Die Erdarbeiten für Eisenbahnen haben an vielen Orten Lager von bearbeiteten, abgesprengten oder polierten Feuersteinen zutage gefördert, und solche Funde haben den Studien über das früheste Alter der Menschheit neue Nahrung gegeben. Die Gelehrten aber, welche sich für jene in Nebel gehüllten Zeiten interessieren, sind häufig von antiker Sinneseinfalt, halten in ihrer Arglosigkeit alle Welt für so redlich, wie sie selbst sind, und deshalb werden sie mehr als irgendjemand getäuscht.
Alles, was sie finden oder was man sie finden lässt, wird zum Gegenstande tiefsinniger, gelehrter Untersuchungen, Publikationen, Streitschriften, und mitunter macht ein schlechter Spaßmacher
durch seine Erklärung der ganzen Sache ein jähes Ende. Jedermann kennt die Geschichte jener aus einer alten Platte entdeckten Inschrift:
I. C. I E S
TL EC H E
M IN DE
SA NE S,
aus welcher man die Namen römischer Konsuln oder Imperatoren entziffern wollte, bis der Urheber derselben sie ohne Stocken ablas: „Ici est le chemin des ânes“
Einem Mitglied der „Académie des inscriptions“ wurde eines Tages ein Töpfchen mit den Buchstaben M. J. D. D. vorgelegt, und er löste die Inschrift auf in: Magno Jovi Deorum Deo (dem großen Jupiter, dem Gott der Götter). Der Topf war aber nie dem Jupiter, sondern dem Senf gewidmet gewesen, und die Buchstaben bedeuteten einfach: Moutarde jaune de Dijon. Der Gelehrte war ein Mann von Geist und lachte herzlich mit über den Scherz.
Die folgende Geschichte lehrt übrigens, dass solche Fopperei nicht erst von gestern datiert. Im Jahr 1726 lebte in Würzburg ein alter Arzt namens Ludwig Huber, welcher sich mehr mit Altertümern
als mit seinen Kranken zu schaffen machte. Das veranlasste zwei Kollegen desselben, ihm einen Streich zu spielen. Sie formten aus Ton Versteinerungen, unmögliche Muscheln, riesige Schmetterlinge,
ungeheure Bienen und Krabben, ja sogar Raupen. An der Sonne getrocknet wurden diese vorsintflutlichen Tierreste in einem entsprechenden Boden ziemlich tief vergraben, und die Mystifikationen
wussten es zu veranstalten, dass bald darauf Huber selbst in ihrer Gegenwart diese erstaunlichen Dinge ausgrub.
Der Glücksfall beraubte ihn im ersten Moment der Fassung, dann kannte sein Enthusiasmus keine Grenzen. Dieser unerhörte Fund musste ihn ja für ewige Zeiten berühmt machen! Er heimste die
kostbaren Gegenstände ein und machte sich sofort an eine umständliche Beschreibung aller Stücke mit kühnen Schlussfolgerungen auf den Charakter der Zeit vor der großen Flut. Das lateinische Buch
erschien, hundert Folioseiten stark und mit vierundzwanzig gestochenen Tafeln, unter den Auspizien des Professor Beringer und war dem Fürstbischof von Würzburg gewidmet1.
Die medizinische Fakultät unterzog das Werk einer gründlichen Beratung, und wer weiß, was noch geschehen wäre, wenn die beiden Übeltäter nicht geraten gefunden hätten, den Sachverhalt
aufzudecken. Die Entrüstung war groß, aber die Fakultät sah ein, dass es nur ein Mittel gebe, den Schaden soviel als möglich gutzumachen: sie kaufte in der Stille alle Exemplare des Werkes auf
und ließ sie vernichten. Es gehört daher zu den größten bibliographischen Seltenheiten. (Link zum Buch in der Fußnote!)
Boucher de Perthes2 liefert ein weiteres Beispiel äußerster Leichtgläubigkeit.
