Indem wir uns dahin wenden, die verschiedenen Spannvorrichtungen möglichst unter Zugrundelegung von Beispielen an noch vorhandenen Originalen zu beschreiben, bemerken wir, dass alle in den Sammlungen noch bewahrten Armbrüste einer Zeit entstammen, in der die Schleuder- und Schnellwaffen durch die erhöhte Wirkung der Feuerwaffen bereits in den Hintergrund gedrängt waren; die ältesten Armbrüste reichen nur bis in die Hälfte des 15. Jahrhunderts hinan.
Bis ins 12. Jahrhundert spannten die Armbrustschützen ihre Bogen noch ohne mechanische Hilfsmittel mit den beiden Händen. Auf diese Kraft musste die Stärke derselben eingerichtet werden. Dieser einfachsten Art folgte im 14. Jahrhundert eine nur wenig kompliziertere mittels des Spannhakens, (crochet); sie erhielt sich bis an den Beginn des 15. Jahrhunderts. Dieser Spannhaken, am abgebogenen Ende in zwei Arme sich spaltend, war an einem breiten, starken Riemen befestigt, welchen der Schütze um die Lenden geschnallt trug, sodass er vorne herabhing. Zum Spannen wurde die Armbrust verkehrt und mit der oberen Seite gegen den Schützen gewendet auf den Boden gestellt, der Schütze trat mit einem Fuß in den bügelförmigen Ring, étrier, legte den Haken in die Sehne ein und spannte diese in der Weise, dass er mit der vollen Kraft seines Körpers sich aus der gebückten Stellung aufrichtete, bis die Sehne in die Nuss einklappte. Dabei musste er den Abzugbügel nach vorwärts drücken, damit der Fortsatz in die Rast zu liegen kam. Ein solcher Spannhaken hatte sich noch in der ehemaligen Sammlung von Pierrefonds erhalten und dürfte gegenwärtig im Musée d’Artillerie zu Paris zu finden sein. (Fig. 487.)
Fig. 487. Spannhaken vom Ende des 14. Jahrhundert. Ehemalige Sammlung zu Pierrefonds. Nach Viollet-le-Duc.
Diese Art des Spannens war allerdings weit vorteilhafter, als jene mit den bloßen Händen. Der Schütze konnte von den Lenden aus eine bedeutendere Last nach aufwärts ziehen. Damit konnte der Bogen entsprechend stärker und kräftiger gemacht werden, was gleichbedeutend war mit dem Erreichen einer größeren Tragfähigkeit.
Aber die stetig zunehmende Bedeutung der Fernwaffe drängte nach fortwährender Vergrößerung ihrer Wirkung; man sah sich genötigt, die Bogen kräftiger zu machen, um ihre Spannkraft aufs höchste auszunutzen; da reichte die Körperkraft allein zu ihrer Handhabung nicht mehr aus, man musste daher mechanische Mittel zu Hilfe nehmen, um die Kraft zu erhöhen.
Eines der ältesten dieser Mittel zum Spannen der Armbrustbogen ist die Winde; man nannte sie die englische. Damit ist das Land ihrer ersten Verwendung für diesen Zweck bezeichnet. Die englische Winde (Fig. 488) ist eigentlich nichts anderes als ein gewöhnlicher Flaschenzug mit zwei, seltener drei Rädern (Rollen); dadurch erzielte man die doppelte, beziehungsweise dreifache Leistungsfähigkeit. Die Anwendung des Mechanismus auf die Armbrust ist, wie wir an dem Beispiel einer zweirädrigen Winde (Fig. 489) ersehen, eine einfache. Die beiden oberen Radgehäuse B besitzen oberhalb Spannhaken, an dem unteren Fortsatz in C ist die Leine befestigt. Das untere Radgehäuse steht mit einer Hülse D in Verbindung, in welche beim Gebrauch das Ende der Säule eingelassen wird. An ihren beiden Seiten laufen die Räder G. Der Aufzug erfolgt mittels der Welle F und zweier Kurbeln KK′. Ein Haken I dient dazu, die Winde beim Nichtgebrauch auf dem Marsch etc. an den Gürtel zu hängen. (Fig. 488 und 489.)
