Der wertvollste Einfluss der neuen kriegerischen Erscheinung auf das Volksleben war, dass sie die Waffenlehre unabhängig von einem Geburtsstand wieder allen zugänglich gemacht hat. Keineswegs bedeutet das eine Demokratisierung des Heerwesens, vielmehr war das aristokratische Element stark vertreten. Der niedere Adel war zahlreich in den Reihen der Landsknechte wie gleichzeitig in dem berühmten spanischen Fußvolk, und ein Ulrich von Hutten hat den Langspieß geschultert in seien Jugendtagen. Aber in der Schlachtordnung und vor den Kriegsartikeln, auf die sich die Knechte im Ring verpflichtet hatten, waren alle gleich, und dem Tüchtigen war die Bahn aufwärts geöffnet. Die niederen Führerstellen wurden durch Wahl der Kriegergemeinde selbst besetzt, die höheren vom Kriegsherrn, aber auch sie beim Fußvolk in der Mehrzahl durch Bürgerliche. Das lag schon in der Art der Werbung begründet, die durch die Obersten, vielfach durch die Hauptleute und Rittmeister geschah, sodass es darauf ankam, sich besuchte Werbeplätze und Männer von weitreichenden Verbindungen früher zu sichern als der Gegner. Daher standen, obwohl die Truppen immer nur auf kurze Zeit geworben wurden, die Offiziere häufig in einem durch Vertrag und Sold befestigten Dienstverhältnis zu einem Fürsten auch in Friedenszeiten, um ihm im Bedarfsfall neben ihrer Person auch ihren Einfluss zur Verfügung zu stellen.
Da die Reiterei noch überwiegend aus Edelleuten bestand, empfahlen sich zu ihrer Anwerbung Männer, welche in diesen Kreisen bekannt waren; die Landsknechte dagegen waren außer Bauern hauptsächlich Stadtkinder. Für die zahlreichen Unzufriedenen dieser Stände, denen hoffnungslose Zustände die Heimat vergällten, bot das Fähnlein ein lockendes Ziel. War doch dem Bauern am Ende des Mittelalters kein Ausweg mehr aus erdrückendem Frondienst geblieben, und in den üppig erblühten Städten verschloss die selbstsüchtige Handhabung des Zunftwesens durch Beschränkung der Meisterstellen einer immer wachsenden Zahl das Vorwärtskommen.
Und dabei ruhte auf den Zünften vor allem die städtische Wehrkraft. Seit Jahrhunderten hatten sie die Feinde von ihren Mauern abgetrieben, das städtische Banner in die Ferne geleitet und der
Waffe der Bürgerschaft Anteil am Ratsregiment erkämpft. Wer ein Handwerk trieb, der musste nicht nur seine Arbeit bestimmten Vorschriften unterwerfen, sondern auch nach seinem Vermögen
festgesetzte Waffen halten, die zeitweilig gemustert wurden. Sie zu üben boten die Schützengilden Gelegenheit und die Fechtgesellschaften.
Zogen sich doch durch das ganze reich die beiden großen einander feindlich gesinnten Bruderschaften der Federfechter und Marxbrüder, auch sie zünftig geordnet mit der Würde eines Meisters vom langen Schwert als Ziel des Ehrgeizes. Den Ruhm deutscher Fechtkunst
bezeugt noch das vom Wort „schirmen“ abgeleitete l‘escrime. Nicht immer die verlorenen Söhne werden es gewesen sein, die einem aussichtslosen Druck ein abenteuerliches Leben vorzogen, das neben
Wanderlust und Kampfesfreude auch reichen Gewinn in lockende Aussicht stellte, nach den Worten eines Meistergesangs:
ins Tags über eine breite Heide
Drei Landsknecht, suchten einen Herren mild,
Der ihnen Geld geb‘ und guten Bescheide,
Auf das ihr Bauch und Magen würd erfüllt.
Der Arbeit waren sie feind und abholde,
Wollten vielmehr erlangen Ehr
Dazu einen reichen Solde
Durch Kriegswaffen, Schwert, Bogen und auch Schild.
Durch Mannestat war jetzt für jeden zu gewinnen, was eines Mannes Herz erfreuen mochte. Jahrhunderte lang war das kriegerische Selbstgefühl ein Erbe der gepanzerten Reiter, deren Rosse die gesegneten Ebenen der Lombardei wie das ärmliche Feld des slawischen Smurden zerstampften: jetzt war die Ehre des Kampfes und seine wilde Poesie allen offen. Auch der Handwerksgesell mochte jetzt zu seinem Schatz sagen:
Wohlauf, du schönes Urschelein,
In Friaul wöllen wir hinein.
Schuh machen will ich lassen liegen,
Ich hab zuvor in manchen Kriegen,
Gewunnen Ehr und großes Gut,
Wer weiß, wem´s noch glücken thut!
Und sie darauf erwidern:
Mein Hans, so will ich mit dir laufen,
In Friaul zu dem hellen Haufen.
Vielleicht mag ich so viel gewinnen,
Als ich die Welt nit möchte erspinnen.
An dem Nähgarn oder Zwirn,
Wie wohl thut ein Schusters Dirn.
Auf dem Musterplatz, wo die einzelnen zwischen zwei in den Boden gestoßenen Speeren an den Musterherren vorbei schreiten mussten, wurde nicht die Herkunft, nur die körperliche Rüstigkeit und
Bewaffnung geprüft.
Zum ersten Mal wieder seit dem Verschwinden des deutschen Heerbanns erklingen in den Liedern der Landsknechte die Laute einer volkstümlichen Schlachtenpoesie, in der frei von höfischer Sitte und
christlicher Demut urgermanische Empfindungen wieder hervorbricht:
Ei werd' ichs dann erschossen,
Erschossen auf breiter Heid,
Man trägt mich auf langen Spießen,
Ein Grab ist mir bereit;
So schlägt man mir den Pumerlein Pum,
Der ist mir neunmal lieber,
Denn aller Pfaffen Gebrumm.
Und wie viele von denen, die in keckem Wagemut ausgezogen, für immer in dämmernder Ferne entschwanden – viele kehrten doch zurück, ein Gewinn für das Selbstgefühl auch der daheim gebliebenen. Denn mit einer uns heute unfasslichen Gewalt wirkte jede Neuigkeit in einer Zeit, die auf mündliche Mitteilung oder das Land durchflatternde Blätter angewiesen war. Die frühe Kunde aus der Ferne gebracht hatten als Pilger, Händler, fahrende Schüler und Spielleute, hatten sich vorsichtig in fremden Brauch schmiegen und um Schutz werben müssen, jetzt berichteten solche, die als Herren draußen aufgetreten waren. Der Romanismus war er, der von alters her dem Deutschen verhasst war, seit Walter am Wasigenstein einen Gegner an den trügerischen Worten als Welschen erkannte; seine Macht in Recht und Kirche empfanden sie mit Ingrimm: jetzt hatten deutsche Kriegsleute die verhassten Welschen, den reichen König von Frankreich, den Herrn Papst selbst zittern gemacht.
Quelle Bild und Text: "Der Soldat in der deutschen Vergangenheit" miteinhunertdreiundachtzig Abbildungen und Beilagen nach den Originalen aus dem 15. - 18. Jahrhundert, von Georg Liebe; Leipzig, 1899.