Sein Eifer, Material für seine Untersuchungen über das prähistorische Zeitalter zu sammeln, bewog irgendjemand, aus welchen Holzstücken, die aus einem Moor gegraben waren, rohe Figuren nach
solchen an den Fassaden gotischer Kirchen für ihn schnitzen zu lassen. Er nahm sie unbedenklich als die ersten Kunstleistungen aus der Periode der Pfahlbauten an, und ebenso gläubig die Werkzeuge
aus Feuerstein, welche Arbeiter in den Steinbrüchen von Abbeville3, frei nach allen
möglichen Werkzeugen der Gegenwart, fabriziert hatten.
Noch mehr. Er hatte dem Arbeiter, welcher ihm die ersten Menschenknochen aus Diluvialgebiet bringen werde, eine Prämie von zweihundert Francs zugesichert. Schon nach acht Tagen wurde ihm die
Entdeckung eines Menschenkiefers im Geröll des Granitbruches von Moulin-Quignon bei Abbeville gemeldet. Er selbst durfte in Gegenwart von Zeugen den Knochen gänzlich hervorziehen.
Das Aufsehen in der gelehrten Welt war ungeheuer. Der fossile Mensch war also gefunden, Cuvier hatte geirrt, als er dessen Nichtexistenz behauptete! Nun ließ sich mit mathematischer Genauigkeit
das Auftreten des Menschen auf unserm Planeten feststellen.
Ein Kongress trat zusammen, der von London und Berlin aus beschickt wurde. Eine Partei, mit Milne Edwards, trat für den Fund auf, andere, wie Falconer4, dagegen, und es war schon viel darüber zusammen geschrieben worden, als man entdeckte, dass ein Arbeiter den Knochen
von einer Fundstätte viel jüngeren Charakters gebracht und in Moulin-Quignon vergraben hatte.
Die Eisenbahnarbeiten am Neuenburger See führten bei Concife zur Entdeckung einer großen Menge von Pfahlbaugegenständen, welche so reißend abgingen, dass bald den Aufforderungen nicht mehr genügt
werden konnte. Schnell entschlossen machten die Arbeiter, welche die Geldquelle nicht so rasch versiegen lassen wollten, nun selbst solche Sachen, die in viele Sammlungen übergegangen sind. Der
Konservator des Museums zu Lausanne, Herr Troyon, war der erste, der in die Falle ging. Zum Konservator des Museums von Saint-Germain, de Mortillet, kam eines Tages der Herzog de Luynes, Besitzer
eines reichen Museums, mit der großen Neuigkeit, dass im Dauphins Pfahlbautenreste gefunden worden seien. Er lud den Gelehrten zur Besichtigung der Funde ein und stellte nur die Bedingung, dass
bei der Publikation der Entdeckung sein Name genannt werde.
Herr de Mortillet ist ungläubiger als der Heilige Thomas, und begab sich nach Dampierre mit umso mehr Zweifeln, als der kleine Paladrusee bisher nur Dinge aus den Zeiten Karls des Großen hergegeben hatte. In der Tat sah er sich genötigt, dem Herzog,
welcher triumphierend seine Schätze zeigte, zu erklären, dass dieselben nicht aus der Dauphins, sondern aus Concise stammen, zum Teil sogar falsch seien. — Der Herzog war nicht zu überzeugen.
Ein tüchtiger Chemiker, A. Meillet, gab 1864 ein Buch aber die vorsintflutliche und die keltische Periode im Poitou heraus, in welchem neben ganz authentischen Dingen auch höchst überraschende abgebildet waren, welche er persönlich ausgegraben haben wollte. Knochen vorweltlicher Tiere waren mit eingegrabenen Bildern bedeckt, Sonnen, Elefanten, Vögeln, Schlangen, ein Stück sogar mit unbekannten Schriftzeichen, welche aus der Zeit herstammen mussten, in welcher der Mensch in Gemeinschaft des Rentiers und des Höhlenbären lebte.
