Die Runka (ronsard, ranseur, roncie, Wolfseisen) unterscheidet sich von dem gemeinen Spieß nur durch die am unteren Klingenende zunächst der Dille befindlichen, seitlich abstehenden, halbmondförmig nach aufwärts gerichteten Ohren. Sie erscheint als Fußknechtwaffe auf Gemälden des 15. Jahrhunderts, ist aber gewiss weit älter. Die Runka wurde mehr in den spanischen und italienischen Heeren geführt, von welchen sie erst die Deutschen übernahmen, doch ist sie bei letzteren nie in großer Anzahl in Gebrauch gestanden. Bestimmte Angaben über die Benennung und die Handhabung der Runka verlauten am Beginn des 16. Jahrhunderts1.
1Monti Pietro, Exercitiorum atque artis militaris collectanea. Mediolani 1509.
Fig. 403. Formen der Runka vom Anfang bis um die Mitte des 16. Jahrhunderts.
A. Runka aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts.
B. Runka mit weit abstehenden und geschärften Ohren aus derselben Zeit.
C. Runka in Form einer Kriegs- oder Sturmgabel.
D. Runka aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Italienisch.
Fig. 404. Reichgeätzte und teils vergoldete Runka mit zusammenzuschiebenden Ohren. Der 1,78 m lange viereckige Schaft ist zweimal im Scharnier umzulegen. Um 1530. Spanisch.
Fig. 405. Partisane mit behackten Ohren. Ende 15. Jahrhundert.
Fig. 406. Venezianische Partisane mit gerippter Stoßklinge und Verzierungen in Goldätzung. Erste Hälfte 16. Jahrhundert.
Als Kriegswaffe erhält sich die Runka bis an die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts, bisweilen unter bizarren Formen und nicht selten mit weit abstehenden, beiderseits geschärften Ohren, durch welche man einen gewaltsamen Durchbruch der Front zu erschweren beabsichtigte. (Fig. 403 a—d.)
In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ist sie auch die Waffe einer Leibgarde, wahrscheinlich Karls V. In der Waffensammlung des kaiserlichen Hauses zu Wien, wie in der Armeria Real zu Madrid werden ganz gleichartig geformte Runkas bewahrt, welche ersichtlich einer Leibgarde angehört haben. Ihre Klingen, reich geätzt und vergoldet, die Schäfte mit Samt überzogen, sind so eingerichtet, dass die Ohren in Scharnieren zusammenzuschieben, die Schäfte aber in der Hälfte umzulegen, somit zu verkürzen waren, damit die Verpackung erleichtert wurde1. (Fig. 404).
1Die Hartschiere wie die Trabanten dienten auf den Reisen der Kaiser zu Pferde mit der Ausrüstung von reisigen Knechten, wenn auch in reicher Ausstattung, im Hoflager jedoch mit der Stangenwaffe, welche ihnen auf der Reise im Gepäckwagen mitgeführt wurde.
Fig. 407. Geätzte Partisane der kurbayrischen Leibwache des Kurfürsten Ferdinand Maria 1677. Königliche Waffensammlung zu Zarskoë-Selo.
Fig. 408. Österreichische Oberstenpartisane aus der Zeit Kaiser Karls VI.
Fig. 409. Preußische Offizierpartisane aus der Zeit König Friedrichs II. Kaiserliches und königliches Heeresmuseum in Wien.
Die Partisanen1 sind eigentlich nichts anderes als Runkas mit kürzer gebildeten Ohren. Ihre ausgesprochene Form dürfte sich kaum über das 16. Jahrhundert verfolgen lassen, doch findet man sie in den späteren Landsknechtheeren als Stangenwaffe der Offiziere stark im Gebrauch. Sie bleibt auch noch im 17. Jahrhundert in Deutschland und in den Niederlanden eine beliebte Waffe und wird allgemach zur Waffe der Oberoffiziere. Im 18. Jahrhundert führte eine Gattung kleiner Partisanen, Sponton2 genannt, in den deutschen Heeren der Oberst und Oberst-Inhaber, der Oberstleutnant, der Hauptmann und der Leutnant, letzterer ohne Quaste. Um das Jahr 1770 wurden sie allenthalben abgelegt.
Die ältesten Partisanen besitzen noch breite und lange Spießeisen (Fig. 405, 406); später werden diese allmählich kleiner. Als Waffen der Leibgarden an einigen deutschen, namentlich am bayrischen und sächsischen Hof erhalten die Klingen eine reiche dekorative Ausschmückung in Eisenschnitt und Goldätzung. (Fig. 407.) In Sachsen führte sie die kurfürstliche und später königliche Schweizergarde bis zu deren Auflösung 1814 und die polnische Nobelgarde. In ihrer Verwendung im Heer sind sie weniger Waffen als Würdenzeichen, welcher Eigenschaft entsprechend sie auch verziert sind. (Fig. 408, 409.) Partisanen, genau den älteren sächsischen nachgebildet, führten auch die Tempelwachen in einigen ostindischen Staaten im 18. Jahrhundert. Dergleichen Stücke, die Kurfürst August von Sachsen 1771 gekauft hatte und welche reich in Eisenschnitt verziert sind, werden noch gegenwärtig im königlich historischen Museum zu Dresden aufbewahrt.
1Der Versuch, die Bezeichnung Partisane von dem französischen pertuis, Loch, herzuleiten, ist unstichhaltig. Die Bezeichnung Partisan für Parteigänger ist vermutlich von der Waffe abzuleiten, wie man im 15. und 16. Jahrhundert gemeiniglich die Anzahl der Streitbaren nach der Zahl der Helme, Spieße etc. zu bezeichnen pflegte.
2Der Name leitet sich von Spieß, lat. espietus, spedus, spentum, direkt vom Spetum der Frührenaissance her.
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