Fig. 539. Radschloss mit Rauchfang. Das Rad mit seinem Mechanismus liegt im Innern der Schlossplatte. Der Rauchfang ist im Scharnier nach vorne umzulegen. Arbeit des Büchsenmachers Christian Baier. Um 1640.
Die leichte Reiterei führte anfänglich nur Faustrohre mit Radschlössern, deren geringe Wirkung Veranlassung gab, die Rohre immer mehr zu verlängern. Dadurch entstand eine Art kurzer und leichter Reitergewehre mit Radschlössern, die man gleichfalls Hakenbüchsen (Arkebusen) benannte, wiewohl sie sich von den eigentlichen Hakenbüchsen des Fußvolkes in allem unterschieden. 1589 kommt im französischen Heer für diese Reitergewehre der Name carabine auf, den sie auch bis in die Neuzeit in fast allen Heeren behalten haben. Die ersten Arkebusierkompanien (zu Pferd) treten in Italien auf. Die niederländischen und deutschen Reiter führten ihre Gewehre an Riemen (Bandelieren), welche über der linken Schulter getragen wurden; man nannte sie darum auch allenthalben Bandelierreiter.
In dem spanischen Heer sind unter Karl V. um 1530 einzelne Schützen mit kurzen aber schweren Handbüchsen ausgerüstet, deren Läufe an der Mündung trichterartig erweitert sind. Sie erscheinen in der Mündung entweder kreisrund oder auch quer-oval und wurden nach ihrer einer Trompete (trompa) ähnlichen Form Tromblons oder Trombons genannt. Um 1570 führten sie die Venezianer auf den Galeeren und um dieselbe Zeit wird eine leichte Gattung von Trombons bei der italienischen leichten Reiterei eingeführt, wozu der unsichere Schuss zu Pferd die Veranlassung gegeben haben mochte. Vereinzelt kommen Trombons noch im 17. Jahrhundert vor. Sie wurden mit gehacktem Blei geladen und hatten auf kurze Distanzen ziemliche Wirkung. (Fig. 537.)
Mit der rasch sich vollziehenden mechanischen Verbesserung des Feuergewehres wurde auch dessen Verwendung vielseitiger und den verschiedenen Verwendungsarten gemäß bildeten sich bestimmte Typen heraus. Den ersten Anstoß nicht nur zu wichtigen Verbesserungen, sondern auch zur Bildung gewisser besonderer Formen für bestimmte Zwecke gab die Jagd, einen weiteren das in deutschen und niederländischen Städten schon am Ende des 15. Jahrhunderts in Aufnahme gekommene Zielschießen. Im Verlauf des 16. Jahrhunderts kommen zahlreiche Gewehrtypen in Aufnahme, die früher ganz unbekannt waren. Zunächst trennen sich die Formen des Krieges von jenen der Jagd und des Zielschießens ab. Es bildet sich die Pürschbüchse, die Scheibenbüchse und diese verteilen sich wieder in zahlreiche Spezialtypen, von denen wir nur die charakteristischsten hier anführen können. Von Nürnberg und Augsburg aus gelangen die ersten Bockgewehre in Gebrauch. Doppelläufe, welche übereinander liegend angeordnet sind, etwas später die Doppellaufbüchsen mit nebeneinander liegenden Läufen. Diese Anordnung war Veranlassung zu komplizierten Radschlosssystemen, den zwei-, dreifachen Radschlössern (Doppelschlössern) und dergleichen. Besonders fruchtbar an neuen Systemen war die Periode der letzten zwei Jahrzehnte, des 16. und das 17. Jahrhundert. Nach 1550 erscheint plötzlich eine Gattung von Gewehren von sehr geringem Kaliber und stark abgesenktem, zierlichen Kolben, der meist in Einlegetechnik reich verziert ist. Sie erscheinen unter den Namen Teschinkas, Tschinken, Teschinger Büchsen und dienten für die Vogeljagd. (Fig. 538.) Ihre Herkunft ist noch unermittelt, doch weist ihr Ursprung auf ein slavisches Land im Nordosten Europas, worauf auch ihr Name hinzielt, denn teska bedeutet im Tschechoslowakischen so viel wie Pulversack. Die meisten dieser Tschinken besitzen Radschlösser, deren Mechanik an der Außenseite liegt, was wohl eine Folge der geringen Dimension des Mittelschafts sein mag. Diese Konstruktion, welche übrigens schon unter den ältesten Radschlössern angetroffen wird, kommt in den alten Inventarien der königlichen Gewehrgalerie zu Dresden unter der Bezeichnung kurländische vor, was abermals wieder nach dem Nordosten weist1. Die älteste Tschinke, welche dem Verfasser bekannt geworden ist, befindet sich in der Rüstkammer zu Emden; sie trägt die Jahreszahl 1558.
