Feuerwaffen, frz. armes á feu, engl. fire-arms, guns, lat. gunnae, die infolge der Erfindung des Schießpulvers eingeführten Waffen, von denen man zwei Hauptwaffen zu unterscheiden hat:
I. Die Feuergewehre groben Kalibers (Geschütze), frz. bouche á feu, engl. piece of ordnance, great arm. Wenn auch die Anwendung des Schießpulvers oder einer ähnlichen Mischung wenigstens bis ins 7. Jhd. hinauf reicht und es sicher im 13. Jhd. durch die Araber nach Spanien kam, so führte doch der Überlieferung zufolge erst der Zufall auf den Gedanken, das Pulver anzuwenden, um damit Körper durch ein Metallrohr zu schleudern. Darauf deutet auch Form und Name der ersten Feuergewehre groben Kalibers, der Mörser, frz. mortier, engl. mortar-piece, lat. mortarium; denn vermutlich war es ein gewöhnlicher Küchenmörser, in welchem man das Gemisch von Salpeter, Schwefel und Kohlen zerstieß und dabei die erste Erfahrung von der Wirkung dieses Gemisches machte. Man stellte also, indem man den Mörser mit einem kleinen Loch im Boden versah, die erste Feuerwaffe her (Fig. 474 und 478).
Der Erfindung eines solchen Mörsers, der noch bis ins 16. Jhd. oft aus geschmiedeten, wie die Dauben eines Fasses aneinander gefügten Eisenstäben verfertigt wurde, folgte die Kanone, genannt Bombarde oder Donnerbüchse, Fig. 475, ebenfalls noch ein Mörser, aber mit einer Öffnung an beiden Enden. In das untere Ende oder Bodenstück, frz. eulasse, wurde die Ladung gebracht, und diese Öffnung durch Holz- oder Metallteile geschlossen. Die größeren dieser Geschütze z.B. die bekannte "faule Grete", die sich ums Jahr 1414 Burggraf Friedrich von Nürnberg zur Zerstörung der Burgen des märkischen Raubadels von dem Landgrafen von Thüringen lieh; ebenso "der Greif", die "Ungnade" und die "tolle Grete", Fig. 477, welche die Genter 1452 bei der Belagerung von Qudenarde gebrauchten. Die Bombarde blieb übrigens von der ersten Hälfte des 14. noch bis ins 16. Jhd. im Gebrauch. Dazu kam, jüngeren Ursprungs als die Bombarde, aber noch im 15. Jhd., das Geschütz mit beweglicher Ladebüchse, Feuerkatze, Kammerstück, Haubitze, frz. obusier, engl. howitzer, chamber-piece, welches, frz. veuglaire (vom deutschen Vogler) gen., aus dem Flug oder der Mündung und der Zündkammer, frz. chambre á feu, tonnerre, bestand, endlich die eigentliche Kanone, frz. canon, engl. cannon, at. canon, vibrella, im engeren Sinn, die von vorn durch die Mündung zu laben ist.
Diese Mündung (oder Flug, frz. Volée) hatte einen Mündungsfries, frz. bourrelet, d.h. eine ringförmige äußere Einlassung. Die in der Mitte befindlichen Achsen, welche zu Unterstützung des Geschützes dienen, es im Gleichgewicht erhalten und ein Richten in vertikaler Linie ermöglichen, heißen Zapfen, Schildzapfen, frz. tourillons, engl. trunnions; die oben an der Kanone hervorragenden Bügel heißen Henkel, frz. anses, engl. dolphins, die innere Höhlung, deren Durchmesser oder Weite das Kaliber, frz. calibre, engl. caliber, heißt Seele, frz. âme, engl. bore; das oft mit einem Knopf, Traube, frz. bouton, engl. button, endigende Hinterteil heißt Bodenstück, Stoß, Kappe, frz. culasse, cul de lampe, engl. breech, cascable.
