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Fachliche Notizen Heft 6

Der «Goedendag» und der neue Catalog des Museums der Porte de Hal. Zwei veröffentlichte Schriften des uns aus wiederholten Beiträgen bekannten Konservators Hermann van Duyse: «Le Goedendag, arme flamande, sa legende et son histoire». Gand 1896 und «Catalogue des armes et armures du Musée de la Porte de Hal». Bruxelles 1897, haben einige der belgischen Historiker in nicht geringe Erregung gebracht und sie zu zahllosen, mitunter überscharfen Entgegnungen veranlasst. Ein ganzer Platzregen von Broschüren und Journalnummern ist auf unseren Reduktionistisch niedergegangen und so sehr wir auch für diese Aufmerksamkeit und dieses Vertrauen erkenntlich sind, sind wir doch nicht im Stande, in meritorischer Beziehung uns über beide fachliche Differenzen in der wünschenswerten Weise auszusprechen, wollten wir nicht den Raum eines Jahrgangs unserer Zeitschrift in Anspruch nehmen.

 

Was nun den «Goedendag» betrifft, so handelt es sich hier lediglich um die Bestimmung der Form dieser im 13. und 14. Jahrhundert so gefürchteten Waffe der flandrischen Milizen. Jean van Malderghem, Archivar der Stadt Brüssel, regte diese Frage in einer sehr elegant geschriebenen Broschüre: «La verité sur le Goedendag», Brüssel 1895, an; er hält selben für eine Art Pflugschar-Messer; van Duyse trat ihm mit obenerwähnter Schrift etwas hart polemisch entgegen und stellte die Behauptung auf, der Goedendag sei ein langer Streitkolben gewesen, der oberhalb mit einer Eisenspitze versehen war. Er stützt dabei seine Meinung auch auf die bekannten Fresken in der Kapelle der Weber zu Gent, in welcher diese Waffe dargestellt ist. Wir müssen gestehen, dass uns die an sich sehr geistreichen und von eminenter Quellenkenntnis zeugenden Ausführungen van Malderghems, ungeachtet der vielen teils bekannten Zitate aus Guillaume Guiart, Froissart, der Chronik von Saint-Denis, den Annales Gandenses etc., von der Stichhaltigkeit derselben noch nicht völlig überzeugt haben.1

 

Es wird doch schwer, sich aus dem Text des Guiart: «Et quant l’en faut descendre' bis «S'armeures ne le detiennent» sich «immediatement» das Messer eines Pfluges heraus zu konstruieren; wenn wir auch keineswegs in Abrede stellen, dass dieser Pflugbestandteil in den Volkskriegen und vom frühen Mittelalter an eine Rolle spielte; aber hier handelt es sich doch um die Formenbestimmung des Goedendag? Aber auch die Beweisgründe van Duyses litten an Triftigkeit in dem Falle, als die berühmten Fresken der „Leugemeete“ zu Gent wirklich eine Fälschung sein sollten, wie von mehreren Seiten behauptet wird. Immerhin scheint sich die Waage der Beurteilung, wenn wir den Wortlaut in Guiart scharf ins Auge fassen, mehr der Form eines Kolbens, als dem Messer einer Pflugschar zuzuneigen. Dafür spräche gerade der Text:

 

«Tantost peut son cop recouvrer,

Et ferir sans s’aller mocquant

Du bout devant en estocquant» etc.

 

In letzterem Worte möchte doch jeder eine wirkende pfriemenartige Stoßklinge und nicht die Spitze eines Messers erkennen?

 

Die Form, wie sie in dem Fresko der Leugemeete zur Darstellung kommt, erscheint uns aber mehr als Spieß und nicht als Streitkolben. Ganz richtig ist das Visier an der Haube der gonfalonier um ein Jahrhundert zu jung, die Haube inkorrekt, und das Fahnentragband erinnert uns lebhaft an jenes d’un porte-drapeau de la ligne unter Napoleon I. Aber hat man denn in Belgien nicht reiche Mittel um einer Fälschung oder Übermalung auf kunsttechnischem Wege festzustellen? Wir finden über dem, was gemalt vor uns steht, nicht ein Sterbenswort darüber: wie es gemalt ist, in der sonst so interessanten und lehrreichen Broschüre J. van Malderghems: «Les fresques de la Leügemeete», Bruxelles 1897.

