Von Dr. Georg Petzsch in Dresden.
Im vergangenen Jahr erwarb der Verfasser dieser Zeilen einen aus dem sächsischen Erzgebirge stammenden roh geschmiedeten, flachen Eisenring von 6 mm Dicke, dessen Ober- und Unterseite mit eingeschlagenen alten Zeichen und Inschriften bedeckt sind. Der äußere Durchmesser des nicht ganz regelmäßigen Ringes beträgt 20 mm, die Breite der horizontalen Oberflächen 20 mm. Auf der einen Seite steht in zwei parallelen Reihen die längs der Peripherie angebrachte Inschrift: IN 99 IHAR EIN GROS STERWEN WAR VNT VERPRANT TIE STAT CHISTOP PFLVCKPEIL NICHEL PEIER HAMPERSMEISTAR (Fig. 1 u. 2).
Die andere Seite enthält einundzwanzig tief eingeschlagene Marken, zwischen denen die Jahreszahlen 1586 und 1609 erscheinen. Betrachtet man zunächst diese Marken, so ergibt sich schon aus ihrer Gestalt und Größe mit Sicherheit, dass man es mit den Stempeln von Schmieden zu tun hat. Einige von ihnen weisen Figuren auf, die schon in früher Zeit, bis in das 15. Jahrhundert hinein von Waffenschmieden geführt worden sind. Dem Aussehen nach ähneln die einundzwanzig Zeichen zum Teil den aus geraden Linien kombinierten Hausmarken und Steinmetzzeichen; zum Teil sind sie erkennbare, wenn auch rohe Bilder von Gegenständen aus der Natur und dem täglichen Gebrauch. Da ist ein Kleeblatt, ein Wiederkreuz, ein Rad, ein Kesselhaken, zweimal ein Säbel (Dusägge), die gekreuzten Kurschwerter u. a.; auch der Buchstabe A ist als Marke vorhanden.
Welchen Zweck hatte nun die Anbringung und Zusammenstellung der vielen Schmiedemarken auf dem flachen Ring? Sehen wir, ohne vorderhand die Reversseite des Ringes zu berücksichtigen, unbefangen den Gegenstand an, so ist ohne weiters die Absicht erkennbar, die abgebildeten Zeichen durch Einschlagen in das harte, der Vergänglichkeit widerstehende Material für längere Zeit zu erhalten und ihre Größe und Form genau zu bewahren. Das größte Interesse an dieser Konservierung mussten naturgemäß diejenigen haben, welchen die Marken angehörten, also die betreffenden Schmiede, beziehungsweise die Innung, die sie vereinigte. War etwa der Ring mit den Zeichen der verschiedenen Meister in der Verwahrung der Innung, so konnte leicht auf Grund dieses «Markenschutzes» eine Fälschung nachgewiesen oder ein zerschlagener Stempel durch einen neuen, genauso geformten ersetzt werden.
Dass solche behördliche Markenschutzeinrichtungen wenigstens in anderen Handwerken schon frühzeitig bestanden, möge folgende Stelle aus dem Ratbuch 20 des königlichen Archivs zu Nürnberg, Folio 1951, beweisen, welche
eine Verbesserung der Goldschmiedeordnung durch die Bürgermeister Volkamer und Imhof vom 15. Januar 1541 meldet: «Und soll ein jeder Maister, der jetzo ist, und fürderhin zu Maister gemacht wird, der von selber arbeiten will, soll sein Zeichen aufs geschmeidigst es sein kann, in ein puntzel schneyden und dermaassen verschiedlich fürnemen, des keins dem andern (Meister) gleich, sondern wohl von einander zu erkennen sei, wann volgendt derselben punzelt durch die geschwornen Maister vnd den Gwardein in der Schau in zwo dazu verordnete gleichförmig pleyerne platten gestampftt oder geschlagen, auch dasselben Meisters Tauft’ vnd Zunamen sambt seinen Zeichen in zwo püchlein vnd in jeder sonderlich geschrieben vnd verzeichnet vnnd allweg das eine pley vnnd püchlein durch die geschwornen Meister und das andere durch den Gwardein in der Schaw behalten vnd bewahrt werden.» —
Wahrscheinlich hat also auch zu dem eisernen Ring ein geschriebenes Register mit den Namen der Schmiede, die jene Marken führten, gehört. Es entstand nun die Frage, wo der Sitz dieser Schmiedeinnung war. Dass er innerhalb Sachsens zu suchen war, legten außer der mündlichen Überlieferung die auf dem Ring geprägten Kurschwerter nahe. Zur näheren Bestimmung half die Inschrift auf der Reversseite des Ringes, welche von dem großen Sterben und dem Stadtbrande im 99. Jahre, also 1599, erzählt; die Erwähnung der zwei Hammermeister deutete auf eines der vielen Hammerwerke im Erzgebirge. Die erste sichere Nachricht bot endlich ein kurzer Aufsatz im Jahrgang 1738 der «Curiosa Saxonica» (S. 218): «Allerley historische alte Nachrichten von Purschenstein und Sayda im Sächsischen Ertz-Gebürge, auch dasiger Gegend», in welchem der bedeutungsvolle Satz vorkam: «Anno 1599, sind in Saydischen Kirchspiel 950 Personen an der Pest gestorben, den 30. October in diesem Jahre war der grosse Brand, so durch die Todten-Gräber auskommen, welcher die gantze Stadt samt der Kirchen, Pfarre, Schule und Rathhauß, nebst allen Glocken verzehret.»
