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Ein schimpflicher Herr

In der hochdeutschen Sprache des Mittelalters bedeuteten die Worte: "Schimpf" und "schimpflicher" so viel wie Scherz und scherzhaft oder Heiterkeit und lustig. Diese Bedeutung hatten sie noch zu Ende des 16. Jahrhunderts, wo der Barfüßer Johannes Pauli im Druck ein abwechselnd scherzhaftes und ernsthaftes Buch unter dem Titel: "Schimpf und Ernst" herausgab.


Bei den alten Chronisten lesen wir: "Kaiser Rudolf I. von Habsburg hat sonderlich gerne geschimpft" - oder: "Kaiser Rudolf ist ein fröhlicher, schimpflicher Herr gewesen."


Kaltenbäck schreibt: Kaiser Rudolf I. besaß bei vielen, großen Eigenschaften auch eine reiche Ader Humor, sodass witzige Einfälle bei ihm nicht nur nichts Seltenes waren, sondern ihm auch bei anderen sehr wohl gefielen.


Einst kamen zwei Abgeordnete einer deutschen Reichsstadt an seinen Hof, die in einer wichtigen und dringenden Sache um schleunige Hilfe baten. Das erste, was dem munteren Kaiser auffiel, als sie in das Zimmer traten, war, dass der eine einen grauen Kopf und schwarzen Bart, der andere aber einen schwarzen Kopf und grauen Bart hatte. Der Kaiser, der ihr Begehren billig fand und ihnen schon im Herzen seine Unterstützung zugesagt hatte, wollte auch nebenher die Geistesgegenwart und den Witz der Gesandten auf die Probe stellen. Er gab ihnen daher zur Antwort, dass ihnen unverzüglich Hilfe werden sollte, wenn jeder von ihnen eine genügende Ursache der sonderbaren Verschiedenheit ihres Kopfes und Bartes angeben könnte.


Sie stutzten. Da sie aber des Kaisers Sinnesart schon kannten, so hätten sie ihn doch gerne auch durch eine schickliche Antwort zu ihrem Freunde gemacht. Sie baten daher, vorerst abtreten zu dürfen; und als sie Rudolf wieder rufen ließ, sagte der Graubart: "Allergnädigster Herr und Kaiser! Die Ursache, warum mein Bart grau und der Kopf schwarz ist, liegt in der großen Sorge, die ich von jeher darauf verwendet, wie ich das Maul am besten möchte unterhalten; darum bin ich früher um das Maul, als auf dem Kopf grau geworden."


Der andere aber mit dem grauen Kopf und dem schwarzen Bart gab folgende Erklärung: "Das Haar auf meinem Kopf habe ich schon mit auf die Welt gebracht, den Bart aber mir erst zwanzig Jahre nachher angeschafft. Es ist also kein Wunder, wenn mein Kopf grau ist, denn er ist zwanzig Jahre älter, als der Bart."


Der Kaiser war mit diesen Antworten zufrieden und versprach schleunige Hilfe. Die Gesandten entfernten sich beruhigt, denn sie wussten, was Rudolf versprach, war so gut wie getan.


Textquelle: Zeitspiegel: Eine chronologische Ährenlese aus der österreichischen Völker- und Staaten-Geschichte. Zur Belehrung und Erheiterung für die reifere Jugend von Joseph Alois Moshamer 1866


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