Um die Mitte des 17. Jahrhunderts treffen wir kurzläufige Jagdgewehre, welchen ihre eigentümliche Schlosskonstruktion den Namen Rauchfanggewehre gegeben hat. Die Besonderheit besteht darin, dass auf der Pfanne eine Röhre, Rauchfang, aufgesetzt wird. Sie dienten vorzüglich zur Entenjagd und der Rauchfang hatte den Zweck, dem scheuen Wild das Aufblitzen des Zündkrautes zu verbergen. Sie kommen hauptsächlich nur in österreichischen Sammlungen vor. (Fig. 539.)
1Nicht selten werden die Tschinken irrigerweise türkische Gewehre genannt, vielleicht aus der Ursache, weil die Zeichnungen der Schafteinlagen einen ganz fremdartigen, rustikalen Stil erkennen lassen, der dem in den Kunststilen weniger Bewanderten als orientalisch erschien. Im weiteren Sinne ist diese Empfindung nicht unrichtig, denn slavische Stilformen, wo sie entschiedener hervortreten, lassen ganz deutlich ihre orientalische Herkunft erkennen.
Fig. 540. Muskete mit Luntenschloss und altem spanischen Kolben (culatta castellana). Der Schaft ist mit Beineinlagen geziert. Der Lauf ist Nürnberger Arbeit. Um 1560.
Fig. 541. Muskete mit verbeintem Schaft und italienischem Kolben. Radschloss in Verbindung mit einem Luntenhahn. Bezeichnet 1571. Deutsch.
Schon vor der Mitte des 16. Jahrhunderts und zuerst an Faustrohren, kommen jene Systeme vor, welche wir heute als Revolver benennen. Sie gehören eigentlich ihrer Konstruktion nach in die Wendersysteme. Sie entwickeln sich im 17. Jahrhundert zu großer Vollkommenheit und kranken nur an der ungeeigneten Zündungsmethode. Aus diesem Umstand erklärt sich die Erscheinung, dass alle diese Systeme nur vereinzelt auftreten und sogar gänzlich verschwinden. Die Armeria Reale in Turin bewahrt eine Revolverpistole mit den Emblemen und dem Wahlspruch Karls V.: „Plus ultra“. Es ist die älteste Feuerwaffe dieser Konstruktionen, welche bekannt ist.
