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Waffen aus dem 4. bis 9. Jahrhundert

Wenn auch die Sammlung jener Altertümer, welche der Zeit von der römischen Herrschaft bis zu den Ottonen angehören, in unserem Museum nicht gerade bedeutend ist, so lässt sich doch die Bewaffnung durch eine Anzahl von Beispielen erklären. Hervorragende Seltenheiten sind nicht darunter.

 

Speereisen.

Die älteste Waffe der Germanen, der Speer, nach Tacitus von ihnen selbst als Framea bezeichnet, war auch in dieser Zeit noch die Hauptwaffe, wie er auch noch ins Mittelalter herein die eigentliche Wehr bildete. Er bestand aus einem blattförmigen Eisen von sehr verschiedener Größe und Schwere, das mittelst einer Tülle auf einen hölzernen Schaft gesteckt wurde, größtenteils in der Mitte der Blattfläche durch einen Grat gegliedert. Unsere Sammlung· enthält 30 Stück von verschiedener Form und Größe der Blätter. Ebenso verschieden wie die Länge der Blätter ist jene der Tüllen, die mitunter sich zu einer langen Stange ausbildeten, welche eine eiserne Fortsetzung des hölzernen Speerschäfte darstellt. Wir geben hier in Fig. 1 bis 14 eine Anzahl solcher Speereisen. In der Form das schönste, teilweise an antike Bronzespeere erinnernd, ist wohl das in Fig. 7 dargestellte. Das größte Blatt hat das in Fig. 1 abgebildete Eisen, ca. 36 cm lang, 5 cm breit; das kleinste Blatt unserer Sammlung ist nur 5 cm lang und 2 cm breit. Bei einzelnen ist geradezu das Eisen der Tülle zu einem vierkantigen Stachel zugespitzt. Die längste Stange mit Tülle hat Fig. 9, die kürzeste Fig. 8. Die Gesamtlänge von Fig. 9 beträgt 75,5 cm, jene der Fig. 8 nur 12 cm. In der Tülle sind fast allenthalben, so sehr die Stücke auch in der Erde gelitten haben, noch zwei sich gegenüberstehende Löcher erkenntlich, durch welche ein Stift durch das Holz getrieben wurde, um da Eisen am Schaft zu befestigen. Bei vielen ist dieser Stift noch vorhanden.

 

Fig. 13 hat statt des Blattes einen Widerhaken, Fig. 14 ein ganz kleines Blatt mit doppeltem Widerhaken. Derartige Stücke wurden mit der Bezeichnung Ango belegt.

 

Im Allgemeinen sind jedoch durch diese Speerformen noch lange nicht alle vorkommenden Formen und Größen erschöpft, die aus jener Zeit sich finden; so hat z. B. das Museum zu Mainz Angone (Hakenspeere), deren Eisen bis zu 124 cm Länge haben. Die Fundorte und die Gesamtlängen unserer dargestellten Speereisen sind aus der Zusammenstellung am Schluss des Aufsatzes ersichtlich.

Speereisen, Lanzenspitzen
Speereisen, Lanzenspitzen
germanische Lanzenspitzen aus verschiedenen Ausgrabungen - Bodenfunde.
Verschiedene Lanzenspitzen

Pfeilspitzen.

 

Die Speere dienten nicht bloß zum Stoß, gelegentlich auch zum Parieren eines solchen oder zum Niederschlagen des Gegners, vor allem oft zum Werfen, ohne dass sich je aus der Größe des Eisens ein bestimmter Schluss ziehen ließe, ob und welchem Zweck der einzelne insbesondere gedient hatte. So ist es natürlich, dass die Speereisen geradezu in die noch kleineren Pfeilspitzen übergehen. Wie weit ist es von dem erwähnten kleinsten bis zu den in Fig. 15-18 abgebildeten. Wir stellen hier 6 unserer 8 eisernen Pfeilspitzen dar. Stücke, die vorn in den Pfeilschaft hineingebohrt worden wären, haben wir nicht. Die unsrigen haben sämtlich Tüllen zur Befestigung, mit Ausnahme des in Fig. 20 abgebildeten Bruchstückes, das vielleicht auch einem Ango angehörte. Lindenschmit erwähnt in seinem Handbuch der deutschen Altertumskunde auch Pfeilspitzen aus Feuerstein, die noch in Gräbern aus dieser Zeit unter den Toten mitgegebenen Waffen gefunden worden sind. So mögen auch einzelne der vielen Feuersteinpfeilspitzen, die wir mit der Rosenberg-Sammlung erhalten haben und die teilweise außerordentlich schön sind, aus dieser Zeit stammen.

