Von Hermann van Duyse in Brüssel.
Wir müssen jedenfalls einen Unterschied zwischen dem Lieferanten machen, welcher Waffen verkaufte, und demjenigen, der sie verfertigte. Händler verkauften Degenklingen, welche, obgleich von ihnen in Solingen oder Toledo angekauft, dennoch mit der Adresse, des Verkäufers, mit seiner Firma, wie wir heute sagen würden, bezeichnet waren. — Die Geschichte der mit der Waffenschmiedekunst zusammenhängenden Gewerbe ist noch beinahe völlig unbekannt; es ist also nicht unmöglich, dass irgendeine deutsche, spanische, oder italienische Fabrik in —sagen wir in Paris, um nur einen solchen Welthandelsplatz zu nennen — eine Verkaufsstelle offen gehalten hätte.
Vor mir liegt ein Paradedegen mit Messinggefäß, im Geschmack der Zeit Ludwigs XV.; die Klinge hat die sogenannte «Königsmark»-Form, sie ist gezeichnet: «Aubertelle Md. Fournisseur, grande tue Taranne, Faubourg St. Germain á Paris» und neben dem Griff: «In Solingen». — Diese Inschriften in französischer Sprache auf Klingen, die aus Solingen kommen, sind so wenig selten, dass schon die bescheidensten Sammlungen Beispiele der Art bieten. Ich brauche daher wohl diesen Punkt nicht näher zu begründen.
Die Fabrikanten fertigten die Klingen in der Größe und Form an, welche ihnen durch ihre Auftraggeber vorgeschrieben wurde und verschickten sie «bundweise». Andere Handwerker wieder versehen die Klingen mit Griff und Scheide je nach dem Geschmack der Käufer, und die Art der Anfertigung vieler Degen aus dem 18. Jahrhundert mag daher die üblichen Verzierungen und die Facon in rein französischem Stil zeigen, während dennoch die Klinge das Zeichen einer Solinger Fabrik oder wenigstens den Namen dieser Stadt aufweist. Ich füge noch hinzu, dass der Käufer, welcher in der Lage war, sich die Ausstattung der Waffe nach seinem Geschmack, seinem Wuchs usw. zu bestellen, die Klinge gleichfalls wählte, wie sie ihm gefiel, ehe der Ziseleur begann, den Griff zu verzieren oder zu befestigen.
Dass dem so war, beweisen viele Degenklingen aus dem 18. und selbst schon aus dem 17. Jahrhundert, welche den Stempel ihres Verfertigers auf der sogenannten «Angel» tragen, einer Spitze, welche in dem Griff verschwindet, so bald derselbe befestigt ist. Diese Beobachtung trifft im 18. Jahrhundert eben sowohl bei den Erzeugnissen aus Toledo, wie bei denen aus Solingen zu. Häufig verfiel man darauf, die ganze Klinge oder einen Teil derselben mit figuralen geätzten Verzierungen in Blau und Vergoldung zu bedecken, und alsbald hörte man auf, den Namen des Verkäufers und den Herstellungsort auf die Klinge zu ätzen, um nicht die Formenschönheit der hübschen dreieckigen Klingen mit den nach innen zierlich gewölbten Flächen zu zerstören. Andererseits aber legte der Käufer hohen Wert darauf, völlig beruhigt zu sein über die «Echtheit» einer Waffe, die ihm ein Handwerker verkaufte, von dem man wusste, dass er durchaus unfähig sei, die eigenartige Arbeit des Schmiedens und Härtens auszuführen, welche bei Hiebwaffen unumgänglich nötig ist. Da der Stempel des Verfertigers auf der Angel zur Bestätigung des Ursprunges genügte, war es dem Fechter, wenn er einmal seine Wahl getroffen hatte, sehr gleichgiltig, ob die Befestigung des Griffes zu erkennen verhinderte, dass die Waffe den Stempel irgendeiner deutschen, spanischen oder italienischen Werkstätte trug.
Dies sind freilich Erörterungen sehr alltäglicher Art, und ich würde nicht daran gedacht haben, sie hier vorzubringen, wenn nicht ein so allgemein bekannter Umstand im gewissen Grad zur Erklärung eines sehr alten Textes dienen könnte, welcher wohl einer Erläuterung bedarf.
