Die Werke der Antike erschienen den Meistern der Renaissance als das unerreichbare Vorbild, ihre Darstellungen wurden unerschöpfliche Fundgruben für die Motive der eigenen Schöpfungen. Da auch das Publikum die gleiche Verehrung für die antiken Bildwerke hatte und, soweit es Originale nicht zu erwerben vermochte, Kopien derselben verlangte, kamen die Künstler diesen Anforderungen nach kleinen Nachbildungen gern nach. Trotzdem sind treue Kopien verhältnismäßig wenig zahlreich; auch ist die Zahl der Antiken, die damals nachgebildet wurden, eine auffallend beschränkte. Der Mark Aurel des Kapitols, der Dornauszieher ebenda, die Sitzende Sandalenbinderin, der Ausruhende Herkules sind die bevorzugten Statuen, die im Quattrocento [Frührenaissance] häufig wiederholt werden. Daran schließen sich im Anfang des 16. Jahrhunderts der Apollo des Belvedere und die Laokoongruppe, deren Entdeckung auf die Kunst des Cinquecento [1500] von größtem Einfluss wurde. Nur vereinzelt und in geringeren kleinen Reproduktionen finden wir Statuen wie den Nil (Abb. 2), den Apollo Sauroktonos, eine Roma (Abb. 3), das wasserschöpfende Mädchen (Abb. 1), den Vasenträger (Abb. 10), u. a. m. Mannigfacher und treuer werden die Nachbildungen erst im Laufe des 17. Jahrhunderts. Neben diesen Kopien nach bekannten Statuen finden sich vereinzelte Nachbildungen nach Antiken, deren Originale uns nicht mehr bekannt sind. Mehrere derselben waren sogar sehr beliebt, denn es sind noch Dutzende von Nachbildungen (regelmäßig von geringer Größe) bekannt; so die irrtümlich Angerona genannte Gewandfigur (Taf. XCIII) und ein sitzender Merkur; beide nach archaischen Vorbildern.
Häufiger wie solche mehr oder weniger genaue Kopien sind die freien Nachbildungen nach antiken Statuen oder Statuetten. Archäologische Treue war den Sammlern der Renaissance herzlich gleichgültig; die Künstler erlaubten sich daher gern Veränderungen nach ihrem Sinne, kopierten wohl auch nicht selten nach rohen Nachbildungen, flüchtigen Zeichnungen oder selbst aus dem Kopfe. Gelegentlich scheinen aber auch kleine Bronzestatuetten im Sinne der Antike, wie man sie damals auffasste, angefertigt zu sein, um sie bei den Sammlern als echte Antiken vorteilhaft anzubringen. Solche Fälschungen zeigen mit Vorliebe unvollständige Figürchen, die heute leicht als Fälschungen zu erkennen sind, da die fehlenden Arme meist gar nicht mit gegossen sind (Abb. 7 und Taf. CVI).
Die Künstler, welche diese verschiedenartigen Kopien und freien Nachbildungen nach der Antike anfertigten, sind nur ausnahmsweise festzustellen, wenn sie etwa ihre Arbeit — wie Filarete den Mark Aurel — bezeichneten, oder wenn sich ihre Eigenart auch in der Kopie noch scharf ausspricht. Beides ist nur sehr selten der Fall. Wir haben daher diese Gattung von italienischen Kleinbronzen hier als Gruppe zusammengestellt. Auf die verschiedenen Fragen, die sich für die Archäologen aus diesen Nachbildungen ergeben, indem sie Anhalt für die Zeit der Funde gewisser antiker Statuen bieten und gelegentlich auch Aufklärung geben über Antiken, die jetzt nicht mehr bekannt sind, können wir hier nicht eingehen, da sie unser Thema nicht näher berühren. Es soll nur bei den einzelnen Gruppen dieser Nachbildungen kurz erwähnt werden, ob und wie weit dabei die Antike benutzt worden ist, welchen künstlerischen Wert sie haben, und welcher Richtung sie angehören.