 

Wir waren eben daran, unsere Mitglieder von der für uns gewiss sehr interessanten wissenschaftlichen Streitfrage zu unterrichten, als uns eine neue Broschüre über den Gegenstand in die Hände kam, mit welcher ein angesehener und gelehrter Historiker, das Mitglied der Académie d’archeologie M. J. Th. de Raadt, in die Schranken trat. In dieser Broschüre: «Encore un mot k propos du Goedendag», Anvers 1896, stellt sich der Verfasser entschlossen an die Seite van Malderghems gegen van Duyse und ruft am Eingänge: «Enthousiaste de la theorie si brillamment defendue par mon excellent confrere, je me suis fait un veritable plaisir et un devoir de la vulgariser.»

 

Ob diese Vulgarisation in polemischer Form der unserer Ansicht nach nichts weniger als entschiedenen und bisher einseitig betrachteten Streitfrage in etwas zugute gekommen ist, möchten wir doch bezweifeln. Wissenschaftliche Kontroversen müssen auf reserviertem Boden ausgefochten werden; ein Herabsteigen auf das Niveau der Tagespresse kann keinen anderen Zweck haben, als in der großen Masse Stimmung zu erzeugen, weniger für den Gegenstand, als gegen denjenigen, der anderer Ansicht ist. Wir sind nach der Wendung, welche die Streitfrage jetzt erhalten hat, weit entfernt, für van Duyse’s Ansicht Stellung zu nehmen, es fällt uns nicht ein van Malderghems Ansicht a limine abzuweisen; wir sind nur der Überzeugung, zu der uns die temperamentvollen Streitschriften vollauf Material geboten haben, dass beide Gegner noch keinen Anlass haben, Heureka zu rufen. Fühlen sich aber Kollegen, durch die Beweisgründe des einen oder des anderen schon zufriedengestellt, ja enthusiasmiert, so ist damit für die Klärung nichts gewonnen.

 

Das ist, was wir in Betreff des noch unentdeckten Goedendag zu bemerken haben und nun wenden wir uns der weiteren Broschüre van Duyse’s dem «Catalogue» zu, mit welchem der Verfasser einer stattlichen Anzahl von Fachgelehrten zweifelsohne Veranlassung gegeben hat, ihm wissenschaftlich entgegenzutreten, wenn wir auch die Aufregung nicht begreifen können, die das Buch hervorgerufen hat. Uns hat vor allem die kurze Zeitspanne überrascht, die zwischen der Berufung des Verfassers an das Musée de la Porte de Hal und dem Erscheinen des Kataloges verstrichen war. Man sollte doch glauben, dass es eine Unmöglichkeit wäre, in so kurzer Frist ein ansehnliches Museum so ins Detail zu durchforschen, um über selbes einen Katalog zu verfassen und in Wirklichkeit ist das genannte Buch ebenso übereilt geschrieben als gedruckt, wie wir es auch dieser Übereilung zuschreiben wollen, dass der Autor in seiner Arbeit seines fachmännisch hervorragenden und hochverdienten Vorgängers Major van Vinkeroy mit keinem Wort gedacht hat. Das ist ein Delikt, das allen akademischen Traditionen widerstreitet.

 

Wir finden es für ein Werk, das einen Musealkatalog darstellt, von vornherein verfehlt, einen hohen wissenschaftlichen Ton anzuschlagen, Autoren zu zitieren und zu kritisieren. Die historische Einleitung einer Waffensammlung biete einen Überblick in populärer Form, aber dieser muss richtig sein. Die Ungeduld des Verfassers hat ihn nun freilich gehindert, sein Material auf dessen Wert zu prüfen. Um nur einen Punkt zu erwähnen, möchten wir den Herrn van Duyse einladen, in Wien jenen Schild zu zeigen, welcher gebläut, mit der Spitze eines Diamanten graviert ist und im Musée d’Ambras bewahrt sein soll, wobei wir bemerken, dass es seit neun Jahren keine Collection d’Ambras in Wien, und seit 12 Jahren kein Musée d’armes in Tsarskoe-Selo mehr gibt. Das erwähnte «Ritterschloss» soll wohl jenes in Laxenburg sein, das seit neun Jahren keine Waffen mehr enthält.

