Man kann das Bajonett nicht schlechtweg zum Zubehör einer Handfeuerwaffe rechnen, es ist eine Beigabe, durch welche das Gewehr gewissermaßen seine Bestimmung verändert und zur Stoßwaffe wird. Wir haben gesehen, dass man schon seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts, ja in beschränkterer Ausdehnung schon seit dem 14. Jahrhundert darauf Bedacht nimmt, die Waffe gleichzeitig für Stoß und Hieb, bzw. für den Schuss verwendbar zu machen. Man sah das höchste Ziel in einer Universal-Waffe, die jede Art der Anwendung gestattete.
Gegen Ende des 16. Jahrhunderts, in den Kriegen der Niederlande, ändert sich allmählich die Fechtweise, das Feuergefecht entwickelt sich in den größeren Heeren mehr und mehr und die Taktik streift vollends ihre mittelalterlichen Traditionen ab. Mit der Bedeutung des Feuers kommt das Gewehr zu überwiegender Geltung.
Fig. 586. Schweinspieß in der Form eines Spundbajonetts mit Messingfassung und hölzernem Spund. Ende 17. Jahrhundert.
Fig. 587. Spundbajonette.
A. Spundbajonett mit Stichblatt. 17. Jahrhundert. Ehemalige Sammlung L. Meyrick.
B. Spundbajonett. 17. Jahrhundert. Englisch. Ehemalige Sammlung L. Meyrick.
Aber für den Ansturm auf den Gegner konnte man einer Stoßwaffe doch nicht entraten; so blieb die Pike neben der Muskete noch beinahe ein Jahrhundert eine unentbehrliche Waffe.
Nach einem noch vorhandenen Schreiben eines gewissen Hotmann an Jacob Kapellus zu Sedan vom Jahre 15751 zu schließen, muss das Bajonett schon damals als Waffe bekannt gewesen sein, da in dem Schreiben von einem vergoldeten Dolch gesprochen wird, „den man Bajonett nenne“. Zum mindesten bestand zu jener Zeit das Wort, wahrscheinlich aber auch schon die heutige Verwendung der mit ihm bezeichneten Waffe, da die ältesten Bajonette eben nichts anderes als lange Dolche waren, deren Griffholz man in die Mündung des Laufes steckte und damit das Gewehr zur Stoßwaffe umgestaltete. Schon in diesem Stadium der Entwicklung ist das Schicksal der Pike entschieden, sie wird überflüssig und verschwindet aus den Heeren.
Aus dem Wortlaut des erwähnten Schreibens lässt sich aber schließen, dass anfänglich die Bezeichnung Bajonett eine vermutlich in Bajonne erzeugte Dolchform bedeutete und erst später der Ähnlichkeit des Gegenstandes wegen auf den Gewehrspieß übertragen wurde.
Oberst M. Thierbach bemerkt in seinem trefflichen Werk über die geschichtliche Entwicklung der Handfeuerwaffen1, das Bajonett sei wahrscheinlich zuerst bei der Jagd zur Anwendung gekommen. Diese Vermutung hat manches für sich, denn in der Waffensammlung des kaiserlichen Hauses in Wien wird tatsächlich ein in den Lauf zu steckendes Bajonett (Spundbajonett) bewahrt, dessen Klinge ein vollständiges „Schweinsblatt“ darstellt. (Fig. 586.) Es gehört dem Ende des 17. Jahrhunderts an.
Aber die Idee, aus der Schießwaffe in der hier bezeichneten Art eine Stichwaffe zu machen und diese auch im Krieg zu verwenden, trat doch schon weit früher auf. So werden in der obengenannten Sammlung auch zwei lange Faustrohre, etwa von 1580 datierend, bewahrt, die an der Stelle des Ladestockes eine Nut aufweisen, aus welcher eine spitze, pfriemenartige Klinge sich herausziehen und mittels einer Sperrfeder feststellen lässt. Das sind die frühesten Anfänge des Bajonettes. (Fig. 587a und b.)
Die erste Erwähnung des Bajonettes, als ein „zu den Musqueden gehöriges Messer“, findet sich in den Akten des Hauptzeughauses zu Dresden im Jahr 1669.
Der Nachteil der Spundbajonette, die man erst vom Gewehr herabnehmen musste, um mit diesem auch schießen zu können, führte zu Versuchen, die Klinge etwas seitwärts vom Lauf zu stellen und die Verbindung durch eine Hülse (Dille) zu bewirken. Die ersten derartigen Bajonette besitzen nicht nur Spunde, sondern auch Dillen, welche aufgeschlitzt sind und den Lauf federnd umklammern. Um die Klinge aus der Kugelbahn zu bringen und somit auch bei aufgestecktem Bajonett feuern zu können, wurde sie mit dem sogenannten Hals versehen und seitwärts gestellt. (Fig. 588.) Diese Art der Befestigung ließ vieles zu wünschen übrig, da nicht selten die Bajonette beim Feuern herabfielen und im Handgemenge leicht herabgezogen werden konnten. Erst um 1740 wurde in Frankreich eine solidere Befestigung dadurch erzielt, dass die Dille einen eingefeilten, „gebrochenen Gang“ erhielt, der seine Führung durch das Visierkorn oder einen an den Lauf geschweißte Narbe erhielt. Aufgesteckt wurde es durch eine Feder gehalten.
Die ersten Bajonettklingen waren gerade, in der Form eines kurzen Schwertes, nicht selten für den Gebrauch im Lager auch gezahnt. Später, im 18. und bis ins 19. Jahrhundert, werden sie immer kürzer und messerförmiger. Im 18. Jahrhundert besaß die sächsische Infanterie auch Bajonette mit Säbelgriffen, welche seitwärts an den Lauf befestigt wurden. Von Frankreich aus gelangten die dreikantigen, pfriemenartig gebildeten Bajonette in die anderen Heere; sie wurden auch in Lüttich, der großen Kriegswaffen-Werkstätte, in Massen erzeugt. Später erhielt die Klinge bei etwas zunehmender Länge einen vierseitigen Querschnitt mit konkaven Flächen. Der sogenannte Bajonetthals wird am Anfang des 19. Jahrhunderts zylindrisch und abgebogen, die Klinge erhält zur Sicherung vor der den Lauf verlassenden Kugel eine geringe Neigung nach der Seite. Erst um 1840 finden sich die ersten Haubajonette ohne Dillen, ähnlich den alten sächsischen, aber mit Yatagan ähnlichen Klingen nach dem System Delvigne, mit denen zuerst die Chasseurs d’Orleans ausgerüstet wurden. (Fig. 589.)
1Thierbach, M., Die geschichtliche Entwicklung der Handfeuerwaffen. Dresden 1886.
1Archiv für Geschichte etc. 1828. pag. 70.
Fig. 588. Französisches Dillen-Bajonett vom Jahr 1724. Nach Schön, Geschichte der Handfeuerwaffen, Taf. XVIII.
Fig. 589. Französisches Haubajonett, sogenannter „Yatagan“, System Delvigne, vom Jahr 1840. Nach Thierbach.
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Quelle: Wendelin Boeheims "Handbuch der Waffenkunde"