Von Wendelin Boeheim.
Im Besitz Seiner königlichen Hoheit des Großherzoges Karl Alexander von Sachsen-Weimar befindet sich ein Prunkharnisch von einer so reichen künstlerischen Ausstattung, dass wir ihn getrost zu den schönsten und wertvollsten zählen dürfen, welche gegenwärtig noch in der Welt vorhanden sind. Durch den Umstand, dass derselbe als altehrwürdiges Erbstück der großherzoglich Weimarischen Familie nie in den Sammlungen, sondern immer in den Privatgemächern aufgestellt war, hat sich das Kunstwerk bisher der Kenntnis der Fachwelt entzogen, und wir verdanken es nur der besonderen Güte und Kollegialität des Schlosshauptmannes und Kommandanten der Wartburg, Herrn v. Cranach, von selbem Kenntnis zu erlangen und Abbildungen zu erhalten. Wir sind dadurch in den Stand gesetzt, unseren verehrten Mitgliedern mit einigen kunstwissenschaftlichen Details über dieses Prachtwerk ersten Ranges zu dienen, soweit der Stand der Forschung dies heute gestattet.
Nach der Tradition des großherzoglich Weimarschen Hauses soll dieser Harnisch (Fig. 1) von König Ludwig XIII. (1601—1643) an den Herzog Bernhard von Weimar (1604—1639) als Geschenk gekommen sein. Dieser Angabe widerspricht die Form des Harnisches, welche einer älteren Zeit angehört. Ludwig XIII. könnte diesen Gegenstand nicht früher als 1610 an den Herzog gesendet und dieser ihn kaum vor 1620 getragen haben, eher später; der Harnisch datiert aber noch vom Ende des 16. Jahrhunderts, zwischen 1590 und 1595. Hielten wir an der Tradition soweit fest, dass der Harnisch als Geschenk aus Frankreich an einen Weimarischen Fürsten gelangte, so könnte der Geschenkgeber nur Heinrich IV. (1553—1610) gewesen sein, und wirklich befindet sich im Musée d’Artillerie in Paris noch ein halber Harnisch (G. 51) aus der Zeit von nahe um 1600, von gleicher technischer Ausstattung, welche möglicherweise der Hand desselben Meisters entstammt, der den vorliegenden Harnisch gefertigt hatte1.
Um der Wahrheit auf die Spur zu kommen, müsste in den großherzoglichen Archiven Beziehungen zu Frankreich nachgegangen werden, die ja seit der Regierung Johann Wilhelms II. besonders innig gewesen waren; auch eine Durchforschung dieser Archive vom kunsthistorischen Gesichtspunkt dürfte zu einer Aufklärung der Provenienz des Gegenstandes führen. Bis dahin ist nur der negative Befund feststehend, dass die Tradition unstichhältig und der Harnisch um mindestens 25 Jahre älter ist.
Sei dem wie immer, der Harnisch ist deutsche Arbeit und seine Auszierung in scharfem repousser zwar deutlich italienischen Einfluss zeigend, doch von einem deutschen Meister gefertigt. Wer aber ist dieser Meister?
Eine genauere Betrachtung des Harnisches, namentlich des Stiles seiner Ornamente und des eigentümlichen Charakters seiner dekorativen Ausstattung, führt zur Überzeugung, dass wir in seinem Meister, lediglich was die Ausführung im repousser betrifft, jenen zu erblicken haben, der auch den weltberühmten Prachtharnisch des Kurfürsten Christian II. im königlichen historischen Museum zu Dresden (Paradesaal Nr. 7), jenen des Herzogs Johann Georg I., ebenfalls daselbst (Paradesaal Nr. 12) und vermutlich auch den unvergleichlich schönen Prunkharnisch Kaiser Rudolf II. in der Waffensammlung des kaiserlichen Hauses zu Wien (Saal XXXII, Nr. 706) gefertigt hatte; darüber dürften sämtliche Kunsthistoriker einerlei Ansicht sein. Es ist uns nun schon aus Heppner und Büttners großem Werk über das königliche historische Museum, wie auch aus A. Erbsteins Beschreibung dieses Museums 1889 bekannt, dass der Harnisch des Kurfürsten Christian II. für Mann und Ross um 1600 (!) entstanden und im September 1606 durch den Kurfürsten von Heinrich Knopf aus Nürnberg zu Schleusingen um 8800 Gulden oder 7700 Reichstaler (ca. 35.000 Mark) angekauft wurde. Wir übergehen hier die Zuschreibungen älterer Schriftsteller an andere Meister, wie Desiderius Colmann und Franz Großschedel, die ohne jede Kenntnis der Lebenszeit desselben aufs Geradewohl gemacht worden sind, und wenden uns zu den in der genannten Beschreibung von Erbstein ausgesprochenen Ansichten, die, wiewohl sie nicht stichhältig erscheinen, doch verdienen, dass man sich mit ihnen etwas beschäftigt.