Die Zahl der hervorragenden antiken Statuen, die sich durch die Stürme der Völkerwanderung in Italien erhalten hatten oder bei Grabungen zufällig gefunden waren, war im Beginn des Quattrocento eine äußerst beschränkte: der bronzene Reiter, den man als Antonin bezeichnete, die Rossbändiger an dem danach genannten Monte Cavallo, das griechische Viergespann an der Fassade von S. Marco in Venedig, der Pasquino und einzelne Statuen wie der bronzene Dornauszieher, zu denen im Anfänge des Cinquecento namentlich die Gruppe des Laokoon und der Apoll (des Belvedere) hinzukamen. Fast alle diese Stücke sind uns in kleinen Bronzenachbildungen aus der Zeit der Renaissance erhalten. Einzelne in großer Zahl, so namentlich die Reiterstatue des Mark Aurel; doch sind nur wenige darunter künstlerisch von Bedeutung, wie z. B. Filaretes Figur (vgl. Taf. XIX) und die nahezu ein Jahrhundert später entstandene, dem Girolamo del Duca zugeschriebene Statuette (vgl. später). Die meisten sind kleine handwerksmäßige Reproduktionen, die zugleich als Gebrauchsgegenstände für den Arbeitstisch dienten, indem eine Muschel für die Tinte auf der Basis und ein kleiner Leuchter in der Hand des Kaisers angebracht zu sein pflegt. Von dem bronzenen Viergespanne an der Marcusfassade gibt es gleichfalls Nachbildungen des einen oder anderen Pferdes in zahlreichen Sammlungen; wohl das beste, besonders fein ziselierte in der Sammlung Heugel zu Paris. Gelegentlich ist das Pferd verwendet, um den Krieger von Riccio (vgl. Taf. XXX) oder sonst einen Reiter daraufzusetzen. Nachbildungen des Apoll von Belvedere, die bald nach der Auffindung im Jahre 1501 entstanden sein müssen, haben wir unter Anticos Namen erwähnt (vgl. Taf. LXVI). Vom Pasquino kommen mehrere kleine Nachbildungen vor, die wertvoll sind, weil der Torso darin noch vollständiger erscheint als er jetzt ist. Vom Laokoon, dessen Entdeckung im Anfang des 16. Jahrhunderts das größte Aufsehen erregte, ist eine kleine Rekonstruktion vor der Zusammenstellung erhalten, welche die Stellung der beiden Söhne noch ganz willkürlich gibt (Taf. LXXXIV, in guten Exemplaren in den Sammlungen Salting, Taylor, Kaiser Friedrich-Museum, Ashmolean-Museum usf.). Die tüchtigen größeren Wiederholungen, wie deren u. a. das Museo Nazionale in Florenz drei verschiedene enthält, gehören schon einer etwas vorgeschritteneren Zeit an und scheinen als Restaurationsversuche für die fehlenden Teile entstanden zu sein (Taf. LXXXIV u. LXXXV). Sie werden auf Florentiner Meister, wie Jac. Sansovino, Bandinelli u. a. zurückgeführt. Noch jünger sind die trefflichen Nachbildungen des Trunkenen Herkules in Parma im Museum zu Parma (Taf. LXXXVI) und des Silen mit dem Dionysosknaben im Louvre (Taf. LXXXVI), wie die des Apollo als Zitherspieler im Kaiser Friedrich-Museum nach einer in verschiedenen Exemplaren verbreiteten Statue, des beckenschlagenden Faun im Bargello u. a. m.