Fig. 488. Die in Fig. 482 dargestellte Armbrust mit angelegter englischer Winde. Die Eisenteile der letzteren sind vergoldet, die Beseilung ist original.
Fig. 489. Mechanismus der in Fig. 488 dargestellten englischen Winde in geometrischer Darstellung.
Fig. 490. Eiserne Armbrustwinde, sogenannte „deutsche Winde“ für die Jagd mit eisernem Windenbügel (Windfaden). Um 1560.
Fig. 491. Mechanismus einer deutschen Winde, zu einer Armbrust aus dem Besitz des Erzherzogs Karl von Steiermark gehörig. Bezeichnet 1563.
Deutsche Armbrüste mit Stahl- oder Hornbogen wurden schon am Ende des 14. Jahrhunderts mit der sogenannten „deutschen Winde“ (Fig. 490) gespannt und diese Art erschien so einfach und praktisch, dass sie gegen Mitte des 15. Jahrhunderts auch außerhalb des römischen Reiches Eingang fand. Mit der deutschen Winde ausgerüstete Armbrustschützen nannte man in Frankreich cranequinieurs.
Der Mechanismus einer Zahnstangenwinde ist äußerst einfach: Um eine Welle A (Fig. 491) läuft ein Drilling, dessen Triebstöcke C in die Zahnstange eingreifen. Mit der Welle bewegt sich ein Zahnrad, in welches eine Schraube ohne Ende D eingreift, die mit der Kurbel H in Verbindung steht1. Die Zahnstange besitzt oberhalb eine Krappe, um die Sehne zu erfassen; unterhalb in M ist gemeiniglich ein Haken angebracht, um die Winde an den Gürtel hängen zu können. Der Haken fehlt an unserem Exemplar, wurde aber in der Zeichnung hinzugefügt. Der Radmechanismus ist von einem Gehäuse eingeschlossen, das rückwärts einen Bügel L besitzt, in welchen ein aus starken Hanfschnüren gefertigter Ring „Windfaden“ eingeschlungen wurde.
Zum Spannen der Armbrust wurde der Windfaden von rückwärts über die Säule bis an den Knebel vorgeschoben, welcher den Widerhalt bildete; sodann wurden die Krappen der Zahnstange in die Sehne eingelegt und die Winde mit der Kurbel aufgezogen2. (Fig. 492.)
Zwischen 1550 und 1560 treten von Nürnberg und Augsburg aus die ersten Armbrüste mit Stechmechanismen auf, welche namentlich für das Zielschießen und selbst für die Jagd sich überaus vorteilhaft erwiesen. Diese deutschen Stahle mit Stecher fanden so allgemeinen Beifall, dass sie in großer Anzahl in alle Länder ausgeführt wurden. Daher fehlen Armbrüste mit solch feineren Abzugmechanismen in keiner größeren Waffensammlung.
1Häufig greift der Triebstock in das Zahnrad und dieses erst in die Zahnstange; dann liegt das Gehäuse beim Spannen oberhalb der Armbrust, während es bei der oben beschriebenen an der rechten Seite der Säule zu stehen kommt, die Kurbel aber in der gleichen Richtung sich bewegt.
2In der Waffensammlung des kaiserlichen Hauses in Wien wird auch eine Balläster bewahrt, bei welcher die Zahnstange in der Säule eingelassen ist und der Mechanismus mittels eines Schlüssels aufgezogen wird.
Fig. 492. Jagd-Armbrust, sogenannter Pürschstahel, mit eingelegter und zum Spannen bereiter Winde. Der obere Zapfen lässt erkennen, dass die Armbrust auch für eine Geißfußspannung eingerichtet ist. Mit einigen Verbesserungen nach Delaunay. Les archers.