Welche Entdeckung! Schrift vor der Sintflut! Die Gelehrten des Instituts machten sich daran, die Zeichen zu entziffern, aber vergeblich, bis ein alter Herr versicherte, die ehrwürdigen
Hieroglyphen seien nichts anderes, als im Gegensinne ausgeführte Kopien von Sanskrit aus dem 7. Jahrhundert unsrer Zeitrechnung.
Meillet erhob heftigen Widerspruch gegen eine derartige Verdächtigung und versprach eine siegreiche Widerlegung aller Einwürfe. Aber die Schrift, welche sich angeblich schon unter der Presse
befand, ist niemals erschienen.
Im Jahre 1881 verlautete, dass nahe bei Beauvais in einem Tonlager sechshundert Skelette von riesiger Größe gefunden worden seien, mit steinernen Streitäxten, Streitkolben bewaffnet und über jedem Schädel ein Diadem aus feingeschliffenen Feuersteinstücken in den mannigfachsten Formen, fünfzehntausend an der Zahl. Etwa tausend waren bei einem Antiquitätenhändler zu Beauvais, Mareschal, zu sehen, welcher anfangs das strengste Geheimnis über seinen Fund bewahrt hatte, nunmehr aber die Beile, Herzen, Halbmonde, Kleeblätter und krummen Dolche der Bewunderung der Kenner und Nichtkenner preisgeben wollte. Solche strömten zahlreich herbei, und in zweien der ersteren Kategorie, dem Manufakturzeichner Fenet und einem Korrespondenten des Ministeriums für öffentlichen Unterricht, Abteilung für historische Arbeiten, stiegen ernste Bedenken auf, welche durch die Urteile von John Evans in London und de Mortillet zur Gewissheit gemacht wurden. Die Feuersteine waren glanzlos, die Brüche frisch, die Ränder scharf, vor allem ermangelten sie jenes eigentümlichen Oxyd-Überzuges, welchen sie durch tausendjährigen Aufenthalt im Erdboden hätten erhalten müssen. An manchen erkannte man die frischen Schläge eines eisernen Hammers. Die beiden Herren zögerten nicht, in den Blättern von Beauvais zu erklären, saß die angebliche prähistorische Lagerstätte nicht existiere, dass es sich um ganz gewöhnliche Abfälle und Splitter von Feuersteinen handle.
Mareschal verteidigte sich heftig und fand Unterstützung an dem Konservator des städtischen Museums, de la Herche, einem Enthusiasten, welcher nach Paris reiste und dort vor der Anthropologischen
Gesellschaft die Sache verfocht. Die Gegner blieben bei ihren Zweifeln, auch nachdem eine Kommission zweimal an Ort und Stelle nachgegraben und Steinwerkzeuge gefunden hatte, das zweitemal unter
Beobachtung aller nötigen Vorsicht, namentlich durch sichere Abschließung des für die Nachgrabung bestimmten Platzes, damit nicht dasjenige eingegraben werden konnte, was ausgegraben werden
sollte.
Die Frage schien sich immer mehr zu verwirren, als ein junger Eisenbahnbeamter sie plötzlich löste. Ihm war aufgefallen, dass schon seit längerer Zeit Arbeiter von Beauvais zu seiner Station, Bresles, kamen, um aus den Stein- und Kreidebrüchen Feuersteine aufzulesen, welche sich zur Bearbeitung eigneten. Selbst Sammler, hatte er nachgeforscht und die Leute in voller Arbeit angetroffen. Der älteste, Polycarpe, war der Meister. Mit einem kleinen runden Hammer und einer kleinen Feile gab er einem Stein die Gestalt eines Diadems mit kleinen Pfeilspitzen. Neben ihm stand ein Sack mit fertigen Stücken jeder Form.
Dieser Polycarpe schien sehr geübt in seiner Arbeit zu sein und erzählte auf Befragen, er mache die ganze Sammlung für einen Herrn Levesque, Schlossbesitzer im Departement Seine-et-Marne, und
erhalte von demselben dafür fünftausend Francs. Bücher und Abbildungen von Steingegenständen, welche mit Menschengerippen gefunden worden, seien ihnen zur Verfügung gestellt, um darnach zu
arbeiten. Das Verfahren des Steinschnittes und die Behandlung der fertigen Sachen mit Tonerde, um ihnen das Ansehen des Alters zu geben, habe er in der Gegend von Amiens und Abbeville gelernt.
