Von Wendelin Boeheim.
Im XVI. Band des Jahrbuches der kunsthistorischen Sammlungen zu Wien1 hat der Schreiber dieses Berichtes unter anderen Nürnberger Waffenschmieden auch den seinerzeit so berühmten Plattner Konrad (Kunz) Lochner, geboren um 1510, gestorben 1567, in nähere Betrachtung gezogen, dessen bis jetzt bekannt gewordene Werke angeführt und teilweise beschrieben. Unter diesen Arbeiten hat der Verfasser auch jenen unvergleichlich schönen Harnisch auf Mann und Ross erwähnt, welcher gegenwärtig eine Perle der königlichen Leibrüstkammer zu Stockholm (Kat. 12) bildet, aber er war damals nicht imstande, eine Abbildung desselben seiner Abhandlung beizugeben. Seitdem gelang es ihm aber, eine Fotographie dieses Prachtwerkes Nürnberger Waffenschmiedekunst zu erhalten, welche er der besonderen Güte und Kollegialität des Intendanten des dortigen Museums Herrn C. H. Ossbahr verdankt, und nimmt nun Gelegenheit, selbes nachträglich unseren Mitgliedern in Abbildung vorzuführen und einige erklärende Bemerkungen beizufügen.
Der Harnisch auf Mann und Ross, nach seiner Form um das Jahr 1550, also der Regierungsperiode König Gustavs I. datierend, ist durch seine überaus reiche dekorative Ausstattung bemerkenswert. Den Grund bildet ein Muster von in Ätzarbeit dargestellten feinen Schnecken in Silber, deren Vertiefungen mit Kaltemail in Weiß ausgefüllt sind. Über diesen Grund ist ein Bandornament gelegt, welches teils in Kaltemail schwarz gehalten, teils vergoldet ist. Der Harnisch für den Mann besitzt einen burgundischen Helm mit niederem Kamm. Die geschobenen Achseln besitzen Brechränder. Die Brust zeigt noch den charakteristischen Tapul, der jedoch bereits von der Mitte nach abwärts gerückt erscheint. Die Eisenschuhe sind der natürlichen Fußform entsprechend gestaltet. Der Harnisch für das Ross deckt das letztere in ganzen Platten. Die ganze Rossstirn mit buckelförmigen Augendächern hat über dem Nasenbein eine hohe Auftreibung. Bemerkenswert und dem Meister eigentümlich sind die Ohren durch schneckenförmig eingerollte Hörner gedeckt, welche vergoldet sind. Auf der Rossstirn erblickt man eingeschlagen das Zeichen der Nürnberger Beschau, ferner die Meistermarke, einen aufsteigenden Löwen nach rechts gewendet, in einem Renaissance-Wappenschild.
Die Halsdecke (Kanz) ist geschient, der Fürbug, nach vorne geschweift, hat nur schwache Streifbuckel, das Gelieger besteht aus aneinander genieteten, am Unterrand nach vorn geschweiften Platten. Ganz gleich ornamentierte einzelne Stücke finden sich auch in anderen Sammlungen, wie ein Rennhut im Musée d’Artillerie in Paris (H. 52) und andere Wechselstücke in der Sammlung W. H. Riggs. Ein halber Harnisch des Niclas Christof von Radziwil, Herzogs von Olyka (geb. 1549, gest. 1616), in der Waffensammlung des kaiserlichen Hauses zu Wien (Saal XXXII, 716) ist ebenfalls ganz gleich den vorgenannten Objekten ornamentiert, mit dem einzigen Unterschied, dass das übergelegte Bandornament Schwarz-Rot und Gold wechselt, durch welche Veränderung dasselbe koloristisch noch wirksamer erscheint.
Es wäre nun naheliegend, auch diesen Harnisch Konrad Lochner zuzuschreiben. Die allgemeine Form wäre den Arbeiten dieses Meisters nicht geradezu widersprechend, ja es treten auch die Brechränder hier wieder auf, an deren Beigabe Lochner mit vieler Zähigkeit festhielt. Auch das Kaltemail finden wir bei Arbeiten Konrads wiederholt angewendet, aber das Werk selbst ist doch bedenklich jung, es datiert frühestens von 1570. Konrad ist aber schon 1567 gestorben und wurde nach dem Nürnberger Todtengeläutbuch am 19. August begraben, damals zählte Radziwil erst 18 Jahre. Es ist demnach nur anzunehmen, dass dieser letztere Harnisch, welcher leider keine Marke trägt, von Konrads jüngerem Bruder Hans gefertigt wurde, über dessen Lebensverhältnisse und Wirken wir noch zu wenig unterrichtet sind.
1 Wendelin Boeheim, Nürnberger Waffenschmiede und ihre Werke in den kaiserlichen und in anderen Sammlungen, S. 364.
2 Es war sicher einst ein ganzer Harnisch, dessen Beinzeug jedoch schon in alter Zeit in Verlust geraten ist. Er kam noch zu Lebzeiten Radziwils, vermutlich 1582, in die Sammlung nach Ambras und ist bereits in Schrencks Heldenbuch als halber Harnisch dargestellt. In seiner jetzigen Gestalt ist er in dem oben zitierten Jahrbuch bei der angegebenen Abhandlung Boeheims abgebildet (Fig. 27).
Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. I. Band. Heft 1. Dresden, 1897-1899.