Die einzige Chronik von Sayda, welche existiert, das im Jahre 1888 von dem Ratskontroleur Paul Eckardt zusammengestellte Schriftchen: «Sayda im Jahre 1887. Ein Beitrag zur Heimathskunde, zugleich Verwaltungsbericht auf die Jahre 1886/1887», vervollständigt in ihrem geschichtlichen Teil (S. 6 ff.) diese Notiz noch etwas. Ihr zufolge sind die Jahre 1598 und 1599 für Sayda durch die Pestilenz, welche elfhundert Menschen wegraffte, und durch die furchtbare Feuersbrunst in dem letztgenannten Jahre verhängnisvoll gewesen. Der Brand entstand am 31. Oktober abends 6 Uhr in der Totengräberwohnung, welche damals als Lazarett diente, und griff, da nur wenige gesunde Leute zum Löschen vorhanden waren und die Bewohner der nächsten Umgebung aus Furcht vor der Pest nicht zu Hilfe kamen, innerhalb drei Stunden so um sich, dass die Stadt gänzlich in Asche gelegt wurde. War es nun durch die Übereinstimmung der Nachrichten in der Chronik und auf dem Eisenringe unzweifelhaft festgestellt, dass der letztere aus der Stadt Sayda im Erzgebirge stammte, so fand dieses Ergebnis eine erfreuliche Ergänzung in der Tatsache, dass sich in der genannten Stadt ein Petschaft auffinden ließ, welches drei Jahrhunderte hindurch gemeinsam mit dem Ring aufbewahrt worden war und wie dieser zum früheren Besitz des Schmiedehandwerks dieser Stadt gehörte. Dieses Innungssiegel zeigt innerhalb eines Wappenschildes zwei kreuzweise gelegte Schlüssel, von einem Hufeisen umgeben, und dabei die Inschrift: s(iegel) D(es) G(uten?) SCHMIDS v(nd) SCHLOSER HANTW(erks) z(u) SADA, nebst der Jahreszahl 1560. Obwohl dieses Siegel nur die Schlosser und Hufschmiede benennt, so ist doch anzunehmen, dass es in der Innung auch Waffenschmiede gab, welche aber vielleicht ihrer geringen Zahl wegen keine selbstständige Zunft bildeten; denn ein Teil der auf dem Ring eingeschlagenen Marken ist als auf Stangenwaffen vorkommend bekannt. Im Besitz des königlichen historischen Museums in Dresden findet sich z. B. eine Marke auf dem Schwert 15 im Saal A, eine zweite auf einer Wurfaxt im zweiten Feld des Saales G.
Es ist wahrscheinlich, dass die Inschrift von 1599 auf der ursprünglich freien Reversseite des Ringes aus chronikalischem Interesse in dem harten, gegen die Vergänglichkeit widerstandsfähigen Material verewigt wurde, um die verhängnisvollen Ereignisse dieses Jahres dem Gedächtnis der Nachwelt zu erhalten, dass sie somit nicht in innerem Zusammenhang mit dem Avers steht, auf welch’ letzterem man schon spätestens 1586 die Stempel einzuschlagen begann.
Welchem Hammerwerk die zwei auf dem Ring genannten Meister vorstanden, konnte noch nicht ermittelt werden; vielleicht hat in Sayda selbst eines der vielen im Anfang des 16. Jahrhunderts von der Familie v. Elterlein im Erzgebirge gegründeten Werk bestanden. Die Pflugbeil sind ein erzgebirgisches Geschlecht, 1581 erscheint ein Pflugbeil aus Chemnitz und noch 1744 je einer aus Mauersberg und Kühnheide, beide im Amt Wolkenstein gelegen.
Die Aufmerksamkeit der sächsischen Fachgenossen sei zuletzt auf die mit a bezeichnete Marke gelenkt, hinsichtlich welcher der Verfasser dieses vermutet, dass sie das Wappen und Beschau der sächsischen Bergstadt Brand bedeute (Fäustel und Schlegel gekreuzt, zwischen Rosen oder Rosetten stehend), wie dasselbe von 1515, dem Gründungsjahr der Stadt, bis 1833 aussah; schon die heraldische Kartusche des Stempels lässt im Gegensatz zu den Umrahmungen der anderen Marken, welche die einfache Kasten- oder Bienenkorbgestalt zeigen, die Nachbildung eines Wappens vermuten.
1 Notiz aus dem erläuternden Anhang zu den «Hervorragendsten Kunstwerken der Schatzkammer des österreichischen Kaiserhauses» von Quirin Leitner mitgeteilt in dem anonymen Aufsatz: «Ueber die Bedeutung der auf den in Nürnberg gearbeiteten silbernen Gefässen vorfindlichen Zeichen» (Zeitschrift für Museologie und Antiquitätenkunde, Jahrgang 1880, Nummer 13, S. 5).
Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. I. Band. Heft 2. Dresden, 1897-1899.