Die äußeren Umstände, welche die Bildung eines nationalen Kriegerstandes begünstigten, hätten nie diese Macht gehabt, wären nicht die inneren Kräfte vorhanden gewesen. Nur darum tritt er fertig, ohne stufenweise Entwicklung aus dem Dunkel hervor. Alle die scharf ausgeprägten Eigenheiten in taktischer, rechtlicher, sittlicher Hinsicht, sie sind nichts anderes als altgermanische Charakterzüge, die einst dem Heer eigneten, weil es das Volk war, und jetzt wieder zutage traten, als das Heer wieder volksmäßig geworden war.
Eine volkstümliche Reaktion gegen die Entartung der Feudalreiterei war die von den Schweizern übernommene Fechtart. Verdrängt zwar wurde die Reiterei so wenig als früher das Fußvolk, aber entscheidend wurde jetzt der Kampf der gedrängten, bis zu achtzehn Mann tief aufgestellten Gewalthaufen zu Fuß. Sie stellten die ersten taktischen Einheiten dar, freilich nur für das einzelne Gefecht gebildet. Die Reiterei dagegen bestand noch während der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts aus einzelnen Gleven, Rittern und Knechten. Es gab so zu sagen eine Infanterie, aber keine Kavallerie, sondern nur Reiter, die ohne taktischen Zusammenhang machtlos waren gegenüber dem Hag der langen Spieße. Diese Waffe, auf deren Anwendung die Taktik der Landsknechte durchaus beruhte, bot das erste Beispiel gleichförmiger Bewaffnung größerer Scharen. Die Schweizer dagegen führten allzeit in großer Zahl sogenannte Kurzwehren, Streitäxte, Morgensterne und besonders Hellebarden.
Eigenster deutscher Anschauung entsprach es, dass der Landsknecht im Feld häufig seine Häuslichkeit mit sich zu führen pflegte. Wie die Germanen als wandernde Krieger in den Lichtkreis der Geschichte tretend Weiber, Kinder und Habe auf Karren mit sich führen, so war auch vom Heer der neuen Fußknechte ein gewaltiger Tross unzertrennlich.
„Wer in den Krieg will ziehen,
Der soll gerüstet sein.
Was soll er mit ihm führen?
Ein schönes Fräulein.
Ein langen Spieß, ein kurzen Degen,
Den Herren wölln wir suchen,
Der uns Geld und Bescheid soll geben.“
Ehe die wüste Zuchtlosigkeit späterer Zeiten einriss, war solche Begleitung nicht schlechthin verwerflich. In der Besorgung von Kochen, Waschen und Pflege der Verwundeten gewährte sie dem Kriegsmann mancherlei Erleichterung, und wie in der Vorzeit wusste er, wenn es galt, unmittelbar hinter der Schlachtreihe diejenigen, denen an seinem Siege am meisten gelegen war. Freilich die Überzeugung vom Wechsel alles Irdischen gewann hier früh Raum:
Erst hebt sich an die Klag der treuen Frauen,
Ein jede thut nach ihrem Mann umschauen.
Welcher der ihre ist blieben todt,
Darf nit vor Schanden lachen,
Bis sie ein andern hat.
Wer sich nicht mit einem Weib behängen mochte, den geleitete ein Bube, die zeitgemäße Umgestaltung des früheren Knappen, bestrebt, dem Herren nachzueifern, aber keineswegs in dessen spärlichen Tugenden. Dazu gesellte sich besonders in guten Zeiten die Schar derer, die vom Heer zu gewinnen hofften, Marketender, Handelsleute, fahrendes Volk aller Art. Mit Haushaltsgegenständen und Beute beladen, wenn es nicht gelang, Transportmittel dafür aufzutreiben, wälzte sich diese Menge dem Heereszug nach. Auch sie war militärischer Zucht unterworfen und wurde gelegentlich zum Schanzen herangezogen.
Quelle Bild und Text: "Der Soldat in der deutschen Vergangenheit" miteinhunertdreiundachtzig Abbildungen und Beilagen nach den Originalen aus dem 15. - 18. Jahrhundert, von Georg Liebe; Leipzig, 1899.