Bei der primitiven Abfeuerungsart aus freier Hand (Fig. 525) war ein Zielen nur sehr schwer möglich, da das Auge dem Schwamm oder der Lunte folgen musste. Man sann demnach auf ein Mittel, die Zündung auf mechanischem Wege zu bewirken. Aus diesem Streben entwickeln sich bald nach 1420 die ersten Anfänge des Luntenschlosses. Das älteste bestand aus einem zweiarmigen Hebel, an dessen vorderem Ende der Feuerschwamm in eine Spalte eingezwängt wurde. Ein Druck auf den unteren Hebelarm mit einem Finger veranlasste das Senken des oberen, wobei der Schwamm auf die Pfanne fiel1. Das hatte noch seine großen Übelstände, da beim Abfeuern der Schwamm oder die Lunte durch das abbrennende Zündkraut häufig ausgeblasen wurde. Man verband nun den Hebel mit einer Druckfeder, Stangenfeder, wodurch der Hebel, Hahn, Luntenhahn (fr. chien, ital. cane, span. gatillo) nach der Entzündung des Krautes wieder in seine vorige Lage zurückgeschoben wurde. Das war das erste Schwammschloss oder „Schwammengelass“, wie es im 15. Jahrhundert benannt wurde. (Fig. 526.) Um 1530 tritt an diesem Schlossmechanismus eine neue wichtige Verbesserung auf durch den Verschluss der Pfanne mit einem drehbaren Schuber, dem Pfannendeckel. (Fig. 527, 528.) Zwischen 1480 und 1500 entwickelt sich das Luntenschloss in der Weise weiter, dass nun der Hahn mit einer zweiten gegenwirkenden Feder (Schlagfeder) ausgestattet wird. Nach Auslösen der Stangenfeder klappte nun der Hahn mit einem Schlag auf die Pfanne. Derlei Schlösser, die übrigens nicht allgemein in Aufnahme kamen und auch im 17. Jahrhundert nahezu ganz verschwanden, nannte man Schnapphähne (Fig. 529) und von diesen übertrug sich der Name auf das marodierende, allweg raubende Gesindel, auf abgedankte Kriegsknechte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, die mit ihren Waffen im Land herumzogen. In der neueren Waffenwissenschaft nennt man sie, zum Unterschied von den späteren spanischen und niederländischen Schnapphahnschlössern, Luntenschnapphahnschlösser.
1In den Zeugbüchern Maximilians I. findet sich und zwar im Teil von Osterwitz in Krain der Schwamm und die Art und Weise abgebildet, wie er mit dem Messer geschnitten wird. Es findet sich aber auf anderen Abbildungen auch die Stricklunte als Zündungsmittel verwendet.
Fig. 525. Rohrschütze, sein Feuerrohr mit einer Lunte abschießend. Nach einer Handschrift der Universitäts-Bibliothek zu Göttingen von 1405.
Fig. 526. Handbüchse mit Schwammschloss. Dabei der eisenbeschlagene hölzerne Ladestock und etliche Stücke zugeschnittenen Holzschwammes. Um 1500. Aus den Zeugbüchern Maximilians I.
Fig. 527. Luntenschloss mit Abzugstange und Pfannendeckel. Italienisch. Um 1530.
Fig. 528. Handbüchse. Der Bronzelauf besitzt ein Absehen, der deutsche Schaft besteht aus Lindenholz, der leider verstümmelte Luntenhahn wird durch einen Druck des Daumens auf eine Feder bewegt. Deutsch um 1510.
Fig. 529. Luntenschnapphahnschloss mit Züngelabzug. Die Auslösung geschieht vom Schwanz des Hahnes durch Zurücktreten eines Stiftes. Italienisch. Um 1500.
Am Beginn des 16. Jahrhunderts, nach allgemeiner Annahme 1515, erscheint das Radschloss. Die Angaben der Schriftsteller über den Erfinder desselben sind sehr zweifelhaft. Das System im Allgemeinen ist aller Wahrscheinlichkeit nach in Nürnberg erdacht. Wir werden aber später sehen, dass seine konstruktiven Anfänge schon in früherer Zeit vorhanden waren. Sicher hat das Radschloss seine Entstehung durch eine fortschreitende praktische Verwertung des uralten Feuerstahles gefunden1. In seiner vollen Ausbildung besteht es aus einem flachen, am Rand nach der Richtung der Peripherie mehrmals eingekerbten Rad, welches mittels einer Welle an der Schlossplatte befestigt ist und mit dem Rand oberhalb in die Pfanne eingreift.
1Das Steinfeuerzeug, Stahl, Feuereisen, Schlageisen, bildet ein Symbol des 1429 gestifteten Vliesordens.
Fig. 530. Deutsches Radschloss mit durchbrochener Raddecke; die Hahnfeder läuft um das Rad. Die Pfanne ist durch den Druck auf eine Feder zu öffnen. Das Schloss besitzt eine Züngelsperre, die durch die Schlossplatte greift. Erste Hälfte 16. Jahrhundert.
Fig. 531. Deutsches Radschloss mit ungedecktem Rad und auf die geöffnete Pfanne niedergedrücktem Hahn. Ende 16. Jahrhundert.
