Von Josef Hampel in Budapest.
Das schöne Schwert gotischer Form, welches wir, dank der liebenswürdigen Zuvorkommenheit des Direktors v. Ehrenthal, in gelungener Abbildung (Fig. 1 bis 5) hier vorlegen, ist nicht nur eines der prächtigsten Stücke des an Merkwürdigkeiten so reichen historischen Museums in Dresden,1 sondern es ist ein historisches Denkmal im vollsten Sinne des Wortes, und zwei Länder, Sachsen und Ungarn, haben daran ein weitgehendes Interesse. Sachsen deshalb, weil damit am 1. August 1425 Herzog Friedrich von Sachsen, Markgraf zu Meißen, mit der Kurwürde belohnt wurde, Ungarn hinwieder, weil dieser wichtige Akt in Ofen, der damaligen Residenz des Königs von Ungarn und (seit 1419) römisch-deutschen Kaisers Sigismund, stattfand und mit großer Wahrscheinlichkeit zu erweisen ist, dass die Prachtwaffe dort erzeugt wurde, wo sie zuerst zur Verwendung kam.
Die Länge des Schwertes beträgt 117 cm, die Länge des Griffes 28,5 cm. Die 24,5 cm langen Parierstangen haben die Form von beiderseitig je einem geradestehenden knorrigen und am Ende abgehackten Ast, die mit vergoldetem Silber plattiert sind. Den Knauf bildet eine kreisförmige Kristallscheibe von 6 cm Durchmesser, beiderseits mit je einem eingelegten kleinen Goldmedaillon verziert, auf deren einem der deutsche Reichsadler, auf dem andern das vereinigte ungarische und böhmische Wappen in Emailfarben dargestellt ist (Fig. 1 und 2).
Die Angel ist mit Holz verkleidet und mit vergoldetem Silberdraht umsponnen, der an den beiden Enden und der stärksten Anschwellung reiche Verflechtungen zeigt. Die Taschenscheibe an der Basis der Querstange ist jetzt glatt, war aber nach aller Wahrscheinlichkeit mit Email überzogen. Die ausgezeichnete Klinge ist 90 cm lang, an der Basis 5,8 cm breit, verengert sich gleichmäßig bis zur Spitze und hat zwei eingeschliffene Blutrinnen; sie führt ein mit Messing eingelegtes Wolfzeichen, welches auf Fig. 1 ersichtlich wird.
Bereits W. Boeheim hatte von diesem Wolf bemerkt, dass es nicht der bekannte Passauer Wolf sei, und Ehrenthal hatte beigefügt, dass die Klinge wohl ungarischen Ursprunges sein könne. Dadurch wurde Herr Geza Nagy, Kustos der Waffensammlung des ungarischen Nationalmuseums, veranlasst, nach ähnlichen ungarischen mittelalterlichen Klingen Umschau zu halten, um aufgrund von Analogien die Frage nach dem Ursprung der Klinge des Kurschwertes womöglich ins Reine zu bringen.2 Er fand das Wolfszeichen in Ungarn auf Klingen seit der Mitte des 14. Jahrhunderts und konnte davon zweierlei Varianten konstatieren.
Die eine Variante vertritt der Wolf(?) auf dem Schwert des Kinizsi im ungarischen Nationalmuseum (Fig. 6). Das Schwert wurde seinerzeit dem Grab des bekannten Nationalhelden (15. Jahrhundert) entnommen, doch hatte es dessen Besitzer am Anfang des laufenden Jahrhunderts mit einem neuen Griff und Parierstangen versehen lassen. Die dreifache Blutrinne lässt vermuten, dass die Klinge italienischen Ursprunges sei, und die Form des Tieres stimmt überein mit derjenigen der Tierstempel auf Klingen ähnlicher Provenienz im Wiener und Budapester Museum. Ein solches Schwert mit dem Tierzeichen in vergrößertem Maßstab in dem Wiener Waffenmuseum wiederholen wir aus Leitners bekanntem Werk (IX, 6) Fig. 7.
Die andere Variante zeigen zwei Schwerter des ungarischen Nationalmuseums (Fig. 8 und 9). Es sind Zweihänder, wie sie seit dem 14. Jahrhundert etwa bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts in Gebrauch standen. Der Stempel zeigt ein laufendes schlankes Thier, das ebenso gut ein Wolf als ein Windspiel oder Leopard sein könnte. Einmal (Fig. 10) kommt dieser Stempel zusammen mit einem Wappenstempel vor, auf einem Doppelhänder des ungarischen Nationalmuseums, und in derselben Sammlung kommt dasselbe Wappen einmal auch allein auf einem gleichzeitigen Schwert vor (Fig. 11).
Dieses nun sowie ein anderes Schwert des ungarischen Nationalmuseums mit dem ungarischen Doppelkreuz (Fig. 12) sind unzweifelhaft ungarländische Erzeugnisse, und vermutlich sind auch die übrigen Stücke einheimische Arbeit, wodurch mit Wahrscheinlichkeit erwiesen würde, dass das «Wolfszeichen», allerdings in veränderter Form, auch von ungarischen Waffenschmieden etwa gleichzeitig mit dem Passauer Zeichen verwendet wurde. Auch die nähere Provenienz lässt sich in einem Fall sicherstellen. Das Doppelkreuz in einem Wappen (Fig. 12) ist vermutlich das Wappen der Stadt Leutschau (Löcse) in Oberungarn, und Herr Nagy behauptet mit gutem Recht, dass das Wappen mit dem gesprenkelten Querbalken (Fig. 10) dasjenige der Bannerherren Mokian und Amadeus aus dem Geschlecht der Aba sei, welches in Oberungarn, besonders in den Gegenden der Eisenproduktion bedeutende Besitzungen hatte. Auch vermutet er, dass Kaschau das Zentrum dieser Schwertfabrikation am Anfang des 14. Jahrhunderts zur Zeit des Palatins Amadeus war.
