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Waffen aus dem 4. bis 9. Jahrhundert. Teil 2

Fig. 1-5 aus einem Langobardengrab zu Mailand. Fig. 6-10 aus einem Frankengrab zu Andernach, Fig. 11 aus einem Frankengrab zu Mertloch.
Fig. 1-5 aus einem Langobardengrab zu Mailand. Fig. 6-10 aus einem Frankengrab zu Andernach, Fig. 11 aus einem Frankengrab zu Mertloch.

Seit wir vor mehr als Jahresfrist den Artikel schrieben, der auf S. 60-68 dieses Bandes abgedruckt ist, hat unsere Sammlung von frühmittelalterlichen Waffen einige nicht uninteressante Bereicherungen erhalten, sodass wir schon jetzt wieder darauf zurückkommen dürfen. Insbesondere sind zwei Funde in unser Museum gekommen, die uns dazu Veranlassung geben: der schon vor einiger Zeit in Mailand zutage getretene Inhalt des Grabes eines langobardischen Kriegers, der seit einigen Jahren durch Herrn Kunsthändler Gutekunst in Stuttgart verkäuflich war, sowie der Inhalt eines ebenfalls schon vor einigen Jahren geöffneten Frankengrabes zu Andernach, welcher ich seither im Besitz des Herrn Maler Naue in München befand. Von einem dritten Fund, aus Pfahlheim bei Ellwangen, sei hier nur Andeutung gegeben, da derselbe aus anderer Feder eine eingehende Würdigung finden wird, weil außer Waffen auch manches Andere sich dabei befand, das erwähnenswert ist.

 

In dem zu Mailand geöffneten Grab fand sich nebst einem Kreuzchen aus dünnem Goldblech mit eingepressten Verzierungen, von dem im nächsten Aufsatz die Rede sein wird, eine Framea, die sich nach erfolgter Reinigung von Rost und angerosteter Erde als ein ganz besonders wohlerhaltenes, aus vorzüglichem Stahl gefertigtes Stück erwies (Fig. 5). Die Form ist eine auch sonst bei germanischen Waffen vorkommende und erinnert an die schöne, mit Gold und Silber tauschierte Lanze bei Lindenschmit1. Das Eisen hat eine Länge von 20 cm. Es würde also nach Fig. 7 einzuschieben sein (siehe Blogartikel hier). Das gegen 4 cm breite Blatt ist flach, mit flach abgeschliffenen, sehr scharfen Rändern. Die konische Tülle ist unten zwölfseitig und setzt sich, ins Runde übergehend, bis fast an die Spitze des Blattes fort. Gewicht 161 g.

 

Leider nicht so wohlerhalten ist das längere Speereisen (Fig. 7) aus dem Andernacher Grab, das mit Zurechnung der abgebrochenen äußersten Spitze 31,5 cm Länge hatte. Das zweischneidige, flache Blatt ist 3 cm breit, wird gegen den Hals hin stärker und geht in die Rundung der Tülle allmählich über. Der Hals ist mit zweimal zwei eingeschlagenen horizontalen Linien geziert; zwischen denselben gehen zwei hörnerartige Knebel heraus, die wohl zum Parieren der Lanze de Gegners bestimmt waren, somit die Gabeln und die Partisanen des späteren Mittelalters vorbilden. An der Tülle befinden sich noch zwei, je an der gegenüberliegenden Seite vernietete Nägel mit Köpfen, durch welche der Schaft festgehalten war. Gewicht 471 g.

 

Ein drittes Speereisen (Fig. 11 ), gefunden in einem Grab zu Mertloch bei Polch auf dem Maifeld, 41 cm lang, 490 g schwer, hat ebenfalls am unteren Teil die Ansätze.

 

Wir erinnern daran, dass auch die bei den Reichsreliquien befindliche heilige Lanze, mit welcher die Seite Christi durchbohrt worden sein soll, ähnliche Ansätze hat und auf allen Kreuzigungsbildern des 15. Jahrhunderts in solcher Form erscheint.

 

Ferner befanden sich im Andernacher Grab zwei eiserne Pfeilspitzen, die nicht zu einem Blatt ausgetrieben sind, sondern in vierseitige kräftige Stacheln ausgehen und mit runder Tülle an den Schaft befestigt waren (Fig. 9 und 10). Die eine derselben ist besonders dadurch interessant, dass sie am Hals zwischen Tülle und Stachel Windungen als Schmuck zeigt. Sie sind 7 und 8 mm lang, 14 und 12 g schwer.

 

Das Beil aus dem Andernacher Grab (Fig. 8) erinnert an jenes von Kärlich, Fig. 33. Da jedoch die Form bestimmter ausgesprochen ist, so bilden wir auch dieses ab. Länge 16 cm. Breite der Schneide 15 cm. Gewicht 625 g.

 

1L. Lindenschmit, Handbuch d. d. Altertbumskunde I, S. 167, Fig. 57.

Fig. 12. Spatha.
Fig. 12. Spatha.