Mittels eines Schlüssels wird der Mechanismus des Rades derart gespannt, dass das Rad um drei Viertel seiner Peripherie aufgezogen ist. Beim Abfeuern wird der Hahn, in dessen oberen Teil ein Stück Schwefelkies (Pyrit) geschraubt ist, derart auf die Pfanne niedergedrückt, dass der Kies auf dem Rand des Rades aufsitzt. Infolge des Auslösens der Spannung durch das Züngel rotiert das Rad wieder rasch zurück, wobei die durch die Reibung an dem Kies entstehenden Funken das Zündkraut entzünden (Fig. 530 und 531). In den ersten Stadien der Aufnahme des Reibungsprinzips zur Zündung ist das Rad noch nicht im Mechanismus vertreten, die Reibung wurde anfänglich durch eine kleine, rau gefeilte Stange erzeugt, welche zuerst mit der Hand geschoben, später mittels Federkraft bewegt wurde. Noch im 17. Jahrhundert kommen die Büchsenmacher in ihren Konstruktionen hier und da vom Wellen- auf das Stangensystem wieder zurück.
So sinnreich das Radschloss erscheint, für den Gebrauch im Krieg war es seiner vielen Mängel wegen nur bedingungsweise von Vorteil. Seine Mängel bestanden vor allem darin, dass der Mechanismus zu kompliziert war, das Rad durch den Pulverrückstand leicht verschmandete und das Gewehr versagte. Bei der Reiterei erwies sich das Radschloss jedoch als wesentlicher Fortschritt und selbst beim Fußvolk wurde seine Brauchbarkeit bei nächtlichen Überfällen allgemein anerkannt. Für die allgemeine Bewaffnung des Fußvolkes erhält sich aber das Luntenschloss unverändert bis ans Ende des 17. Jahrhunderts, doch führten in der Regel vom Ende des 16. Jahrhunderts an von den Musketieren einer Kompagnie etwa 10 Mann die Radschlossmuskete.
Fig. 532. Spanisches Schnapphahnschloss von Francisco Lopez in Madrid. Anfang 18. Jahrhundert.
Mit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kommt, und zwar zuerst in den spanischen Heeren, eine Gattung von Gewehrschlössern in Verwendung, welche als das Urbild des späteren Flintenschlosses anzusehen ist, das spanische Schnapphahnschloss. Dasselbe besitzt im Wesentlichen bereits die Mechanik des Flintenschlosses, nur fehlt ihm die Nuss mit ihren Rasten und der größte Teil des Mechanismus liegt an der Außenseite. Der Hahn, dessen Vorbild im alten Luntenschnapphahn gefunden werden kann, schlägt hier mit seinem Schwefelkies auf den sogenannten Batteriedeckel, welcher insofern sinnreich eingerichtet ist, als er zugleich die Pfanne schließt. Beim Abzug streift der Stein die Schlagfläche des Batteriedeckels, welcher dadurch nach aufwärts schlägt und die Pfanne öffnet. Durch die Reibung des Steines an der Schlagfläche entwickeln sich Funken, welche herabfallend das Pulver der Pfanne entzünden. (Fig. 532.) Diese Schlosskonstruktion findet sich bis ins 18. Jahrhundert herein häufig an Gewehren (tüfénk) orientalischer Herkunft1.
Das niederländische Schnapphahnschloss entstand ohne Zweifel aus dem spanischen und beruht auf dem gleichen System. Es besitzt den Vorteil, dass der Mechanismus an der inneren Seite des Schlossbleches angebracht ist, den Nachteil, dass die Batterie die Aufgabe des Verschlusses der Pfanne nicht besorgt, sondern bloß aus einem an einem Stiel sitzenden Schlageisen, Schnapphahnbatterie, besteht. (Fig. 533.)
1Im 17. Jahrhundert bezogen die Türken ihre Gewehrschlösser in großen Mengen aus Europa und den Vertrieb besorgten mit großem Gewinn griechische und venetianische Kaufleute.
Fig. 533. Flintenschloss mit Schnapphahnbatterie von einer Pistole. Arbeit des Büchsenmachers Armand Bongarde in Düsseldorf. Um 1680.
Es wäre hier noch einer besonderen mechanischen Einrichtung, des Stechschlosses, zu erwähnen, welches jedoch keineswegs ein selbstständiger Mechanismus, sondern eine Vorrichtung ist, die sich bei allen Schlossgattungen anwenden lässt, um den Abzug am Züngel leichter zu gestalten. Wir haben früher bei den Armbrüsten gesehen, dass bei diesen ein Stechschlossmechanismus schon um 1550 zur Anwendung gekommen ist. Um dieselbe Zeit trifft man auf verschiedene Vorrichtungen gleicher Tendenz an Zielgewehren aus Nürnberg und anderen deutschen Städten.
