Querschnitte dieser beiden Bogen sind hier unter a, b, und c gegeben; a ist der von Balfour mitgeteilte Querschnitt seines Bogens aus dem 7. Jahrhundert; b und c sind die Querschnitte durch den zuerst von mir publizierten Bogen aus der Zeit des zweiten Rhamses. Genau wie bei dem oben gegebenen Querschnitt durch den Turkistan-Bogen ist das Holz durch Striche, die Sehnenmasse durch Punkte und die Horn-Substanz durch schwarze Farbe gekennzeichnet. Man sieht also, dass der Bogen des 7. vorchristl. Jahrhunderts außerordentlich kompliziert gebaut war: er hat einen dicken Holzkern, zwei seitliche Holzstäbe, am Rücken einen, am Bauch zwei Hornstäbe, und schließlich noch einen doppelten Mantel von Sehnenmasse; er ist also aus 8 Bestandteilen zusammengesetzt. Verhältnismäßig einfacher ist der um 6 Jahrhunderte ältere Bogen, der in der Berliner ägyptischen Sammlung unter Nr. 4712 verwahrt wird. Wie die Querschnitte b und c zeigen, bestand er aus mehreren miteinander verspleißten Holzstäben, einem dicken Sehnenmantel und einem dritten Element, das leider ausgefallen ist, dessen Form aber durch eine tiefe Rinne, die auf der Innenseite des Bogens verläuft, gegeben erscheint. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich um einen Stab aus Horn handelt; gerade Horn wird nämlich leicht von Käferlarven (Dermestes und Anthrenus) angegriffen und hat sich auch in Ägypten nur ganz ausnahmsweise erhalten. Im Übrigen ist dieser Bogen der älteste zusammengesetzte, den wir überhaupt kennen, und schon deshalb bemerkenswert; dass er in einem Grab aus der Zeit Rhamses II. gefunden wurde, legt es nahe, ihn in Zusammenhang mit dem großen Hethiter-Krieg zu bringen, und ich möchte ihn geradezu für einen hethitischen halten.
Wie sonst der alte Bogen, besonders der homerische beschaffen war, darüber sind die abenteuerlichsten und unmöglichsten Vorstellungen verbreitet. Ich habe die Frage in der Festschrift für Otto
Benndorf ausführlich behandelt und kann hier auf diese Untersuchung verweisen. Ich habe da gezeigt, dass der homerische Bogen in allen wesentlichen Eigenschaften genau mit dem vorderasiatischen
der Gegenwart oder der unmittelbaren Vergangenheit übereinstimmt. Dies geht in einwandfreier Art besonders aus den Darstellungen auf Vasenbildern, Münzen und anderen alten Denkmälern hervor und
sehr schön auch aus den alten Beschreibungen der Schwierigkeit des Aufbringens der Sehne. Einen gewöhnlichen, einfachen Bogen zu bespannen, kann niemals irgendwelche nennenswerte Mühe machen: man
kann ihn mehr oder weniger stramm bespannen, aber man kann sehr kräftig schießen, auch wenn man erst die Sehne nur locker aufgebracht hat. Viele Bogen, besonders die der Salomo-Insulaner, haben
die Sehne sogar völlig schlaff befestigt; trotzdem sind sie die besten einfachen Bogen, die ich überhaupt kenne — sie erfordern nur eine besondere große Schutzvorrichtung für die Bogen-Hand, die
sonst von der rückprallenden Schnur grausam zerschunden werden würde.
Völlig anders liegt die Sache bei dem zusammengesetzten Bogen. Da gehört das Aufbringen der Schnur zu den schwierigsten Prozeduren, die man sich nur vorstellen kann. Die Berliner Sammlung besitzt
eine große Anzahl solcher Bogen aus Turkistan, welche so hart sind, dass die vereinten Kräfte von drei Männern nicht ausreichen, sie zu bespannen. Man muss ganz komplizierte Apparate
konstruieren, wenn man überhaupt daran denken will, die Schnur richtig einzuhängen. Nur die schwächsten unserer Bogen vermag ein einzelner Mann allein zu bespannen und auch das nur nach vieler
Übung und ganz ausschließlich nach antiker Art, also allein nur dann, wenn er in die Krümmung des Bogens hineintritt, und dann mit beiden Schenkeln und mit dem linken Arm den Bogen so lange
biegt, bis dass er mit der Rechten die Schnur an der richtigen Stelle einhängen kann. Diese Stellung ist durch eine große Anzahl von antiken Darstellungen genau bekannt, und allein schon diese
Übereinstimmung; in der allein möglichen Art der Bespannung würde einen Schluss auch auf den übereinstimmenden Bau des Bogens gestatten. Ebenso großes Gewicht muss aber auch auf die äußere Form
des antiken Bogens gelegt werden; indem ich da auf die alten Monumente verweise, gebe ich hier (Fig. 6) nur eine ganz kleine Abbildung zweier Turkistan-Bogen, von denen der eine ohne Schnur, der
andere aber richtig bespannt ist. Die Abbildung lässt keine Details erkennen, aber sie reicht völlig aus, um die allgemeine Form eines "reflexen" Bogens in seinen beiden Ruhelagen, der wirklichen
und der gespannten, zu veranschaulichen. Ein Vergleich mit den antiken Darstellungen wird die absolute Übereinstimmung bestätigen, natürlich nur dann, wenn von solchen Abbildungen abgesehen wird,
die nur der freien Phantasie eines Künstlers entsprungen sind, der nie einen Bogen anzusehen oder zu verstehen für nötig befunden hatte. Solche Künstler sind heute ja durchaus die Regel, und
unter hundert Bogen, die wir auf modernen Kunstwerken oder gar erst auf unseren Berliner Kachelöfen finden, wird vielleicht nur ein einziger sein, der vor dem ethnographisch geschulten Auge
bestehen kann aber auch im Altertum gab es einzelne flüchtige und leichttfertige Künstler, deren Bogendarstellungen unbrauchbar sind. Weitaus die meisten antiken Darstellungen des Bogens sind
aber zuverlässig, und diese stimmen durchaus mit unserem typischen Turkistan-Bogen überein.