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Der Soldat in der deutschen Vergangenheit Teil 1

Wagenburg. Holzschnitt aus Livius, Römische Historien. Mainz, Schöffer, 1523.
Wagenburg. Holzschnitt aus Livius, Römische Historien. Mainz, Schöffer, 1523.

Duellen, reichlicher als für die Geschichte jedes anderen Standes, sind für die des Soldaten bisher erschlossen, aber nur einseitig als Hebel der politischen Gewalt ist er gewürdigt worden. Nicht die Einwirkung, die der deutsche Soldat auf die Kultur geübt, sondern die er von ihr erfahren hat, soll den Gegenstand der folgenden Darstellung bilden. Denn wie stark die Antriebe sind, die besonders auf ihren früheren Stufen die Gesamtkultur durch kriegerische Tätigkeit empfängt, so spiegelt wiederum kein Zug im Antlitz eines Volkes so treu sein inneres Leben wieder wie sein Kriegswesen. Weniger von den technischen Einrichtungen der Taktik und Bewaffnung gilt dies, die mehr für die äußere Kultur einen Maßstab abgeben, als für die Heeresergänzung und soziale Stellung des Kriegers. Bei den Völkern der verschiedenen Zeiten sehen wir der staatlichen Entwicklung entsprechend in regelmäßiger Abwandlung gewisse Stufen der Wehrverfassung sich ablösen.

 

Der Waffenpflicht jedes Waffenfähigen folgt das Waffenrecht einer bevorrechteten Kaste, diesem die Erwerbsfreiheit des Söldners. Von den Eigenhufen germanischer Freien zog der Heerbann zu Felde, die Lehensgüter der Feudalzeit entstanden die berittenen Wappner zu des Kaisers Heer, die erwerbslosen Söhne der üppig emporgeschossenen Städte folgten den werbenden Fahnen der Landsknechte, bis in den Gräueln des großen Krieges mit der sittlichen zugleich die kriegerische Tüchtigkeit der Deutschen zu vermorschen schien. Aber während überall sonst die Herrschaft zügellosen Söldnertums den unaufhaltbaren Verfall des Staatswesens einleitet, waren im deutschen Volkstum Kräfte zu neuem Leben wirksam. Ihrer nicht die kleinste war die Fähigkeit, dem den Forderungen einer neuen Zeit die Schöpfung eines wahrhaften Volksheeres in Einklang zu bringen, eine Aufgabe, gelöst durch die Neuorganisation Brandenburg-Preußens.

Straßenkampf im 15. Jahrhundert. Holzschnitt aus Chronik von Köln. Köln, Kovelhoff, 1499.
Straßenkampf im 15. Jahrhundert. Holzschnitt aus Chronik von Köln. Köln, Kovelhoff, 1499.

Das Volk, das schon seines ersten Beurteilers Tacitus Worten von keinem anderen an Waffentüchtigkeit und Treue übertroffen wurde, dessen erste Gesamtbezeichnung im furor teutonicus fortlebt, hat zu allen Zeiten dem Krieger eine besondere Ehrenstellung angewiesen, aber als Stand tritt dieser erst auf der Stufe des Söldnertums hervor. Von einem Kriegerstand kann nicht die Rede sein, so lange Volk und Heer eins sind. Nicht nur zu Tacitus Zeit wurde erst durch die Wehrhaftmachung der Jüngling ein Teil des Staates, auch die Reichsversammlung der Merowinger war wesentlich Heerschau; von ihrer Stätte ist man nicht selten in den Krieg gezogen. Die Unmöglichkeit, eine fast ausschließlich landbauende Bevölkerung mit der Last immer weiter ausgedehnter Heerfahrten zu beschweren, führte zwar dahin, dass die zu Ross Dienenden sich zu einem neuen Stand zusammenschlossen, aber schon im 12. Jahrhundert war dieser zum Geburtsstand geworden. Der Grundbesitz, lehensweise als Lohn für den Kriegsdienst gegeben, zog unweigerlich die Erblichkeit nach sich. Wie er schon in der Urzeit Rechte und Pflichten des Volksgenossen begründet hatte, so tat er es jetzt für diejenigen, die mehr und mehr beides für sich in Anspruch nahmen.