Die Handfeuerwaffe trat bis Ende des 15. Jahrhunderts, wenn wir die kleinen Knallbüchsen des 14. Jahrhunderts als nur vereinzelt im Gebrauch außer Berücksichtigung lassen wollen, allgemeiner in zwei Gattungen auf: als Haken und Doppelhaken1. Dieser, fast 2 m lang und bis nahe an 30 Kilogramm schwer, mit Kugeln bis 116 Gramm, wurde auf Böcke aufgelegt und so abgefeuert; zu seiner Bedienung waren zwei Mann erforderlich. (Fig. 534.) Der gemeine Haken oder die Hakenbüchse besaß eine Länge von einem Meter und darüber, ein Gewicht von ca. 15 Kilogramm und schoss Kugeln von 39,9 Gramm Gewicht.
Um 1499 rüstete Maximilian I. einen Teil der Landsknechte als Büchsenschützen aus und versah sie mit Handbüchsen, welche bei allerdings sehr geringer Länge eine große Leichtigkeit, ja ein geringeres Gewicht als die späteren Musketen besaßen. Man findet unter diesen Handbüchsen, welche uneigentlich auch Halbhaken genannt wurden, bereits metallene Rohre, welche gebohrt sind2. Alle diese Büchsengattungen besaßen bis 1510 noch Luntenhähne, welche durch einen Druck mit einem Finger auf eine Feder regiert wurden. Viele sind unter ihnen links geschäftet. Die Schäfte waren bereits um 1470 zur Aufnahme eines hölzernen, an beiden Enden mit Eisenblech beschlagenen Ladestockes eingerichtet. (Fig. 535.)
1Letzterer nach den Zeugbüchern des Kaisers Maximilian Haken auf Böcken genannt.
2„Gegossen und geporet recht“ heißt es in den Zeugbüchern des Kaisers Maximilian I.
Fig. 534. Landsknechte eine Hakenbüchse auf zerlegbarem Bocke abfeuernd. Aus den Zeugbüchern Maximilians I. Zeug: Österr. Land. Um 1514.
Aber dieses System hatte seine großen Nachteile, die schweren Rohre waren bei ihrem Gewicht und bei der Notwendigkeit, deren Haken beim Schuss an irgendeinen Gegenstand anzulehnen, zu abhängig vom Boden. Schon Maximilian I. empfand diesen Nachteil lebhaft und war deshalb bemüht, ihn wenigstens zu mildern. Er ließ darum seine Böcke für Bock- und gemeine Haken zerlegbar einrichten. Wir bringen einen solchen Bock in Fig. 534. Er bestand aus vier Teilen, von welchen je zwei von einem Mann getragen wurden. Sie ließen sich in der gewählten Stellung in einer Minute zusammensetzen. Die Handrohre hatten eine so geringe Wirkung, dass ihre Geschosse auf geringe Distanzen nicht einmal einen Harnisch durchbohrten.
Da erscheint um 1520 zuerst in Spanien eine neue Feuerwaffe, welche beide Nachteile aufhob, die Muskete (mousquete, moschetta). Sie besaß einen etwas längeren Lauf, sodass das ganze Gewehr ungefähr 1,5 Meter Länge maß. Der Lauf war von geringerer Wandstärke und besaß keinen Haken. (Fig. 536.) Die Muskete wurde beim Schuss auf einen Gabelstock, Gewehrgabel, aufgelegt, ihre Bedienung war weniger umständlich, da der Musketier (mousquetaire, moschettiere) beim Laden das nötige Pulverquantum aus der hölzernen Patronenhülse entnahm, während der Hakenschütze sein Pulver aus einem ledernen Pulversack entnehmen musste.
Fig. 535. Landsknecht eine Handbüchse abfeuernd. Die Flasche für das Zündkraut wird auf dem Rücken getragen. Aus den Zeugbüchern Maximilians I. Zeug Österr. Land. Um 1514.
Durch diese wichtige Verbesserung wurde der Schütze unabhängig vom Boden, er konnte den Bewegungen der Truppe folgen, und erst jetzt konnte ein Feuergefecht in zerstreuter Ordnung eingeleitet werden. Dieser Fähigkeit, allerorts aufzutreten und dem Feind an den Leib zu rücken, wird die Waffe wohl ihren Namen zu verdanken haben, indem die Musketiere mit den in Spanien so lästigen Fliegen, „mosquitos“, verglichen wurden. Viele Bezeichnungen im Kriegswesen verdanken ja ihren Ursprung dem Söldnerwitz. Von Spanien gelangte die Muskete rasch nach Frankreich und den Niederlanden, am spätesten nach Deutschland. In betreff ihrer Konstruktion ist zu bemerken, dass bei ihr zuerst und allgemein das vollständige Luntenschloss mit Stangenabzug zu sehen ist.
Fig. 536. Muskete mit Luntenschloss, daran ein verschiebbarer Pfannendeckel. Der Schaft ist reich mit Bein und Perlmutter eingelegt. Dabei die Gewehrgabel. Um 1620.
Fig. 537. Trombon mit französischem Kolben und spanischem Schnapphahnschloss. Ende 17. Jahrhundert.
Fig. 538. Tschinke mit reichen Einlagen im Schaft. Mitte 17. Jahrhundert.
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Quelle: Wendelin Boeheims "Handbuch der Waffenkunde"