Äußerlich ist eine solche Armbrust zunächst an dem weit stärkeren Querschnitt der Säule erkennbar. Gerade unterhalb der Nuss findet sich eine Bohrung, in schiefer Richtung nach abwärts laufend, dahinter ist ein eingesetztes flaches Eisenstück bemerkbar, welches mit einem Schieber festzustellen ist. An der oberen Seite, etwas hinter der Nuss, erblickt man eine zweite Bohrung, welche aber senkrecht nach abwärts läuft. Der einer Abzugstange ähnliche Bügel hat hier keinen weiteren Zweck, als jenen einer Handhabe und des Schutzes des Stechers, der in einem Scharnier laufend, auch umgelegt werden kann.
Fig. 493. Stechmechanismus von einer Jagd-Armbrust von ca. 1560 im Durchschnitt.
Wir bringen hier die geometrische Zeichnung eines solchen Stechschlosses in Fig. 493, welche sich teilweise selbst erklärt. Zum Aufziehen desselben wurde mittels eines kleinen Bolzens in X der Hebel B in den Zahn des Hebels L gedrückt, sodann der Reiber P vorgedreht.
Fig. 494. Armbrust mit Geißfußspannung. Ende 15. Jahrhundert. Französisch. Nach Viollet-le-Duc.
Nun erfolgte das Spannen der Armbrust mit der deutschen Winde. War die Sehne K in der Nuss, dann wurde der Bolzen in R hineingesteckt und die Stange D in den Züngelarm E hineingedrückt; damit war, wenn der Reiber P wieder weggeschoben wurde, der Stecher zum Abzug bereit.
Schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts und selbst noch früher findet man die deutschen Armbrüste an den Abzugstangen und nächst der Verankerung mit Stoffen überzogen und mit Fransen besetzt. Gegen das 17. Jahrhundert hin werden auch die Bogen mit kurzen Seiden- und Goldquasten geziert; man benannte eine derartige Ausstattung in Deutschland den Aufputz.
Für Armbrüste mit Bogen von geringerer Kraft1 war der Geißfuß immer die einfachste und damit angemessenste Spannmaschine. Er stellt eigentlich nichts anderes als einen einarmigen Hebel dar. Der Stützpunkt desselben ist (Fig. 494) in dem Knebel E, der hier bedeutend näher an der Nuss sich befindet als bei der Winden-Armbrust. Der Aufzug erfolgte von den in Scharnieren beweglichen Krappen C D aus durch den Arm A, an dessen oberem Ende ein beweglicher Haken sich befand, an welchem der Geißfuß im Gürtel getragen werden konnte.
Dieses System des Geißfußes führte, besonders bei Ballästern mit welchen keine Bolzen, sondern Kugeln geschossen wurden, schon am Beginn des 16. Jahrhunderts zu der Einrichtung der „Säulenhebel“ (arbalète à jalet), welche mit der Säule in Verbindung einen Bestandteil derselben bildete. (Fig. 495.) Es gibt unterschiedliche Formen von derlei Säulenhebeln, in besonderer Rücksicht darauf, ob der Spannapparat ober- oder unterhalb der Säule liegt. Wir beschreiben hier die charakteristischsten Konstruktionen, nach denen Varianten sich leicht richtig beurteilen lassen.
Spanische Ballästern besitzen eine sehr sinnreich konstruierte Spann- und Abzugvorrichtung. Sie besteht in einem langen Hebelarm A (Fig. 496), welcher in die Säule eingelassen ist und rückwärts in D gesperrt werden kann. An der Welle E ist das Ende des Armes mit Zähnen versehen, in welche ein Sperrhebel G greift, um ein Zurückschlagen des Armes beim Spannen zu verhindern.
Der bewegliche Arm B, welcher beim Aufheben des Armes A sich vorschiebt und die Sehne selbsttätig ergreift, enthält auch die Nuss D, welche beim Niederlegen des Hebels die Sehne anspannt. Der Abzug erfolgt mit der linken Hand durch einen Druck des Daumens auf den Hebel B.
1Für Armbrüste von schwächeren Bogen kam auch eine Spannmaschine in Anwendung, welche in einer kleinen Welle bestand, über welche ein Riemen gewunden war, an dessen Ende eine eiserne Krappe sich befand. Diese Welle mit Zahnrad und Sperrhaken wurde mittels eines Schlüssels gedreht. Die Leistung einer solchen Vorrichtung kann nur sehr gering gewesen sein, weshalb wir ihrer nur nebenher gedenken. Eine solche Spannmaschine an einer Armbrust ist, wie V. Gay in seinem Glossaire bemerkt, in einem Manuskript der Bibliothek zu Besançon von 1400 dargestellt.