Mittelalterliche Wagenburg. Federzeichnung aus dem Hausbuch des Fürsten Waldburg-Wolfegg.
Mittelalterliche Wagenburg. Federzeichnung aus dem Hausbuch des Fürsten Waldburg-Wolfegg.

Erst die Mobilisierung des Besitzes ließ mit anderen Ständen den des Soldaten als Beruf entstehen. Der durch Handel und Gewerbe gebildete neue Faktor im Wirtschaftsleben, das Kapital, gewährte die Möglichkeit, wie andere Kräfte auch die kriegerischen fortan nicht allein mit Grundbesitz zu entlohnen. Es ist die gleiche Entwicklung wie bei dem zweiten Stand, auf dem der moderne Staate beruht, dem des Beamten. Erst der Ersatz der Naturalbesoldung durch ein regelmäßiges Geldgehalt schuf ein Beamtentum, dem Dienstpflicht über Vorteil ging. Wie bei diesem Stand lässt bei dem des Soldaten das in der Entstehung wirksame materielle Element manche unerfreuliche Erscheinungen zutage treten. Ihre mehr oder minder kräftige Überwindung durch sittliche Einflüsse und ihr Obliegen bestimmen in der Folgezeit den sozialen Charakter des Standes.

Zwei Soldaten im Gespräch. Mitte des 15. Jahrhunderts. Kupferstrich vom Meister P. W. von Köln. Wien, Hofbibliothek. B. VI 310. 3.
Zwei Soldaten im Gespräch. Mitte des 15. Jahrhunderts. Kupferstrich vom Meister P. W. von Köln. Wien, Hofbibliothek. B. VI 310. 3.
Fußvolk Karls des Kühnen. Kupferstrich eines Monogrammisten des 15. Jahrhunderts. L. 28.
Fußvolk Karls des Kühnen. Kupferstrich eines Monogrammisten des 15. Jahrhunderts. L. 28.

Auch nach dem Zerbröckeln der feudalen Heeresverfassung blieb das taktisch Entscheidende der Kampf der in der Regel, wenn auch nicht ausnahmslos zu Ross fechtenden Ritterschaft. Die unterste taktische Einheit des Heeres bildete die Gleve, sogenannt nach der Ritterlanze. Sie bestand aus dem Ritter mit zwei Pferden für Kampf und Marsch, einem Diener und einem Schützen, beide ebenfalls beritten, also drei Mann und vier Pferde.

 

Bis in 15. Jahrhundert werden die Heerhaufen nach Gleven oder Helmen berechnet. Eine solche Atomisierung machte eine taktische Gliederung unmöglich; das Gefecht vollzog sich in den schwerfälligen Formen des Turniers. Die Felduntauglichkeit solcher Organisation wurde durch die furchtbaren Lehren der Schlachten im Anfang des 14. Jahrhunderts klar. Wie 1302 die französische Ritterschaft in der Sporenschlacht von Courtrai den Eisenkolben der flandrischen Bürger erlag, so 1315 das Heer Herzog Leopolds von Österreich am Morgarten den Morgensternen und Hellebarden der Schweizer. Von da ab begann mit wachsender Schnelligkeit das Fußvolk das bisherige Übergewicht der Reiterei und ihrer Standesvertreter zurückzudrängen.

 

Langsamer gewann eine um dieselbe Zeit einsetzende zweite Veränderung Einfluss. Ist das über der Entdeckung des Pulvers als Kriegswaffe schwebende Dunkel auch nicht gelichtet, so stimmen doch alle Nachrichten überein, sie einem deutschen Mönch im Anfang des 14. Jahrhunderts zuzuschreiben, den die Überlieferung Berthold Schwarz nennt. Die Schwerfälligkeit der neuen Waffe und die Langsamkeit der Verbesserung, die erst in der Mitte des 15. Jahrhunderts das Luntenschloss zustande brachte, ließ noch lange Zeit auch die kleineren Kaliber nur bei Verteidigung und Berennung fester Plätze Verwendung finden.