Im Mailänder Grab befand sich noch ein kleines Messer (Fig. 4), jenem Fig. 44 am ähnlichsten, jedoch nur 15 cm lang. Gewicht 13 g. Das Vorkommen gerade in diesem Grab beweist, dass selbst solch kleine Messer als Waffen anzusehen sind, sofern sie in Männergräbern sich finden. Sehr interessant ist die Spatha des Andernacher Grabes (Fig. 6), deren Griff in Fig. 12 abgebildet ist. Die Klinge hat bei einer Länge von 77 cm eine Breite an der Wurzel von 5,5 cm. Der Griff samt Knauf und Parierstange ist 16 cm lang, die Gesamtlänge also 95 cm. Das Gewicht beträgt 1010 g. Leider ist das Schwert durch Rost sehr stark angegriffen, sodass trotz aller Konservierungsarbeiten seine dauernde Erhaltung zweifelhaft erscheint. Es muss jedoch ursprünglich von großer Schönheit und ziemlichem Reichtum der Ausstattung gewesen sein. Der Knauf besteht aus einer starken eisernen, schmalen, spilzovalen Platte, auf welche mittelst zweier Nägel ein dünnes Blech befestigt ist, das einen Zierknauf aus Eisen trägt, der aus einem senkrecht stehenden flachen, runden Knopf besteht, aus welchem nach zwei Seiten hin Tierkörper ausgehen, und der durch eingeschlagene Gold- und Silberfäden geschmückt ist. Die Unterseite der Knaufplatte sowie die beiden Seiten der ähnlich geformten, nur wenig größeren eisernen Parierstange, waren ebenfalls mit einem Überzug von Zierblechen bekleidet und mit Nägeln befestigt, von denen einer erhalten ist und einen runden, tauschierten Knopf hat, gleich den beiden des Knaufes. Auf der Klinge lassen sich, freilich nur schwach zwei Grate erkennen.

 

Unter der Abbildung des Griffes ist in Fig. 13 die eines flachen Stückchen Eisen gegeben, das sich bei der Spatha fand und wohl vom Beschlag der Scheide übriggeblieben ist.

 

In dem Langobardengrab zu Mailand befand sich die Klinge einer Spatha, die mit dem Griff eine Länge von 93,5 cm bei einer Breite von 4,5 cm hat. Deutlich ist bei ihr außer den beiden Schneiden eine rinnenförmig gehöhlte Mittelfläche zu erkennen. Gewicht 781 g. Obwohl im Übrigen die Spatha nichts Besonderes bietet, bilden wir sie doch in Fig. 3. ab, um durch Vergleich mit Fig. 47-49 zu zeigen, wie ähnlich diese Langschwerter1 bei allen germanischen Stämmen waren.

 

Das meiste Interesse unter den Fundgegenständen des Langobardengrabes bietet der in Fig. 1 und 2 abgebildete Schildbeschlag wegen der auf der Buckel befindlichen, in Bronze hergestellten, mit Gravierung verzierten und vergoldeten ornamentalen Verstärkung, die mittelst eines größeren Nagels in der Mitte und drei kleinerer Nägel ringsum befestigt ist, deren Knöpfe, der erstere flach und graviert, ebenfalls von Bronze hergestellt und vergoldet sind. Vgl. die größere Abbildung Fig. 14. Mit fünf Knöpfen, die dem mittleren der Buckel ähnlich, jedoch größer sind, war der Rand der Schildbuckel auf dem Holzschild befestigt. Es fand sich im Grab auch der Eisenbeschlag des Schildgriffes, der sich in zwei Spangen fortsetzt, die nicht bloß den Griff festhalten, sondern auch eine Verstärkung des Schildes selbst mindestens nach einer Richtung, wohl quer über die Richtung der Holzfasern, bilden. Wir haben in Fig. 1 und 2 den Griff des Schildes sowie einen Durchschnitt der Schildbuckel gegeben, aus welchen ersichtlich ist, wie die den Schild haltende linke Faust im Innern der Buckel, durch diese geschützt, dem Gegner möglichst nahe, Raum fand, und so den Schild fester greifen und sicherer lenken konnte, als die bei den Schilden des späteren Mittelalters der Fall war, wo die Hand nicht mitten in der Schildfläche sich befand, sondern hinter derselben am beweglichen Schildgriff.

 

1Wir haben erwähnt, dass die Spathen erst in der spätgermanischen Zeit (als man zu Pferde kämpfte als eigentliche Reiterschwerter) häufiger vorkommen. Wir haben dabei übersehen, darauf aufmerksam zu machen, dass ähnliche Waffen als Nachlass offenbar gallischer zu Pferde kämpfender Hilfstruppen der Römer in den Pfahlbauten von Latene sich fanden. Inzwischen ist uns jedoch auch eine Spatha aus Buch bei Ellwangen zugegangen, die mit unzweifelhaft römischen Resten gefunden wurde.

Fig. 14. Schildbuckel.
Fig. 14. Schildbuckel.

Vorheriger Blogartikel: Waffen aus dem 4. bis 9. Jahrhundert. Teil 1

 

Quelle: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum. Bd. 1 (1884-1886).