Bei einem so geschätzten und begehrten Artikel, wie es der Bernstein ist, erscheint es nicht wunderbar, dass sich die Fälscherkunst auch mit ihm reichlich beschäftigt und mit mehr oder weniger Erfolg Surrogate in den Handel gebracht hat, welche den echten Stein ersetzen sollen.
Namentlich hoher Schmelzpunkt, Unauflöslichkeit, Gehalt an Bernsteinsäure und Härte sind die charakteristischen Erkennungszeichen des Bernsteins. Es sind dieses aber leider Eigentümlichkeiten,
mit welchem dem Laien wenig gedient ist, der eine zierliche Arbeit aus Bernstein auf ihre Echtheit prüfen möchte, und dem es schwer wird, an irgendeiner Stelle einen kleinen Splitter davon
abzusprengen oder auf andere Weise sein Objekt auf die Probe zu stellen. Der Geübtere sieht allerdings fast immer auf den ersten Blick, welcher Stein echt oder nachgemacht ist. Namentlich die
trüben Farbentöne zeigen sich beim Bernstein so klar und rein, so ineinander übergehend und harmonisch, wie es bei einer Imitation nie der Fall ist. Denn wenn auch die Technik sich alle mögliche
Mühe gibt, dem Ansehen nach einen Ersatz dieses schönen Minerals zu finden, so sind es eben nur künstliche Mischungen verschiedener Farben, denen das unbestimmte ineinander verfließen vollständig
abgeht. Häufig sind auch die Nachahmungen so plumper Art, dass man sie ohne Weiteres als Falsifikat erkennt. So findet man Zigarrrenspitzen in Kunstfarbe mit einem Fleck von klarem Bernstein
darin, in welchem ein Insekt, eine Ameise liegt. Solche Kombinationen gehören beim echten Stein zu ganz enormen Seltenheiten, ich erinnere mich, einige Mal im Leben ähnliche Stücke gesehen zu
haben. Bei genauerer Betrachtung ergibt es sich, dass das Insekt aus Metall gefertigt ist.
Die älteste und plumpeste Imitation des Bernsteins ist Glas, welches auch jetzt noch zu Rauchrequisiten allerdings selten und namentlich für China, dagegen häufig zu Hals- und Betkränzen
verarbeitet wird. Härte und Kältegefühl beim Anlassen machen es jedem Laien sofort als Imitation kenntlich.
Von Harzen wird das Copal am meisten zur Fälschung benutzt, das man anfangs rein, später, um den Bernsteingeruch beim Brennen zu erhalten, mit Pulver und Stückchen von Bernstein versetzt in den
Handel brachte. Sämtliche Arbeiten aus Copal sehen schmutzig aus, beim Reiben in der Hand werden sie klebrig, sie sind weicher als Bernstein und verlieren beim Einweichen in Essigäther ihren
Glanz und quellen auf.
Eine im Aussehen recht geschickte, sonst aber schlechte Imitation des Bernsteins stellt man aus Celluloid dar. Kein Stoff hat wohl in den letzten Jahren eine so vielseitige Verwendung gefunden
wie das Celluloid; man macht aus ihm: Chirurgische Gegenstände, Kämme, Billardbälle, Messergriffe, Belege zu Pferdegeschirren, Cliches, Stockgriffe usw.; kein Stoff besitzt aber auch eine so
ausgedehnte Benutzung zu Imitationen und Fälschungen. Bei der Leichtigkeit, mit welcher das Celluloid gefärbt werden kann, macht man aus ihm künstlichen Bernstein, Schildpatt, Korallen, Malachit,
Lapislazuli usw., ja sogar in der sogenannten Gummiwäsche dient es als Surrogat von Leinwand. Bei dieser Verschiedenartigkeit des Gebrauches hat natürlicher Weise auch die Fabrikation des
Celluloids seit 1869, in welchem Jahre es von Gebr. Hyatt zu Newark im Staate New York erfunden wurde, einen sehr großen Aufschwung genommen.
Die Herstellung des Celluloids ist im Ganzen sehr einfach. Abfälle aus den Baumwollfabriken, Papierschnitzel, Holzstoff, Lumpen von Leinen- und Baumwollstoffen, alte Taue, helle Holzarten werden gewässert, gereinigt, gebleicht und gemahlen. Diese aus gepulvertem Zellstoff (Cellulose) bestehenden Massen führt man durch Einweichen in ein Gemisch von Salpeter- und Schwefelsäure in Nitrocellulose, eine Art Schießbaumwolle, über. Das erhaltene Produkt wird gut ausgewaschen, halb getrocknet und unter einem Zusatz von 40—50 pCt. Kampfer und den eventuell nötigen Farbstoffen bei einer Temperatur von 70 Grad in hydraulischen Pressen einem starken Druck ausgesetzt. Dabei findet eine Durchdringung der Nitrocellulose mit Kampfer statt. Die gespressten Stücke trocknet man in einem luftleeren Raum und entzieht ihnen die letzte Feuchtigkeit durch stark Wasser absorbierende Stoffe, wie Chlorcalcium. Das so fertiggestellte Präparat, mit dem unschuldigen Namen Celluloid, Ambroid usw., ist, wenn keine Farbe zugesetzt wurde, durchscheinend, hart, elastisch, schwer zerbrechlich, hornartig, erwärmt lässt es sich durch allmählichen Druck in dünne Platten dehnen. Bis 100 Grad vorsichtig erwärmt, wird es so weich, dass es sich in Formen pressen lässt; es ist sehr leicht entzündlich und verbrennt schnell mit stark rußender Flamme; bei starkem Schlag oder beim Erwärmen bis auf 140 Grad Celsius explodiert es unter Bildung eines rötlichen Rauches. Das Celluloid ist demnach ein Stoff, welcher auf einer Seite die vorzüglichsten technischen Eigenschaften besitzt, auf der anderen Seite wiederum äußerst feuergefährlich ist. Die Industrie hat sich vielfach bemüht, diese letzte Eigenschaft abzuschwächen, in dem sie der Schießbaumwolle vor dem Pressen phosphorsaures Natron und borsaures Blei zusetzte.
