Armbrust, frz. arbaléte, egl. cross-bow, arbalist, arcubalist; lat. arbalista, arcubalista; eine am Anfang des 12. Jhd. durch die Kreuzfahrer in Europa bekannt gewordene, bis in die Mitte des 16. Jhd. in Gebrauch gebliebene Waffe zum Abschießen befiederter, lanzettförmiger Bolzen oder Pfeile, frz. fléches, dars, traits; engl. bolts, arrows, quarrels; lat. sagittae, dardi, flechae, tratus, welche in einem Köcher, frz. carquois, archiére, engl. quiver, sheaf, lat. pharetra, faretrum, carcaissum, larcerium, peracia, getragen wurden. Eine Art von Armbrust wurde vielleicht schon gegen das Ende des 10. Jhd. im Abendland erfunden, aber sie glich damals mehr der f. g. Bauchpfanne, einem Wurfgeschütz der Römer, welches diese schon zu Anfang der Kaiserzeit in ihren Heeren anwendeten. Auch um die Mitte des 12. Jhd. werden Armbrustschützen erwähnt, Richard Löwenherz ließ sie (um 1190) in seine Truppen eintreten, und Philipp August von Frankreich (1180 - 1233) schuf dort die ersten Armbrustschützen-Kompanien zu Fuß und zu Pferd, aber erst im 13. Jhd. scheint diese Waffe allgemein in Gebrauch gekommen zu sein. Schon damals hatte man, um sie zu spannen, ein eigenes Werkzeug (Antwerk), das vielleicht schon die später dafür gebräuchliche Form eines Widerdruckhebels oder auch einer Winde hatte. Sie war übrigens sowohl die Waffe für die Jagd als für den Krieg und namentlich bei den Deutschen sehr beliebt. Sie besteht aus einem Bogen oder Bügel, der Anfangs durchgängig aus mehreren Lagen von starkem, elastischem Holz oder Fischbein, zuweilen mit Leder überzogen, seit dem 15. Jhd. aus Stahl gefertigt war, und aus einem hölzernen Schaft, frz. arbrier, auch Rüstung oder Säule genannt, der oft kunstreich mit Elfenbein ausgelegt ward. Die gespannte Sehne, frz. corde, engl. string, wird durch eine Nuss, frz. noix, oft in Gestalt einer runden, mit zwei Kerben versehen, Scheibe gehalten. Je nach dem zum Spannen der Sehne angewandten Werkzeug oder sonstigen Eigentümlichkeiten unterschied nach schon gegen das Ende des Mittelalters verschiedene Arten:
1. Die Geißfußarmbrust, frz. arb. á pied de biche oder de chévre; engl. arb. with crows footlever, cross bow with goats-foot lever (Fig. 64), deren Spannapparat, Geißfuß genannt, ein gegliederter Hebel ist, dessen einer Arm zwei Gabeln mit Haken hat; der eine dieser Haken wird gegen die am Schaft befindlichen Zapfen gestemmt, der andere fasst die Sehne und zieht sie in die Kerbe der Nuss. Diese Art des Spannens scheint die älteste zu sein und diente vorzugsweise den reitenden Armbrustschützen. Aus dem Geißfuß, den wir in Fig. 65 nach einer älteren Zeichnung geben, entwickelte sich später die ebenfalls auf dem System des Hebels beruhende Wippe, auch Armbrusthebel genannt, wie sie noch heute bei den Leipziger Armbrustschützen in Gebrauch ist; siehe Fig. 66. Das Original ist im Besitz der Schützengesellschaft zu Leipzig.
2. Die Windenarmbrust, frz. arbaléte á cric, oder á cry, á manivelle, á cranequin; engl. windlass-arbalist, deren Apparat aus einer gewöhnlichen Winde, auch Spannwinde, Drehhaspel genannt, besteht. Eine Kurbel dreht ein Treibrad, dessen Zähne in eine gekerbte Eisenstange eingreifen; die Haken dieser Stange fassen die Sehne und bringen sie auf die Nuss. Die mit einem Haken versehene Winde wurde am Gürtel getragen. Diese Windenarmbrust wurde sowohl zu Pferd wie zu Fuß und auf der Jagd gebraucht. Siehe Fig. 67. Das Original ist im Besitz des Vereins für Geschichte Leipzigs. Auf demselben Prinzip beruht die Zahnradarmbrust, frz. arbaléte á rouet d´engrenage, a á encliquetage; engl. wheel cross-bow. Hier sitzt, fast an der Rüstung, nahe hinter der Nuss, ähnlich wie bei der Flinte das Schloss, ein Rad, durch einen Wirbel oder Schlüssel drehbar. Bei der Umdrehung des Rades rollt sich eine Gliederkette um die Welle desselben, die mit einem an ihrem Ende befindlichen Doppelhaken, genau wie der Haken der Winde geformt, die Sehne fasst.