Bis zum Auftreten des französischen Flintenschlosses, um 1650, hatte die Form der Schäfte und besonders jene der Kolben verschiedene charakteristische Wandlungen durchgemacht und es haben hierzu alle Nationen beigetragen. Wir haben bereits gesehen, dass aus den ältesten klotzähnlichen geraden Schäften der sogenannte „deutsche Schaft“ mit geradem, zuweilen auch sich rückwärts etwas verjüngenden Kolben hervorgegangen ist. Am Anfang des 16. Jahrhunderts tragen die spanischen, später auch die niederländischen und französischen Hakenschützen Gewehre mit nach abwärts gebogenen Kolben (culata castellana). (Fig. 540.) Später kommen aus Italien Gewehre mit geraden, rückwärts in einer Schnecke endigenden Kolben (Fig. 541); sie werden auch in Deutschland vielfach nachgeahmt. Alle diese Kolbenformen erlaubten aber nicht das Ansetzen an die Achsel. Da treten um 1560, vermutlich aus Italien kommend, die alten Musketenkolben auf, welche bereits einen etwas abwärts gebogenen Kolbenhals und ein Lager für den rechten Daumen (Daumengriff) besitzen, ferner rückwärts abgeplattet sind, um ein Anlegen an die Achsel zu erlauben. (Fig. 542, 543.) Diese Kolbenform wird nun um 1570 die allgemeine in allen Heeren, sie erhält sich bis um die Mitte des 17. Jahrhunderts, bei einigen nordischen Heeren noch länger. Die Verbindung des Laufes mit dem Schaft erfolgte von der ältesten Zeit an mittels Stiften, welche quer durch den Vorderschaft gesteckt wurden. Die Verbindung beider durch sogenannte Laufringe, die gegen das Ende des 16. Jahrhunderts zuerst bei orientalischen Gewehren bemerkt wird, kommt in Westeuropa erst um die Mitte des Jahrhunderts, anfänglich in Italien, später auch in Frankreich und den Niederlanden in Aufnahme.
Hier wäre weiter noch der Gewehre zum Schießen von Brandzeug oder auch von Handgranaten, der sogenannten Katzenköpfe, zu gedenken. Ihr Lauf ist meistens aus Bronze gefertigt und gemeiniglich von einer 30 Zentimeter nicht überschreitenden Länge. Ihre Bohrung hat einen Durchmesser von 6—7 Zentimeter, Schaft und Schloss besitzen ganz die Form einer Muskete. Ihre erste Anwendung fanden sie im Niederländischen Freiheitskrieg in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Sie wurden im Festungskrieg noch im 17. und 18. Jahrhundert verwendet. (Fig. 544.)
Fig. 542. Radschlossmuskete mit italienischem Kolben. Das Schloss besitzt noch einen Luntenhahn. Italienisch. Um 1620.
Fig. 543. Radschlossmuskete mit italienischem Kolben. Übergang zum französischen Kolben. Brescianer Arbeit des Antonio Francini. Um 1600.
Fig. 544. Gewehr mit Radschloss zum Schießen von Brandzeug, sogenannter „Katzenkopf“. Der Lauf ist in Metall gegossen und besitzt Kammerbohrung. Deutsch. Um 1620.
Werfen wir, bevor wir uns zur Periode des Flintenschlosses wenden, die einen wichtigen Abschnitt in der Geschichte des Feuerge-wehrwesens bildet, einen Blick auf die Entwicklung der Feuerwaffe im Orient.
In der Türkei machte, wenngleich die Erfindung des Schießpulvers ihren Weg gerade vom Orient aus über die Tatarei und Arabien nach Europa angetreten hatte, die Aufnahme des Feuergeschützes nur langsame Fortschritte, ja im 15. Jahrhundert mussten sich die Türken noch deutscher, italienischer und griechischer Büchsenmeister und Stuckgießer bedienen. Das Hauptaugenmerk war im Orient stets auf die Vergrößerung des Effektes gerichtet; daher entstanden auch die riesigen Geschützungetüme, mit welchen die Türken auf ihren Eroberungszügen auftraten und ihre Festungen ausrüsteten. Erst im 17. Jahrhundert suchten sie, aber immer mit fremder Hilfe, europäische Geschützsysteme einzuführen, in ziemlicher Regellosigkeit und vom kaiserlichen zum französischen schwankend. Die Bedienung der Büchsenmeister (toptschi) ließ, obwohl an diese Unsummen verschwendet wurden, vieles zu wünschen übrig. So schlecht es im türkischen Heer mit dem Geschützwesen bestellt war, ebenso ausgezeichnet gegenüber dem Okzident war die Handfeuerwaffe entwickelt. Das hatte seine Ursachen in der Tüchtigkeit des Schmiedehandwerkes, durch welche es möglich wurde, den Hauptbestandteil des Gewehres, den Lauf, in Form und Güte weit besser als im Okzident zu erzeugen. Schon im 16. Jahrhundert hatten die Orientalen die besten damaszierten Läufe und auch in der Auszierung übertreffen sie an Geschmack und eminenter Technik weit ihre westlichen Nachbarn. Wir finden den Eisenschnitt, die Tausia in Gold und Silber, nebenher häufig auch Einlagen mit Steinen und Korallen. Allerdings waren im Allgemeinen türkische Gewehre noch schwer und plump, aber einzelne Einrichtungen daran beweisen eine staunenswerte Kenntnis der ballistischen Grundsätze. So erblicken wir an Läufen des 16. Jahrhunderts feste Visieraufsätze, die auf genauer Berechnung beruhen; ihre Bohrungen sind tadellos.