Diese Enthüllung machte dem Streit ein Ende. Übrigens hatte nicht nur de la Herche, sondern auch Mareschal in gutem Glauben gehandelt.
Herr Michel Hardy von Perigueux hat eine ähnliche Erfahrung berichtet. Als ich 1871 in Saint-Acheul5 nach geschnittenen Feuersteinen suchte, erzählt er, umringten mich sofort Arbeiter, um mir solche Funde anzubieten. Ohne ein Wort zu verlieren, sonderte ich den
Vorrat eines jeden in zwei Teile; und als das geschehen war, sagte ich: Hier sind Steine, die ihr wirklich so, wie sie sind, gefunden habt, und die will ich kaufen; die andern habt ihr selbst
fabriziert. Anfangs widersprachen sie sehr laut. Als sie aber meine Entschiedenheit erkannten, gingen sie auf den Vorschlag ein und meinten, es sei nur gut für sie, dass nicht alle
Altertumsfreunde so gut Bescheid wüssten.
Umständlicher ist der Bericht des Herrn R. de Mariecourt über die Fälscherindustrie von Amiens. Wenn man aus der Rue Saint-Fuscien kommt und sich links wendet, trifft man nach einigen hundert
Metern auf einen Steinbruch, in welchem der Aufseher wie die Spinne in ihrem Netz auf Vorübergehende lauert, welche etwas am Boden zu suchen scheinen. Er bietet „Katzenzungen" an und fügt, wenn
man sie zu sehen verlangt, hinzu: Sie haben Glück, gerade jetzt habe ich eine gefunden, und gestern zwei sehr schöne. Wenn Sie morgen wiederkommen wollen, werde ich einige Kameraden
benachrichtigen, die auch welche haben.
Der Form halber feilscht man ein wenig und verspricht wiederzukommen. Die drei Stücke sind falsch, ich habe die ersten Anhaltspunkte für eine Untersuchung und bin darüber hocherfreut.
In einiger Entfernung treffe ich eine Gruppe von Steinbrechern in der Nähe des Friedhofes. Dort sind echte Beile gefunden worden. Ich rede die Arbeiter an und alle ohne Ausnahme sind bereit, mir
morgen Steinbeile zu liefern, die sie zu Hause haben.
Am nächsten Morgen hat der Aufseher etwa zehn Genossen um sich versammelt, alle mit Beilen bewaffnet, die einen echt, die andern in dem Augenblick angefertigt, als sie hörten, es sei Nachfrage.
Auf seine Erklärung, dass er nur die zwei oder drei echten zu kaufen gesonnen sei, antwortete einer, das gehe nicht an; echte zu finden, sei ein seltener Glücksfall, die falschen kosten ihnen
Zeit und Mühe, und deshalb geben sie nur Altes und Neues miteinander ab. Der Erlös aus ihren Verkäufen werde geteilt, sie arbeiten nicht für sich allein, sondern die Arbeiter in einem Bruch
gemeinschaftlich. Dass sie ein unredliches Gewerbe betrieben, wollten sie nicht zugeben. „Wir gehen nicht darauf aus, jemand zu betrügen; aber die Käufer, was machen die mit unseren Stücken?"
Seitdem, erzählt de Mariecourt weiter, habe ich erfahren, dass Sonntags oder am Feierabend die Arbeiter im Steinbruch zusammen-kommen und Steinwerkzeuge machen. Jeder sucht sich einen
Feuersteinknollen aus, dessen Gestalt ihm brauchbar erscheint und bringt zunächst durch eine Anzahl schwacher Hammerschläge eine Art Erschütterung der Moleküle hervor, welche das Absprengen
größerer Platten erleichtert. Hierauf wird das eines Teiles seiner Schale beraubte Stück durch wiederholte heftige Schläge in schiefer Richtung gegen die Längenachse abgelöst und fertig geformt,
was eine Viertelstunde Zeit erfordert. Die Geriebensten tauchen ihre Fabrikate in Tonwasser, welches das Fehlen der Patina verbergen muss. Um den Stücken Glanz zu geben und die Schärfen
abzuschleifen, reiben sie dieselben lange Zeit an ihren Beinkleidern. Findet sich zufällig ein zerbrochener Knollen, welcher bereits an der Bruchfläche patiniert ist, so ziehen die Arbeiter von
diesem Zufall Vorteil.