Pfeilspitzen germanische

Wurfäxte und Streitbeile

 

Eine weit verbreitete Waffe war das Beil, da ebenfalls, gleich dem Speer, nicht bloß zum Kampf in der Nähe diente, sondern auch mit großer Geschicklichkeit in die Ferne geworfen wurde, wozu insbesondere die stark aufwärts gekrümmten gedient haben mögen. Unsere Sammlung enthält etwa 20, von denen jedoch einzelne vielleicht dem späteren Mittelalter angehören. Die Reihe, welche wir hier in Fig. 21-35 abbilden, zeigt, dass auch bei den Beilen große Mannigfaltigkeit der Form herrschte. Wir dürfen wohl in den Originalen der Fig. 21-26 jene Wurfbeil erkennen, die als Nationalwaffen der Franken unter dem Namen Francisca bekannt sind. Sie sind sämtlich zu Kärlich in dem Rheinland gefunden, mit Ausnahme der Fig. 25, die ein im Lüneburg'schen gefundenes, mit der Frhrl. v. Estorf'schen Sammlung seiner Zeit ins Museum gekommenes Stück zeigt. Die Originale von Fig. 27 und 28, deren Herkunft wir nicht feststellen können, sind vielleicht als mittelalterlich zu betrachten.

 

Mitunter ist bei den Wurfäxten die gekrümmte Schneide beträchtlich in die Breite entwickelt (Fig. 22), mehr noch aber bei den eigentlichen, für den Nahkampf berechneten Beilen (Barten), bei denen die Breite teils bloß nach abwärts steigt (Fig. 30, 31), teilweise aber ebenso aufwärts wie abwärts geht (Fig. 29, 32-35). Ob Fig. 35 eine Streitaxt oder ein bürgerliches Werkzeug und in letzterem Fall vielleicht mittelalterlich ist, mag dahingestellt bleiben.

Verschiedene germanische Äxte.
Verschiedene germanische Äxte.

Scramasaxe, Wurfmesser.

 

Im gleichen Maßstab wie die seither abgebildeten Waffen bilden wir hier unten eine Anzahl von Messern ab (Fig. 36-46), die gleichzeitig zum Stechen, Hauen und Werfen dienen konnten, je nach der Größe der Entfernung, auf welche gekämpft werden musste, und deren unsere Sammlung im ganzen 19 Stück besitzt. Auch sie sind verschiedenen Ursprungs und zeigen somit, dass die Waffe allen germanischen Stämmen eigen war. Ebenso zeigt unsere Sammlung, dass die Größe ungemein variiert. Mögen vielleicht die in Fig. 44-46 dargestellten Stücke Messer sein, die einfach häuslichem Gebrauch dienten, oder Werkzeuge waren, so ist doch mindestens noch das Original von Fig. 43 als Wurfmesser anzusehen. Sämtliche Stücke haben starke, gerade Klingen mit breitem Rücken, einer Schneide und einer etwa in der Mitte liegenden Spitze. Sie hatten, wie aus einzelnen Exemplaren hervorgeht, eine nur wenig über die Klinge hinausgreifende Parierstange (vgl. Fig. 41), sowie einen Knauf (Fig. 40). Soweit Scheiden und deren Reste erhalten sind – wir haben leider keine solchen – zeigt sich, dass dieselben unten gerade abgeschnitten waren, trotzdem die Messer spitz sind.