In betreff der Schlosskonstruktionen kann man, von vereinzelten Anwendungen abgesehen, sagen, dass sie das Radschloss nahezu ganz ignoriert haben, und von dem Luntenschloss unmittelbar auf das spanische, beziehungsweise türkische Schnapphahnschloss übergegangen sind. Mit letzterem waren sie auch im 17. Jahrhundert den Musketieren mit ihren Luntengewehren weit überlegen.
Wir gelangen nun zu einer überaus wichtigen Periode in der Geschichte des Feuergewehres, jener des Flintenschlosses. Wir stoßen in Fachschriften noch zuweilen auf die Nachricht, dass der französische Geniegeneral Vauban (1633—1707) der Erfinder des Flintenschlosses gewesen sei. Das ist schon darum unrichtig, weil das Flintenschloss in seiner vollen Ausbildung schon 1648 von Pariser Büchsenmachern gefertigt wurde, in welchem Jahre Vauban gerade 15 Jahre zählte. Die Veranlassung zu dieser irrigen Angabe wird wohl gewesen sein, dass Vauban das mit einem Luntenhahn versehene Flintenschloss in der französischen Armee allgemein einführte, was freilich erst 1692 geschah, während das Regiment Royal ‒ fuseliers schon seit 1671 bestand.
Schon bei den alten Schnapphahnschlössern hatte man anstelle des Schwefelkieses vielfach den Feuerstein (Flint, quarz pyromache) verwendet, der wegen seiner größeren Festigkeit seinem Zweck besser entsprach. Von ihm erhielt das Flintenschloss den Namen1.
Die bearbeiteten Feuersteine dürften anfänglich aus den Niederlanden gekommen sein. Die ersten Flinten dagegen, als Luxusgewehre nur für den Jagdgebrauch bestimmt, wurden in Paris erzeugt. Und wenn man schon nach einem Erfinder derselben, beziehungsweise einem Verbesserer des Schnapphahnschlosses suchen wollte, müsste man über die Tätigkeit der um 1648 dort wirkenden Arquebusiers genauere Forschungen anstellen. Tatsache ist, dass uns der Pariser Philippe Cordier d’Aubeville (1635—1665) in seinen gestochenen Blättern und zwar in jenen von 1654 bereits die Abbildung eines Flintenschlosses bringt2.
Wir sind aber imstande, auf ein noch älteres im Original vorhandenes Flintenschloss hinzuweisen. In den kunsthistorischen Sammlungen in Wien befindet sich ein kleines, leichtes Reitergewehr mit messingenem Rohr und geschwärztem Schaft (Fig. 545), an dessen Flintenschloss alle Teile im Innern angeordnet sind. Die Schlossplatte ist aus Messing und graviert, der Hahn und die Batterie sind aus poliertem Eisen. Am Lauf lesen wir: „Felix Werder Tiguri Inventor 1652.“ Wir hätten also mit dem Züricher Meister den Fertiger der ältesten Flinte vor uns; ob auch den Erfinder des Flintenschlosses, das steht noch in Frage, denn die Bezeichnung Inventor bezieht sich gewiss nur auf die Fertigung, nicht speziell auf die Schlosskonstruktion. Weiter lässt die ausgebildete Form des Hahnes erkennen, dass das System bereits einen gewissen Entwicklungsgrad überschritten haben mochte. Jedenfalls liefert uns das kleine Gewehr einen wertvollen Beitrag zur Geschichte des Flintenschlosses.