 

Wenn wir in unserer Besprechung des Kataloges in Nr. 4 unserer Zeitschrift uns einige Zurückhaltung auferlegt und die in die Augen springenden Mängel nur in einzelnen herausgehobenen Fakten und schonend berührt haben, so wird dies Jedermann begreiflich finden, gegenüber einem sonst eifrigen und strebsamen Kollegen, der uns wiederholt kleine, aber gute und brauchbare Beiträge geliefert hat. Hätten doch gerade wir über die mangelhaften Zitate unserer eigenen Werke ein Recht uns zu beklagen gehabt? Es ist immer besser, man beurteilt das Werk eines anderen schonend, als zu scharf. Herr von Raadt hat sich in seiner zunächst zu erwähnenden Broschüre direkte an uns gewendet, das musste uns veranlassen aus unserer Reserve bis zu einem gewissen Grad herauszutreten, aber ohne Leidenschaft und ohne den Boden der Gerechtigkeit zu verlassen.

 

Wenn wir auch einem ansehnlichen Teile der Korrekturen der über diesen Catalog aus der Feder J. Th. de Raadt’s geflossenen Gegenschrift: «Le Musée de la Porte de Hai ä Bruxelles 1897» beipflichten müssen, sind wir gleichwohl nicht geneigt, das Kind mit dem Bade auszuschütten, oder wie man in Belgien sagt: «jeter l’or avec les crasses», sondern halten uns leidenschaftslos verpflichtet, das Gute in van Duysens Arbeit nicht zu verschweigen und da müssen wir doch anerkennen, dass im beschreibenden Theile manches Stück in Beziehung auf den Meister näher bestimmt worden ist als vorher. Man mag über den phantasievollen Künstler Violletle-Duc halten was man will, aber den Verfasser darüber zu tadeln, dass er die Beschreibung desselben des «Homme de beffroi«, der nebenher bemerkt an der Eglise de «Saint-Guillaume» und nicht «Sainte-Cathérine» sich befindet, zu korrigieren versucht hat, finden wir zu weit gehend, ungeachtet weder van Duyse noch Viollet-le-Duc dieses Bildwerk mit richtigem fachmännischem Auge betrachtet haben.

 

Es mag ja dem ausgezeichneten Historiker de Raadt nicht schwer geworden sein, in einem so ersichtlich flüchtig gearbeiteten Buche eine ganze Legion von Fehlern zu entdecken und er ist in seinem Eifer darin auch nicht zurückhaltend gewesen, aber er hätte anderseits bei nur einiger Unparteilichkeit bemerken können, dass der Autor des Kataloges eine selbständig dastehende Turniergattung, das «Rennen», halb und halb gelungen erwähnt hat, von welcher wir bisher in der französischen Literatur die sonderbarsten Ansichten entwickelt gefunden haben, ja für welche im Französischen nicht einmal ein Terminus technicus existiert. Da wird «Stechen» und «Rennen», so verschieden voneinander in Ausrüstung und Übung, mit «joute» bezeichnet und nur als eine «andere Art des Gestechs» angesehen.2 Viollet-le-Duc hat da wieder die krausesten Ansichten zutage gefördert, ungeachtet er eine ausgezeichnete Quelle «Burgkmairs Triumphzug Maximilians I.» zitiert, den er kaum angesehen haben mag. Dass van Duyse da auch nicht das Präziseste geleistet hat, ersichtlich Boeheims Erklärungen in dessen „Waffenkunde“ nicht genau gelesen und dabei zwei gar nicht zum Gegenstand passende Figuren dazwischengeschoben hat, ist nicht zu verwundern; immerhin hat er ein kleines Verdienst in der Erwähnung einer Turniergattung, die zu den Hauptformen und nicht zu den Spezialitäten zählt, die aber nicht vom Anfänge des 16. Jahrhunderts an datiert, sondern von ca. 1460, um welches Jahr Albrecht Achilles von Brandenburg «das rennen hinter dem bunt» «aufgebracht» hat. So misslungen das Buch erscheinen mag, so muss man doch erkennen, dass die Ursachen aller nachgewiesenen Fehler mehr in einer unbegreiflichen Flüchtigkeit als auf einen Mangel an Talent des Verfassers beruhen, und dass wir zuversichtlich Besseres, ja Gediegeneres erwarten können, wenn sich der letztere einmal entschließen wird, seine Quellen zurecht zu legen und diese ruhig zu betrachten und zu beurteilen. Das kann er zunächst in einer weiteren Ausgabe des Kataloges.

