In einer Zeit von so überschäumender Lebenskraft und unbezähmbarer Lust an Kampf und Streit, dass schon der geringfügigste Anlass ausreichte, die Menschen in rasch auflodernder
Leidenschaftlichkeit zum Schwert oder Messer greifen zu lassen, hätten Friedensordnungen wenig genützt ohne gleichzeitige Beschränkungen im Gebrauch der Waffen. Namentlich waren es die Städte,
welche im Interesse der Aufrechterhaltung des Stadtfriedens schon frühzeitig Veranlassung nahmen, das Tragen von Waffen innerhalb der Ringmauern außer zu öffentlichen Zwecken oder zum Schutz
gegen drohende Lebensgefahr zu untersagen. Der Rechtsbrief von Saarbrücken von 1321 bedroht die Übertretung des Waffenverbots mit 5 Schilling Geldbuße, das Frankfurter Stadtrecht von 1352 mit
14-tägiger Verbannung aus der Stadt. Das Mainzer Friedensbuch von 1430 lässt gegen jeden Einheimischen, welcher öffentlich oder insgeheim, bei Nacht oder Tag Schwert, Stechmesser (Dolch),
Rutinger (Stockdegen), Beseler (zweischneidiges Messer) ohne Erlaubnis des Bürgermeisters bei sich führt, vier wöchentliche Verweisung aus der Stadt, gegen den Fremden ebenso lange Verhaftung
eintreten.
Besondere verpönt waren wegen ihrer Gefährlichkeit die Stechmesser. Der bayerische Landfriede von 1255 verbietet bei Geldstrafe und Konfiskation des Gegenstandes, in Städten und Wirtshäuser
Stechmesser zu tragen; wer ein solches in den Hosen oder einem anderen Kleidungsstück heimlich bei sich führte, büßte mit Verlust der Hand. Noch härterer Strafe unterlag, wer gegen einen Anderen
das Schwert oder Messer zog, auch wenn er von der Waffe keinen Gebrauch machte (das sogenannte „Messerzucken“).
Minder hervortretend ist das Waffenverbot in den nicht-städtischen Rechtsquellen. Zwar untersagt schon der Landfrieden K. Friedrichs I. von 1156 (Mon. L. L. II, 10) dem Landmann das Tragen von
Lanze und Schwert. Besonders reich an dergleichen Verboten sind die bayerischen Landfrieden. Indessen entsprang hier das Verbot einem ganz anderen Grund als dem der Wahrung des öffentlichen
Friedens. Noch im 13. Jahrhundert liebte der Bauer sich nach Rittersart zu tragen und mit Verdruss, blickte der stolze Ministeriale auf den Dorfbewohner, wenn dieser in Tracht und Gebärde sich
ihm gleichzustellen wagte. Hier lag das Motiv in der immer schroffer sich herausbildenden Absonderung der Stände. Schwert und Lanze sollten auch im Frieden die Auszeichnung des Ritters sein und
von anderen Ständen nur zur Verteidigung gebraucht werden. Das Tragen anderer Waffen, wie Spieß, Armbrust, Streitkolben usw. scheint man dem Landmann nicht haben verbieten zu wollen, wie er denn
tatsächlich bis nach Beendigung des Bauernkrieges (in Schlesien sogar noch nach dem Dreißigjährigen Krieg) außerhalb des Dorffriedens bewaffnet gegangen ist. Nur bei den Gerichtstagen war es ihm
nicht gestattet, in Wehr und Waffe zu erscheinen. Die spärlichen Waffenverbote in den Weistümern haben daher hauptsächlich diesen Punkt im Auge. Nur die österreichischen Weistümer bajuwarischen
Ursprungs machen darin eine Ausnahme. In ihnen erscheint das Waffenverbot fast zum System ausgebildet und der Missbrauch der Waffe je nach der Gefährlichkeit des Instrumentes unter Strafe
gestellt. Ein Wurf mit einer Hacke kostet 2 Schilling und 6 Pfennige, ein Schuss mit der Armbrust 16, Stechen mit einem Spieß 6 Schilling und 2 Pfennige; mit einem Gassenschwert ebenso viel; mit
einem Reiterschwert 72 Pfennige; mit einem Dolch 12 Pfennige; mit einem langen Messer 6 Schilling und 2 Pfennige; mit einem kurzen Messer 72 Pfennige; mit einem Taschenmesser 12 Pfennige. Auf
Messerzucken stehen 72 Pfennige. Manche Weistümer verdoppeln hier die Strafe, nämlich auf 50 Pfennige aus und 50 Pfennige in die Scheide. Wer einen Stein aufhebt, um zu werfen, ihn aber
ungebraucht wieder fallen lässt, büßt 72 Pfennige, wirft er aber, so gilt dies als ein halber Totschlag und die Buße ist 16 Pfund. Hat der Wurf tödliche Folgen, so wird der Täter nicht als
Totschläger, sondern als Mörder behandelt und verliert das Asylrecht. Es scheint hiernach, als wäre das Steinewerfen ebenso häufig als von traurigen Folgen begleitet gewesen.
Die Leidenschaft, welche Aventin dem bayerischen Landmann des Mittelalters nachsagt: „er sitze Tag und Nacht beim Wein“ scheinen auch des letzteren österreichische Stammesgenossen, Frauen wie
Männer, geteilt zu haben, denn in keinen anderen Weistümern wiederholen sich so häufig dieVorschriften über den Verkehr in den Wirtshäusern beim Wein. Und zahlreiche Stellen beweisen, dass hier
die blutigsten Streitfälle ausgefochten wurden. Besondere Aufmerksamkeit ist daher dem Waffentragen beim Wein geschenkt. Alle, die Hacken, Dolch, Schwert oder Messer mit ins Wirtshaus bringen,
sollen dieselben unter ihren Leib legen und darauf sitzen oder sie dem Wirt in Verwahrung geben. Jeder Angesessene soll, wenn er zum Wein geht, seine Haken oder Schneidemesser unter dem Gürtel
haben. Bleibt er sitzen, nachdem er für einen Pfennig Wein genossen, so soll er die Werkzeuge dem Wirt in Verwahrung geben und wenn er es nicht tut, soll sie ihm der Wirt wegnehmen und dem Gast
erst beim Verlassen des Wirtshauses wiedergeben. Hält der Gast die Waffen, um sie sich nicht wegnehmen zu lassen, unter dem Mantel verborgen, so büßt er der Herrschaft 6 Schilling und 2 Pfennige.
Textquelle: Blutrache und Totschlagsühne im deutschen Mittelalter von Paul Frauenstädt - Einblick ins Buch
Bildquelle: Waffensammlung des Herrn Stadtrat Richard Zschille in Großenhain (Sachsen) - Einblick ins Buch
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