Die Heldentaten
Aulus Gellius erzählt einen wunderlichen Fall:
In einer Stadt wurde ein Gesetz erlassen und auch öffentlich ausgerufen, dass, wenn jemand diejenige, in diesem Gesetz begriffene Heldentat in einer Schlacht gegen seinen Feind üben und
vollbringen werde, dass hingegen ihm alles dasjenige, was er immer verlangt und begehrt, ihm willfährig gestattet und gegeben werden sollte.
Es begab sich, dass mit großer Hingabe seines Leibes und Lebens dergleichen heroische Heldentat begangen wurde. Dieser Mann begehrte, ihm für die wohlverdiente Tat als Belohnung und Ersetzung,
des Nachbarn Weibs „zuzustellen“, welche er schon vorher verbotener Weise geliebt hatte. Es wird seiner Bitte, wiewohl mit höchsten Unwillen seitens des Ehemannes, nachgegangen. Aber weil dieser
Ehemann auch bald hernach eben ein solches tapferes Heldenstück gegen seinen Feind begangen habe, begehrte er sein Eheweib wiederum zurück. Aber weil seine Bitte nicht verfängt, versucht er es
unter gerichtlichem Zwang.
Seine Klage stellte er alsobald gegen seinen Gegner: „Wenn du das Belohnungsgesetz gutheißt, so ist es notwendig, dass du dasjenige, was ich verlange, vollziehst, nämlich mein Weib wiederum mir
zuzueignen. Wenn du aber meinst, es sei dieses Gesetz nicht gerecht, sondern unbillig, so bist du vor den Göttern und aller Welt schuldig. Auch dann musst du mir mein Weib zurückgeben, weil du es
unrechtmäßig bekommen hast.“
Die Antwort des Gegners: „Wenn du diesem Gesetz billigst, so ist die Frau nunmehr mein Eigentum. Denn dieselbe habe ich durch eben dieses Gesetz erworben. Wenn du aber dieses Gesetz für
unrechtmäßig schätzt und hältst, so hast du gar kein Fug und Recht, dein ehemaliges Eheweib zurück zu begehren.“
Wie aber diese spitzfindige Strittigkeit erläutert wurde, schreibt gedachter Aulus Gellius leider nicht. Vielleicht ist die Wahl dem Eheweib zugeschoben worden, ob sie bei dem Ersten oder bei dem
Letzten verbleiben wolle. Vielleicht ist sie bei dem Letzten verblieben, weil sie sich eines schlechten Willkommens bei dem Ersten ausgemalt hätte. Oder aber, vielleicht hat sie die erste
inbrünstig gefasste Liebesneigung dahin bewegt, dass sie sich wiederum für ihren vorigen und ersten Haushüter entschloss, weil die Weiber den ersten Ehemann lieber als dessen Nachfolger haben.
Der Lügengeist
Zu Thorn in Preußen geschah einem leichtfertigen „Zeitungsschmied“ [Herausgeber] ein wohlverdienter Schimpf und Spott. Derselbe hat jüngst vergangenem Jahr 1656 im Augustmonat mit Beibringung
etlicher scheinbarer Umstände und vieler Beteuerungen herausgegeben, dass es Ihre königliche Majestät in Polen Johann Casimir bei einem dreitägigen Treffen am 18., 19. und 20. Juli um Warschau
von den Schweden gewiss gefangen genommen wurde. Weil aber auf weitere gepflogene Nachforschungen sich das „Widerspiel gefunden“ [Gegenteil herausstellte], zog man diesen „Lügengeist“ vor
Gericht.
Die Verurteilung: Dass er zu wohlverdienter Strafe und anderen verlogenen „Zeitungstrollern“ zur Abscheu und Abschreckung einen Tag lang auf den Esel gesetzt und ihm zwei Zettel, einer vorn an
der Brust, worauf „Nova“ stand, und der andere auf dem Rücken, worauf „neue Zeitung“ stand, öffentlich angeheftet werden solle.
Wenn Zeitungen für wahrgenommen werden, sodann sich das Widerspiel durch die rechte Gewissheit bezeugt, sagt man in dem gemeinen Sprichwort: Es ist ein hinkender Bote hierhergekommen. Ist also
ein „obbemeldeter Zeitungs-Reutter“ [verkündet öffentlich Nachrichten und Bekanntmachungen]. Solchen hinkenden Boten entgegen zu reiten ist abgefordert worden. Aber wohin mit den „hültzenen“
Füßen?
Quelle: Ausgewählte kuriose Gerichtsfälle der Antike, des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit. - Überarbeitete Neuauflage des Continuatio Metamorphosis Telae Judiciariae – Das ist Fortsetzung Seltsamer Gerichtshändel (aus dem Jahr 1658)