss, da er sicherer über die eigene Rapierklinge hingleitet. Solange also nicht irgendein Nachweis über die Verwendung gebracht werden kann, sehen wir in diesen Springdolchen und allen ähnlichen abnormen Dolchen nichts anderes als zwecklose Schaustücke, höchstens Versuche von Waffenschmieden oder Fechtern, Verbesserungen der bestehenden und regelmäßig dienenden Waffen zu erfinden, wenn nicht etwa einer oder der andere sich unerlaubter Vorteile seinem Gegner gegenüber bedienen wollte. Vielleicht regen diese Zeilen zur Beibringung solcher Nachweise an, und sollte etwa die ja so umfangreiche wie verstreute neuere Literatur irgendeinen solchen bringen, der uns entgangen ist, so werden wir für die Korrektur dankbar sein.
1"Italiänische Fechtkvnst." Leiden, Isack Elzevier, 1619.
Quelle: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum. Bd. 1 (1884-1886).