3. Die große Flaschenzugarmbrust, frz. arbaléte á tour, arbaléte de passe oder de passot, arbaléte á moufle, á double manivelle; engl. Cross-bow with latch. Diese Armbrust hat einen ziemlich langen Schaft, der vorn an der Spitze einen Bügel hat, in welchen der Schütze seinen Fuß steckte, um die Armbrust zu spannen. Siehe Fig. 68. Auf das Kolbenende des Schaftes der Armbrust legte er die obere Flasche (il engageait au talon de lárbrier la chape supérieure), d. h. das obere Rollengehäuse eines Flaschenzuges, während die an den unteren Rollen angebrachten Haken die Sehne des Bogens fassten; dann drehte er die Kurbeln, um zu spannen; dann drehte er die Kurbeln, um zu spannen, hängte, wenn die Sehne bis auf die Nuss gebracht war, den Flaschenzug an seinen Gürtel und legte den Pfeil auf. Diese größte aller Armbrustarten diente vorzugsweise bei Belagerungen und beim Scheibenschießen; die Genfer Armbrustschützen waren in der Schlacht bei Azincourt (1415) damit bewaffnet. Fig. 69a stellt den Flaschenzug einzeln, b das obere Gehäuse im Durchschnitt dar.
4. Die Stein- oder Kugelarmbrust, frz. arbaléte á jalet, engl. prodd, Balester, später auch Kugelschnäpper genannt, im 16. Jhd. nur auf der Jagd gebräuchlich. Damit wurden keine Pfeile, sondern nur kleine runde Kieselsteine oder Kugeln von Blei oder gebranntem Ton abgeschlossen. Sie wurden, da ihr Bogen nur schwach war, ohne weiteres Werkzeug nur mit der Hand gespannt, hatte einen nach unten gebogenen oder gekröpften eisernen Schaft und eine doppelte Sehne, in deren Mitte sich eine Art von Netz oder Tasche befand zu Aufnahme der Kugeln oder Kieselsteine (Fig. 70). Das Original ist im Privatbesitz in Leipzig.
5. Erst dem 17. Jhd. gehört die Rinnenarmbrust an, frz. arbaléte á baguette, á coulisse; engl. groove-cross-bow, mit einem Rohr versehen, das die Rille bedeckt, in welcher der Pfeil gleitet. Siehe Fig. 71.
6. und 7. Seltener im Gebrauch waren die sogenannte chinesische Armbrust, frz. arbaléte chinoise oder á répétition, und die Feuerrohr-Armbrust, frz. arbaléte á pistolet, engl.
gun-cross-bow (Fig. 72). Die erstere hat auf dem Schaft eine Schublade, die vermittels eines Hebels hin und her geschoben werden kann und bis zu 20 Pfeilen enthält, von denen bei jedem Schuss
einer abgeschossen wird. Die letztere, bisweilen im 16. Jhd. vorkommend, hat einen mit einem Feuerrohr belegten Schaft, dient also zu dem doppelten Zweck als Feuerwaffe sowohl wie als Schutzwaffe
für Pfeile.
Drehpfeil, frz. vire, vireton, lat. veretonus, veru, ein mit leicht spiralförmig gestellten Lederflügeln an der Axe versehener, daher im Flug sich drehender Armbrustbolzen.
Links aus dem 15. Jahrhundert. Rechts aus dem 16. Jahrhundert.
Quelle: Müller, Hermann Alexander, Mothes, Oscar: Illustrirtes Archäologisches Wörterbuch der Kunst des germanischen Alterthums, des Mittelalters und der Renaissance, sowie der mit den bildenden Künsten in Verbindung stehenden Ikonographie, Kostümkunde, Waffenkunde, Baukunde, Geräthkunde, Heraldik und Epigraphik ; deutsch, französisch, englisch und lateinisch.