 

Der neue Katalog van Duyse’s hat in der Tagespresse Belgiens einen heftigen Sturm erregt; es lässt sich dagegen nichts sagen. Beklagenswert ist nur, dass sich die politischen Parteien der Angelegenheit bemächtigt und in ihrer Weise auszubeuten versucht haben. Natürlich hält sich da Jeder berufen, seine Weisheit an den Mann zu bringen, auch in Dingen, von denen er nichts versteht. Ungemein erheiternd wirkt da eine Kritik des Kataloges in der demokratischen Zeitung «La Re'forme», Abendblatt vom 6. Jänner d. J., in welcher ihr Verfasser mit Schrecken eine «Hallebarde de sergent de Lansquenets» auf p. 183 erwähnt findet. Also die Helmbarte eines Weibels. «Der Feldwebel», bemerkt der Verfasser würdevoll, «war im 16. Jahrhundert ein Offizier und nicht ein Unteroffizier (sergent)», wie in Fronspergers Kriegsbuch zu lesen ist. Ein Offizier! Wie haben sich dann Maximilian I. und die beiden Frundsberg mit ihren Landsknechthauptleuten degradiert, die noch vor dem Fähnlein die «Pinne», wie sämtliche deutsche Offiziere der Infanterie bis zum Obersten im 18. Jahrhundert, die noch den Sponton getragen haben. Nach dieser schmerzlichen Wahrnehmung blickt er mit weiterem Schrecken auf die Beschreibung einer Radschloss-Pistole des 17. Jahrhunderts mit verdecktem Hahn, p. 221. Auch das musste van Duyse noch treffen; das sind die Folgen des Scherbengerichts. W. B.

 

 

 

Waffenpreise aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges.

Als ein kleiner Beitrag zur Kenntnis der Preise gewöhnlicher Kriegswaffen um das Jahr 1632 mögen folgende Angaben dienen, welche dem Werk «Bilder aus der Zeit der Bauernunruhen in Oberösterreich 1626, 1632, 1648» von Albin Czerny entnommen wurden. In demselben ist das Kostenverzeichnis abgedruckt, worin Graf Franz Christoph Khevenhüller, der frühere kaiserliche Gesandte am Madrider Hofe, die Auslagen berechnet, welche ihm anlässlich der Ausrüstung Vöcklabrucks mit Wehr und Waffen im Jahre 1632 erwuchsen. In dem Briefbuch heißt es: «Für 100 Musqueten, so der Graf, weil alle seine Schlösser disarmiert waren, erkauft und machen lassen, ein in die andere mit dem Pantalier per 5 fl. macht 500 fl. Gleichfalls 60 Paar Pistolen, das Paar per 9 fl. = 540 fl., dazu soviel Hulffen (Halfter) das Paar per 1 Dukaten = 165 fl. Pulverflaschen und Spanner sambt den Patrontaschen jede um 6 Schillinge = 45 fl. Etliche und 30 Doppelhacken hin und wieder eine zu 5, 6, 7 fl. kauft, haben alle kost 216 fl.»

 

Für den Schießbedarf wurden ausgegeben: «3000 Musquetenkugel, so Herr Graf von Pappenheim machen und darauf das Zeichen wider den Wundsegen schneiden lassen, aus Bayern heimblich bekommen, haben kost 50 fl. Lunten zu Vegglaprugg machen und aus Bayern und Steyermark bringen lassen 6000 Klafter, jede per 3 Pfenning macht 75 fl.» Billiger arbeitete ein Seilermeister in Vöcklabruck;. derselbe bekam für 900 Klafter Lunte 12 fl. Das Pulver wurde theils aus Salzburg, teils aus Neumarkt bezogen; zwei Zentner gutes Hakenpulver für die «Kais. Soldatesca» kosteten 120 fl., eben so viel feines Schießpulver jedoch 160 fl. An Blei wurden fünf Zentner angeschafft; sie kamen einschließlich des Fuhrlohnes und der Reisezehrung der Begleitung auf 30 fl. zu stehen. Zwei Zentner Pech kosteten nur 7 fl.

 

Für das Ausbessern von Waffen wurden dem Tischler, welcher «Musqueten Stäb und Ladstecken» gemacht hatte, 1 fl. 3 Schillinge 22 Pfennige bewilligt; ein Schlosser, der Gewehre hergerichtet und neu beschlagen hatte, erhielt 1 fl., während als Macherlohn das «Spiel (Musikinstrumente), so die St. Georger Wacht zerbrochen», der gleiche Betrag bezahlt wurde.

 

Um diese Ansätze richtig zu würdigen, müssen wir uns daran erinnern, dass die Wogen des Dreißigjährigen Krieges auch in das Land ob der Enns hineinbrandeten, Jammer und Elend auch in dieser gottgesegneten Provinz zum Himmel schrien.