Als ich bei meiner Rückkehr nach Amiens meine Entdeckung mitteilte, lachte man und sagte: Seit mehr als zwanzig Jahren werden in Amiens Beile gemacht, von den Händlern aufgekauft zum
Wiederverkauf. Wer ist da der Schuldige? Alle Arbeiter in den Steinbrüchen, ohne Ausnahme. Halten Sie diejenigen, welche ihnen echte verkauft haben, nicht für ehrlicher als die übrigen. Es war
Zufall, dass sie gerade echte zur Hand hatten, am folgenden Tage würden sie eigenes Fabrikat bereit gehalten haben. Graben Sie eigenhändig nach, aber glauben Sie nicht an die Echtheit ihrer
Funde, denn man wird die Sachen für Sie eingegraben haben. Wollten Sie den Fall anhängig machen, so müssten die Gerichte die gesamte Arbeiterbevölkerung von Amiens und alle Antiquitätenhändler
zur Verantwortung ziehen.
Ich verdanke diese und andere Nachweise dem obengenannten Konservator des Museums zu Saint-Germain, welches eine eigne Abteilung für Fälschungen enthält.
Mit denselben Werkzeugen, wie einst zu Flintensteinen, nämlich runden und spitzen Hämmern, werden die Feuersteine zu Pfeil- und Lanzenspitzen, zu Messern, Bohrern, Feilen und Sägen verarbeitet.
So ersteht nach Jahrtausenden eine verlorene Industrie wieder, wird der vorzeitliche Mensch von dem gegenwärtigen kopiert.
Ist das Stück fertig, so müssen die frischen Flächen den Firnis des Alters erhalten. Das kürzere Verfahren ist, die Stücke wie Sardinen in einen Trog zu Packen, mit einer Mischung von Wasser, Ton
und Leim zu überschütten und das Ganze durchzuschütteln. Andere bestreichen die Feuersteinwaffe mit Öl und lassen sie über dem Feuer rösten. Noch andere ziehen die abwechselnde Einwirkung von
Sonnenschein und Regen oder längeren Aufenthalt in einem Düngerhaufen vor. Die Kanten verlieren, wie schon erwähnt wurde, ihre Schärfe durch anhaltendes Reiben auf den Beinkleidern der Arbeiter.
Die gewiefteren Fälscher haben ihre Studien in Museen und Büchern gemacht und wissen, welche Wirkung verschiedene Erdarten auf die Steinsachen ausüben, dass Alluvium sie gelb und bräunlich färbt,
Ton sie mit gelblichem Weiß überzieht, Kreide ihnen eine kalkige Rinde gibt. Sie verstehen Versteinerungen nachzuahmen, die Muscheln, die Dendriten, die Rostflecke, welche die Pflugschar
hervorbringt. Zu ihrem Unheil und zum Heil anderer lassen alle diese Zutaten sich in der Regel schon mit dem feuchten Finger beseitigen.
Die einer späteren Periode angehörigen Werkzeuge aus geschliffenem Stein werden bequem aus Kieseln hergestellt, welchen die Natur selbst schon durch das Rollen und Reiben, denen sie durch die
Wellenbewegung des Meeres ausgesetzt sind, die gewünschte Form gegeben hat. Es handelt sich nur noch darum, die Schneide zu schärfen. Dazu bedienten sich die primitiven Völker, deren Zeit noch
nicht so kostbar war wie die unsre, des sehr langwierigen Schleifens auf dem ruhenden Schleifstein: die Fälscher benutzen häufig das Schleifrad, und das hinterlässt leicht kenntliche Streifen.