Alle diese Geschütze, anfänglich aus geschmiedetem Eisen, wurden zum Teil seit dem Anfang, fast allgemein seit Ende des 15. Jhd. aus Bronze oder Stückgut (einer Mischung von Zinn und Kupfer) gegossen und gegen die Mitte des Jhd. mit den oben genannten Zapfen versehen. Gegen Ende desselben Jhd. traten an die Stelle der festen, unbeweglichen Blocklafetten, frz. flasque, cadre, engl. blocktrail, bracket, d.h. des Gerüstes, auf welchem das Geschütz ruhte, die beweglichen Lafetten, Rollpferd, Rappert, frz. affût, engl. carriage, mittels deren man den Schuss leichter nach jeder Richtung lenken kann.
Für diese groben Geschütze gibt es besonders bei den Schriftstellern des 15. und 16. Jhd. mannigfache Namen, die jedoch auch wohl in verschiedenen Gegenden eine und dieselbe Art und Form bezeichnen. Dahin gehören: Böller oder Roller, Mörser, Rothschlange, frz. serpentine, Feldschlange, frz. couleuvrine, engl. culverin, Halbfeldschlange, frz. demi-couleuvrine, Falkaune, frz. faucon, Falkonette, frz. fauconneau, engl. falconett, Feuerkatze oder Kammerstück, engl. chamberpiece. Eine zusammengesetzte Art der Kanonen, ähnlich der heutigen Mitrailleise, ist das Orgelgeschütz, auch Todtenorgel genannte, frz. orgue á serpentins, orgue de mort, engl. orgues, bestehend aus einer großen Anzahl von neben- und übereinander gelegten Kanonenröhren kleinen Kalibers, die, von vorn durch die Mündung oder von hinten zu laden, nacheinander oder zugleich abgefeuert werden konnten und bis zur Mündung in einem Gestell von Holz oder Metall steckten. Eins der ältesten Orgelgeschütze, aus dem Anfang des 15. Jhd. im Museum zu Sigmaringen. Die am Ende des 15. Jhd. gemachte Erfindung des gezogenen Laufes der Handfeuerwaffe wurde bald nachher auch auf die Kanonen angewendet.
II. Handfeuerwaffen.
Bereits gegen die Mitte des 14. Jhd. finden sich die ersten Spuren von tragbaren Feuerwaffen oder Handgewehren, frz. armes á feu portatives, engl. hand-guns, small arms, fire-locks, bei den
Flandern; doch scheinen sie Anfangs keine große Verbreitung gefunden zu haben. Erst im 15. Jhd. wurden sie allgemeiner, aber schon in diesem und im folgenden Jhd. so vielen Veränderungen
unterworfen, dass man danach folgende Namen unterscheiden kann.
1. Die Handkanone, der Handlauf, das Handfeuerrohr, frz. canon á main, engl. hand-cannon, von Mitte des 14. Jhd. an, aus geschmiedetem Eisen, ohne Schaft, auf einem rohen Holzstock befestigt,
noch nicht zum Anlegen geeignet, hat oberhalb der Zündkammer das Zündloch, frz. trou de lumiére, egl. touch-hole, mit einem kleinen Deckel, um es vor Nässe zu schützen (Fig. 479). Wenn sie von
kürzerer Form und für die Reiterei bestimmt war, so hieß sie Stutzbüchse, Brustkanone, frz. poitrinal, pétrinal.
2. Die Schulter-Handkanone, aus dem Ende des 14. Jhd., hat einen Schaft mit einem zum Anlegen bestimmten Kolben, frz. crosse, engl. buttend, und das Zündloch an der rechten Seite des Laufes. Beide Arten wurden vermittels einer losen Lunte abgefeuert, die mit der Hand an das Pulver der Pfanne gebracht wurde.
3. Die Handkanone mit Hahn, frz. á serpentin, engl. with gun-lock, ohne Feder und Drücker, mit einer am Hahn befestigten Lunte, erfunden uns Jahr 1424. Sie hieß auch wohl Feldschlange, frz.
couleuvrine á main, oder, da sie einen an die Brust anzulegenden Kolben hatte, ebenfalls Brustkanone, frz. pointrinal.