 

Oberösterreich war zu dieser Zeit «erzlutherisch», wie sich der Chronist ausdrückt. Eine kaiserliche Reformationskommission sollte das Volk wieder für die katholische Kirche zurückgewinnen; aber hartnäckig hielten Adel, Bürger und Bauern an dem Augsburger Religionsbekenntnisse fest, da sie «mehr ihre verzweifelte Lage als die Bosheit unempfänglich machte», weshalb dem General-Reformationspatente vom 10. Oktober 1625 durch eine Art von Dragonade Nachdruck zu geben versucht wurde. Vermochten nämlich empfindliche Strafschatzungen die Verstockten nicht kirre zu machen, so sollten starke Einquartierungen die Herzenshärte brechen. Was das Wort «Einquartierung» jedoch damals zu bedeuten hatte, darüber gibt uns das Fadingerlied3 die erschöpfendste Auskunft. In demselben klagt der bäuerliche Barde, der augenscheinlich aus eigener Erfahrung spricht, über die zügellose Soldateska:

 

«sie wern mit hauffen

nur Wein wollen sauffen,

zu forderist die Crabaten,

seynd. auch darzu also vermessen

sie wollen kein Stertz noch Nudl fressen,

sondern Copauner vnd Braaten.»

 

Und in Strophe 51 jammert er weiter:

 

«Hascha (wohl Heisa) die Ross sambt den Rindern,

Kälber, Schaaf, Lämber vnd Hünner, Wider,

Capauner, Genss vnd Endten thun

sie alles vns verschwenden,

lassen vns nichts dann vil Kinder

 

Diese Politik des Schreckens, welche sogar der Benediktiner-Ordenspriester David Corner in einem Brief an seine Mitbrüder im Stifte Göttweih «keine Religions-Reformation, sondern eine Ausräubung der Provinz» nennt, trieb viele der reichsten Familien, trotz der hohen Abfahrtssteuer (gabella emig.) aus der Heimat, während der ärmere Rest der Volksgenossen durch den furchtbaren zweiten Bauernkrieg, in welchem die zum Äußersten gebrachten Landleute die leer gefegten Ställe, die zerzausten Strohdächer an ihren Peinigern blutig rächten und «in Sausen und Brausen und täglicher höchster mutwilliger Verwüstung hausten, dass es einen Stein erbarmen möge», fast zu Bettlern wurden.

 

Zu diesen Lasten der Truppendurchzüge und Einquartierungen, der allgemeinen Verarmung kam noch der Umstand, dass der Volkswohlstand vor wenigen Jahren eine schwere wirtschaftliche Krisis durchzumachen gehabt hatte, an deren Folgen er noch lang krankte. Auch in Oberösterreich verehrte nämlich, Dank des Treibens der Kipper und Wipper, zwischen 1621 und 1623 die Silbermünze in der Zinnschüssel ihre Mutter, der Goldgulden im Kupferkessel seinem Vater.

 

Die politischen Wirren im Bunde mit der Verschlechterung des inneren Wertes der Münzen mussten natürlich die Kaufkraft des Geldes ganz außerordentlich herabdrücken, so dass wir, obwohl nach unseren modernen Begriffen, die Lebensmittel damals ungemein wohlfeil — es kostete ein Pfund Rindfleisch 2,5 kr., ein Pfund Brot 1 kr., eine Mass Bier 3 kr. — waren, die oben angeführten Preise von Waffen und Schießbedarf doch ziemlich hohe nennen müssen, besonders wenn wir erwägen, dass im 17. Jahrhundert zu ruhigen Zeiten der Wert eines guten Güldens ein unvergleichlich höherer war, als dieses in unserem Zeitalter der Fall ist. Dr. P.

 

 

 

Zu den Neuerwerbungen des königl. Zeughauses in Berlin.

 

Dank besonderer Freundlichkeit des Direktors des kgl. Zeughauses in Berlin, Dr. von Ubisch, konnte ich schon im August vorigen Jahres die wenige Monate vorher aus dem Arsenal zu Tophane nach Berlin gelangten sechs alten Kanonen Rohre besichtigen, welche damals der Öffentlichkeit noch nicht übergeben worden waren. Nachdem nun in dem letzten Heft dieser Zeitschrift auf S. 122 den Fachkreisen von dieser wertvollen Bereicherung der Berliner Sammlung Nachricht gegeben wurde, so möge es mir gestattet sein, aufrund jener flüchtigen Besichtigung hier einige Bemerkungen nachzutragen, da es sich hierbei ausschließlich um Geschützrohre österreichischer Provenienz handelt, die sich in mehrfacher Hinsicht mit ähnlichen Stücken in der Sammlung des Heeres-Museums berühren.