Eine antike Figur ganz nach dem Sinn des 15. Jahrhunderts war die Bronzefigur des Dornausziehers, die jetzt im Museum des Kapitols zu Rom auf bewahrt wird. Fast jede größere Bronzesammlung hat ein oder mehrere Exemplare davon aufzuweisen; die Sammlung Beit zählt sogar drei verschiedene Statuetten des Cavaspina. Wie die Zusammenstellung der verschiedenen Typen dieser Nachbildungen, die zumeist noch dem Ausgang des Quattrocento angehören, auf Taf. LXXXVII bis LXXXIX zeigt, geht die Ausführung auf verschiedene Künstler zurück. Einzelne halten sich fast treu an das Original, so die beiden Exemplare der Sammlung Morgan und Trivulzio in Mailand. Vielleicht geht eine solche auf Antico zurück, der, wie wir sahen, einen Spinario ausführte, von dem Cavalli eine Kopie anzufertigen hatte. Andere Wiederholungen geben sich durch schlankere, naturalistischere Formenbildung, durch die Detailbehandlung, namentlich durch die Behandlung des Haares deutlich als Paduaner Arbeiten zu erkennen. Der derbe genrehafte Naturalismus der Paduaner Schule verrät sich namentlich in den beiden kleinen Figürchen im Museo Nazionale zu Florenz: einem Dornauszieher und einer Dornauszieherin als Gegenstück (Taf. XC); das antike Motiv ist hier in das Bauerngenre hinabgezogen und dementsprechend auch die Formengebung eine sehr derbe.
Häufiger als große antike Statuen und weiter verbreitet über Italien waren zur Zeit der Renaissance die kleinen, meist bronzenen antiken Nachbildungen nach solchen, die von den Sammlern besonders gesucht wurden. Sie haben fast in höherem Grade als die monumentalen Werke des Altertums die Bildhauer beeinflusst und namentlich auch zu Nachbildungen angeregt. Einzelne dieser Kopien sind so treu, dass sie früher in den Museen regelmäßig unter den Antiken aufgestellt waren. Dahin gehört die in fast allen Bronzesammlungen vorkommende weibliche Gewandstatuette, die früher fälschlich als Angerona gedeutet wurde (Taf. XCIII). Ein griechisches Original des fünften Jahrhunderts ist hier in der Haltung, wie im Typus, in der Haartracht und in dem dorischen Chiton so treu wiedergegeben, dass man diese kleinen Bronzefigürchen sehr wohl für antike halten könnte, wenn sie nicht so auffallend häufig vorkämen und wenn nicht die Art des Vollgusses und der künstlichen Patina das Quattrocentro verrieten. Von ähnlichem Interesse für die Archäologie sind die Nachbildungen eines sitzenden Merkurs, von dem die eine, ohne Hut und Flügelschuhe (Taf. XCVII 1 I), gleichfalls auf ein griechisches Original der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts hinweist. Treue Nachbildung einer Plutostatuette, wie die gallisch-römische Bronze im Museum von Saint-Germain-en-Laye), ist das bärtige Bronzefigürchen im Museo Nazionale zu Florenz (Taf. XCIII). Auch der tanzende Faun (Taf. XCIII) gibt eine oft wiederholte Antike der frühhellenistischen Zeit treu wieder.