Margarethe, Gräfin von Flandern, verlieh im Monat Mai 1270 der Stadt Termonde das Recht auf die sogenannten Toulieuschen Zölle für die Schifffahrt auf der Schelde. Dabei finde ich folgende Handelsartikel aufgezählt: «Für Bogen (archies) Antheil ... ... Vier Heller «Für Degen (espees) » .... Item «Für Griffe (pumiaus) » .... Item «Für Eisenkappen (capiauxdefer) Antheil Item «Für Panzerhemden, wenn sie Zwischenhändlern gehören, Antheil . . Item» Demnach führten die Termonder verschiedene Gattungen Waffen vom Ausland ein; die Panzer, welche zollfrei waren als Stücke, die zur Ausrüstung eines Soldaten notwendigerweise gehörten, wurden besteuert, sobald sie durch Kaufleute (marcants) eingeführt wurden. Der Zolltarif erwähnt ferner gesondert die «Degen» und die «Griffe». Nun wage ich zwar nicht zu behaupten, dass man unter «Degen» nur eine Klinge, kurz und bündig1, verstand; aber es ist doch auffallend, den Griff, einen so unentbehrlichen Bestandteil der Hiebwaffe im 13. Jahrhundert, als einen von dem Degen ganz getrennten Artikel bezeichnet zu finden.
Ließe sich nicht die Vermutung aufstellen, dass schon in dieser frühen Epoche die Klingen, in verschiedenen Ländern in anerkannter Vorzüglichkeit hergestellt, durch die flandrischen Bürger «bundweise» angekauft und dann erst mit Griff und Scheide usw. versehen wurden? Ich weiß wohl, dass die Chronisten jener Zeit, sowie die Dichter und die «trouveres» von den Schwertern ihrer Fürsten und Helden ziemlich pomphafte Beschreibungen liefern; sehr häufig ist dabei «das Gefäß von Gold und der Knauf von Kristall». Im Allgemeinen aber sind die Waffen im 12., 13., und 14. Jahrhundert von einer Einfachheit, die jenen Beschreibungen gar wenig entspricht. Die größtenteils von Ausgrabungen herrührenden Schwerter, welche in unseren Museen aufbewahrt werden und einer entlegenen Epoche entstammen, sind in ihrer Ausstattung äußerst einfach. Der erste beste Schmied, der ungeübteste Erzschmelzer war bald damit fertig, die Kreuzgriffe und die Knäufe in Eisen oder Bronze an diese Schwerter anzuschmieden, deren einziger Luxus darin bestand, aus tadellosem Stahl geschmiedet, sorgfältigst geschweißt, von vollendeter Härte und wohl ausgeklügelter Form zu sein. Wenn ein Krieger von hohem Rang eine glänzendere Ausschmückung verlangte, so verfehlten Ziselierer und Goldschmiede nicht, die Gefäße dieser Schwerter reich mit Email und geschnittenen Steinen zu verzieren, obgleich ihr einziger, wahrer Wert in der Klinge bestand, wie kostbar man auch alles Zubehör ausschmücken mochte.
Verdient eine Vermutung, wie sie durch den Wortlaut des Zolltarifs von Toulieu begründet erscheint, welcher sich im Archiv von Termonde befindet, die Leser des Blattes zu beschäftigen, für welches ich zu schreiben die Ehre habe? — Vielleicht nicht; allein dies Blatt ist gegründet worden, um vereinzelte Auskünfte und die Bestrebungen einsamer Forscher zusammenzustellen, zum Zweck der Bildung eines zusammenhängenden Ganzen, welches zunächst nur Vermutungen, dann Beweise bringen soll, aus welchen sich dann eine Gewissheit ergeben könnte.
In der Wissenschaft ist keine Frage so unbedeutend, dass ihre Lösung nicht dennoch interessieren würde. Aber ach! das Sprichwort sagt: Ein Thor frägt in einem Augenblick mehr, als sieben Weise in einem Jahre beantworten können! -— Leider!
1 Die betreffenden Worte des französischen Manuskripts sind unleserlich.
Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. I. Band. Heft 3. Dresden, 1897-1899.