 

Das von J. W. an erster Stelle genannte Falkonett gehört ohne Zweifel dem berühmten Gregor Loeffler an, obwohl der Vorname des Gießers — nach meinen Aufzeichnungen — auf dem Rohr irgendwie beschädigt und unlesbar zu sein scheint, sodass nur die Worte: «Opus . . . Loeffler» erhalten sind. Unrichtig ist aber, dass von Gregor Loeffler, wie J. W. meint, «bis jetzt zwar noch Glocken, aber keine Geschütze sich mehr erhalten» hätten. Schon vor dem Berliner Zeughaus war das Wiener Heeres-Museum so glücklich, Kanonen aus der Werkstatt dieses hervorragendsten unter den Stückgießern des 16. Jahrhunderts für seine Sammlung zu erwerben. Im Jahre 1896 sind aus der bosnischen Bergfeste Livno drei österreichische Kanonenrohre des 16. Jahrhunderts, welche bei der Okkupation des Landes durch die k. u. k. Truppen dort vorgefunden waren, in die Geschützsammlung des Heeres-Museums eingeliefert worden.

 

Es waren dies eine im Jahre 1579 zu Graz für Erzherzog Karl gegossene Halbkartaune — soviel wir wissen, die einzige noch erhaltene Kanone aus der Gusshütte jenes Martin Hilger, den der genannte Fürst aus Dresden in seine Dienste berief — und zwei Kartaunen, gegossen für Ferdinand I. in den Jahren 1550 und 1558 von Gregor Loeffler.4

 

Das Berliner Falkonett ist also keineswegs das einzige erhaltene Geschütz von Gregor Loeffler, aber es bietet eine wertvolle Bereicherung unserer Kenntnisse über diesen Meister. In seinen Formen stimmt es enge mit der Zeichnung des Falkonetts in dem Zeugbuch Karls V. überein,5 aber die Abzeichen der kaiserlichen Rohre, der Doppeladler mit den Säulen des Hercules, sind in einer Weise mit den Insignien des Bischofs von Augsburg vereinigt, die wohl nur durch Verwertung und Abänderung der alten Gussformen für den neuen Zweck erklärt werden kann. Bildet also das Berliner Falkonett eine Abart jener 1541 von Loeffler im Auftrag des Kaisers angewandten, aber im Grunde schon 1533 bei demselben Meister nachweisbaren Geschütz-Type, welche zuerst die klaren und edlen Formen der Renaissance auf dem Gebiet des Geschützwesens heimisch machte, so vergegenwärtigen uns die beiden Kartaunen der Wiener Sammlung die Weiterbildung, welche dieser Typus noch bei Lebzeiten des Meisters erfahren hat. Sie unterscheiden sich von den im Zeugbuch gezeichneten Kartaunen vom Jahre 1542 nur durch die kleine Änderung am Wappen, durch die an Stelle der Hercules-Säulen als Schildhalter auftretenden Greifen und durch die Stellung der auf den Kaiser und König bezughabenden Inschrift; während im Zeugbuch der Name Carl V. in einem Spruchband ober dem Doppeladler, also auf dem Hinterstück, angebracht erscheint, tragen die beiden Kartaunen von 1530 und 1358 den ausführlichen Titel Ferdinand I. in flachem Rahmen eingeschlossen auf dem Langenfeld. In der Anordnung der Verstäbungen, Friese und Akanthus-Verzierungen hat Gregor Loeffler dagegen, wie unsere Kartaunen erweisen, seinen seit 1333 nachweisbaren Stil ohne wesentliche Änderungen bis in die letzten Zeiten seiner Wirksamkeit beibehalten und auch auf seinen Sohn Hans Christoph vererbt, dessen Werke in größerer Zahl erhalten geblieben und namentlich im Wiener Heeres-Museum so reichlich vertreten sind.