4. Die Handkanone mit Hahn und Drücker oder Züngel, frz. détente, queue, engl. trigger, finger.
5. Die Hakenbüchse, Hakebusse, Arkebuse, der Haken, frz. haquebuse, arquebuse, arqubuse á croc, biscaïen, engl. arquebusium, mit Haken, Drücker und Feder, frz. ressort á chien, engl. cock-spring,
aus der 2. Hälfte des 15. Jhd., mit einem etwa 1 m langen Lauf. Sie war die erste, die ein genaues Zielen gestattete.
6. Die Doppelhakenbüchse, der Doppelhaken, frz. haquebuse double, hat zwei in entgegengesetzter Richtung vermittels zweier Federn und zweier Drücker niederschlagende Hähne und eine Länge von 1,5
bis 2 m. Sie diente gewöhnlich bei Verteidigung der Wälle, heißt daher auch Wallbüchse, frz. fusil de rempart, engl. wall-piece. Gewöhnlich wurde sie, sowie die einfache Hakenbüchse, auf eine am
Ende gabelförmige Stütze, frz. fourquine, engl. musket-rest, gelegt und hatte zu diesem Zweck einen Haken.
7. Die deutsche Radschlossbüchse, frz. arquebuse á rouet, engl. wheel-lock-but, nach dem 1515 in Nürnberg erfundenen Radschloss, frz. platine á rouet, engl. whell-lock, genannt, welches das
bisherige Luntenschloss allmählich verdrängte. Es besteht aus einer stählernen Scheibe, deren schnelle Umdrehung durch eine Feder bewirkt wird, wodurch ein Stück Schwefelkies, das vom Hahn fest
auf die Scheibe gedrückt wird, Funken hervorbringt, die das Pulver auf der Pfanne entzünden (Fig. 480).
8. Die Muskete, frz. mousquet, engl. musket, lat. muschetta, konstruiert wie die Arkebuse, mit Luntenschloss, frz. á méche, engl. match-lock-musket (Fig. 481), oder mit Radschloss, frz. á rouet, engl. wheel-lock-musket (Fig. 482), aber viel größerem Kaliber, stets zu gebrauchen mit einer Stützgabel.
9. Die Büchse, frz. carabine, mousquet á balle forcée, engl. rifle, rifled gun, Muskete mit gezogenem, d.h. spiralförmig gewundenem Lauf, frz. canon rayé, engl. rifled barrel; siehe Büchse.
10. Die Schnapphahnbüchse, frz. fusil á chenapan, engl. snaphance, eine deutsche Erfindung aus der zweiten Hälfte des 16. Jhd., die noch vermittels des Schwefelkieses das Pulver entzündet (Fig.
483), Vorläufer des Feuersteinschlosses;
also 11. der Steinschlossflinte, frz. fusil á silex, arme á silex, engl. flint-lock, flint-museket, einer französischen Erfindung gegen das Jahr 1630, die auch Füsiliermuskete heißt, wenn sie ein Bajonett mit einer Dille hat, sodass sie, während das Bajonett auf dem Lauf bleibt, abgeschossen werden kann.
12. Karabiner, Reiterstutzen, frz. carabine, mousquetons, engl. carbine, lat. chavarina, nennt man, etwa seit der Mitte des 16. Jhd., eine Handfeuerwaffe mit kurzem, gezogenem Lauf, nur für die
Reiterei bestimmt.
Quelle: Müller, Hermann Alexander, Mothes, Oscar: Illustrirtes Archäologisches Wörterbuch der Kunst des germanischen Alterthums, des Mittelalters und der Renaissance, sowie der mit den bildenden Künsten in Verbindung stehenden Ikonographie, Kostümkunde, Waffenkunde, Baukunde, Geräthkunde, Heraldik und Epigraphik ; deutsch, französisch, englisch und lateinisch.