Der Heuchler
Es hat ein Ehr- und Dienstbegieriger von einem Fürsten heimlich ein Amt erkauft und als man ihm dasselbe im Beisein anderer Personen öffentlich aufgetragen, hat er die Demut und Eingezogenheit
mit falschem Herzen äußerlich vorgeschützt. Er wüsste einmal nicht, woher ihm diese große Gnade geschehe. Das Vertrauen sei gegen seine Wenigkeit gar zu groß. Er sei einmal dieses hohen Amtes
nicht würdig.
Die Heuchelei und falschgefärbte Untergebenheit verdross dem Fürsten nicht wenig und damit er demselben öffentlich zu Schanden machte, sagte er: „Ich muss bekennen, dass du dieses Amtes ganz
unwürdig bist, weil du dasselbe von mir erkauft hast. Täte auch dabei weniglich, wie viel er darum gegeben, offenbaren und benennen. Und weil du selbst deine Unvermögenheit und Unwürdigkeit
bekennst und also durch deine hernach gefolgte Reue, was wir beiderseits beschlossen und von uns verglichen, freiwillig wiederum brichst, ist es nur billig, dass ich dich von dieser Amtsbürde in
Gnaden und frei und ledig lasse und einen anderen, welcher würdiger ist als du, damit belade“, was auch wirklich geschah. Jetzt bleibt die Frage, ob der Fürst in seinem Gewissen schuldig ist und
das eingenommene Geld an den besagten Heuchler und „Brillenreisser“ wiederum zurückgegeben hat.
Die schwangere Sklavin
Es gibt in Hispania ein Gesetz, wenn eine Sklavin von ihrem Herrn schwanger wird und ein Kind überkommt, diese hierdurch die Freiheit erlangt. Aber der Herr, der die Sklavin schwängerte, wollte
ihr die Freiheit nicht schenken, damit er sie nicht aus der Dienstbarkeit verliere. Er leugnete sodann beständig. Aber weil die arme Haut inständig bestätigte, dass niemand ihrer als allein ihr
Herr „theilhafftig“ geworden sei, gibt der weise König Alphonsus, noch in seiner blühenden Jugend, in dieser ganz zweifelhaften Sache nachfolgende Erkenntnis: Das Kind soll alsobald öffentlich
verkauft werden und demjenigen, welcher dafür den höheren Wert gibt, zugeeignet werden.
Der Vater wird hierüber aus väterlicher Liebe und Neigung bewegt sein, die Wahrheit zu sprechen und bekennen, dass er der Vater sei. Auf diese Erklärung ist ihm das Kind - hingegen die Sklavin in
die Freiheit gestellt worden.
Quelle: Ausgewählte kuriose Gerichtsfälle der Antike, des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit. - Überarbeitete Neuauflage des Continuatio Metamorphosis Telae Judiciariae – Das ist Fortsetzung Seltsamer Gerichtshändel (aus dem Jahr 1658)