Messerspitzen

Langschwerter (Spathae).

 

Obwohl zweischneidig Bronzeschwerter nicht selten in Deutschland aus den Gräbern der früheren Periode erhoben worden sind, so glaubt man doch annehmen zu dürfen, dass bei den germanischen Völkern eiserne Langschwerter in der früheren Zeit nicht im Gebrauch waren und erst nach der Völkerwanderung, vorzugsweise in der merowingischen Periode, in allgemeineren Gebrauch gekommen sind. Sie finden sich auch in Gräbern weit seltener als die Kurzschwerter. Auch unsere Sammlung enthält kaum die Hälfte der Zahl gegen die Scramasaxe. Wir bilden drei der selben in Fig. 47-49 ab. Sie haben kleine, flache Knäufe, spitz-ovale, nicht viel über die Schwertklinge hervortretende Parierstangen. Die Klingen sind länger, teilweise aber schmaler und durchweg dünner als jene der Scramasaxe. Infolge der Beschädigungen durch Rost lässt sich nur bei wenigen unserer Stücke feststellen, ob und wie die Klingen profiliert waren. Nur Fig. 49 lässt deutlich eine Fläche zwischen den beiden Schneiden erkennen. Die Spitze fehlt; wir haben versucht, ihre ehemalige Gestalt auf der Zeichnung in punktierten Linien wiederzugeben, und glauben, trotz der im Verhältnis zur Breite geringen Länge der Klinge, die Ergänzung richtig vorgenommen zu haben. Da die Römer Schwerter von der Länge dieser Spathen nicht hatten und die alten Bronzeschwerter selten, auch nur annähernd, eine Länge hatten die den späteren Langschwertern gleichkam, so sind diese als eine von den Germanen selbst aus dem Bedürfnis der Kampfesweise herausgebildete Waffe anzusehen. An einzelnen unserer Spathen befinden sich zwar Reste der Holzscheide; vom reichen Beschlage derselben findet sich bei uns nur ein Stückchen, eine bei Andernach gefundene silberne Klammer zum Festhalten eines Ortbandes, wie solche Lindenschmit auf S. 235 seines Handbuches beschreibt.

Bodenfund Schwert
germanische Schwerter
Ortbänder von Schwertscheiden.
Ortband.

Schildbuckel.

 

Die Schilde der germanischen Völker waren rund, aus Holz oder Geflechten hergestellt, in der Mitte mit einer Schildbuckel (Umbo), sowie mit sonstigem Beschlag versehen. Wir besitzen solcher Schildbuckeln vier, allerdings fast durchweg sehr beschädigte Stücke, von denen wir hier eine bei Kärlich an der Mosel gefundene abbilden (Fig. 52). Sie war mit eisernen Nägeln, die Bronzeköpfe hatten, auf den Schild befestigt.

Umbo (Schildbuckel)

Steigbügel.

 

Wir dürfen wohl zu den Waffen, nachdem die germanischen Völker auch zu Pferde kämpften, den Steigbügel rechnen. Freilich macht Lindenschmit in seinem Handbuch darauf aufmerksam, dass er erst sehr spät auftritt, dass er erst um das 8. Jahrhundert von den Byzantinern aufgenommen wurde, und dass die erhaltenen Exemplare erst dem 10. Jahrhundert angehören. Da wir indessen einen Steigbügel besitzen, der sicher älter ist als der im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1881 , Sp. 133, Fig. 14 wiedergegebene, so sei es gestattet, ihn hier abzubilden und seiner zu erwähnen. Er ist als Geschenk des Herrn Antiquars Pickert in Nürnberg in unsere Sammlung gekommen, der ihn in Oberitalien erworben hat, und nach dessen Mitteilung er aus einem in der Lombardei gemachten Funde stammt.

Steigbügel

Quelle: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum. Bd. 1 (1884-1886).

 

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