Die Glefe (vouge), irrig auch Streitsense und Breschmesser genannt, besteht aus einer langen, messerförmigen Klinge, welche an einer langen Stange mittels Dille und Schaftfedern befestigt ist. Am unteren Ende befinden sich spitze Ansätze, sogenannte „Parierhaken“, ähnlich jenen an der italienischen Helmbarte, und am Rücken entweder eine gerade, vorstehende Spitze, gleichfalls zum Auffangen der Hiebe, oder aber ein nach aufwärts gestellter Haken, sogenannter „Klingenfänger“.
Fig. 396. Italienische Soldaten des 14. Jahrhunderts aus einem Manuskript der Ambrosianischen Bibliothek. Nach Jacquemin.
Einen mit einer Glefe bewaffneten italienischen Kriegsknecht erblickt man schon in einem Manuskript des 14. Jahrhunderts in der Ambrosianischen Bibliothek (Fig. 396)1. Gegen Ende dieses Jahrhunderts nahm ihre Verwendung stetig zu. Im 15. Jahrhundert ist sie allgemein die Waffe des Fußknechts und in Burgund selbst des Armbrustschützen. Karl der Kühne verlangte für jene drei Soldaten, welche von je 50 Feuerstellen durch die Ortschaften gestellt werden mussten, dass wenigstens einer derselben, wenn nicht zwei, mit Schwert, Dolch und einer Vouge erscheinen solle.
Noch am Ende des 15. Jahrhunderts nannte man jede einer Lehenschaft zugehörige Zahl von Fußknechten „Glefen“ nach ihrer Waffe. Aus einer Anzahl solcher Glefen wurden die ersten knechtischen Fähnlein gebildet.
1Jacquemin Raphaël, Ikonographie du costume. Paris 1863.
Fig. 397. Die italienischen Glefen in ihrer Formenentwicklung im 16. Jahrhundert.
A. Italienische Glefe vom Anfang des 16. Jahrhunderts Nach Meyrick.
B. Italienische Glefe aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Nach Meyrick.
C. Glefe der Trabanten des Rektors der Republik Ragusa von ca. 1540. Nach Meyrick.
D. Glefe der Leibwache des Dogen von Venedig Francesco Venieri (1554—1556). Nach Meyrick.
E. Venezianische Glefe von ca. 1550. Nach Meyrick.
F. Französische Glefe aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Nach Meyrick.
Fig. 398. Kursächsische Glefe aus der Zeit Augusts I. mit dem kurfürstlichen Wappen reich geätzt und vergoldet und der Inschrift: „Die Hoffnung hat mich offt ernerdt, sonst hätt mich Vnfal lengst verzert.“
Fig. 399. Hartschiercouse aus der Regierungszeit des Erzherzogs Ferdinand, späteren Kaisers, von ca. 1530.
Fig. 400. Blanke Couse mit Helmbartenhaken. Arbeit des Peter Schreckeisen in Neukirchen in Steiermark von 1581. Landeszeughaus in Graz.
In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bildete die Glefe in eigenartiger Form die allgemeine Waffe des sächsischen Fußvolkes. Nach der folgenschweren Schlacht bei Mühlberg 1547 lasen die Kaiserlichen enorme Mengen dieser Waffe auf dem Schlachtfeld auf. Einige von diesen werden noch gegenwärtig in der k. k. Hof-Waffensammlung zu Wien bewahrt. Die ältesten Glefen waren ebenso für den Stich wie für den Hieb zu gebrauchen. Später scheint man sie ihrer verhältnismäßig weniger zweckmäßigen Form wegen abgelegt zu haben, desungeachtet behielt man sie an verschiedenen Höfen als Trabantenwaffe bis ins vorige Jahrhundert bei. Dies ist die Ursache, dass wir in den Sammlungen so häufig reich mittelst Goldätzung gezierten Glefen begegnen.
Fig. 401. Trabantencouse vom Hof Kaiser Rudolfs II., in Schwarzätzung geziert mit dem Namenszug des Kaisers, dem Wappen, der Devise ADSIT und der Jahreszahl 1577.
Fig. 402. Trabantencouse vom Hof Kaiser Leopolds I., in Schwarzätzung geziert mit dem Namenszug des Kaisers und der Jahreszahl 1666.