Besonders geschätzt war im 15. Jahrhundert ein Figürchen aus klassisch-griechischer Zeit, von der das Original gleichfalls nicht erhalten, und das uns nur aus der Basis des Praxiteles aus Mantinea (im Gegensinn) und aus römischen Sarkophagen bekannt ist: Marsyas, im Wettstreit mit Apollo die Doppelflöte blasend. Das Museo Nazionale in Florenz hat allein vier Exemplare dieser Renaissancenachbildung; im Louvre, im Cluny, im Kaiser Friedrich-Museum, in der Sammlung P. Morgan usf. je ein Exemplar (Taf. XCV und XCVI). Sie sind in der Bewegung fast völlig übereinstimmend, im Typus und in der Formenbildung aber nicht unwesentlich verschieden, wie namentlich die Nebeneinanderstellung der verschiedenen Stücke im Museum zu Florenz zeigt. Die gespreizte Haltung, die starke Bewegung und muskulöse Bildung entsprach so recht dem Sinn der Frührenaissance, namentlich der Florentiner Bronzebildner. Die Statuetten werden daher auch regelmäßig dem Antonio Pollaiuolo zugeschrieben. Überzeugend ist das aber bei keinem der mir bekannten Exemplare; ja es könnten wohl einzelne auch Paduaner Meistern angehören, kommt die Figur doch gerade auf einem Fresko in Padua von Fr. da Santa Croce als Zimmerschmuck vor. Das bedeutendste darunter ist wohl das im Besitz von Mr. Pierpont Morgan (Taf. XCV), dessen Kopf von eigentümlich deutschem Typus und ganz porträtartig ist. Nahezu ebenso vorzüglich und gleichfalls sehr breit und einfach in der Bildung ist das Exemplar im Museum zu Modena, das wie alle anderen im Kopf den antiken faunartigen Typus zeigt. Die meisten der erhaltenen Güsse sind wenig oder gar nicht überarbeitet; nur zwei Exemplare im Museo Nazionale zu Florenz sind sehr durchziseliert und verraten durch ihre glatte Oberfläche ihre etwas jüngere Entstehung. Die übereinstimmenden kleinen Bronzen, welche in den archäologischen Handbüchern als antik angeführt werden (in Avignon, Sicilien usf., sind gleichfalls Arbeiten der Renaissance. Als solche sind alle diese Figürchen erst in neuerer Zeit erkannt und aus den Antikenkabinetten ausgeschieden worden.
Wie in dieser Figur sich noch das Original des Myron(?) verrät, so ist in mehreren anderen, künstlerisch meist gleichfalls vorzüglichen, aber nur vereinzelt vorkommenden Bronzestatuetten noch das Original des Polyklet herauszuerkennen. Das Ashmolean-Museum besitzt eine durch den Apfel in der Linken als Paris charakterisierte Figur (Taf. XCIV), für die eine antike Nachbildung nach einem Polykletischen. Athleten, wie sie das Wiener Hofmuseum und das British Museum besitzen, benutzt worden ist. Ein Diskoboi im Victoria and Albert-Museum (Taf. XCIV), von gleich ausgezeichneter Arbeit, spricht ebenso stark den Charakter des polyldetischen Originals. Dass dieses dem, wohl oberitalischen, Künstler durch eine römische Kopie bekannt geworden war, zeigt die Vertauschung in der Haltung der beiden Arme. An eine andere Athletengestalt des griechischen Meisters erinnert das Figürchen im Louvre (Taf. XCIV), dessen linker Unterarm abgebrochen ist. Fast die gleiche Schöpfung, feiner in Durchbildung und edler in der Haltung, sehen wir in einer trefflichen Bronzestatuette des Museo Estense zu Modena (Taf. XCVII) zu einem Mars Ultor verarbeitet. In ähnlicher Weise ist von einem etwa gleichzeitigen Künstler aus dem zweiten oder dritten Jahrzehnt des Cinquecento Polyldets einen Öleingießer in einer kleinen Bronze des Wiener Hofmuseums (Taf. XCVII) zu einem römischen Athleten umgestaltet.
Reminiszenzen anderer griechischer Künstler klassischer Zeit zeigen verschiedene Figuren des Wiener Hofmuseums: ein schlanker, auf einen Stab lehnender Jüngling (Taf. XCVIII), der offenbar einem Meleager nachgebildet ist, die kleinere nackte Figur eines Jünglings mit dem von der Schulter herabhängenden Gewand, das die Rechte greift (Taf. XCVIII), und die Gestalt eines flehend knienden Mannes von afro-haftem Typus (Taf. XCVIII).