Die Einführung des französischen Schlosses hatte unmittelbar eine völlige Veränderung der bisherigen Gewehrform, zunächst des Schaftes im Gefolge, der sich nunmehr dem neuen, weit konziseren Mechanismus anbequemen musste. Der Kolben wurde in der Handlage schwächer gemacht; dadurch entstand der Kolbenhals, der Kolben selbst wurde noch mehr abgebogen und zum Anschlag bequemer eingerichtet. Wir unterscheiden diese Form, welche sich im Wesentlichen noch bis jetzt erhalten hat, von den übrigen älteren durch die Bezeichnung französischer Kolben. (Fig. 546.) In seine Detailkonstruktion wurde auch die deutsche Kolbenlade herübergenommen, eine Aushöhlung an der Außenseite des Kolbens, die den Zweck hatte, die Requisiten (Kugelbohrer, Wischer, Patronenzieher) aufzunehmen und welche mittels des Ladeschubers geschlossen wurde.
1Wenn man den Mechanismus des alten spanischen und niederländischen Schnapphahnschlosses betrachtet, so unterliegt es keinem Zweifel, dass die Spanier und die Araber ebenso wie die Niederländer statt des Schwefelkieses sich längst nebenher des Feuersteines bei ihren Schnapphahngewehren bedienten. Die Spanier und Araber fanden hierzu vorzügliches Material an der Nordküste Afrikas und die Niederländer verstanden sich trefflich auf die Bearbeitung harter Stoffe, sie werden auch den harten Quarz für den Zweck zuzurichten gewusst haben. Die Bearbeitung des Feuersteines war doch nur eine vergessene Kunst, vergessen, weil man ihrer nicht bedurfte.
2Vergleiche über die Entwicklung der französischen Büchsenmacherei die Abhandlung des Verfassers in den Blättern für Kunstgewerbe, Wien, Waldheim, 1886, Heft VII u. VIII: „Die Luxusgewehrfabrikation in Frankreich im 17. und 18. Jahrhundert“.
Fig. 545. Schloss einer kleinen Reiterflinte aus Messing mit eisernem Hahn. Arbeit des Felix Werder in Zürich. 1652. Eines der ältesten vorhandenen Flintenschlösser.
Fig. 546. Flinte mit Lauf von Lazarino Cominazzo reich in Eisen geschnitten, mit französischem Kolben. Um 1700.
Fig. 547. Japanisches Gewehr in braun lackiertem Schaft mit Luntenschloss. 18. Jahrhundert. Königlich Historisches Museum in Dresden.
Fig. 548. Indisches Gewehr mit Luntenschloss, aus Lahore stammend. Kaiserliche Waffensammlung zu Zarskoë-Selo. Nach Gille.
Die ausgezeichnete Geschicklichkeit indischer und arabischer Laufschmiede führte die Erzeugung von langen und dünnen Läufen herbei, die ihrer großen Leichtigkeit wegen, und weil man selben eine bedeutende Treffsicherheit zuschrieb, namentlich unter den Beduinenstämmen, allgemeine Verbreitung fanden und teuer bezahlt wurden. Die mit derlei Läufen ausgestatteten Gewehre besitzen Schäfte mit abgebogenen, am Ende flach gedrückten Kolben und kleine Schnapphahn-, spätere auch Flintenschlösser. Sie kommen jetzt mehr und mehr in Abnahme, da auch die Wüstensöhne den Wert der modernen Hinterlader schätzen lernen.
Orientalische Gewehrformen ersehen wir in den folgenden Figuren 547—551.