Die Glefe als Trabantenwaffe finden wir im 15. und 16. Jahrhundert an nahezu allen italienischen Höfen, besonders in Florenz, Mantua und Venedig, aber auch zeitweilig am französischen Hof. (Fig. 397a—f.) Es ist bemerkenswert, wie in dieser Verwendung die Glefe sich allgemach umbildet, die Eignung für den Stoß verliert und überhaupt zum reich ausgestatteten Spielzeug herabsinkt. Besonders am venezianischen Hof, wo sie von der slavischen Leibgarde der Dogen geführt wurde, erhält sie eine imposante, aber übertriebene Gestalt. Sie erscheint hier als breites, rückwärts gekrümmtes Messer, an dessen Rücken sich ein reich konturierter Ansatz befindet. Ein übermäßig langer Schaft von über 2,50 m Länge war darauf berechnet, die Wirkung für das Auge zu erhöhen. Am sächsischen Hof wurde die Glefe in einer eigenartigen Gestalt schon im 16. Jahrhundert als Trabantenwaffe geführt. Sie unterscheidet sich von der italienischen und französischen dadurch, dass das beilartig geformte, gekrümmte Messer mittels Naben an dem Schaft befestigt ist. Ein stark gekrümmter, unterhalb geschärfter Haken sitzt auf der Stirnseite des Schaftes, welcher etwas unterhalb in der Faustlage mit einer Handschutzscheibe versehen ist. Alle derartige Glefen sind reich in Gold geätzt und tragen das kursächsische Wappen. Ihre Schaftlänge beträgt durchschnittlich 146 cm. (Fig. 398.)
Im 17. Jahrhundert, in welchem sie auch am polnischen Hof von der dortigen Leibwache geführt wurde, erhielt diese Stangenwaffe den Namen Kosa, von Couse (couteaux) abgeleitet.
Die Couse (guisarme) besitzt eine messerförmige Klinge, welche mittelst einer Dille auf den Schaft gesteckt und mit demselben durch lange, eiserne Schaftfedern und Nägel verbunden ist. In einzelnen Fällen findet sich am Schaft unterhalb der Dille eine Handschutzscheibe. Aus ihrer Form ist zu ersehen, dass die Couse weniger für den Stich als für den Hieb zu gebrauchen ist und dass sie sich von der Glefe nur unwesentlich unterscheidet. Die Couse tritt, allerdings in einer noch rohen und plumpen Form, im 14. Jahrhundert zuerst bei den Schweizern auf und war darauf berechnet, mittels wuchtiger Hiebe die Harnische der Gegner, namentlich den Lentner, zu durchdringen. Schon am Beginn des 15. Jahrhunderts findet man sie in Frankreich und sie gelangt nach der Schlacht bei St. Jacob zu solcher Beliebtheit, dass die Schweizer bei Hof mit solcher bewaffnet wurden. So erscheinen sie in einer gleichzeitigen Miniatur des Jean Foucquet der Sammlung Brentano in Frankfurt, darstellend das lit de justice Karls VII. zu Vendôme 1458. Ein weiteres Beispiel ihres Gebrauches findet sich in einem Manuskript des Jouvencel aus dem 15. Jahrhundert in der Nationalbibliothek zu Paris. Am Beginn des 16. Jahrhunderts wird die Couse auch in Spanien eine Waffe der Leibgarden Philipps I., der seine Hartschiere damit ausrüstete, und seit dieser Zeit erscheint sie ununterbrochen an den habsburgischen und mehreren deutschen Höfen. (Fig. 399.) Eine der älteren Abbildungen der Couse als Hartschierwaffe sehen wir in dem Freskogemälde des Domenico Brusasorci in der Casa Ridolfi zu Verona, darstellend den feierlichen Einzug Karls V. und Klemens’ VII. in Bologna 1530, welches auch von Lukas Cranach in Kupfer gestochen ist. Die Waffensammlung des kaiserl. Hauses zu Wien bewahrt noch Exemplare von Cousen aller Kaiser von Ferdinand I. bis auf Josef II. und auch einiger regierender Erzherzöge. (Fig. 400, 401, 402.) Josef II. (gest. 1790) war der letzte Kaiser, in dessen Hofstaat die Cousen getragen wurden. Gegenwärtig führen sie noch die bayrischen Hartschiere.