Eine Figur, die in der Frührenaissance fast ebenso gesucht war wie der Dornauszieher, und die wie ein Gegenstück zu demselben behandelt wurde, ist die gewöhnlich als Andromache bezeichnete sitzende junge Frauengestalt mit nacktem Oberkörper. Für sie haben wohl die nicht seltenen antiken Nachbildungen einer Sandalenbinderin (gelegentlich auch als Venus oder Nymphe im Bad bezeichnet) das Vorbild abgegeben. Sie sind augenscheinlich von verschiedenen Künstlern im Anfänge des Jahrhunderts ausgeführt worden. Der größten darunter, von der Hand des Giovanni da Cremona, in der Wallace Collection (Taf. XCII), die wir schon besprochen haben, kommt in Feinheit und sauberster Vollendung das Figürchen im Besitz von Baron Gustave Rothschild in Paris ganz nahe (Taf. XCI). Es steht dem Riccio außerordentlich nahe. Wiederholungen, die weniger ziseliert sind, kommen in verschiedenen Sammlungen vor: im Kaiser Friedrich-Museum (Taf. XCI), in den Sammlungen von Sir Julius Wernher und Pierpont Morgan zu London usf. Etwas abweichend sind die Statuetten im Louvre (Taf. XC), bei der ein Diadem das Haar schmückt, und in der Sammlung Gustave Dreyfus in Paris (Taf. XC); hier hält sie einen Apfel in der offenen Hand.
Unter allen Gestalten der Antike im 15. Jahrhundert war die beliebteste die Figur des Herkules. Die mehr oder weniger freien Nachbildungen nach antiken Herkulesfiguren aus dieser Zeit sind fast ebenso zahlreich als alle gleichzeitigen Nachbildungen nach antiken Statuen zusammen. Die freieren Schöpfungen eines Pollaiuolo und Bertoldo haben wir schon bei diesen Meistern aufgeführt (vgl. Taf. X und XIV bis XVI); wir stellen hier zusammen, was an solchen verschiedenartigen Figürchen und Gruppen, die sich antiken Vorbildern anschließen, in künstlerisch beachtenswerten Arbeiten sonst noch vorhanden ist.
Die berühmte Kolossalstatue des „Ausruhenden Herkules“ im Museum zu Neapel wurde erst im 17. Jahrhundert gefunden, aber kleine Nachbildungen dieser Lysippischen Schöpfung müssen schon im 15. Jahrhundert vorhanden gewesen sein, da wir verschiedenartige Nachbildungen aus dieser Zeit kennen. Wir bilden eine solche im Victoria and Albert-Museum ab (Taf. C), von der übereinstimmende Wiederholungen im Museo Nazionale zu Florenz, in der Sammlung Otto Beit und sonst vorkommen. Auffallend ist, dass diese Figur denselben dreiseitigen Sockel mit den Sphinxen in den Ecken hat, wie Pollaiuolos Herkules im Kaiser Friedrich-Museum (vgl. Taf. XVI). Sollte sie der Künstler als Studie für diese Figur nach der Antike kopiert haben? Ihr Charakter und die Qualität der Arbeit widerspricht dem nicht wenn auch die bisher bekannten Exemplare keine eigenhändigen Arbeiten Pollaiuolos sein können. Dem Lysippischen Originale näher steht in ihrer schlankeren Bildung und dem sorgenvollen Ausdruck eine tüchtige größere Statuette des Museums in Modena (Taf. C), der eine kleinere, flüchtigere Figur im Florentiner Museum (Taf. C) sehr verwandt ist. Ältere Typen, der eine Polykletisch, der andere noch auf das fünfte Jahrhundert weisend, sind in den hervorragenden Statuetten des Museums in Modena (Taf. CI) und der Sammlung Pierpont Morgans nachgebildet; andere Exemplare in Wien (Taf. IC), im Kaiser Friedrich-Museum u.s.f. Der Herkules mit den Hesperidischen Äpfeln in der ausgestreckten Rechten in der Sammlung Salting (Taf. CI), stärker im Sinne der Frührenaissance umgestaltet, gemahnt wieder an Pollaiuolo, auch in der wirkungsvollen, reich dekorierten dreiseitigen Basis. Auffallend nüchtern neben dieser trefflichen Figur erscheint der wenig herkulische Herkules mit der Keule in der Sammlung Foule, Paris (Taf. CI).