Erbstein fasst sein Urteil über den Meister in nachstehenden Worten zusammen: «Heinrich Knopf, von dem sie (der Harnisch) gekauft wurde, war nur der Unterhändler (sic!), nicht der Verfertiger; er selbst war ein Goldschmied (!) und Conterfeter in Nürnberg, von dem Schaugroschen bekannt sind, die er selbst gegossen.» Wir wissen nun nicht, worauf Erbstein die Unterhändlereigenschaft gründet, aber Knopfs Handwerk hätte ihn gerade dahin leiten sollen, in ihm den Fertiger zu erblicken, weil eben der größte Teil von in Relief getriebenen Harnischen, Schilden und geschnittenen Schwertgriffen etc. in Deutschland, Spanien und Italien nicht von Plattnern, sondern von Goldschmieden gefertigt worden sind. Wir dürfen da nur auf Georg Sigman und Martin Marquart in Augsburg, Pifanio Tacito in Florenz, Giovanni B. Mantuano in Mantua, Giovanni B. Serabaglio und Lucio Piccinino in Mailand hinweisen, die alle Goldschmiede gewesen sind. Wir könnten diese Liste ohne viel Nachdenken auf das Zwanzigfache ausdehnen.
Was nun Heinrich Knopf betrifft, so stammt er aus einer Künstlerfamilie, die wir schon vom 15. Jahrhundert verfolgen können, denn wir finden einen Martin Knopf als Bildhauer schon 1467 zu Nürnberg. Ein Meister Johann Knopf, Goldschmied, erscheint 1538 als Besitzer eines nächst dem Prager Schloss unter dem weißen Turm zwischen den Toren gelegenen Häuschens. Ein Johann Knopf, deutscher Goldschmied, in der Bottega des Martino Vizzardo in der Via Julia in Rom arbeitend, erscheint 1609 in einer Gerichtsverhandlung dortselbst als Zeuge.
Der Name Knopf ist ja im Goldschmiedehandwerk keine ephemere Erscheinung; auch in Wien treffen wir einen «Frantz Knopff» in der Meisterliste des Jahres 1548; er ist aber schon vorher selbstständig tätig. Im Jahre 1549 ist er Zechmeister, und 1555 heißt es, er sei weggezogen. Im Jahre 1547 wird von ihm «ain zwifach trinkgeschier (Doppelbecher) innen und aussen verguldt» um 48 fl. 1 sh. angekauft2. Schon 1546 zahlt ein Chunz Knopf 2 fl. Bürgertaxe; derselbe ist vermutlich mit obigem Franz identisch.
Hermann Hettner hat bereits 18733 auf Heinrich Knopf hingewiesen und ihn als Plattner und nicht als Händler angesehen; noch näher ist J. B. Nordhoff 18764 an ihn herangetreten und hat überaus schätzenswerte biographische Noten über den Meister gebracht. Nach diesen stammen die Knopf, auch Knop, aus Münster; der älteste des namens, David (Knoip), war daselbst ein wohlhabender Goldschmied um 1573. Sein Sohn oder jüngerer Bruder, der berühmte Heinrich Knopf, verließ um 1604 der Kriegsbedrängnisse halber Münster und begab sich nach Nürnberg, wo er indes nur vorübergehend weilte und dortselbst auch nicht aus dem Leben schied. Sein Wappen ist quergeteilt. Oben ein wachsender Mann, welcher mit einem Strick eine Schleife (auf süddeutsch Knopf) macht, unterhalb drei Flammen.
Erbstein bezweifelt die Autorschaft Heinrichs zunächst aus der Ursache, weil von ihm nur Schaugroschen bekannt geworden sind. Nun, wer das Kunsthandwerk, ja die gesamte Kunsttätigkeit in der Renaissance kennt, der wird ihren universalen Charakter gewiss zugestehen. Der Goldschmied machte eben alles, was in dem Bereich seiner Kunstfertigkeit gelegen war; er modellierte und goss ebenso Medaillen, als er ein Kleinod oder einen Kelch, ein Schwertbeschlag oder einen Harnisch in Treibarbeit ausführte, ob das Material Gold, Silber, Kupfer oder Eisen war. Ein erwiesenes Beispiel ist uns da Jörg Sigman in Augsburg und vor allem der berühmte Venezianer Medailleur Vittore Camelio, der 1509 vom Senat in Venedig ein Privilegium zur Fertigung leichter Harnische erhielt. Auch Giovanni B. Ghisi kann hier als Beispiel herangezogen werden, der Waffenstücke in Eisen getrieben fertigte, die mit seinem Namen bezeichnet sind. Heinrichs Tätigkeit als Medailleur5 hätte also nichts weniger als einen Zweifel über seine Autorschaft erregen, eher ein Argument dafür geben sollen.
Selbst der auffällige Umstand, dass wir in den Archivalien Heinrich Knopf wiederholt als Persönlichkeit antreffen, von welcher Waffenstücke erworben wurden, hat nicht zur Bildung einer Überzeugung geführt, dass wir ihn neben seinem speziellen auch im Fach der Waffenschmiedekunst tätig zu erblicken haben.