Abgesehen davon, dass das letztere bei allen Zelluloidfabrikaten, welche längere Zeit im Munde getragen werden, wie Ansatzspitzen zu Pfeifen usw., Zahnringe für Kinder, Gebisse, giftig wirkt, haben diese Zusätze die Feuergefährlichkeit gar nicht abgeschwächt. Bei Gegenständen der letzten Art ist auch der hohe Kampfergehalt entschieden von Einfluss auf die Gesundheit1. Jene Zelluloidimitation erkennt man leicht an dem Kampfergeruch beim Reiben; in Schwefeläther gelegt, löst sie sich oberflächlich schnell in der Kälte auf, verliert den Glanz und wird trübe, ein Versuch, den man, wenn nicht über eine Viertelstunde ausgedehnt, dreist mit jeder Bernsteinarbeit ohne Schaden machen kann. Außerdem ist die Feuergefährlichkeit so groß, dass Celluloid, kaum einen Augenblick mit der Flamme in Berührung gebracht, schnell und hoch aufflammt, selbst die „wirklich nicht feuergefährlichen“ Ambroide.
In der neuesten Zeit spielen die aus kleinen Stücken gepressten Bernsteinarbeiten eine große Rolle. Versuche, den Bernstein ohne Bindemittel zusammenzupressen, habe ich bereits im Jahre 1878 gemacht. Später ließ ich diese Versuche liegen, bis von Wien aus vor einigen Jahren gepresste Fabrikate in den Handel kamen. Nun galt es, dieser Entwertung der größeren Stücke zu begegnen, und wurden die Versuche wieder aufgenommen, wobei denn auch mancherlei wissenschaftlich interessante Resultate gewonnen wurden.
Die gesamten Pressverfahren des Bernsteins beruhen auf seiner Eigenschaft, bei einer Temperatur von 140 — 160 Grad unter Luftabschluss so weich zu werden, dass man ihn, wie es auch in der
Spitzenindustrie angewendet wird, biegen kann.
In der ersten Zeit füllte man flache eiserne Formen mit Bernstein und presste sie erwärmt anfangs mit Schrauben, später mit hydraulischem Druck zusammen. Man erhielt dadurch flache
Bernsteinstücke, die verarbeitet zwar gut die Politur hielten, jedoch angefüllt mit kleinen gelbbraunen Flimmerchen waren, welche dadurch entstanden, dass der Bernstein beim Erwärmen
oberflächlich dunkler geworden war. Auch mischte man den Bernstein mit Copalpulver und drückte ihn zusammen. Durch einen Zusatz von Asbestpulver versuchte man trübe Wolken in ihm zu erzeugen;
auch Teerfarbstoffe, welche höhere Temperaturen vertragen, wurden zugefügt.
Eine wesentliche Neuerung bestand darin, dass man den in der flachen Eisenform erwärmten Bernstein mit einem hohlen Stempel, dessen Boden durch ein kräftiges Sieb geschlossen war, hydraulisch
zusammenpresste. Dadurch zwang man den erweichten Stein durch die engen Maschen des Siebbodens zu treten, und sich mehr durchzumischen. Als man nun noch über dem Siebboden ein bewegliches
Gegengewicht einschaltete, welches die aus den Löchern emporquellende zähe, breiartige Masse heben musste, erreichte man, dass die aufquellenden Stränge sich breit und mehr durcheinander
drückten.
Gegenwärtig arbeitet man mit recht bedeutenden Druckverhältnissen, bis zu 13 000 Kilogramm auf den Quadratzentimeter, wovon der Bernstein selber mit 3000 Atmosphären gedrückt wird. Man kann durch
das hydraulische Zusammenpressen bereits alle Hauptvarietäten des Bernsteins erzeugen, namentlich aber die flohmigen und klaren. Den flohmigen gepressten Bernstein erkennt man leicht daran, dass
er mehr wolkiges Klar ist, bei welchem die Trübungen in parallelen Streifen übereinander, etwa wie bei den Zirrus- oder Federwolken, angeordnet sind. An den Übergangsstellen vom Trüben zum Klar
bemerkt man bei durchfallendem Licht die gelbrote und bei auffallendem Licht und dunkeln Untergründe die bläuliche Farbe, hervorgerufen durch die äußerst kleinen Bläschen, eine Erscheinung,
welche beim echten Bernstein nie in einer solchen Regelmäßigkeit und überhaupt ganz vereinzelt nur bei knochigen Varietäten, nicht aber bei Bastard und Klar auftritt, welche durch ihre größeren
Bläschen nie solche Farbeneffekte geben können.
Die klaren Partien und überhaupt die klaren Stücke zeigen fast immer die kleinen bräunlichen Flecken und Äderchen. Wo diese wirklich fehlen sollten, ist das Klar nie glasartig blank, sondern
zeigt immer Wellen und Fäden, ähnlich wie sie beider Mischung von Flüssigkeiten verschiedener Lichtbrechung (Glycerin und Wasser) im ersten Augenblick auftreten. Bei allen trüben Fabrikaten,
selbst den besten kunstfarbigen, ist das mikroskopische Bild absolut charakteristisch. Die gepressten Stücke zeigen nie die runden Bläschen des echten Bernsteins, sondern stets dendritisch
verdrückte.
Textquelle: Richard Klebs: Der Bernstein und seine Geschichte: eine kurze Skizze in allgemein verständlicher Form. Königsberg, 1889.