Fig. 549. Montenegrinisches Gewehr mit türkischem Schnapphahnschloss und reichen Metalleinlagen im Schaft. Kaiserliche Waffensammlung zu Zarskoë-Selo. Nach Gille.
Fig. 550. Türkisches Gewehr mit türkischem Schnapphahnschloss und reich in Elfenbein eingelegtem Schaft. 17. Jahrhundert.
Fig. 551. Türkische Flinte mit in Messing eingelegtem Schaft. 18. Jahrhundert.
Gegen Ende des 17. Jahrhundert finden wir in Albanien und Montenegro eine eigentümliche Gewehrform, die sich im 18. Jahrhundert über die Länder der europäischen Türkei rasch verbreitet, das sogenannte Arnautengewehr (Djeferdari) (Fig. 549.) Es besitzt einen sehr langen, dünnen Lauf und eine eigenartige Schäftung, die meist mit silbernen Beschlägen, Einlagen und mit Stein- oder Korallenfassungen geziert ist. Die ältesten haben noch Schnapphahnschlösser, die des 18. Jahrhundert bereits gute Flintenschlösser. Sie sind im Landvolk noch heute im Gebrauch, verschwinden aber vor den modernen Gewehrsystemen sichtlich.
Das Flintenschloss gestattete in seiner einfachen Konstruktion die Anwendung verschiedener Systeme zur Erzielung eines rascheren Feuers. Es entstanden damit zahlreiche Hinterlade- und selbst Magazinsysteme, denn auch diese sind eine Erfindung dieser Periode.
Schon bald nach dem ersten Auftreten des Feuergewehres macht sich zunächst beim Jagdgewehr das Verlangen nach künstlerischem Schmuck geltend. Italien ging dabei wieder voran, in den anderen Ländern geht der Anstoß dabei von den Höfen, zunächst jenen von Burgund und Frankreich aus. Noch bis ins 16. Jahrhundert werden verzierte Luntengewehre „altfränkische“ genannt. In Italien verzierte man die Eisenteile mit Gravierungen und Vergoldungen, seltener die Schäfte mit Schnitzwerk. In Burgund werden diese mit Samt überzogen und mit zierlichen vergoldeten Silbernägeln besetzt.
In Deutschland kommt schon am Anfang des 16. Jahrhundert eine ganz eigenartige Verzierungsweise in Aufnahme, die sich, von den stilistischen Wandlungen abgesehen, bis ans Ende des 17. Jahrhunderts erhält: die Elfenbein-, Hirschhorn-, Holz-, später auch Perlmutt- und Metalleinlagen (Intarsia). Die Einlegearbeit der deutschen Schäfter war in Zeichnung und Technik unübertroffen.
Dagegen treffen wir vom Beginn des 16. Jahrhunderts an mailändischen und Florentiner Ziergewehren den Eisenschnitt und die Tausia an; später, um 1560, leisten auch die Brescianer Archibusieri Staunenswertes im Eisenschnitt und von etwa 1590 an auch in zierlichen Einlagen aus Eisen. Vom Jahr 1650 an tritt in der künstlerischen Ausschmückung von Gewehren Frankreich, voran Paris, alles verdunkelnd in die Bahn. Die Eisenschnitte und Reliefziseluren der Franzosen überragen an Zeichnung und graziöser Durchführung weit die der älteren Italiener. Dasselbe gilt von der Gravierung und den Metalleinlagen. Die letzten Radschlossgewehre, welche in Deutschland erzeugt werden, zeichnen sich noch durch originelle Schnitzarbeiten an den Schäften und brillante, von geübten Stechern herrührende Gravuren aus. Die neue Generation von 1680 an arbeitete ihre Flinten ganz nach französischen Vorbildern, aber viele der jüngeren Kräfte übertrafen ihre Meister. In der Gegenwart ist nur noch von fabrikmäßiger Präzision der Gewehre, nicht aber von ihrer künstlerischen Gestaltung mehr zu reden.
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Feuerwaffen Teil 3.
Quelle: Wendelin Boeheims "Handbuch der Waffenkunde"