Man hat auch keltische Beile aus Marmorstücken gemacht, die mit Glaspapier bearbeitet, dann mit Öl getränkt, tüchtig mit Wolle gerieben werden und endlich in der Tasche getragen werden, um die
unentbehrliche Patina zu bekommen. Das Museum zu Saint-Germain besitzt ein solches Exemplar. Ob der Erfinder dieser Spezialität wohl wirklich geglaubt hat, dass ein so empfindliches Material wie
Marmor jemals zu solchen Zwecken verwendet worden sei? Zum Überfluss hat er, da ein Beil mit Handhabe zehnmal mehr wert ist als ohne eine solche, einen Stil aus Hirschgeweih hinzugefügt. Da das
Geweih in einem Sumpf gefunden worden war, hat es sich leicht bearbeiten lassen, aber die Messerschnitte unterscheiden sich deutlich von Feuersteinschnitten — der Fälscher hatte vergessen, dass
in der Zeit der Steinwerkzeuge das Eisen noch unbekannt war!
Ohne die lange Reihe von Fälschungen auf prähistorischem Gebiete erschöpfen zu wollen, müssen wir doch noch Fälle erwähnen, wo es sich um Fälschung der Wissenschaft handelte.
Fanatische Anhänger des Glaubenssatzes, dass Bronze- und Eisenzeit zusammen fallen, haben sich nicht gescheut, Argumente für denselben zu erfinden. Ein Bronzebeil wurde ausgebohrt, ein Eisenstück
hineingetrieben und an beiden Enden glatt weggebrochen. Einen Anhänger der Gegenpartei dieses Machwerk finden zu lassen, war nicht schwer. Aber trotz des nachher ertönenden Triumphgeschreies ließ
sich niemand täuschen, der Streich war zu grob.
Ich erfinde nicht, der Gegenstand befindet sich in Saint-Germain. Sogar die Zukunft sucht man zu mystifizieren. Als die ungeheuren Lager von Grand-Pressigny, die größte Werkstätte von
Feuersteingeräten, entdeckt wurden, brachte der Kaufmann I. Charvet soviel als möglich Steinkerne und Abfälle von derjenigen Form, welche die Gelehrten seitdem livre de beurre getauft haben, an
sich, ließ auf seinem Landsitz in Le Pecq Grotten damit bekleiden und den Überschuss in die Seine werfen.
Wie werden die Gelehrten im 20. Jahrhundert sich streiten, wenn ein Feuersteinlager bei Saint-Germain gefunden wird! sagte er spöttisch. Die Gelehrten des nächsten Jahrhunderts sind hiermit
gewarnt!
Herr de Mortillet zeigte mir auch ein bleiernes Schleudergeschoss mit dem Namen Labienus. Diese Merkwürdigkeit hat der gekrönte Biograph Cäsars umständlich beschrieben, obgleich die Gelehrten in
seiner Umgebung recht gut wussten, dass dergleichen Geschosse niemals Inschriften gehabt haben6.
Und von kleinen Prähistorischen Beilen aus poliertem, gebräuntem und rissigem Elfenbein bemerkte er: Davon gab es viel in den Schränken der größten Sammler auf der Ausstellung von 1867. Damals
glaubte man an sie, jetzt weiß man es längst besser. Ein Naturalienhändler hat aus Elefantenzähnen, die ihm auf dem Lager geblieben waren, solche niedliche kleine Hacken fabrizieren lassen, und
die Liebhaber rissen sich um dieselben, da sie angeblich von neuen Ausgrabungen auf der Insel Java herrührten.
Die reiche Sammlung merowingischer Altertümer rief meinem Cicerone folgende Geschichte ins Gedächtnis. Im Schwarzwald7 schleift man auf ziemlich primitive Weise die dort gefundenen Halbedelsteine. So werden aus Achat von grauer Färbung kleine Walzen gedreht und durchbohrt, um zu
Halsbändern auf Schnüre gezogen zn werden. Das Durchbohren gelingt nicht immer, es gibt Abfall, und solchen kaufte einmal ein reisender Händler um ein Butterbrot an sich. In seinen Händen wurde
daraus ein Prähistorischer Fund, den er bei Verschiedenen verschieden verwertete.
