Französische Trachten aus dem 15. Jahrhundert, nach Figuren auf den gewirkten Teppichen, welche 1477 in dem Lager Karls des Kühnen erbeutet wurden und sich jetzt zu Nancy befinden. Bei Tafel 335 ist bereits gesagt, was die allegorischen Bilder dieser Teppiche darstellen und welchen besonderen Wert dieselben für die Geschichte des Kostüms haben.
Die ganze Abbildung, aus der unsere Figuren genommen sind, bezeichnet die üblen Folgen des Banketts. In der oberen Gruppe wird das Bankett selbst durch einen Mann dargestellt, welcher sich mithilfe seiner Untergebenen rüstet, um dann alle Gäste niederzuhauen, welche vorher selbst dem Bankett fröhlich beigewohnt haben. Es soll dadurch gezeigt werden, wie sich die Schwelgerei durch sich selbst rächt. Der reich gekleidete Mann unten zur Linken stellt das souper [ein festliches Abendessen] dar, ihm zur Seite steht einer seiner Begleiter mit einem Federbarett; zur Rechten drei Musikanten, welche das Bankett verherrlichen.
Die obere Darstellung zeigt kniend und betend den Herzog Sigismund von Bayern, von welchem wenige Bildnisse aufzufinden sind, mit dem quadrierten Wappenschild von Bayern und der Pfalz, nebst der Jahreszahl 1497 und in gleicher Stellung den Bruder dieses Herzogs, Johann, Abt von Andechs, in seinem Abtornate und dem Wappenschild der Abtei Andechs, mit Leopard und Adler in Gold auf blauem Feld.
Der Ornat des Abtes unterscheidet sich von dem gewöhnlichen der Bischöfe nur durch das schwarze Unterkleid, welches durch die Ordenstracht der Abtei bedingt ist. Diese beiden Figuren befinden sich in doppelter Größe an den beiden unteren Ecken einer großen gemalten Tafel, auf welcher sich der Kirchenschatz der Abtei Andechs, meist in Gold ausgemalt, befindet; derselbe besteht vorzugsweise in Monstranzen, Kelchen und Reliquiaren. Dieses Gemälde, im bayerischen National Museum aufbewahrt, bildete gewissermaßen das bildliche Inventar der Abtei Andechs.
Die untere Darstellung ist eine Gruppe aus den gewirkten Tapeten zu Nancy, welche wir bereits bei Tafel 335 und 341 beschrieben. Dieselbe zeigt, wie das „Bankett“ über die „gute Gesellschaft“ und den „Zeitvertreib“ herfällt und sie in die Flucht jagt. Das Bankett erscheint in der Gestalt eines Ritters in Kriegsrüstung, wie er eben darein schlägt; die gute Gesellschaft in jener einer Frau, welche sich in Verwunderung an die Stirn greift; den Zeitvertreib, in Gestalt eines jungen Mannes, welcher flieht. Eine weibliche Figur (wohl ähnliches vorstellend) ist im Sinken begriffen.
Eigentümlich ist an der Tracht des Ritters, dass dessen Helm von der gewöhnlichen Form, welche wir mehrfach vorführen, bedeutend abweicht und dass der Ritter schon breite Eisenschuhe hat, welche erst später in Deutschland allgemein wurden. Dagegen trägt der junge Mann in Haustracht mit langem, weitem Überkleid die in dieser Periode noch gewöhnlichen spitzen Schuhe.
A ein Jüngling, dessen ganze Tracht in mi-parti, dem kurzen Mäntlein auf der linken Schulter und der gezaddelten Kopfbedeckung, einen jungen eitlen Mann dieser Periode charakterisiert. Wir haben diese Figur einem alten kolorierten Holzschnitt entnommen, zu welchem der Original-Holzstock im Germanischen Museum zu Nürnberg aufbewahrt ist.
B weibliche Figur nach den vortrefflichen, altfranzösischen Miniaturen, im Besitz der Familie Brentano in Frankfurt a. M. Über den Meister derselben bestehen zurzeit nur Vermutungen, aber so viel ist sicher, dass sie ein gewisser maître Etienne, welcher am Hof König Karl VII. und Ludwig XI. von Frankreich lebte und um das Jahr 1474 starb, verfertigen ließ.
Das Original dieser Abbildung ist in halber Größe auf einem Gemälde, welches den Besuch Mariens bei Elisabeth vorstellt und zeigt uns nach der naiven Auffassung jener Periode eine Hausmagd bei Elisabeth, mit dem Besen in der Hand und aufgeschürztem Kleid. Ihr Kopfputz ist, wie man ihn bei französischen Frauen höheren und niederen Standes um diese Zeit öfters sieht.
C ein Bauersmann, zu der Arbeit gehend, nach einer Federzeichnung des 15. Jahrhunderts im königlichen Kupferstichkabinett zu Berlin. Diese ländliche Tracht, mit wenig Abweichungen, sieht man häufig in den Pergamentmalereien der Missale, welche die Beschäftigungen in den verschiedenen Monaten darstellen.
Quelle Text und Bild: Trachten, Kunstwerke und Gerätschaften vom frühen Mittelalter bis Ende des achtzehnten Jahrhunderts nach gleichzeitigen Originalen (Bd. 5)