 

Auch von diesem berühmten und vielbeschäftigten Gießer hat das Berliner Zeughaus, welches in seiner «Taube» eines der kunstgeschichtlich interessantesten Geschützrohre alter Zeiten besitzen dürfte, nun noch drei merkwürdige Serpentinlein aus Tophane erhalten, von denen ein jedes mit dem Bildnis eines Landsknechtes geschmückt ist. Mit Recht hat J. W., indem er über diese Stücke berichtet, auf eine Analogie hierzu hingewiesen, welche sich im k. u. k. Heeres-Museum befindet, aber er irrt mit der Annahme, dass nur ein solches Schwestergeschütz daselbst vorhanden sei, wir besitzen ihrer zwei, durchaus gleich in der Ausführung und nur dadurch von einander verschieden, dass eines von beiden am Hinterstück durch einen Geschossaufschlag beschädigt ist.6 Die Zusammengehörigkeit der drei Berliner mit den zwei Wiener Stücken wird noch ganz besonders durch die gleiche Jahreszahl bezeugt, denn auch die Berliner Rohre tragen — nach meinen allerdings nur flüchtigen Notizen — gleich jenen des Heeres-Museums die Jahreszahl 1586 und nicht 1537, wie J. W. irrtümlich angibt. Nebenbei sei erwähnt, dass auch auf der Budapester Landes-Ausstellung des Jahres 1896 ein «aus der Waffensammlung in der Basilika zu S. Irene in Konstantinopel» stammendes Rohr von genau übereinstimmender Beschaffenheit ausgestellt war;7 wenn nicht hier oder dort eine Ungenauigkeit in der Provenienzangabe vorliegt, so dürften also zum mindesten sechs derartige Stücke von Hans Christoph Loeffler vor dem Umguss gerettet worden sein.

 

In Betreff des fünften der nach Berlin gelangten Rohre, welches im Jahre 1681 für die steirische Landartillerie gegossen wurde, wird die Möglichkeit, dass es in dem Gefechte von Fürstenfeld (welches natürlich 1683 und nicht 1633 stattfand) verloren gegangen wäre, nicht geleugnet werden können, aber es wird gut sein, mit solchen Konjekturen zurückzuhalten, wenigstens solange, bis die von J. W. erwähnte auf einem der Rohre stehende türkische Inschrift vom Jahre 1705, die auf einen anderen Anlass zu deuten scheint, ihrem Wortlaute nach bekannt ist.

 

Es erübrigt noch von dem Falkonett zu sprechen, welches die Inschrift trägt: «Lienhart Giesser hat mich gossen zu Laibach Anno D. 1354». J. W. hält diesen Meister für unbekannt und bemerkt nur, dass an den berühmten Linhart Peringer nicht zu denken sei, weil dieser «1354 schon längst verstorben war». Darin liegt ein doppelter Irrtum, denn Linhart Peringer war 1554 noch nicht tot und Linhart Giesser ist doch nicht gänzlich unbekannt. Unter den bis 1879 im Augsburger Zeughaus, seither im kgl. bayerischen Armeemuseum zu München aufbewahrten Geschützrohren befinden sich zwei Notschlangen, «der Bauer» und «die Bäuerin», welche Linhart Peringer zu Landshut goss; sie datieren, wie die Gießerinschrift bezeugt, gerade vom Jahre 1554.8

 

Hat also Lienhart Peringer 1534 noch gelebt, so ist doch unwahrscheinlich, dass er gleichzeitig zu Landshut und — unter etwas anderem Namen — zu Laibach tätig gewesen wäre, ja diese Konjektur wird ausgeschlossen durch den Umstand, dass unser Laibacher Meister auch anderwärts, und zwar genau unter demselben Namen wie auf dem Berliner Falkonett vorkommt, ohne dass hierbei irgendwelche Beziehungen zu Bayern erwähnt werden. Als im Frühjahr 1541 König Ferdinand wegen des bevorstehenden Entscheidungskampfes mit dem Erbfeind den Umguss aller in Niederösterreich befindlichen Geschütze beschlossen hatte und sich deshalb um Absendung des Gregor Loeffler oder anderer tüchtiger Stückgießer nach Innsbruck wandte, da wurde, weil Gregor Loeffler durch seine Arbeiten für den Kaiser verhindert war, «Leonhard Giesser von Laibach, so ein Püchsenmaister und Giesser ist», nebst andern Büchsenmeistern nach Wien abgefertigt.9 Das ist also ein unzweifelhaftes Zeugnis für denselben Meister, der im Jahre 1554 das jetzt in Berlin befindliche Falkonett herstellte. Möglicherweise könnte auch jener Leonhart, der im Jahre 1531 als «der Stat Puchsenmeister» und im Folgenden als «Puchsengiesser» in den Wiener Kämmerei-Rechnungen genannt wird, und dessen Nachfolger der von 1533—1341 nachweisbare Leopold Mairhofer geworden zu sein scheint,10 mit unserm Laibacher Meister identisch sein. Seine vorübergehende Beschäftigung in Wien im Jahre 1541 würde dann an ältere Beziehungen zu dieser Stadt anknüpfen. Dr. W. Erben.