Dem Direktor des Mainzer Römisch-Germanischen Museums, Dr. Lindenschmit, der für römische Altertümer schwärmt, bot er einige Perlen als aus einem römischen Grab stammend an. In England mußten sie
keltisch sein und kamen aus Dolmen in Cornwall. In der Bretagne erhielten die Altertumsfreunde von Nantes und Bannes sie als gallisch-römische Perlen.
Auch dem Museum von Saint-Germain brachte er sie als zu dessen Spezialität gehörend. Mir wurden sie dadurch verdächtig, dass alle fehlerhaft waren, und als ich in einem der Löcher anstatt der
erwarteten Erde Hanf entdeckte, war ich meiner Sache sicher. Ich bemerkte ihm, dass in den Pfahlbauten keine Perlen gefunden würden, dass seine Ware falsch, erzfalsch sei. Der Händler trat
anfangs mit großer Dreistigkeit auf, wurde aber allmählich durch meine Fragen dermaßen in die Enge getrieben, dass er mir den ganzen Tatbestand enthüllte. Darüber konnte ich nur lachen.
Zum Schluß noch dieses köstliche Stückchen. Ein ehemaliger Polizeikommissar, Herr Boeuf in Amiens, fabriziert Prähistorisches und verschickt allmonatlich gedruckte Preiscourante an seine
Kundschaften. In einem solchen kommt nach Aufzählung von Knochen aus der Zeit des Mammut und des Höhlenbären folgende Stelle vor: „Serie der Fälschungen, angefertigt von verschmitzten Arbeitern,
um sie in den Handel zu schmuggeln.“
Und weiter folgende Ankündigung: „Amygdaloiden8. In natürlicher Farbe oder mit einer Fettsubstanz behandelt und im Ziegelofen gebacken. — Eine Probe von diesen erhält jeder Käufer als Draufgabe.“
Nicht übel! Wie im Kleidermagazin einen kleinen Ballon, bekommt man bei Herrn Boeuf eine kleine Fälschung. Und Imitationen machen lassen und sie als solche verkaufen, ist wohl immer noch das
sicherste Geschäft.
1 Joh. Barth. Adam Beringer, Lithographiae wirceburgensis ducentis lapidum figuratorum a potiori insectiformium prodigiosis imaginibus exornatae specimen. I., Würzburg 1726; neue Ausgabe Frankfurt 1767.
2 Jacques Boucher de Crévecoeur de Perthes, geboren 1788, gestorben 1868. Er lebte größtenteils in Abbeville. Übrigens scheint es nicht festzustehen, dass er in der von Eudel erzählten Art hinter das Licht geführt worden sei.
3 Depart. Somme.
4 Henri Milne Edwards, geboren 1800 in Brügge, Professor der Zoologie in Paris; Hugh Falconer, geboren 1809 in Schottland, Paläontologe, gestorben 1865.
5 Bei Amiens.
6 Hier scheint Napoleon III. doch Unrecht widerfahren zu sein, da unseres Wissens authentische Schleudereicheln mit Inschriften zahlreich vorhanden sind.
7 Es ist wohl der Hunsrück gemeint.
8 Mandelsteine.
Weitere Blogartikel zum Thema Fälschungen, Nachahmungen und Kopien vomn historischen Artefakten findet ihr hier:
Eine gefälschte goldene Schmuckscheibe der Wikingerzeit
Fälschungen bei Wehr und Waffen
Fälschungen bei Münzen und Medaillen
Fälschungen von Medaillen und Plaketten
Beispiele von Fälschungen und Imitaten - Folge 1: Eine vermeintlich
römische Fibel
Fälschungen von Berstein
Nachbildungen antiker Kunstwerke in Bronze
Quelle: Eudel, Paul; Bucher, Bruno: Fälscherkünste — Leipzig, 1885