In den Wochenzetteln von 1603—1605 wird unter Bl. 385 vom 22. Oktober 1604 von einer Auszahlung von 828 fl. 12 gr. berichtet, an «Heinrich Knopf von Münster in Westfahlen vor einen getriebenen vergüteten kürass samnit einem satl, so der churfürst zu Sachsen für s. churfürstlichen gnaden geliebten bruder herzog Johann Georgen leib erkaufen lassen6». Wenn man nun die Autorschaft der Dresdener Harnische auf alle diese Argumente hin annimmt, so ist einiges dazu zu bemerken: Es ist gar nicht vorauszusetzen, dass Heinrich den glatten Harnisch selbst geschlagen hat; er konnte sich denselben ganz wohl in Augsburg, Nürnberg oder anderswoher bezogen haben; die korrekt handwerksgerechte Ausführung desselben spricht sehr dafür. Auch der Entwurf der Ornamente muss nicht notwendig seinem Geist entsprungen sein, und es kann die Zueignung v. Hefners an Christof Schwarz ganz gut daneben bestehen, wenn v. Hefner einen gültigen Beweis für seinen Meister zu liefern im Stande ist. Das repousser aber, die Ausführung in Treibarbeit, ist allen Anzeichen nach ein Werk Heinrich Knopfs, wenigstens steht dieser Zuschreibung an ihn gar nichts, am allerwenigsten seine Beschäftigung als Medailleur, entgegen.
1 Dieser Harnisch wurde noch vor Kurzem als eine Arbeit um 1550 datiert und nach Zeichnungen Benvenuto Cellinis (!) gefertigt angegeben. Er ist in der Tat nicht älter als 1600.
2 Uhlirz K., Reg. aus dem Archive der Stadt Wien. Jahrbuch d. kunsthist. Sammlungen Bd. XVIII.
3 Hettner Herrn., Heinrich Knopf ein Plattner? Zeitschr. f. bildende Kunst, Bd. VIII, S. 151.
4 Nordhoff J. B., Die Künstlerfamilie Knop. Zeitschr. f.bildende Kunst, Bd. XI, S. 220.
5 Erman, Deutsche Medailleure, Berlin 1884, S. 76 f.
6 Hettner, 1. c. Wertvolle Beiträge hat über Heinrich Knopf auch Herr Professor Marc Rosenberg diesgelegentlich für mich gesammelt, für welche kollegiale Unterstützung ich hier meinen verbindlichsten Dank ausspreche.
Wenn nun selbst bei oberflächlicher Betrachtung des herrlich schönen Prunkharnisches im Besitz Seiner königlichen Hoheit des Großherzoges Karl Alexander von Sachsen-Weimar, welchen wir hier in ganzer Gestalt (Fig. 1) und dessen Brust- und Rückenstück in einigen Details (Fig. 2 und 3) unseren Lesern vorführen, die volle Überzeugung aufleben muss, dass derselbe der gleichen Meisterhand entstammt, wie zum Wenigsten die beiden genannten Dresdener Harnische, so ist damit auch ausgesprochen und wohl nahezu erwiesen, dass er von Heinrich Knopf, damals in Münster, gefertigt und erworben wurde.
Um einen vollen Beweis zu schaffen, ist es unbedingt nötig, die einschlägigen Urkunden im vollen Wortlaut irgendwo zu bringen; das ist in dieser Angelegenheit bisher nicht geschehen. So berichtet Erbstein, dass «urkundlich» erscheint: es sei der Harnisch Herzog Johann Georgs I. (Nr. 12) von «Anthoni Pfeffern» zu Augsburg geschlagen worden. Ehrenthal erwähnt diese Stelle nicht; aber gerade sie ist wichtig, weil sie erkennen lässt, dass Peffenhauser doch an dieser Arbeit beteiligt gewesen sein könnte. Heinrich Knopf und auch andere Goldschmiede, welche die dekorative Ausstattung in Treibarbeit besorgten, waren eben keine zünftigen Plattner und wohl kaum im Stande, einen glatten Harnisch in handwerksmäßiger Korrektheit zu fertigen. Sie ließen sich daher entweder auf ihre Rechnung einen glatten Harnisch von einem Plattner fertigen, um selben in Tausia und Treibarbeit zu verzieren, oder nahmen den Auftrag eines Plattners zu gleichem Zweck entgegen. Beides scheint da der Fall gewesen zu sein. So konnte es kommen, dass in einem und demselben Gegenstand zwei Meister beteiligt erscheinen, ein Plattner und ein Goldschmied, und es kann an einem ersichtlich dem Knopf zuzuschreibenden Harnisch der Name Peffenhausers ganz wohl danebenstehen, wenn letzterer der Verkäufer desselben war.
Um den Beweisring vollends zu schließen, wäre freilich, wie eingangs erwähnt, eine fachliche Durchforschung der großherzoglichen Archive und vorzüglich der Rechnungsakten überaus wünschenswert.
Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. I. Band. Heft 4. Dresden, 1897-1899.