 

 

 

Verkauf einer Waffensammlung.

 

Der am 25. März vorigen Jahres in Dresden verstorbene Rentier Rudolf v. Berthold, ein ausgezeichneter Fachmann auf dem Gebiet der historischen Waffenwissenschaft, hat eine Waffensammlung von über 400 Nummern hinterlassen, welche jetzt zum Verkauf steht. Die mit großem Verständnis zusammengebrachte Kollektion enthält u. a.: einen kompletten blanken Harnisch (Zeit um 1560); drei halbe Harnische; zwanzig verschiedene Helme; siebenzig Schwerter und Rapiere; vierzig Feuerwaffen; dreißig Pulverhörner, unter diesen einige Kabinettsstücke; zwölf Armbrüste; dreißig Dolche und gegen hundert Helmbarten, Partisanen und andere Stangenwaffen deutscher, französischer und italienischer Herkunft. Viele der Waffen sind durch Ätzmalerei, Tausia, Eisenschnitt und Einlegearbeiten geziert. Es dürfte sich daher für öffentliche und private Sammlungen eine günstige Gelegenheit bieten, tadellose Stücke, wie sie im Handel nur selten vorkommen, zu erwerben.

 

1 Die Anführung von Ansichten einiger moderner Kompilatoren zu unterlassen, hätte seiner Arbeit gewiss zum Vorteil gereicht. Man muss unter seinen Gewährsmännern doch eine Auswahl treffen.

2 «Une autre Sorte de la joute» Violett-le-Duc, Dictionnaire. Paris 1871. Tome II. Die kaiserliche Waffensammlung in Wien besitzt 16 deutsche, 2 italienische (welsche) Stechzeuge und 12 Rennzeuge, zumeist für das Scharfrennen.

3 Stefan Fadinger, Besitzer eines Bauerngutes, war «Oberhauptmann der christlich-evangelischen Armada oder der versammelten Pauerschaft in Oberösterreich» und eigentlich die Seele der ganzen Bewegung unter den Bauern. Er wurde am 28. Juni 1626 vor Linz verwundet und starb wenige Tage später.

4 Über diese beiden Rohre habe ich in der «Wiener Zeitung» vom 26. und 27. November 1896, über das obengenannte Werk Hilgers in der «Wiener Zeitung» vom 6. u. 7. März 1897 ausführlich berichtet.

5 Wenn J. W., um diesem Gedanken Ausdruck zu geben, von einem «Bildcodex der Hofbibliothek zu München» spricht, in welchem die Abbildungen des Geschützparkes Carls V. erhalten wären, so dürfte auch dies auf Irrtum beruhen. Es sind bis jetzt j nur fünf Exemplare von dem Zeugbuch Carls V. bekannt, von welchen je eines in Frankfurt a. M., Gotha, Wolfenbüttel, Erlangen und Paris liegt; vgl. Jahns, Geschichte der Kriegswissenschaften 1620; von einem Münchener Codex sprechen weder Jähns noch Essenwein in seiner Geschichte der Feuerwaffen.

6 Vgl. Boeheim, die Sammlung alter Geschütze im k. k. Artillerie-Arsenale zu Wien. (Separat-Abdruck aus den Mittheilungen der k. k. Central-Commission, Neue Folge, 9. Band). S. 20 mit Abbildung Fig. 9 und meinen Katalog des k. u. k. Heeres-Museums (Wien, 1895) S. 5, Nr. 23 und 24.

7 Vgl Szendrei, Ungarische kriegsgeschichtliche Denkmäler S. 947 Nr. 8618.

8 Vgl. Popp, Die alten bayerischen Geschütze des k. b Armeemuseums (München 1887) S. 16 f. Nr. V u. VI.

9 Schönherr, Regesten aus dem Statthaltereiarchiv zu l Innsbruck in dem Jahrbuch der kunsthist. Sammlungen des Ah. Kaiserhauses XI, 2, LXXXV Nr. 6561 u. 6562.

10 Uhlirz, in den Berichten und Mittheilungen des Alterthumsvereines zu Wien, Band XXX. 107 ff. (1531 f. 81, 1532 f. 5.5 b Mairhofer, 1533 t. 70, 1536 f. 23,15371 118, 1541 f. 62).

Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. I. Band. Heft 6. Dresden, 1897-1899.