Von den Herkulesarbeiten sind mehrere mit Vorliebe zu Gruppen ausgestaltet. So der Kampf mit dem Löwen, der namentlich in dem verzweifelten Ringkampf, von dem gute Exemplare in Bargello (Taf. XCIX), in der Sammlung Bischoffsheim und sonst Vorkommen, eine glückliche künstlerische Lösung im Cinquecento gefunden hat. Beliebter noch war der Kampf mit Antäus; nennt doch Antico diese Gruppe die schönste aller Antiken. Gerade an diesen Meister gemahnt die vorzüglichste dieser Gruppen, von der zwei Exemplare im Museo Nazionale in Florenz (Taf. CIII), andere im Palazzo Corsini zu Florenz, bei M. Heugel in Paris und sonst sich finden. Sie ist besonders geschickt aufgebaut und von trefflicher Durchbildung. Auffallend bäuerisch und plump ist daneben die kleine Gruppe des Museums in Kassel (Taf. CIII). Ein Bravourstück von außerordentlicher Lebendigkeit ist die größere Gruppe im Besitz der Comtesse de Bearn in Paris (Taf. CIII), die kaum noch an die Antike erinnert.
Als Beispiele, wie in freiester Weise antike Motive von den italienischen Künstlern um die Wende des 15. zum 16. Jahrhundert ausgestaltet wurden, geben wir unter den zahlreichen Statuetten dieser Art einige tüchtige Arbeiten, die meist im Museo Nazionale zu Florenz und im Hofmuseum zu Wien sich befinden (Taf. CIV und CV). Die beiden Venusstatuetten in Wien (Taf. CIV) zeigen, wie die Künstler Wiederholungen ihrer Kompositionen durch leichte Änderungen in feiner Weise umzubilden suchten.
Besonders zahlreich in dem Antikenbesitz der Renaissance und besonders geschätzt waren die Büsten. Dafür ist die Zahl der Nachbildungen in kleinen Bronzen auffallend gering; auch sind diese zumeist nur in entfernter Anlehnung an die Antike entstanden.
Aus den Urkunden über Antico wissen wir, dass er den Bronzekopf eines Scipio fertigte; dieser Arbeit entsprechen etwa die Büsten im Bargello und in Modena (Taf. CVI).
Ein breit und flott behandeltes Köpfchen in der Sammlung Beit (Taf. CVII) ist durch Inschrift als DIVA FAVSTINA bezeichnet. Verschiedene Cäsarenköpfchen, von denen der feinste im Bargello (Taf. CVII), haben ähnlichen Charakter. Trockener und steifer ist der größere Mädchenkopf im Museum zu Modena (Taf. CVII), bei dem die Augen und eine Brosche ursprünglich in Email oder Glas eingesetzt waren, ähnlich wie wir dies jetzt noch an dem mehr als halblebensgroßen, meisterlich modellierten Kopf eines Knaben in der Sammlung des Grafen F. v. Pourtales zu Berlin sehen von Mommsen für eine Imitation der Renaissance erklärt, während ihn Furtwängler als antik betrachtete (Abb. 8), der durch sein glatt geschorenes Haar und das Zöpfchen im Nacken als Freigelassener charakterisiert ist. Eigentliche Fälschungen dürfen wir gewiss mehrfach bei diesen antikisierenden Figürchen annehmen, zumal wenn sie gleich als Torsen gegossen sind. Dies ist der Fall bei dem tüchtigen Torso eines ausruhenden Herkules (Taf. CVI, Sammlung Beit und P. Morgan) und verschiedenen armlosen Statuetten, von denen wir zwei sehr reizvolle des Wiener Hofmuseums auf Taf. CVI zusammengestellt haben.