Belagerung einer Stadt im 15. Jahrhundert. Holzschnitt aus Vergil, Straßburg, Grieninger, 1502.
Belagerung einer Stadt im 15. Jahrhundert. Holzschnitt aus Vergil, Straßburg, Grieninger, 1502.

Dem Fernkampf im Feld diente bis zum Ende des Mittelalters die aus dem handbogen durch Erhöhung der Spannkraft und Verwendung des Stahls hervorgegangene Armbrust. Von den Kreuzfahrern mit heimgebracht fand sie Ausbildung und Verbreitung, war aber umständlich zu bedienen, zumal man auch im freien Feld zur Deckung des Schützen große Setzschilde zu gebrauchen pflegte, die unten mit Eisenstacheln versehen in den Boden gestoßen, auch wohl auf Karren befestigt wurden. Die Ausrüstung der als Schützen bezeichneten Mannschaft bilden in der Regel zum größten Teil Armbrüste, zum kleineren Teil Büchsen. Von großem Einfluss auf die Taktik des Fernkampfes wurde im 15. Jahrhundert die von den Hussiten übernommene Wagenburg. Aus einem bloßen Beförderungsmittel wurden die Wagen durch Ziskas Feldherrngenie zu einem Kampfmittel.

 

Noch bis weit in das folgende Jahrhundert hinein blieb die Sitte den deutschen Heeren, zwischen den in vier bis sechs Zeilen fahrenden Wagen des Trosses zu marschieren zur sicheren Deckung gegen plötzlichen Überfall. Das Lager aber wurde durch die kreisförmig zusammengefahrenen Wagen zu einer Festung umgeschaffen. Da sie die Möglichkeit bot, neben Schützen auch größere Feuerwaffen ins Feld zu führen, ist die Wagenburg, die zur Bekämpfung durchaus Fußvolk erforderte, für die Fortbildung von Artillerie und Infanterie wichtig geworden. Die zur Lenkung der Wagenburg notwendige Übung veranlasste förmliche Manöver, wie ein solches 1447 von der Stadt Erfurt berichtet wird. Das Wesen der neuen Formation, die Festigkeit und Beweglichkeit vereinte, schildert drastisch der bekannte Nürnberger Hans Rosenplüt:

Die von Nürnberg schickten aus ein Tier,
Das war so grausamlich gestalt,
Das ging aus in der Wochen zwier,
Das Tier hat viel der Feind bezahlt,
Das Tier gab aus Stein, Blei und Pfeil,
Das haben Ritter und Knecht eingenommen,
In Tag und Nacht reist es zwölf Meil,
Und ist allzeit heim wieder kommen.

Das Schießpulver als teufliche Erfindung. Holzschnitt aus Stumpf, Schweizerchronik. Zürich, Froschauer, 1548.
Das Schießpulver als teufliche Erfindung. Holzschnitt aus Stumpf, Schweizerchronik. Zürich, Froschauer, 1548.
Fliegende Brieftauben. Holzschnitt aus Montevilla. Reise, Straßburg, Prüß, 1488.
Fliegende Brieftauben. Holzschnitt aus Montevilla. Reise, Straßburg, Prüß, 1488.
Absenden von Brieftauben. Holzschnitt aus Montevilla, Reise 1488.
Absenden von Brieftauben. Holzschnitt aus Montevilla, Reise 1488.

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Quelle Bild und Text: "Der Soldat in der deutschen Vergangenheit" miteinhunertdreiundachtzig Abbildungen und Beilagen nach den Originalen aus dem 15. - 18. Jahrhundert, von Georg Liebe; Leipzig, 1899.