Fig. 495. Spanische Balläster mit geätztem und vergoldetem Bogen und derlei Montierung aus dem Besitz des Kaisers Maximilian I. Die Säule ist hellrot lackiert, mit Ornamenten in Malergold und dem burgundischen Wappen geziert. Der Säulenhebel mit dem Absehen (Stuhl) ist halb aufgezogen. Arbeit ganz ähnlich jener des Pueblas in Madrid. Um 1510.
Fig. 496. Ansicht des Spann- und Abzugorganismus der in Fig. 495 dargestellten Balläster in geometrischer Projektion.
In dieser in Fig. 495 vor Augen liegenden Waffe erblicken wir eine der ältesten Ballästerformen mit deren Einrichtungen. Die Balläster diente nicht für den direkten Schuss, sondern für den wenn auch sehr flachen Bogenschuss. Diesem Zweck entsprechend war auch die Zielvorrichtung eingerichtet. Sie besteht aus einem beweglichen, oben eingekerbten Aufsatz, Stuhl genannt (C), knapp hinter der Nuss, ferner aus einer vorn am Bogen befindlichen Zielgabel, Schiff, D. Beide Säulen der letzteren waren oberhalb durch einen Faden oder auch eine dünne Drahtspange verbunden, in deren Mitte eine kleine schwarze Kugel befestigt war, welche als Korn diente. Diese Einrichtung fehlt an unserem Exemplar, ebenso die Sehne, die aus zwei getrennten Strängen bestand, welche nur zunächst den Bogen enden verbunden, sonst aber durch zwei Stäbchen aus Elfenbein auseinandergehalten (gespannelt) wurden. Der Teil, welcher von der Nuss aufgenommen wurde, bildete eine Art Sack, in welchen die Kugel zwischen Schnüren leicht eingeklemmt wurde. (Fig. 497.)
Der Schuss oder Wurf aus einer Balläster war unsicher, dennoch erhielt sich dieselbe lediglich als Jagdwaffe das ganze 16. Jahrhundert in stets gleicher Beliebtheit, weil sie viele Geschicklichkeit im Abschätzen der Distanzen erforderte. Wir finden sie in Jost Amans Abbildungen zu den „Adeligen Weydwerken“ 1582 häufig gezeichnet.
Die hervorragende Stellung, welche sich die Spanier im 15. Jahrhundert in der Fertigung von Armbrüsten und Ballästern errungen hatten, überdauerte noch einige Jahrzehnte das Ende der maurischen Herrschaft. Noch Ferdinand I. ließ seine Armbrüste 1523 in Saragossa und Barbastro fertigen.
Wesentliche Abweichungen in der Form und mechanischen Konstruktion gegenüber den spanischen weisen die „italienischen Ballästern“ auf, welche man zum Unterschied von ersteren Schnepper benennt. (Fig. 498.) Sie werden entweder mit der Hand allein oder mit Hilfe einer eisernen Krappe (Fig. 499) gespannt, welche zwei Haken und dahinter einen langen Bügel oder seitliche Handgriffe besitzt, in welche man mit beiden Händen eingreifen konnte. Die Abzugvorrichtung ist unter allen die einfachste. Die ältesten derartigen Schnepper treten um 1550 auf.
Fig. 497. Balläster mit in der Säule eingelassenem Spannmechanismus, der in einer Zahnstange besteht, die mittelst einer Kurbel am Kolben bewegt wird. Das Objekt besitzt die vollständige Besehnung, zweiteilig, gespannelt und mit Kugelsack. Die vordere Zielgabel (Schiff) ist verbogen. Um 1580.
Fig. 498. Italienischer Schnepper für die Vogeljagd. Die Eisenteile sind poliert und in Goldtausia geziert. Die Säule ist geschnitzt. Um 1590.