Er glaubt, dass die Schwertfeger von Kaschau den Passauer Wolf als Zunftzeichen verwendeten, und dass auch die Klinge des Kurschwertes Kaschauer Erzeugnis sein könnte; wenngleich zugestanden werden muss, dass ein Wolfszeichen, das dem auf dem Kurschwert in jedem Betracht gleicht, unter den heimischen derlei Figuren noch nicht eruiert werden konnte.
Nichts geringeres Interesse als das Schwert verdient die prachtvolle Scheide (Fig. 5). Sie ist mit Karmesin-rotem Samt bekleidet und mit vergoldetem Silberblech belegt, welches in seiner ganzen Ausdehnung reiche und geschmackvolle Goldschmiedearbeit bedeckt, von welcher die hier beigeschlossene Autotypie einen ziemlich guten Begriff vermittelt. Sowohl die Öffnung der Scheide, als auch das Schlussstück sind mit emaillierten Blumengirlanden verziert, und ähnliche Girlanden verzieren die ganze dazwischenliegende Fläche als schrägstehende parallele Bänder, deren äußerer Umrahmung immer beiderseits aus vergoldetem Silber getriebene, reihenweise gestellte Krabben entwachsen. Die Farben des Drahtemails sind weiß, rot und grün, welch’ letztere als Hintergrund erscheint, während in den Drahtkonturen der größeren Rosetten weißes, in denen der kleineren Rosetten rotes Email eingebettet ist. Das Zentrum der fünfblättrigen Blüten bedeckt stets ein grüner Emailfleck. Zierliche Seitenblätter und Spiralranken füllen die Zwischenräume von Blüte zu Blüte. Die eigentümliche Verzierungsweise, welche wir hier in glücklicher Verwendung als buntes Flächenornament erblicken, ist in Ungarn wohlbekannt, weil es die Goldschmiede Ungarns über ein Jahrhundert hindurch auf kirchlichen und profanen Werken mit vielem Geschmack verwandten.3
Bereits in der unter dem Text erwähnten Abhandlung hatte ich die Dresdener Schwertscheide dem Inventar der ungarischen Drahtemailwerke einverleibt, doch war zu jener Zeit das Datum des Dresdener Schwertes noch nicht richtig erkannt. Die richtige Datierung, auf 1425, verdanken wir dem jetzigen verdienstvollen Vorstand des historischen Museums in Dresden. Dieses Datum ist auch für die Geschichte des ungarischen Drahtemails von großer Wichtigkeit; denn dadurch wird die Dresdener Scheide an die Anfangsentwicklung des Drahtemails in Ungarn gestellt, und zugleich gibt das bereits formvollendete Denkmal einen Fingerzeig dafür, wie der Zusammenhang dieser schönen Goldschmiedetechnik mit dem Ursprungsort derselben, mit Friaul und Venedig zu denken ist.4
Herr Eugen von Radisics hat vor Jahren nachgewiesen, dass die erste Heimat des Drahtemails in Friaul und Venedig zu suchen sei, wo er eine Reihe von Denkmälern aus dem Ende des 14. Jahrhunderts nachwies, welche samt und sonders Namensbezeichnungen der Goldschmiedefamilie da Sesto aufweisen.
Es war dies ein zahlreiches Künstlergeschlecht, dessen Vertreter sowohl in der Zecca der mächtigen Dogenstadt, als auf vielen Gebieten der edlen Goldschmiedekunst sich hervortaten. Bei den vielfachen Verbindungen, welche die ungarischen Könige des Hauses Anjou, sowie auch König Sigismund mit der Dogenstadt unterhielten, liegt die Vermutung nahe, dass irgendein diesem Geschlecht angehörender Meister, wie auch viele andere dieses Zeichens, angezogen von königlicher Gunst, sich in dem italienischen Viertel der Ofner Königsstadt niederließ und daselbst die neue Emailtechnik einbürgerte, welche hier Generationen hindurch zu hoher Blüte gelangte, während sie am Ursprungsort rasch ausstarb.
Es fehlen noch dokumentierte Nachweise für diese Annahme, doch wenn sie sich auch nicht fänden, so müsste die Goldschmiedearbeit an dem schönen Kurschwert jeden Kenner dazu bewegen, anzuerkennen, dass sie würdig wäre, der Werkstätte eines da Sesto zu entstammen.5
1 ) M. v. Ehrenthal, Führer durch das konigl. bist. Museum zu Dresden, S. 10, Nr. 34.
2) Vgl. G. Nagy’s Aufsatz, Arch. Ert. 1894, 315—323.
3 Hampel, Das mittelalterliche Drahtemail, Budapest 1888.
4 Vg). Arcli. Ert. 1891, 432—434; ferner Arch. Ert. 1894, 324—325.
5 Wir verdanken die Cliches zu diesem Aufsatz der Redaktion des «Archaeologiai Ertesitö», wo dieselben zuerst erschienen.
Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. I. Band. Heft 4. Dresden, 1897-1899.