Andere Kinderköpfchen lassen kaum noch an die Antike als Vorbild denken. Sie sind wohl fast alle in Oberitalien, meist im Anfänge des Cinquecento, entstanden. Die besten besitzen das Wiener Hofmuseum und die Museen in Venedig (Taf. CVII und CIX); einen fast lebensgroßen Kinderkopf die Wallace Collection (Taf. CIX), die auch ein paar ähnliche frühe Reliefköpfe in Lebensgröße aufzuweisen hat. Wie so oft in den Kinderdarstellungen der Frührenaissance, ist auch in diesen kleinen Büsten feinste Beobachtung der Natur und Formen des Kindes mit künstlerischer Frische und Naivität im Ausdruck vereinigt. Auch bei diesen Büsten waren die Augen, wie das gut erhaltene Beispiel im Museo Archeologico zu Venedig beweist, zumeist in Glas eingesetzt. Die Ausführung ist bei den meisten dieser Büsten eine sehr sorgfältige.
Auch die freien Nachbildungen nach genrehaften Kinderfigürchen der Antike beweisen die Freude der Renaissance an Kinderdarstellungen. Es sind zumeist freie Wiederholungen jener zahlreichen römischen Marmorfiguren von Kindern, die am Boden hockend mit Tieren spielen, wobei die Tiere in der Regel fortgelassen sind (Taf. CIX), oder nach mythologischen Kinderdarstellungen, wie der Harpokrates und der kleine Herkules die Schlangen würgend (Taf. CX). Direkte Vorbilder gibt es für die letzteren nicht; von ihnen kommen die beiden Herkulesknaben häufiger vor, gelegentlich auch zum Tintenfass oder Leuchter verarbeitet. Mit Vorliebe sind dafür, der Richtung der Frührenaissance gemäß, Motive mit starker Bewegung und lebhaftem Ausdruck gewählt. Sogar ein Knabe als Gladiator — einem Kindergladiator der Antike frei nachgebildet — kommt vor in einer tüchtigen, besonders großen Statuette des Wiener Hofmuseums (Taf. LXXXVI).
Als Kuriosität verdient ein künstlerisch sehr tüchtiges Figürchen, Paduaner Arbeit vom Ausgang des Quattrocento, in der Sammlung J. P. Heseltine in London (Abb. 6) erwähnt zu werden: eine sitzende nackte, durch Krankheit ganz abgemagerte Frau, die wie das Gegenstück zu der kleinen griechischen Bronze eines kranken Mannes in der Sammlung Sir Francis Cook in Richmond erscheint.
Nur ausnahmsweise haben die italienischen Künstler die Motive für ihre Bronzefigürchen, die sie der Antike nachbildeten, nicht von Freifiguren, sondern von Kameen oder Reliefs entlehnt, wie dies z. B. bei der kleinen Bronze eines Mannes mit dem Speer im Louvre (Abb. 9) der Fall ist, der aus einem Meleagersarkophag kopiert ist. Da gerade das Bedürfnis, Freifiguren zu schaffen, die Künstler zu der Anfertigung dieser kleinen Bronzestatuetten führte, nahmen sie sich regelmäßig die antiken Freifiguren zum Vorbild, die sie sehr bewunderten und an denen sie gerade das, was ihnen fehlte, lernen konnten.
Quelle: Bode, Wilhelm: Die italienischen Bronzestatuetten der Renaissance. Band 2. Berlin 1907.
Weitere Blogartikel zum Thema Fälschungen, Nachahmungen und Kopien vomn historischen Artefakten findet ihr hier:
Fälschungen von prähistorischen Bodenfunden
Eine gefälschte goldene Schmuckscheibe der Wikingerzeit
Fälschungen bei Wehr und Waffen
Fälschungen bei Münzen und Medaillen
Fälschungen von Medaillen und Plaketten
Beispiele von Fälschungen und Imitaten - Folge 1: Eine vermeintlich
römische Fibel
Fälschungen von Berstein